Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 30/08

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

Urteil vom 17.03.2010 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Halle (Saale) S 3 (2) KR 208/05
  • Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 30/08

 

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 30. April 2008 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 48.887,50 EUR nebst 4 % Zinsen ab 16. April 2005 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 48.897,33 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Abzug nach § 140d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus in S … Mit Schreiben vom 7. April 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr die technischen Voraussetzungen für den Abschlag für die integrierte Versorgung im Einsatz habe. Sie habe seit Beginn des Jahres Verträge zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V abgeschlossen und sei daher berechtigt, den Abschlag in Höhe von 1 % einzubehalten. Es werde gebeten, die Systeme kurzfristig umzustellen, andernfalls würden die entsprechenden Beträge automatisch durch die Beklagte gekürzt. Bereits gezahlte Rechnungen würden ab 1. Januar 2004 zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend gekürzt. Diese rückwirkende Kürzung für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 in Höhe von 1 % setzte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 2005 nebst Einzelaufstellung der Kürzungsbeträge auf 48.897,33 EUR fest. Am 23. Februar 2005 behielt die Beklagte die angekündigte Rückforderung im Verrechnungswege von einer Rechnung der Klägerin ein.

Gegen den Einbehalt zur Anschubfinanzierung zur integrierten Versorgung in Höhe von 1% für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 30. März 2005 legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2005 “Widerspruch” ein. Darin eingeschlossen sei auch der rückwirkende Abzug für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004. Nach einer Auskunft der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS, im Folgenden: Registrierungsstelle) vom 8. März 2005 ergebe sich, dass für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 ein Abzug in Höhe von maximal 0,14% zulässig wäre. Die Beklagte werde daher gebeten, den Beitragseinbehalt für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. März 2005 zu korrigieren.

Am 9. August 2005 hat die Klägerin eine Zahlungs- und eine Feststellungsklage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 48.897,33 EUR nebst 4% Verzugszinsen seit dem 24. Februar 2005 zu verurteilen, sowie festzustellen, dass die Beklagte für den Zeitraum nach dem 30. April 2004 Rechnungen der Klägerin im Hinblick auf § 140b SGB V nur insoweit kürzen dürfe, als die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich seien. Die Klägerin hat ausgeführt, ein rückwirkender Abzug sei unzulässig, da der Abzug erst im April 2004 angekündigt worden sei und die Rechnungen im ersten Quartal 2004 ohne entsprechenden Vorbehalt gezahlt worden seien. § 140d SGB V regele keinen automatischen Einbehalt, sondern stelle diesen unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit zur Umsetzung von Verträgen. Sollten entsprechende Integrationsverträge ab 1. Januar 2004 bereits existiert haben, sei der Beklagten die Möglichkeit der Einbehalte bekannt gewesen, und sie habe bewusst keinen Gebrauch davon gemacht und dadurch die Forderungen in voller Höhe anerkannt. Die Beklagte sei darüber hinaus nicht zu einem Abzug in Höhe von 1% berechtigt gewesen. Für den Zeitraum von Januar bis April 2004 gehe die Beklagte offensichtlich selbst lediglich von einem Volumen in Höhe von 0,51% aus. Dies sei aber angesichts der Angaben der Registrierungsstelle nicht nachvollziehbar. Die Beklagte sei zu ordnungsgemäßen Meldungen gegenüber der Registrierungsstelle verpflichtet. Aus den im Klageverfahren vorgelegten Verträgen zur integrierten Versorgung könne ein Abzug erst ab 1. Mai 2004 erfolgen, da es nicht auf den Vertragsbeginn, sondern auf den im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Abzugsbeginn ankomme. Der Gesetzgeber habe eine quantitative Obergrenze und keine regelmäßig anzusetzende Pauschalkürzung festgesetzt und den Krankenkassen die Beweislast für die Notwendigkeit des Einbehalts auferlegt. Ein Abzug sei nur aufgrund bereits geschlossener Verträge gerechtfertigt, Vertragsplanungen reichten nicht aus. Schließlich sei es nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, den Krankenkassen durch die Krankenhäuser ein zinsloses Darlehen bis zur Abrechnung am Schluss des Dreijahreszeitraums nach § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V zu gewähren. Die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen für die Kürzung liege allein im Verantwortungs- und Risikobereich der Beklagten. Der Zinsanspruch ergebe sich aus dem Verzug der Beklagten mit der geschuldeten Vergütung; die Zinshöhe aus § 8 der zwischen den Parteien vereinbarten Zahlungsbedingungen. Da die Klägerin die Beklagte unverzüglich nach Rechnungskürzung auf die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns hingewiesen habe, habe es keiner Mahnung bedurft.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, der Abzug sei in Höhe von 1% berechtigt gewesen. Von Januar bis April 2004 habe sie Verträge über die integrierte Versorgung abgeschlossen, die eine Abzugsquote in Höhe von 0,51% rechtfertigten. Die Beklagte hat diese Verträge mit weiteren Daten sowie dem dazu gemeldeten Prozentsatz im Einzelnen aufgelistet und dazu erklärt, sie habe insgesamt für das Jahr 2004 Verträge mit einer Quote von 1,03% geschlossen. Alle Verträge seien ordnungsgemäß der Registrierungsstelle gemeldet worden, wo sich die Klägerin entsprechend informieren könne. Die von der Klägerin eingeholte Auskunft der Registrierungsstelle sei unvollständig und der in den Meldungen angegebene Abzugsbeginn zum 1. Mai 2004 gebe lediglich den regelmäßig erfolgten automatischen Abzug nach Bereitstehen der technischen Voraussetzungen wieder. Eine Überschreitung der Ausgaben gegenüber den maximal möglichen Einbehalten sei zu erwarten gewesen und bei zweckentsprechender Verwendung der Mittel auch eingetreten. Mithin könne keinesfalls von einer zusätzlichen Finanzreserve oder einer Kreditierung ausgegangen werden. Die Verträge seien bereits vor dem Jahre 2004 geplant worden. Am Ende des Dreijahreszeitraums erfolge eine Abrechnung mit der Verpflichtung, nicht aufgebrauchte Mittel wieder auszuzahlen. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Krankenkassen nur Mittel zur Finanzierung bereits abgeschlossener Verträge einbehalten dürften. Der gesetzgeberische Zweck, durch die Anschubfinanzierung einen Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen zu schaffen, könne nur verwirklicht werden, wenn die Verträge im Zeitpunkt des vorläufigen Einbehaltes noch nicht geschlossen seien. Schließlich handele es sich auch bei den gegenüber der Registrierungsstelle gemeldeten Quoten lediglich um geschätzte bzw. geplante Angaben. Dementsprechend habe auch das Landessozialgericht Brandenburg (Beschl. v. 1. November 2004 – L 5 B 105/04 KA ER) entschieden, dass ein Abzug unabhängig davon vorgenommen werden könne, ob die Kasse einen Integrationsvertrag bereits geschlossen habe, welche Kosten im Rahmen der integrierten Versorgung entstanden seien oder erwartet würden bzw. ob die Kasse überhaupt plane, einen Vertrag in diesem Bereich abzuschließen. Seitens der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sei eine im Zeitablauf gleichbleibende Abzugsquote mit einer vertretbaren Depotbildung empfohlen worden, da dies wegen der besseren Transparenz und Kalkulierbarkeit für die Leistungserbringer gegenüber kurzfristigen Schwankungen der Abzugsquote mit einer kumulierten Nachbelastung bzw. einem unterjährigen Abzug von über 1% vorzuziehen sei. Der Gesetzeswortlaut schließe auch einen rückwirkenden Abzug nicht aus. Art und Weise und insbesondere auch der Zeitpunkt des Einbehaltes sei vom Gesetzgeber nicht im Einzelnen festgelegt worden. Der Einbehalt sei wegen zunächst fehlender technischer Voraussetzungen nachträglich erfolgt und mit Schreiben vom 7. April 2004 auch ausdrücklich vorbehalten worden. Der Gesetzgeber habe die Krankenkassen ohne Ermessen zum Einbehalt der Mittel gesetzlich verpflichtet. Die Klägerin habe daher mit dem Einbehalt rechnen müssen, Vertrauensschutz sei nicht entstanden. Hinsichtlich des Zinsanspruches fehle es an einer entsprechenden Mahnung. Der Hinweis der Klägerin, dass sie die Rechnungskürzung der Beklagten für unrechtmäßig halte, enthalte keine ausdrückliche Zahlungsaufforderung und daher keine verzugsbegründende Mahnung.

Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 30. April 2008 sowohl die Zahlungs- als auch die Feststellungsklage abgewiesen. Der Feststellungsantrag sei im Hinblick auf die vielfältigen Möglichkeiten des Abschlusses solcher Verträge zu unbestimmt. Daher fehle es an einem Feststellungsinteresse. Im Übrigen sei dieser Antrag wie die Zahlungsklage auch als unbegründet abzuweisen. Hierzu ist ausgeführt, die Beklagte sei im Februar 2005 zu einem rückwirkenden Abzug der zunächst beglichenen Rechnungen berechtigt gewesen. § 140d Abs. 1 SGB V beschränke die Möglichkeit des Einbehaltes nicht auf abrechnungstechnisch noch nicht abgeschlossene Zeiträume. Ein rückwirkender Abzug verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten, da ihr die Mittel durch den verspäteten Abzug länger zur Verfügung gestanden hätten. Für die ohne rechtlichen Grund erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2004 bestehe auch ein Rückforderungsanspruch nach §§ 812, 818 BGB. Dem stehe die Regelung des § 814 BGB nicht entgegen, da eine Rückforderung trotz Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes dann in Betracht komme, wenn der Empfänger nicht darauf habe vertrauen dürfen, die Leistungen behalten zu dürfen und der Leistungsempfänger wusste, dass der Leistende nicht zur Zahlung berechtigt ist. Der Klägerin hätten die zum 1. Januar 2004 eintretenden gesetzlichen Änderungen bekannt sein müssen. Zur Vermeidung zusätzlicher Zinsbelastungen sei die Beklagte zunächst zur vollen Zahlung verpflichtet gewesen, so dass eine Leistung unter Druck erfolgt sei, was eine Berufung auf § 814 BGB ausschließe. Seit 7. April 2004 habe außerdem ein Vorbehalt vorgelegen. Die Beklagte sei auch zum Abzug in Höhe von 1% berechtigt gewesen, da sie Mittel in Höhe der tatsächlich im gleichen Jahr beabsichtigten Vertragsabschlüsse zur integrierten Versorgung einbehalten dürfe. Dies seien ab 1. Juli 2004 1,03% gewesen. Dies ergebe sich aus der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V, nach welcher nicht verbrauchte Beträge ggf. zu erstatten seien. Es könne nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sein, die Prüfung, ob ein Vertrag nach § 140b SGB V vorliege, schon zum Zeitpunkt des Einbehaltes vorzunehmen und dann nochmals im Rahmen der Abschlussüberprüfung nach § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V. Den Krankenkassen verbleibe im Hinblick auf den Einbehalt eine Einschätzungsprärogative. Die Höhe des Einbehaltes sei auch nicht von der Meldung an die Registrierungsstelle abhängig.

Gegen das der Klägerin am 11. Juni 2008 zugestellte Urteil hat diese noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Mit der Berufung hat die Klägerin lediglich den Zahlungsantrag weiter verfolgt. Nach der weit überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung komme es auf das Vorhandensein konkreter Vertragsabschlüsse an, allein die Absicht eines Vertragsabschlusses sei nicht ausreichend. Zudem sei das Sozialgericht nicht von der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu gefassten Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V ausgegangen, nach der eine Abschlussprüfung nur noch bezüglich der Mittel erfolge, die in den Jahren 2007 oder 2008 einbehalten worden seien. Das Gericht habe daher eine nicht mehr bestehende Rechtslage zugrunde gelegt. Die Änderung der Gesetzeslage zwinge dazu, die Zulässigkeit bereits zum Zeitpunkt der Einbehaltung und nicht erst später zu prüfen. Da der Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich von “geschlossenen Verträgen” spreche, reichten beabsichtigte Verträge nicht aus. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei nicht zulässig. Durch die Schaffung einer gemeinsamen Registrierungsstelle und aufgrund der hierzu beschlossenen Regelungen der Spitzenverbände sei von einer Selbstbindung der Krankenkassen auszugehen. Die Zahlungen der Rechnungen sei nicht unter Druck, sondern aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen erfolgt. Schließlich habe sich das Sozialgericht nicht mit der Argumentation der Klägerin auseinandergesetzt, die in Rede stehenden Verträge seien keine Verträge zur integrierten Versorgung. Hierzu seien die nur auszugsweise vorliegenden Verträge vollständig offen zu legen, da die Meldungen an die Registrierungsstelle nicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbehalte ausreichten. Außerdem gehe die Beklagte von einem gemeldeten Prozentsatz ab 1. April 2004 in Höhe von 0,51% aus, während nach einer Auskunft der Registrierungsstelle bis zum 30. April 2008 lediglich ein Prozentsatz von 0,21% gemeldet gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 30. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 48.887,50 EUR nebst 4% Zinsen seit 16. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass nach den nunmehr vorliegenden Zahlen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 feststehe, dass die in diesen Jahren einbehaltenen Mittel vollständig für die Umsetzung der abgeschlossenen Integrationsverträge verwandt worden seien. Die aufgewandten Mittel zur Umsetzung der Integrationsverträge hätten sogar die Summe der zur Anschubfinanzierung einbehaltenen Mittel überstiegen. Weitergehende Voraussetzungen ergäben sich auch nicht aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2008. Die Beklagte habe sämtliche von ihr geschlossenen Verträge ordnungsgemäß gegenüber der BQS gemeldet. Eine generelle Verpflichtung zur Offenlegung der Verträge gegenüber der Klägerin sei weder gesetzlich noch nach der Rechtsprechung vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist form- und fristgesetzt eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R; Urt. v. 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 KR R; B 3 KN 1/08 KR R; Urt. v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R zitiert nach juris; stRspr.).

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, da die Beklagte nicht berechtigt war, von der Sammelrechnung der Klägerin im Februar 2005 einen Betrag von 48.897,33 EUR einzubehalten. Unstreitig stand der Klägerin der mit der Sammelrechnung im Februar 2005 geltend gemachte Betrag aufgrund der von ihr erbrachten Leistungen zu. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005. Da es in Sachsen-Anhalt im betroffenen Zeitraum keine näheren vertraglichen Regelungen im Sinne vom § 112 Abs. 2 SGB V gab, ist auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (vgl. BSG Urt. v. 13. Mai 2004 –B 3 KR 18/03 R- BSGE 92, 300 Rd.-Nr. 9 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).

Die Beklagte war nicht berechtigt, hiervon einen Betrag in Höhe von 48.897,33 EUR für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Abzug zu bringen. Nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) hat jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu 1 vom Hundert von der nach § 85 Abs. 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind.

Bei dem am 23. Februar 2005 von der Sammelrechnung einbehaltenen Betrag in Höhe von 48.897,33 EUR handelt es sich nicht um einen Einbehalt zur Förderung der integrierten Versorgung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in Höhe von 1 % des Betrages der genannten Sammelrechnung. Vielmehr hat die Beklagte mit ihren Schreiben vom 7. April 2004 und vom 11. Februar 2005 deutlich gemacht, dass es sich bei dem einbehaltenen Gesamtbetrag um 1 % der Rechnungsbeträge für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 handelt. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Daher hat die Beklagte im Februar 2005 eine ihr vermeintlich zustehende Rückforderung bereits gezahlter Rechnungsbeträge für Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar bis 30. April 2004 gegen die Forderung der Klägerin aus der Sammelrechnung aufgerechnet. Zu dieser Aufrechnung war die Beklagte nicht berechtigt. Die Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung stand ihr weder nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V (hierzu 1.) noch nach §§ 812 ff. BGB oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften (hierzu 2.) zu.

1. Ein Anspruch auf Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge ergibt sich nicht aus § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V.

a) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist ein Einbehalt nur gerechtfertigt, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V “geschlossenen Verträgen” erforderlich sind. Nach dem Wortlaut reichen somit geplante Verträge, angebahnte oder anderweitige vorbereitete und vorgesehene Verträge für einen Einbehalt nicht aus, auch wenn sich der Vertragsabschluss schon weitgehend konkretisiert hat (BSG, Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R, RdNr. 12; B 6 KA 5/07 R, RdNr. 15, zitiert nach juris; Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630; Dahm, MedR 2005, 121, 122; Baumann in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar, 2008, SGB V, § 140d RdNr. 20 f., 36 ff.; Hess in Kasseler Kommentar, § 140d SGB V Rd.-Nr. 4; a. A. Beule, GesR 2004, 209, 213; LSG Brandenburg, Beschl. v. 01.11.2004 – L 5 B 105/04 KA ER – MedR 2005, 62; vgl. jetzt aber LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.09.2009 – L 9 KR 470/08, wonach der Einbehalt nur aufgrund eines Vertrages der integrierten Versorgung erfolgen darf).

Die bis zum 30. April 2004 tatsächlich abgeschlossenen Verträge rechtfertigten auch nach dem Vorbringen der Beklagten noch keinen Einbehalt von 1 %. Vielmehr lag am 1. Januar 2004 erst ein abgeschlossener Vertrag vor, zu dessen Umsetzung nach Einschätzung der Beklagten ein Einbehalt von 0,14 % erforderlich gewesen wäre. Mit Vertragsbeginn vom 1. Februar 2004 kam ein weiterer Vertrag hinzu, für den ein Prozentsatz in Höhe von 0,07 gemeldet war und ab 1. April 2004 nochmals zwei weitere Verträge mit gemeldeten Abzugsquoten von 0,19 % und 0,11 %. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift durfte die Beklagte – unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen – daher von den Rechnungen der Klägerin im Januar 2004 allenfalls 0,14 %, ab Februar 2004 0,21 % und ab April 2004 0,51 % einbehalten, und dies auch nur, wenn sie bei der Berechnung der Abzugsquoten jeweils den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum eingehalten hat und es sich bei den Verträgen, auf die sie sich stützt, um solche der integrierten Versorgung handelt.

b) Des Weiteren wird nach dem Wortlaut des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V das “Einbehalten” von Mitteln bis zu 1 % von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung geregelt. Nachdem die Beklagte die Rechnungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2004 bereits vollständig beglichen hatte, konnte sie davon keine Mittel mehr einbehalten. Sind aber entgegen der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V keine entsprechenden Mittel “einbehalten” worden, gibt das Gesetz keine Rechtsgrundlage für eine nachträgliche Kürzung, Aufrechung, Rückforderung o. ä. Verfahrensweise. Der Gesetzgeber wollte durch die gewählte Formulierung “( ) Mittel bis zu 1 vom Hundert ( ) von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten;” den Krankenkassen keinen selbständigen (Gegen)Anspruch einräumen, der sich nur rechnerisch nach der Höhe der Krankenhausrechnung richtet, ansonsten aber als eigener Anspruch selbständig und unabhängig von der Krankenhausrechnung durchgesetzt werden könnte. Ausgehend von Wortstamm und Wortbedeutung des Begriffs “einbehalten” ist eine deutliche Verwandtschaft und Nähe zu dem im Rechtsverkehr gebräuchlichen Begriff “zurückbehalten” erkennbar. Der Schuldner kann jedoch nur behalten, was er noch hat (zum Zurückbehaltungsrecht vgl. Bittner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 273 RdNr. 126). Dies gilt für das Einbehalten ebenso wie für das Zurückbehalten. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist daher ausgeschlossen, wenn der Schuldner seine Leistung bereits bewirkt hat – unabhängig davon, ob dies zur Abwendung der Zwangsvollstreckung oder in Unkenntnis der Einredemöglichkeit geschah – oder wenn er den Besitz an der zurückzubehaltenden Sache zufällig und ohne seinen Willen an den Gläubiger verloren hat. Der Schuldner kann das in Unkenntnis der Einredemöglichkeit Geleistete auch nicht nach §§ 812, 813 Abs. 1 BGB zurückfordern (vgl. hierzu Bittner in Staudinger a.a.O.).

Es erscheint sachgerecht, den Begriff des Einbehaltens in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V ebenfalls in diesem Sinne auszulegen. Hierfür spricht nicht nur die Wortverwandtschaft, sondern auch die gesetzliche Systematik. Während die Aufrechnung schuldtilgend wirkt, gibt das Zurückbehaltungsrecht dem Schuldner keine dauernde, sondern nur eine zeitlich begrenzte Einrede, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (vgl. § 273 BGB). Aus der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V wird ebenfalls deutlich, dass der zur Anschubfinanzierung einbehaltene Betrag den Krankenkassen mit dem Einbehalt noch nicht endgültig zusteht, denn er ist nach dieser Vorschrift wieder auszuzahlen, soweit er innerhalb von drei Jahren nicht für die Zwecke nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V verwendet worden ist. Hieran hat sich grundsätzlich auch durch die zum 1. Januar 2007 wirksam gewordene Änderung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V nichts geändert, nach der die Auszahlungsverpflichtung von einbehaltenen, aber nicht verwendeten Mitteln rückwirkend auf die in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen Mittel beschränkt wurde. Eine endgültige Abrechnung findet erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums statt. Erst dann steht fest, inwieweit der Krankenkasse die einbehaltenen Mittel tatsächlich und endgültig zustehen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Begriff des “Einbehaltens” bewusst in Anlehnung an den Begriff des “Zurückbehaltens” gewählt hat.

c) Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift ist weder zugunsten eines bereits für geplante Verträge zulässigen Einbehalts noch hinsichtlich eines Rückzahlungsanspruchs im Falle unterbliebener Einbehalte gerechtfertigt.

aa) Die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V erlaubt bzw. verlangt eine Kürzung der Krankenhausrechnungen. Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser ist gesetzlich normiert (vgl. §§ 109 Abs. 4 Satz 3, 112 SGB V) und durch vertragliche Vereinbarungen im Einzelnen ausgestaltet. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus den Rechnungen für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 ist unstreitig und basiert – ebenso wie der oben genannte Vergütungsanspruch aus der Sammelrechnung – auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegsatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004. Die Klägerin hat Leistungen erbracht, für die sie die vereinbarte Vergütung erwarten kann. Ein Eingriff in diesen gesetzlich garantierten Anspruch bedarf grundsätzlich einer eindeutigen Rechtsgrundlage.

bb) Eine den Gesetzeswortlaut überschreitende Auslegung ist auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und der Begründung des Gesetzgebers nicht geboten. Der Gesetzgeber hat die Vergütung von Leistungen der stationären Regelversorgung durch die Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V aus dem Anwendungsbereich der integrierten Versorgung ausgeklammert. Krankenhäuser können daher zwar an einer integrierten Versorgung teilnehmen, ihre Leistungen werden aber nach § 140d Abs. 4 SGB V im Rahmen der Verträge zur integrierten Versorgung nur finanziert, wenn sie über die im Gesamtbetrag nach den §§ 3 und 4 des Krankenhausentgeltgesetzes oder dem § 6 der Bundespflegsatzverordnung enthaltenen Leistungen hinaus vereinbart werden (vgl. Baumbach in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140d RdNr. 63 ff). Die Krankenhäuser können daher allenfalls in einem geringen Umfang von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren, werden aber im gleichen Maße wie die Kassenärztliche Vereinigung zur Anschubfinanzierung herangezogen.

Ferner dient die Anschubfinanzierung nach § 140d SBG V auch der Vermeidung einer Doppelvergütung (vgl. hierzu Quaas, Das Krankenhaus 2005, 967, 972). Vorrangiges gesetzgeberisches Ziel ist die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung, da der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnen wollte, durch Berücksichtigung und Anerkennung des erheblichen Entwicklungs- und Förderungsbedarfs leistungsorientierter integrierter Versorgungs- und Vergütungssysteme zur Überwindung von faktischen Hemmnissen und Defiziten auch finanzielle Mittel einzusetzen. Daher wurde für die Startphase der integrierten Versorgung sogar der Grundsatz der Beitragsstabilität ausgesetzt (vgl. Gesetzesbegründung GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks. 15/1525, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB V, Bd. 5 Materialien, M 15, S. 125, 126). Im Bereich der ambulanten Versorgung kommt es aber aufgrund der vorgegebenen Vergütungsstrukturen zunächst zu einer Doppelvergütung durch die Krankenkasse, die durch die Anschubfinanzierung zum Teil aufgefangen wird. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vergütet die Krankenkasse nicht einzelne vertragsärztliche Leistungen, sondern entrichtet nach § 85 Abs. 1 SGB V mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung, die diese nach § 85 Abs. 4 SGB V an die Vertragsärzte verteilt. Solange die Krankenkasse die Gesamtvergütung in voller Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichten hat, wird sie durch die Vergütung, die sie aus den Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c SGB V zu leisten hat, in voller Höhe zusätzlich und – abgesehen von Leistungen, die in der Regelversorgung nicht enthalten sind – auch doppelt belastet. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 140d Abs. 2 SGB V die Bereinigung der Gesamtvergütungen entsprechend der Zahl der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten sowie dem im Vertrag nach § 140a SGB V vereinbarten Versorgungsauftrag geregelt, wenn die zur Förderung der integrierten Versorgung einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der Verträge nicht ausreichen. Es ist davon auszugehen, dass ambulante ärztliche Leistungen in dem Umfang, in dem sie aufgrund von Verträgen zur integrierten Versorgung erbracht und auch vergütet werden, im Rahmen der Regelversorgung nicht mehr zu erbringen und daher auch von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr zu vergüten sind. Die Krankenkasse erbringt dann – zumindest bis zu der erst nachträglich erfolgenden Bereinigung der Gesamtvergütung – in diesem Bereich eine doppelte Vergütung. Durch den schon mit dem Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung vorzunehmenden Einbehalt von bis zu 1 % der an die Kassenärztliche Vereinigung zur entrichtenden Gesamtvergütung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V wird ein Teil des Ausgleichs für diese doppelte Vergütung auf der Grundlage einer sachgerechten Schätzung in die Zeit vorverlegt, zu der die doppelte Belastung anfällt.

Im Bereich der Vergütung stationärer Behandlungen liegen die Verhältnisse demgegenüber gänzlich anders. Vergütungen an Krankenhäuser werden im Rahmen der Regelversorgung nicht über Gesamtvergütungen erbracht, sondern einzeln abgerechnet. Da stationäre Leistungen entweder nur in der bisherigen Regelversorgung oder aber aufgrund einer integrierten Versorgungsform vergütet werden, kann es durch den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung nicht zu Doppelvergütungen kommen. Nach § 140d Abs. 4 SGB V werden mit der im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V mit den Krankenhäusern zu vereinbarenden Vergütung außerdem nur über die Regelversorgung hinausgehende Leistungen finanziert. Auch dies verhindert eine doppelte Vergütung derselben Leistung. Eine nachträgliche Kürzung der Krankenhausrechnungen ist daher nicht notwendig und deshalb auch nicht im Gesetz geregelt. Eine Rechnungskürzung zugunsten der Anschubfinanzierung um bis zu 1 % bedeutet für die Krankenhäuser einen Eingriff in den durch die entsprechende Leistungserbringung erworbenen Vergütungsanspruch, dem keine Kompensation in Form anderweitiger Vergütungsansprüche gegenüber steht. Dennoch hielt der Gesetzgeber es für gerechtfertigt, die Krankenhäuser an der Anschubfinanzierung zu beteiligen. Dies mag im Hinblick darauf, dass sich durch die Möglichkeiten der integrierten Versorgung auch das Leistungsspektrum für die Krankenhäuser erweitert, auch gerechtfertigt sein, selbst wenn die Krankenhäuser aufgrund der Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V nicht in dem Maße wie die Vertragsärzte von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren können. Aus diesen Gründen darf die Belastung der Krankenhäuser durch die Anschubfinanzierung nur in dem gesetzlich eindeutig geregelten Umfang erfolgen.

cc) Dieser Lösung steht die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) nicht entgegen (so aber Beule, GesR 2004, 209, 213). Danach sind Mittel, die nicht innerhalb von drei Jahren zur Umsetzung von Verträgen zur integrierten Versorgung verwendet worden sind, an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die sich aus dieser Regelung ergebende Auszahlungsverpflichtung von einbehaltenen, aber nicht verwendeten Mitteln seit einer zum 1. Januar 2007 wirksam gewordenen Gesetzesänderung nunmehr auf die in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen Mittel beschränkt ist. Für die hier umstrittenen Beträge aus Rechnungen des Jahres 2004, die im Jahre 2005 durch Aufrechnung geltend gemacht wurden, musste daher keine abschließende Abrechnung nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen, und die Beklagte wäre auch dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet gewesen, wenn die einbehaltenen Mittel nicht aufgebraucht worden wären.

Aber auch dem Argument der Beklagten, die Rückzahlungsverpflichtung nach § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V ergebe nur dann einen Sinn, wenn die Krankenkassen durch den Einbehalt auch für bereits geplante Verträge Finanzreserven bzw. Überschüsse aufbauen könnten, die eine Rückzahlung ggf. erst ermöglichen, ist nicht zu folgen (so auch Beule, GesR 2004, 209, 213). Aufgrund der Ungewissheit der Zahl sich einschreibender Versicherter kann auch bei bereits abgeschlossenen Verträgen der einzubehaltende Anteil nicht exakt berechnet, sondern nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Wird die Zahl der teilnehmenden Versicherten überschätzt, kann es dazu kommen, dass die einbehaltenen Mittel nicht vollständig zur Umsetzung der geschlossenen Verträge verwendet werden (vgl. Baumann in Schlegel/Voelzke, a.a.O. § 140d Rd.-Nr. 23).

Auch wenn die Formulierung in der Gesetzesbegründung “Mit der Verpflichtung, nicht aufgebrauchte Mittel wieder auszubezahlen, wird der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen verstärkt. Zudem wird damit ausgeschlossen, dass die Krankenkasse die Mittel ohne “Gegenleistung” einbehalten kann.” (vgl. Gesetzesbegründung GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks. 15/1525, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB V, Bd. 5 Materialien, M 15, S. 127), für die Auffassung der Beklagten spricht, so hat dies jedoch keinen Eingang in die Gesetzesfassung gefunden. Schließlich wird der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen auch tatsächlich nicht durch die Rückzahlungsverpflichtung verstärkt, sondern in erster Linie durch die Möglichkeit des Einbehaltes, die an die Erforderlichkeit der Mittel zur Umsetzung der abgeschlossenen Verträge geknüpft ist.

2. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge ergibt sich auch nicht aus §§ 812 ff. BGB oder einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften.

Die oben dargelegte Bedeutung des Begriffs “einbehalten” schließt einen Rückforderungsanspruch wegen versehentlich oder – wie hier – aufgrund von technischen Problemen unterbliebener Einbehalte aus, so dass sich bereits deshalb die Anwendung der §§ 812 ff. BGB und erst recht eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften verbietet.

Aber auch bei der gegenteiligen Auslegung des Begriffs “einbehalten” hätte die Beklagte keinen Anspruch auf Rückforderung von 1% der gezahlten Rechnungsbeträge. Denn die vollständige Vergütung der Rechnungen des Krankenhauses erfolgt auf der Grundlage der gesetzlichen und vertraglichen Vergütungsregelungen und daher nicht “ohne Rechtsgrund”, solange ein Einbehalt nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausgeübt wird. Unabhängig davon, ob der Einbehalt – wie nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Dahm, MedR 2005, S. 121, 122 sowie Baumann in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140d Rd.-Ziff. 61) – durch Verwaltungsakt auszuüben ist oder ob wegen des Gleichordnungsverhältnisses der Parteien eine Regelung durch Verwaltungsakt ausgeschlossen ist (so st. Rspr. d. BSG, vgl. nur Urt. v. 21.08.1996 – 3 RK 2/96; Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; sowie Urteile v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R, jeweils zitiert nach juris), setzt das Einbehalten jedenfalls eine entsprechende Erklärung bzw. einen Zahlungsvorbehalt der Krankenkasse voraus. Bei einer Regelung durch Verwaltungsakt wäre das Krankenhaus sogar vor dem Einbehalt noch nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) anzuhören. Da § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V die Krankenkasse innerhalb bestimmter Grenzen (bis zu 1%) und unter bestimmten Voraussetzungen (soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind) zu einer einseitigen Leistungsbestimmung ermächtigt, setzt ein solches nach billigem Ermessen auszuübendes Leistungsbestimmungsrecht analog § 315 Abs. 2 BGB die Abgabe einer entsprechenden empfangsbedürftigen Erklärung gegenüber dem anderen Teil voraus, die den Leistungsinhalt konkretisiert.

Frühestens das Schreiben der Beklagten vom 7. April 2004 kann als Verwaltungsakt zur Ausübung des Einbehaltes oder als entsprechende Erklärung zur Konkretisierung des Leistungsbestimmungsrechts oder als Zahlungsvorbehalt qualifiziert werden. Zu einem früheren Zeitpunkt ist keine – auch keine konkludente – Entscheidung der Beklagten zu dem Einbehalt erkennbar.

Der Einbehalt steht der Beklagten aber auch nicht ab dem Zugang dieses Schreibens zu, da sie bei dem ihr im Rahmen des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Ermessen bei der Festlegung der Höhe des Einbehaltes (bis zu 1 %) von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Bei der für die Frage, inwieweit Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind, von der Krankenkasse anzustellenden Prognose (z.B. bzgl. der Anzahl der teilnehmenden Versicherten) hat sie sich nicht nur auf die bereits geschlossenen Verträge gestützt, sondern rechtswidrig alle Vertragsplanungen für das Jahr 2004 in die Beurteilung einbezogen. Hierbei handelt es sich um einen Fall des Ermessensfehlgebrauchs mit der Folge, dass die auf einem unrichtigen Sachverhalt beruhende Prognoseentscheidung rechtswidrig ist. Die Prognoseentscheidung ist aber allein Sache der Krankenkasse und kann nicht von den Gerichten ersetzt oder nachträglich durch Einfügen eines richtigen Sachverhaltes auf das noch zulässige Maß reduziert werden. Dem entsprechend ist auch zivilrechtlich eine einseitige Leistungsbestimmung unwirksam, wenn der zur Leistungsbestimmung Berechtigte von dem vertraglich festgelegten Vorgehen grundsätzlich abweicht (BGH NJW RR 90, 28; vgl. auch Palandt, BGB, 65. Auflage, 2006 § 315 RdNr. 11), sodass auch zivilrechtlich eine Reduzierung auf die gesetzlich gerade noch gerechtfertigte Abzugsquote ausscheidet. Aus diesen Gründen hat die Beklagte auch keinen rechtmäßigen Vorbehalt erklärt, sodass eine Rückforderung der bereits vollständig gezahlten Rechnungsbeträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.

3. Ein Zinsanspruch der Klägerin ist jedoch erst ab 16. April 2005 gegeben. Ein Anspruch auf Zinsen setzt nach § 8 der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005 eine Mahnung voraus. Eine solche liegt in dem Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 13. April 2005, weil die Klägerin damit deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die volle Zahlung der Rechnungen verlange und hierfür sogar eine Frist gesetzt hat. Die Androhung von Folgen ist für eine Mahnung nicht erforderlich (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 286 Rd.-Nr. 17). Entsprechend § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) kann von einem Zugang dieses Schreibens am dritten Tag nach Absendung, mithin am 16. April 2005 ausgegangen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die geringfügige Klageabweisung hinsichtlich der Zinsen vom 24. Februar 2005 bis zum 15. April 2005 war bei der Kostenfolge nicht zu berücksichtigen.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die in mehreren Streitfällen noch anhängige Rechtsfrage, wie der Begriff des “Einbehaltens” in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V auszulegen ist und ob der Einbehalt nachträglich geltend gemacht werden kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).