Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 8/06

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

Urteil vom 11.05.2010 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Halle (Saale) S 1 KR 574/04
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 8/06

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 16,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Abzug einer Krankenhausrechnung nach § 140 d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus in H … Mit Schreiben vom 7. April 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die technischen Voraussetzungen für den einprozentigen Abzug für die integrierte Versorgung lägen nun vor. Sie habe seit Beginn des Jahres Verträge zur integrierten Versorgung nach § 140 a SGB V abgeschlossen und sei daher berechtigt, ein Prozent von jeder Krankenhausabrechnung einzubehalten. Es werde gebeten, die Systeme entsprechend kurzfristig umzustellen, da sonst der abzugsfähige Betrag automatisch durch sie gekürzt werde.

Der bei der Beklagten versicherte K. befand sich in der Zeit vom 3. Mai bis 8. Mai 2004 bei der Klägerin in stationärer Behandlung. Hierfür erstellte diese am 18. Mai 2004 gegenüber der Beklagten eine Rechnung in einem Gesamtumfang von 3.320,07 EUR (Rechnungsnummer 759147). Die Beklagte zahlte diesen Rechnungsbetrag, nahm jedoch einen Abzug zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in einer Höhe von 32,85 EUR vor.

In einem Schreiben vom 16. August 2004 rügte die Klägerin diese Kürzung und machte geltend: Der vorgenommene Einbehalt sei zu hoch und unrechtmäßig. Nach der Auskunft der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) habe die Beklagte lediglich ein Vergütungsvolumen von 0,4% an abgeschlossenen Verträgen zur integrierten Versorgung erreicht und dürfe die Rechnung daher nur in Höhe dieser Quote kürzen. Mit Schreiben vom 2. September 2004 verteidigte die Beklagte nochmals ihre Vorgehensweise.

Am 2. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und zunächst beantragt, die Beklagte zu einer Zahlung von 19,07 EUR nebst 4% Zinsen ab dem 11. Juni 2004 zu verurteilen. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Zum Zeitpunkt der Rechnungslegung (Mai 2004) habe lediglich ein Abzugsvolumen an Verträgen zur integrierten Versorgung von 0,4 % vorgelegen. Die Beklagte sei daher nicht zu einem Abzug von einem Prozent berechtigt. Richtigerweise hätte die Beklagte daher nur 0,4 % von der streitigen Rechnung abziehen dürfen. Die Beklagte hat geltend gemacht: Sie sei berechtigt, einen Abzug in Höhe von einem Prozent für die Anschubfinanzierung der integrierten Vorsorgung von der streitigen Rechnung vorzunehmen, da bereits Verträge über die integrierte Versorgung abgeschlossen gewesen seien. Im Mai 2004 habe es – wie die Klägerin zutreffend vortrage – lediglich eine Meldung an die BQS in Höhe einer Vertragsquote von 0,4% gegeben. Zum Zeitpunkt der Behandlung von K. habe ein weiterer Vertrag zwischen der S.-klinik (E. Krankenhaus) und der Beklagten bestanden (Vertragsbeginn ab 1. April 2004). Die darauf bezogene Meldung durch die Beklagte sei jedoch erst am 9. Juli 2004 an die BQS vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Abrechnung der Klägerin sei daher von einer Vertragsquote von 0,51% auszugehen. Zwischenzeitlich seien noch weitere Verträge mit Vertragsbeginn zum 1. Juli 2004 abgeschlossen worden. Dabei handele es sich um einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung sowie um einen Kooperationsvertrag mit Fachärzten innerhalb der hausarztzentrierten Versorgung. Für das gesamte Jahr 2004 ergebe sich daher eine Vertragsquote von 1,03%. Gemäß § 140 d Abs. 1 Satz 5 SGB V sei die Beklagte berechtigt, ein Prozent der jeweiligen Krankenhausrechnungen einzubehalten, ohne dass es eines Nachweises bereits abgeschlossener Verträge in dieser Höhe bedürfe. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, die Krankenkassen mit entsprechenden Finanzmitteln auszustatten. Diese Rechtsauffassung werde auch durch einen Beschluss des Landessozialgerichts Brandenburg vom 1. November 2004 – L 5 B 105/04 KA ER bestätigt, dessen Begründung sich die Beklagte anschließe. Die genaue Situation der abgeschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung sei aus nachfolgender Tabelle zu ersehen:

IV-Verträge Vertragsbeginn Gemeldeter Prozentsatz

P.-klinik-S. 01.04.2004 0,19 S.-klinik (D. KH) 01.01.2004 0,14 S.-klinik (E. KH) 01.04.2004 0,11 D. 01.03.2004 0,07 Hausärzte IV 01.07.2004 0,38 Fachärzte IV 01.07.2004 0,14 Gesamt 1,03

Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 15. November 2005 die Beklagte verurteilt, von den einbehaltenen 32,85 EUR (Rechnung vom 18. Mai 2005, Rechnungsnummer 759147, Patient K.) 16,10 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Es hat die Berufung zugelassen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Rechnungslegung Verträge zur integrierten Versorgung lediglich in einem Volumen von 0,51 % abgeschlossen. Nur in dieser Höhe habe sie einen Abzug von der hier streitigen Krankenhausrechnung vornehmen dürfen. Schließlich sei nach dem Gesamtzusammenhang der §§ 140 a ff SGB V der Abzug nur auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich geschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung vorzunehmen.

Gegen das ihr am 7. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. März 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Entgegen dem gesetzlichen Wortlaut und der gesetzgeberischen Zielsetzung bestehe zugunsten der Krankenkassen die generelle Möglichkeit “bis zu” ein Prozent von Krankenhausabrechnungen zur integrierten Versorgung jeweils einzubehalten. Dies gelte unabhängig von der tatsächlich abgeschlossenen Vertragsquote. Durch die strenge Zweckbindung der einbehaltenen Mittel sei den Interessen der Krankenhäuser hinreichend Rechnung getragen. Der gegen die Krankenkasse gerichtete Vorwurf, sich eine zusätzliche Finanzreserve oder eine Kreditierung zu verschaffen, sei wegen der klaren Verwendungspflicht der Mittel unzutreffend. Die Umsetzung des Abschlusses von Verträgen zur integrierten Versorgung sei als laufender Prozess zu begreifen. Dieser sei ständigen Schwankungen unterworfen und beruhe wegen der unklaren Teilnehmerzahl der Versicherten auf einer bloßen Prognose. Wegen dieser Unsicherheiten sei es unpraktisch, zum jeweiligen Rechnungsdatum die hierfür relevante Vertragsquote heranzuziehen. Eine konkrete Abrechnung könne erst nach Abschluss des gesetzlich vorgesehenen 3-Jahres-Zeitraum konkret festgestellt werden. Die Praxis der Beklagten werde auch durch die Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gestützt. Schließlich werde darin das Registrierungsverfahren genau geregelt. An keiner Stelle finde sich dort ein Hinweis darauf, dass die Höhe des Einbehaltes von der jeweils gemeldeten Vertragsquote abhängen solle; im Übrigen beruhe die gemeldete Quote nur auf einer bloßen Schätzung.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten: Es entspreche nicht dem Gesetzeswortlaut, grundsätzlich einen Abzug von jeder Krankenhausrechnung in Höhe von einem Prozent vorzunehmen. Vielmehr dürfe nur dann höchstens ein Prozent einbehalten werden, wenn die damit erzielten Beträge auch für die integrierte Versorgung benötigt werden. Ein pauschaler Einbehalt, wie von der Beklagten offenbar gewollt, verstoße gegen das Transparenzgebot.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Urteile des BSG vom 6. Februar 2008 – B 6 KA 5/07 R und B 6 KA 27/07 R (zitiert nach juris) hingewiesen. Hiernach ergebe sich die Höhe des jeweiligen Einbehalts aus der konkreten Quote der tatsächlich geschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung. Pauschaleinbehalte der Krankenkassen seien danach nicht möglich.

Ferner hat die Beklagte nach Aufforderung des Berichterstatters auszugsweise den Hausarztvertrag vom 1. Juli 2004 (Vertragsschluss am 25. Juni 2004) sowie die Kooperationsvereinbarung zur Erbringung hochspezialisierter Leistungen als Anlage zum Hausarztvertrag (Vertragsschluss am 25. Juni 2004) zur Gerichtsakte gereicht. Am 4. Mai 2010 hat die Klägerin vorgetragen, sie bezweifle vorsorglich das Bestehen von wirksamen Verträgen zur Integrierten Versorgung, da die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Prüfung der jeweiligen Verträge nicht ausreichend seien. Der Berichterstatter hat die Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 2010 auf die rechtlichen Auswirkungen ihrer eingeschränkten Zahlungsklage hingewiesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung verurteilt.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R; Urt. v. 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 KR R; B 3 KN 1/08 KR R; Urt. v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R zitiert nach juris; stRspr.).

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, da die Beklagte nicht berechtigt war, von der Rechnung 759147 des Behandlungsfalls K. statt 16,75 EUR weitere 16,10 EUR einzubehalten. Unstreitig stand der Klägerin für die erbrachten Leistungen ein Vergütungsanspruch zu. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs für die Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Da es in Sachsen-Anhalt im betroffenen Zeitraum keine vertraglichen Regelungen i. S. von § 112 Abs. 2 SGB V gab, ist auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (vgl. BSG Urt. v. 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R – BSGE 92, 300 RdNr. 9 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).

Die Beklagte war nicht berechtigt, einen höheren Betrag als 16,75 EUR für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Abzug zu bringen und ist daher in Höhe von 16,10 EUR zur Rückzahlung verpflichtet. Nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) hat jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu 1 v. H. von der nach § 85 Abs. 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind.

Der von der Beklagten von der Rechnung 759147 einbehaltene Betrag in Höhe von 16,10 EUR ist unberechtigt. Ein Abzug von einem Prozent aus der streitigen Rechnung vom 18. Mai 2004 zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung stand ihr nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht zu, da es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.

a) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist ein Einbehalt nur gerechtfertigt, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V “geschlossenen Verträgen” erforderlich sind. Nach dem Wortlaut reichen somit geplante Verträge, angebahnte oder anderweitig vorbereitete und vorgesehene Verträge für einen Einbehalt nicht aus, auch wenn sich der Vertragsabschluss schon weitgehend konkretisiert hat (BSG, Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R, RdNr. 12; B 6 KA 5/07 R, RdNr. 15, zitiert nach juris; Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630; Dahm, MedR 2005, 121, 122; Baumann in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar, 2008, SGB V, § 140d RdNr. 20 f., 36 ff.; Hess in Kasseler Kommentar, § 140d SGB V Rd.-Nr. 4; a. A. Beule, GesR 2004, 209, 213; LSG Brandenburg, Beschl. v. 01.11.2004 – L 5 B 105/04 KA ER – MedR 2005, 62; vgl. jetzt aber LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.09.2009 – L 9 KR 470/08, wonach der Einbehalt nur aufgrund eines Vertrages der integrierten Versorgung erfolgen darf).

Die bis zum Mai 2004 tatsächlich abgeschlossenen Verträge rechtfertigten auch nach dem Vorbringen der Beklagten noch keinen Einbehalt von einem Prozent. Vielmehr lagen weder zum Behandlungsbeginn des Versicherten K. am 3. Mai 2004 noch beim Behandlungsende am 8. Mai 2004 oder auch zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung am 18. Mai 2004 abgeschlossene Verträge der Integrierten Versorgung in einem Umfang vor, die einen Abzug von einem Prozent hätten rechtfertigen können. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt kann zum Zeitpunkt Mai 2004 von abgeschlossenen Verträgen ausgegangen werden, nach denen – falls sie die Voraussetzungen für Verträge der integrierten Versorgung erfüllen – allenfalls eine Abzugsquote von 0,51 % gerechtfertigt war. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 140 d SGB V konnte die Beklagte – unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen – daher von der Rechnungen der Klägerin ab April 2004 allenfalls 0,51 % einbehalten, was einem Betrag von 16,75 EUR entsprach. Die weiteren Verträge in der zeitlichen Reihenfolge ihres Abschlusses, sei es der Hausarztvertrag vom 1. Juli 2004 oder der Kooperationsvereinbarung zur Erbringung hochspezialisierter Leistungen als Anlage zum Hausarztvertrag, sind erst am 25. Juni 2004 unterzeichnet worden und konnten daher erst ab diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfalten. Der Senat braucht keine Entscheidung darüber zu treffen, ob es in diesem Zusammenhang auf das Datum der jeweiligen Vertragsunterzeichnung oder auf den jeweils bestimmten Vertragsbeginn ankommt, da die Entscheidung dieses Falles davon nicht abhängt.

b) Auch die umstrittene Frage, ob der Begriff des “Einbehaltens” von Mitteln im Sinne des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V einen in die Vergangenheit gerichteten Abzug ermöglicht oder nicht, bedarf keiner Klärung des Senats. Schließlich hat die Beklagte keinen Abzug für einen in die Vergangenheit gerichteten Zeitraum vorgenommen, sondern eine von der Klägerin gestellte Rechnung wegen eines behaupteten Gegenrechts nicht vollständig bezahlt (vgl. dazu z.B. das Urteil des Senats vom 19. März 2010 im Verfahren L 4 KR 22/07).

c) Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift, auch lediglich geplante oder erwartete Integrationsverträge einzubeziehen, ist nicht gerechtfertigt.

aa) Die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V erlaubt bzw. verlangt eine Kürzung der Krankenhausrechnungen. Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser ist gesetzlich normiert (vgl. §§ 109 Abs. 4 Satz 3, 112 SGB V) und durch vertragliche Vereinbarungen im Einzelnen ausgestaltet. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Rechnung vom 18. Mai 2004 ist unstreitig und rechtfertigt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegsatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004. Die Klägerin hat Leistungen erbracht, für die sie die vereinbarte Vergütung erwarten kann. Eine Kürzung dieses Vergütungsanspruchs auf einer gesetzlich garantierten Anspruchgrundlage bedarf daher einer eindeutigen Rechtsgrundlage.

bb) Die Annahme der Beklagten, sie könne von jeder Rechnung pauschal und unabhängig von der jeweiligen Quote von Verträgen zur integrierten Versorgung jeweils ein Prozent abziehen, steht nicht mit dem Gesetz in Einklang. Eine den Gesetzeswortlaut überschreitende Auslegung – wie sie von der Beklagten vertreten wird – ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und der Begründung des Gesetzgebers nicht geboten. Der Gesetzgeber hat die Vergütung von Leistungen der stationären Regelversorgung durch die Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V aus dem Anwendungsbereich der integrierten Versorgung ausgeklammert. Krankenhäuser können daher zwar an einer integrierten Versorgung teilnehmen, ihre Leistungen werden aber nach § 140d Abs. 4 SGB V im Rahmen der Verträge zur integrierten Versorgung nur finanziert, wenn sie über die im Gesamtbetrag nach den §§ 3 und 4 des Krankenhausentgeltgesetzes oder § 6 der Bundespflegsatzverordnung enthaltenen Leistungen hinaus vereinbart werden (vgl. Baumbach in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140d RdNr. 63 ff.). Die Krankenhäuser können daher allenfalls in einem geringen Umfang von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren, werden aber im gleichen Maße wie die Kassenärztliche Vereinigung zur Anschubfinanzierung herangezogen.

Ferner dient die Anschubfinanzierung nach § 140d SBG V auch der Vermeidung einer Doppelvergütung (vgl. hierzu Quaas, Das Krankenhaus 2005, 967, 972). Vorrangiges gesetzgeberisches Ziel ist die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung. Mit dem Gesetz wollte der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnen, durch Berücksichtigung und Anerkennung des erheblichen Entwicklungs- und Förderungsbedarfs leistungsorientierter integrierter Versorgungs- und Vergütungssysteme zur Überwindung von faktischen Hemmnissen und Defiziten auch finanzielle Mittel einzusetzen. Dies setzt jedoch einen tatsächlichen Finanzbedarf voraus, der durch jeweils geschlossene Verträge auch konkret zu belegen ist. Daher wurde für die Startphase der integrierten Versorgung sogar der Grundsatz der Beitragsstabilität ausgesetzt (vgl. Gesetzesbegründung GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks. 15/1525, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB V, Bd. 5 Materialien, M 15, S. 125, 126). Im Bereich der ambulanten Versorgung kommt es aber aufgrund der vorgegebenen Vergütungsstrukturen zunächst zu einer Doppelvergütung durch die Krankenkasse, die durch die Anschubfinanzierung zum Teil aufgefangen wird. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vergütet die Krankenkasse nicht einzelne vertragsärztliche Leistungen, sondern entrichtet nach § 85 Abs. 1 SGB V mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung, die diese nach § 85 Abs. 4 SGB V an die Vertragsärzte verteilt. Solange die Krankenkasse die Gesamtvergütung in voller Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichten hat, wird sie durch die Vergütung, die sie aus den Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c SGB V zu leisten hat, in voller Höhe zusätzlich und – abgesehen von Leistungen, die in der Regelversorgung nicht enthalten sind – auch doppelt belastet. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 140d Abs. 2 SGB V die Bereinigung der Gesamtvergütungen entsprechend der Zahl der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten sowie dem im Vertrag nach § 140a SGB V vereinbarten Versorgungsauftrag geregelt, wenn die zur Förderung der integrierten Versorgung einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der Verträge nicht ausreichen. Es ist davon auszugehen, dass ambulante ärztliche Leistungen in dem Umfang, in dem sie aufgrund von Verträgen zur integrierten Versorgung erbracht und auch vergütet werden, im Rahmen der Regelversorgung nicht mehr zu erbringen und daher auch von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr zu vergüten sind. Die Krankenkasse erbringt dann – zumindest bis zu der erst nachträglich erfolgenden Bereinigung der Gesamtvergütung – in diesem Bereich eine doppelte Vergütung. Durch den schon mit dem Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung vorzunehmenden Einbehalt von bis zu einem Prozent der an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V wird ein Teil des Ausgleichs für diese doppelte Vergütung auf der Grundlage einer sachgerechten Schätzung in die Zeit vorverlegt, zu der die doppelte Belastung anfällt.

Im Bereich der Vergütung stationärer Behandlungen liegen die Verhältnisse demgegenüber gänzlich anders. Vergütungen an Krankenhäuser werden im Rahmen der Regelversorgung nicht über Gesamtvergütungen erbracht, sondern einzeln abgerechnet. Da stationäre Leistungen entweder nur in der bisherigen Regelversorgung oder aber aufgrund einer integrierten Versorgungsform vergütet werden, kann es durch den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung nicht zu Doppelvergütungen kommen. Nach § 140d Abs. 4 SGB V werden mit der im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V mit den Krankenhäusern zu vereinbarenden Vergütung außerdem nur über die Regelversorgung hinausgehende Leistungen finanziert. Auch dies verhindert eine doppelte Vergütung derselben Leistung. Eine Kürzung der Krankenhausrechnungen ohne hinreichendes Vertragsvolumen an Verträgen zur integrierten Versorgung ist daher nicht notwendig und deshalb auch nicht im Gesetz geregelt. Eine Rechnungskürzung zugunsten der Anschubfinanzierung um bis zu einem Prozent bedeutet für die Krankenhäuser einen beachtlichen Eingriff in den durch die entsprechende Leistungserbringung bereits erworbenen Vergütungsanspruch, dem keine Kompensation in Form anderweitiger Vergütungsansprüche gegenüber steht. Dennoch hielt der Gesetzgeber es für gerechtfertigt, die Krankenhäuser an der Anschubfinanzierung zu beteiligen. Dies mag im Hinblick darauf, dass sich durch die Möglichkeiten der integrierten Versorgung auch das Leistungsspektrum für die Krankenhäuser erweitert, auch gerechtfertigt sein, selbst wenn die Krankenhäuser aufgrund der Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V nicht in dem Maße wie die Vertragsärzte von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren können. Aus diesen Gründen darf die Belastung der Krankenhäuser durch die Anschubfinanzierung jedoch nur in dem gesetzlich eindeutig geregelten Umfang erfolgen. Dies zwingt zu einer streng wörtlichen Auslegung, um weitergehende Belastungen der Krankenhäuser zu vermeiden. Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Behandlung bzw. zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung erst ein Vertragsvolumen von abgeschlossenen Verträgen der integrierten Versorgung von 0,51 % erreicht. Bloße Erwartungen auf weitere Verträge können einen höheren Einbehalt nach dem Gesetz dagegen nicht rechtfertigen.

cc) Dieser Lösung steht die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) nicht entgegen (so aber Beule, GesR 2004, 209, 213). Danach sind Mittel, die nicht innerhalb von drei Jahren zur Umsetzung von Verträgen zur integrierten Versorgung verwendet worden sind, an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen.

Das Argument der Beklagten, die Rückzahlungsverpflichtung nach § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V ergebe nur dann einen Sinn, wenn die Krankenkassen durch den Einbehalt auch für bereits geplante Verträge Finanzreserven bzw. Überschüsse aufbauen könnten, die ggf. erst zu einer Rückzahlungsverpflichtung führen, vermag nicht zu überzeugen (so auch Beule, GesR 2004, 209, 213). Aufgrund der Ungewissheit der Zahl sich einschreibender Versicherter kann auch bei bereits abgeschlossenen Verträgen der einzubehaltende Anteil nicht exakt berechnet, sondern nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Wird die Zahl der teilnehmenden Versicherten überschätzt, kann es dazu kommen, dass die einbehaltenen Mittel nicht vollständig zur Umsetzung der geschlossenen Verträge verwendet werden (vgl. Baumann in Schlegel/Voelzke, a.a.O. § 140d RdNr. 23). Dies gilt erst recht bei einem vollständigen Einbehalt für nur geplante Verträge, weil in diesen Fällen bei einer Schätzung der Anzahl der teilnehmenden Versicherten bis zum Wirksamwerden des Vertrages überhaupt keine Mittel in Anspruch genommen werden, sondern ein reiner Anspareffekt eintritt. Für solche Effekte ist § 140d SGB V aber ersichtlich nicht geschaffen worden. Dafür bietet auch der Wortlaut der Vorschrift keine hinreichende Grundlage. Die von der Beklagten vorgetragenen praktischen Erwägungen, die ihre Abzugspraxis rechtfertigen sollen, sind vom Wortlaut der Norm nicht mehr gedeckt. Eine erweiternde Auslegung des § 140 d SGB V auch lediglich geplante Verträge einzubeziehen, ist wegen des erheblichen Eingriffscharakters in die finanzielle Dispositionsfreiheit der Krankenhäuser ausgeschlossen.

2. Der ursprünglich von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch, ist nicht Gegenstand der Berufung der Beklagten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

4. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die in mehreren Streitfällen noch anhängige Rechtsfrage, wie der Begriff des geschlossenen Vertrages in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V auszulegen ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Es ist auch nicht absehbar, ob die für die Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhaus und Krankenkasse allein zuständigen Senate des BSG (1. und 3. Senat) der Auffassung des 6. Senats in der Auslegung des § 140 d SGB V folgen werden.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).