Landessozialgericht Sachsen L 9 KR 264/19

Kernpunkte:

  • Eine Keimbesiedlung eines Dekubitalulkus Grad II ist nicht als Infektion zu betrachten, wenn keine Entzündungszeichen vorliegen. Daher dürfe kein Zusatzkode B95.6! verschlüsselt werden.
  • “Obligat zu kodieren” bedeute, dass eine Maßnahme gem. DKR D003 ausnahmsweise nicht erforderlich sei.

Verkündet am:
08.02.2022

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

 

LSG Az.: L 9 KR 264/19

 

Sozialgericht Dresden 14.08.2019 – S 15 KR 1035/16
Landessozialgericht Sachsen 08.02.2022 – L 9 KR 264/19

…………………………………..

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B

……………………………………,

gegen

AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstandes, Herrn Rainer Striebel, Sternplatz 7, 01067 Dresden,

 

Beklagte und Berufungsklägerin,

 

hat der 9. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2022 in Chemnitz durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Dr. Scholz, den Richter am Landessozialgericht Schanzenbach, die Richterin am Landessozialgericht Lohr und die ehrenamtlichen Richter Frau Tiankowski und Herrn Pienn für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. August 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten in beiden Rechtszügen.
  3. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 2.189,02 € festgesetzt.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die bei der Beklagten versicherte 1919 geborene Z…. (im Folgenden: Versicherte) wurde wegen Lokalbefundverschlechterung der Dekubitalulcera im Bereich beider Fersen (links > rechts) im nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin vom 22.08.2012 bis 06.09.2012 stationär behandelt. Bei der Versicherten wurden ein reduzierter Allgemein- und adipöser Ernährungszustand, Fieber (Temperatur aurikulär 39,2 °C) sowie laborchemisch erhöhte Entzündungsparameter festgestellt.

Bei der Krankenhausaufnahme am 22.08.2012 befanden sich an der linken Ferse eine nekrotisch belegte Dekubitalulceration IV. Grades mit ca. 8 cm Durchmesser, Knochenkontakt und leichter Umgebungsrötung und an der rechten Ferse eine Dekubitalulzeration II. Grades mit hyperkeratorischem Randwall. Durch den Wundabstrich vom 23.08.2012 ließen sich an der linken Ferse Proteus mirabilis, Escherichia coli und Bacteroides fragilis (jeweils zahlreich) und an der rechten Ferse Proteus mirabilis, Escherichia coli (jeweils zahlreich), Staphylococcus aureus und Bacteroides fragilis (jeweils wenige) nachweisen. Die Blutkultur vom 23.08.2012 ergab den Nachweis von Bacteroides fragilis. Am Aufnahmetag begann eine kalkulierte Antibiotikatherapie mit Ampicillin und Sulbactam, welche im Verlauf auf Cefuroxim und Clindamycin umgestellt wurde.

Die Versicherte wurde am 06.09.2012 entlassen. Für die Behandlung der Versicherten stellte die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage der Fallpauschale J08B (Fallpauschale – Diagnosis Related Group 2012 <DRG> – Andere Hauttransplantation oder Debridement ohne komplexe Prozedur, mit bestimmtem Eingriff an Haut, Unterhaut und Mamma, mit äußerst schwerem CC) 5.942,76 € in Rechnung (korrigierte Endabrechnung vom 30.11.2012; stornierte Erstabrechnung vom 24.09.2012 in Höhe von 7.233,69 €).

Die Klägerin kodierte folgende Prozeduren nach dem 2012 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS):

OPS Bezeichnung OP-Datum
8-192.3g:L Entfernung von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut ohne Anästhesie (im Rahmen eines Verbandswechsels) bei Vorliegen einer Wunde: Großflächig, mit Anwendung biochirurgischer Verfahren: Fuß 02.09.2012
5-896.1g:L  Chirurgische Wundtoilette [Wunddebridement] mit Entfernung von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut: Großflächig: Fuß 03.09.2012
1-760 Belastungstest mit Substanzen zum Nachweis einer Stoffwechselstörung 04.09.2012

Ferner kodierte sie die Nebendiagnosen ICD-10-GM (Version 2012) L08.8 (Sonstige näher bezeichnete lokale Infektionen der Haut und der Unterhaut) und B95.6! (Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind).

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst. Der nach Einleitung des Prüfverfahrens (am 15.10.2012) beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) beanstandete den OPS 5-896.1g und empfahl stattdessen den OPS 8-192.1g (Entfernung von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut ohne Anästhesie [im Rahmen eines Verbandswechsels] bei Vorliegen einer Wunde: Großflächig: Fuß), welchen die Klägerin akzeptierte. Ferner verneinte der MDK das Vorliegen der Nebendiagnose B95.6!, da der Staphylococcus aureus nicht Ursache der Wunde (Dekubitus II. Grades) an der rechten Ferse gewesen sei. Es habe keine Infektion durch diesen Keim vorgelegen, sondern nur eine (sekundäre) Keimbesiedelung an der rechten Ferse (MDK-Gutachten von Dr. med. Y…. vom 27.01.2014 und von Dr. med. X…. vom 14.07.2015).

Die Beklagte hielt daraufhin nur noch die DRG-Fallpauschale J03B (Eingriffe an der Haut der unteren Extremität bei Ulcus oder Infektion/Entzündung ohne äußerst schwere CC) für gerechtfertigt und verrechnete am 10.09.2015 den ihrer Ansicht nach zu viel gezahlten Differenzbetrag gegen eine unstreitige andere Vergütungsforderung der Klägerin.

Am 23.12.2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Dresden Klage auf Zahlung des verrechneten Betrages in Höhe von 2.189,02 € erhoben. Bei der Versicherten habe eine durch Staphylococcus aureus hervorgerufene Infektion (iSd Übertragung, Haftenbleiben und Eindringen von Mikroorganismen in einen Makroorganismus und die Vermehrung in ihm [Pschyrembel, 257. Aufl.]) des Ulcus an der rechten Ferse mit entsprechendem Ressourcenverbrauch vorgelegen, so dass die Nebendiagnose B95.6! nach den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2012 (DKR 2012) obligat zu kodieren sei. Der Staphylococcus aureus sei hier Ursache der Infektion. Es handele sich um eine Sekundärinfektion eines Ulcus, daher sei B95.6! in Verbindung mit den Nebendiagnosen L08.8 oder Z22.3 (Keimträger anderer näher bezeichneter bakterieller Krankheiten; Keimträger bakterieller Krankheit durch Staphylokokken) als auch der Hauptdiagnose L89.37 zu kodieren. Bei den Diagnosen handele es sich um Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert seien, weshalb eine Kombination von B95.6! bei allen möglich sei. Auch bei L08.8 oder Z22.3 handele es sich um „Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind“. Beigelegt hat sie eine gutachterliche Stellungnahme des Arztes für Dermatologie und Venerologie Dr. med. W…. vom 03.06.2012 in einem beim SG V…. anhängigen Rechtstreit (S 13 KR 2674/10), wonach es sich bei der mit Z22.3 verschlüsselten Keimbesiedelung aus klassifikatorischer Sicht um eine Erkrankung im Sinne des Wortlautes von B96.2 und B98.5 handele. Ferner hat die Klägerin auf eine Antwort des DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) vom 23.06.2010 zu Z22.3 verwiesen, wonach die Keimbesiedlung im klassifikatorischen Sinn eine Krankheit darstelle und die Kodierung B95-B97 zusätzlich möglich sei. Die Klägerin hat ferner die Kodierempfehlung Nr. 17 der SEG-4 (aktualisiert am 10.09.2014) vorgelegt, in der es auszugsweise heißt: „…Bei asymptomatischen Keimträgern besteht weder eine Krankheit noch eine Beschwerde. Eine Kodierung als Nebendiagnose bei positivem MRSA-Nachweis aufgrund des Screening-Tests allein ohne Behandlungsbedürftigkeit ist gemäß DKR D003 ebenso wie bei negativem Testergebnis zunächst nicht möglich. Es liegt allenfalls ein abnormaler Befund vor, der nur dann kodiert werden kann, wenn sich hieraus eine therapeutische Maßnahme oder eine weiterführende Diagnostik ergibt. In diesem Fall wäre entsprechend den Hinweisen zu Kapitel XXI der ICD-10-GM Z22.3 (Keimträger anderer näher bezeichneter bakterieller Krankheiten) zu kodieren in Verbindung mit U80.00! Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Oxacillin oder Methicillin [MRSA] B95.6! Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind, wird nicht kodiert, da keine Krankheit vorliegt.“ Und den Kommentar von FoKA (Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung) vom 27.04.2015 gegenübergestellt, in welchem es auszugsweise heißt: „…Die Besiedlung mit MRSA ist ein regelwidriger Zustand, der das Risiko für Komplikationen und fatale Verläufe erheblich erhöht. Erfolgt eine Behandlung zur Sanierung des Keimträgers oder besondere Hygienemaßnahmen zum Schutz der Umgebung, liegt eine Krankheit mit therapeutischer Konsequenz vor, B95.6! ist gemäß DKR D012i, Tabelle 2 der DKR obligat zu kodieren.“

Die Beklagte hat zwei Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. U…. des MDK Sachsen vom 17.01.2018 und 13.04.2018 vorgelegt. Der Staphylococcus aureus sei weder ursächlich für das Fersenulcus noch für die initial zur stationären Aufnahme der Versicherten führende infektiöse Systematik mit Fieber, Allgemeinzustandsverschlechterung und laborchemisch erhöhten Entzündungsparametern gewesen. Am rechten Fersenulcus habe lediglich eine Besiedelung mit Staphylococcus aureus ohne Krankheitswert vorgelegen, da eine lokale Entzündungsreaktion am rechten Fersenulcus gefehlt habe und der Keim auch in den abgenommenen Blutkulturen nicht nachzuweisen gewesen sei. Der Schweregrad eines Dekubitus richte sich nach der Ausdehnung in die Tiefe des Gewebes (unter Hinweis auf die S1-Leitlinie 179-008: Querschnittsspezifische Dekubitusbehandlung und -prävention von 07/2017). Bei einem Dekubitus Grad II handele es sich um einen nässenden, sehr infektionsanfälligen Hautdefekt (unter Hinweis auf Dekubitus Pflege-Ratgeber). Dies bedeute allerdings nicht, dass in ihm eine Infektion abgelaufen sei. Unter einer Infektion verstehe man den Eintritt von Mikroorganismen (z. B. Viren, Pilzen, Bakterien) in einen Organismus sowie ihrer Absiedlung und Vermehrung (unter Hinweis auf DocCheck Lexikon). Dabei beziehe sich die „Vermehrung“ eher auf die Entwicklung einer lokalen Entzündungsreaktion und die „Absiedlung“ eher auf den systemischen Keimnachweis in der Blutbahn anhand positiver Blutkulturen. Der Begriff Infektion sei demnach an den Nachweis einer lokalen Entzündungsreaktion geknüpft, welche sich klassischerweise durch die Entzündungszeichen Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und funktionelle Einschränkung äußere (unter Hinweis auf Wikipedia). Eine solche sei für das rechte Fersenulcus nicht belegt. Der Staphylococcus aureus sei auch in den entnommenen Blutkulturen nicht nachzuweisen gewesen, sodass auch keine systemische Absiedlung in die Peripherie (d. h. über das Ulcus hinaus) vorgelegen habe. Da bei der Versicherten somit keine Infektion durch Staphylococcus aureus am rechten Fersenulkus vorgelegen habe, sei lediglich von einer „Keimbesiedelung“ auszugehen, welche in der Mikrobiologie als Gesamtheit der Mikroorganismen bezeichnet werde, die als Standortflora auf der inneren und äußeren Körperoberfläche des Menschen oder anderen Lebewesen leben, ohne eine Infektion und eine Erkrankung hervorzurufen (unter Hinweis auf Wikipedia). Mangels Nachweises einer Infektion im Bereich der rechten Ferse könne B95.6! nicht mit dem Kode L08.8 kombiniert werden. Auch die Verschlüsselung mit dem Kode Z22.3 scheide aus, da laut einführendem Text zum Kapitel XXI (Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen [Z00 bis Z 99]) aufgeführt sei, dass die Kategorien Z00 bis Z99 für Fälle vorgesehen seien, in denen Sachverhalte als Diagnosen oder Probleme angegeben seien, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Unfallursache unter den Kategorien A00 bis Y89 klassifiziert seien. Demnach gelten Z- Codes nicht als Krankheit.

Mit Urteil vom 14.08.2019 (der Beklagten zugestellt am 22.08.2019) hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.189,02 € zu zahlen. Die Klägerin habe den Sekundärkode B95.6! mit der Nebendiagnose Z22.3 verschlüsseln und deshalb die DRG J08B abrechnen dürfen. Zwar sei die Keimbesiedelung mit Staphylococcus aureus nicht Ursache für den Dekubitus an der rechten Ferse und dort auch keine Infektion festzustellen. Jedoch sei Z22.3 als Primär-Diagnoseschlüssel mit B95.6! zu kodieren. Die Voraussetzungen des Kodes Z22.3 seien erfüllt, weil – gestützt auf die Stellungnahme des DIMDI vom 23.06.2010 – die Trägerschaft des Keims Staphylokokken eine “Krankheit” im Sinne von B95.6! darstelle. Zwar sei der Keimbefall nicht klassifizierbar, da er als Ursache für eine Krankheit im Sinne der L89.17 und L08.8 ausscheide, habe jedoch den Gesundheitszustand der Versicherten so beeinflusst, dass eine Antibiotikagabe als Ressourcenverbrauch erforderlich gewesen sei. Dass die Klägerin in ihrer Rechnung L08.8 statt Z22.3 als Primärkode zu B95.6! verschlüsselt habe, gehe nicht zu ihren Lasten.

Mit der am 18.09.2019 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte sowohl gegen die Kodierung von B95.6! mit Z22.3 als auch mit L08.8. Die Kodierung des (Sekundär-)Kodes B95.6! setze voraus, dass der Keim Staphylococcus aureus ein Infektionserreger als Ursache einer Krankheit sei, was hier nicht der Fall sei. Am rechten Fersendekubitus habe keine Infektion durch Staphylococcus aureus vorgelegen. Somit sei L08.8 nicht zu kodieren. In der DKR D012i „Mehrfachkodierung“ unter Ziffer 2. „Hinweise zur Doppelklassifizierung“ heiße es auszugsweise: „Für bestimmte Situationen ist eine andere Form der Doppelklassifizierung als die des Kreuz- Stern-Systems anwendbar, um den Gesundheitszustand einer Person vollständig zu beschreiben… Hier sind aufzuzählen: Lokale Infektionen bei Zuständen, die den Kapiteln der ‚Organkrankheiten‘ zuzuordnen sind. Schlüsselnummern des Kapitels I zur Identifizierung des Infektionserregers werden hinzugefügt, sofern dieser im Rubriktitel nicht enthalten ist. Am Ende von Kapitel I steht für diesen Zweck die Kategoriengruppe B95!-B98! zur Verfügung (siehe Tab. 2 [Seite 276]).“ Als Kapitel der Organkrankheiten zählten die Kapitel III-XIV (ICD- Kodes D50 bis N99). Außerhalb dieser Kapitel sei eine zusätzliche Kodierung des Infektionserregers nicht vorgesehen. Diese Ausführungen in der allgemeinen Kodierrichtlinie DKR D012i würden im Systematischen Verzeichnis der ICD-10-GM (2012) unter dem Kapitel XII „Krankheiten der Haut und der Unterhaut (L00-L99)“, Gruppe „Infektionen der Haut und der Unterhaut (L00-L08)“ mit einem entsprechenden Hinweis „Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95-B98) zu benutzen“ nachvollzogen. Nach dem Wortlaut der DKR D012i stünden die Kodes aus B95-B98 daher ausschließlich für die Kodierung von lokalen Infektionen zur Verfügung. Folglich sei auch Z22.3 nicht zu kodieren, denn dieser Kode sei dem Kapitel XXI zugeordnet und nicht als Krankheit im Sinne von B95.6! zu verstehen, zumal sich unter dem Vorspann des Kapitels XXI der Hinweis finde: „Die Kategorien Z00 bis Z99 sind für Fälle vorgesehen, in denen Sachverhalte als ‚Diagnosen‘ oder ‚Probleme‘ angegeben sind, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00 bis Y89 klassifizierbar sind.“

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Gestützt auf die Auskunft des DIMDI, welcher mit Inkrafttreten des § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V besondere Bedeutung zukomme, und das von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. med. T…. vom 31.07.2020 könne der Primärkode Z22.3 mit dem Sekundärkode B95.6! verschlüsselt werden. Die Keimbesiedelung des rechtsseitigen Fersendekubitus mit Staphylococcus aureus stelle im klassifikatorischen Sinne eine Krankheit dar, da sie behandlungsbedürftig gewesen sei, um eine invasive Infektion zu verhindern bzw. zurückzudrängen. Die Besiedelung mit Staphylococcus aureus sei ein regelwidriger Zustand, der das Risiko für Komplikationen und fatale Verläufe erheblich erhöhe. Es sei von einem Infektionsgeschehen auszugehen, welches ursächlich auf den Keim Staphylococcus aureus zurückzuführen sei. Die mikrobiologischen Befunde ließen eine tiefere Gewebsinfektion vermuten. Der nachgewiesene anaerobe Keim Bacteroides fragiles gedeihe nur unter Luftabschluss. Die mazerisierten Wundränder, das blutige Wundsekret und der granulierende Wundgrund ließen auf eine entzündliche Gefügelockerung des Gewebes schließen. Außerdem könne B95.6! auch mit den Kodes L98.8 (Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Haut und der Unterhaut) und L98.9 (Krankheit der Haut und der Unterhaut, nicht näher bezeichnet) kombiniert werden, da es sich – dem gerichtlichen Sachverständigen zufolge – wegen der Keimbesiedelung mit Staphylococcus aureus um eine Risikowunde mit Krankheitswert gehandelt habe, welche mit lokalen Antiseptika zur Verhinderung einer Infektion habe behandelt werden müssen.

Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. U…. des MDK Sachsen vom 28.09.2020 vorgelegt. An dem rechten Fersenulcus habe nur eine Besiedelung mit Staphylococcus aureus und anderen Keimen vorgelegen, jedoch keine Infektion. Sämtliche nachgewiesenen Keime seien nicht ursächlich für das rechte Fersenulcus gewesen. Bei Bacteroides fragiles handele es sich um ein gramnegatives, obligat anaerobes und nicht Spuren bildendes Stäbchenbakterium, welches als Bestandteil der physiologischen Bakterien-Flora des Menschen nur gering pathogen sei. Infektionen entstünden durch Keimverschleppung in eigentlich sterile Körperbereiche. In Kenntnis eines nach außen offenen Dekubitus ließe der Nachweis von Bacteroides fragiles nicht die Vermutung auf eine Infektion in einem sterilen Körperbereich zu (unter Hinweis auf das Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie, 7. Auf., 2019). Die Beschreibungen des rechten Fersenulcus ließen keinesfalls auf Entzündungsprozesse schließen. Mazeration bezeichne in der Medizin die Quelle oder Aufweichung eines Gewebes, die bei längerem Kontakt bzw. bei der Durchdringung mit einer Flüssigkeit (z. B. Speichel, Wundsekret) entstehe. Demnach kennzeichneten mazerierte Wundränder lediglich eine Gewebeaufweichung und keine entzündliche Gefügelockerung. Blutiges Wundsekret weise zwar auf eine tiefere Gewebeschädigung hin, lasse jedoch keine Rückschlüsse auf Entzündungsprozesse zu, da ebenso gut Scherkräfte dafür ursächlich sein könnten. Auch ein granulierender Wundgrund sei nicht als Reaktion des Körpers auf einen entzündlichen Gewebeuntergang zu werten, da Granulation die Bildung von jungem Bindegewebe im Rahmen der Wundheilung bezeichne (unter Hinweis auf die S1-Leitlinie 179-008). Einen eindeutigen Hinweis auf ein entzündliches Geschehen habe der Lokalbefund an der linken Ferse ergeben mit Beschreibung eines ca. 8 cm großen nekrotisch belegten Ulcus einschließlich leichter Umgebungsrötung, worauf eine lokale Nekrektomie und ein konservatives Wundmanagement (Antibiotikatherapie nach Wundabstrich) durchgeführt worden seien. Demnach hätte vorzugsweise der Entzündungsherd an der linken Ferse zur Allgemeinzustandsverschlechterung und stationären Aufnahme veranlasst und nicht ein multifaktorielles Geschehen mit naturgemäß nicht eindeutig zuordenbarem Entzündungsherd. Bei der Besiedelung mit Staphylococcus aureus im rechten Fersenulcus handele es sich nicht um eine Krankheit, da sie bei fehlendem Infektionsnachweis nicht behandlungsbedürftig gewesen sei. Vielmehr sei die Antibiotikatherapie prophylaktisch verabreicht worden, um einen Krankheitszustand (z. B. lokale Infektion) zu verhindern. Bei einer Prophylaxe handele es sich nicht um eine Heilbehandlung sondern um eine vorbeugende Maßnahme zur Verhütung von Krankheiten, bevor sie entstehen. Bei stattgehabtem Ressourcenverbrauch (prophylaktische Antibiotikatherapie) könne der Primärcode Z22.3 lediglich allein als Nebendiagnose, jedoch nicht im Zusammenspiel mit B95.6! verschlüsselt werden.

Der Senat hat ein Gutachten des leitenden Oberarztes der am Universitätsklinikum S…. an der TU E…. Dr. med. R…. vom 02.05.2021 eingeholt. An der rechten Ferse habe trotz Nachweises von Staphylococcus aureus und Bacteroides fragilis keine lokale Infektion des Dekubitus II. Grades vorgelegen, sondern eine Keimbesiedelung. Eine lokale Infektion gemäß L08.8 könne nicht nachgewiesen werden. Es habe kein Abszess oder eine nekrotisierende Weichteilinfektion vorgelegen. Der Nachweis von Bakterien auf einem Ulcus allein sei nicht gleichzustellen mit einer Infektion. Zur Infektion gehörten die klinischen Zeichen, welche aber nicht vorgelegen hätten. Bei einen Dekubitus Grad II handele sich um einen Teilverlust der Haut bis in die Dermis mit einem flachen offenen Ulcus mit einem rot bis rosafarbenem Wundbett ohne Beläge. Weder sei eine Rötung von mehr als 2 cm über den Wundrand hinaus dokumentiert noch eine livide Verfärbung, welche auf eine tiefere Gewebeschädigung hindeute. Eine Hyperkeratose beschreibe eine verstärkte Verhornung der Haut. Eine leichte Mazeration des Wundrandes beschreibe lediglich eine Quellung oder Aufweichung von Gewebe durch längeren Kontakt mit Flüssigkeit. In der Wundbehandlung sei die Mazeration der Epidermis am Wundrand und in der Wundumgebung oft ein Zeichen für unzureichendes Exsudatmanagement und kein Zeichen einer Infektion, zumal nur von einer leichten Mazeration gesprochen werde. Lokale Schmerzen und eine Schwellung hätten nicht vorgelegen. Es habe sich bis auf ein minimales Wundsekret keine verstärkte Exsudation und Umgebungsrötung gezeigt und es habe kein Fötor bestanden. Der Wundgrund sei granuliert und nicht nekrotisch oder entfärbt gewesen. Allein ein minimal blutiges Wundsekret sei kein Zeichen einer Infektion. Tägliche Verbandswechsel an der rechten Ferse mit Anwendung von Antiseptika hätten nicht stattgefunden, was für eine Kolonisation und gegen eine Infektion spreche. Zwar habe bei stationärer Aufnahme eine erhöhte Temperatur vorgelegen, welche aber nicht auf eine Infektion des Ulcus an der rechten Ferse zurückgeführt werden könne. Vielmehr habe der Dekubitus an der linken Ferse eindeutig Zeichen einer lokalen Infektion gezeigt und sei sehr wahrscheinlich auch für die systemische Infektion mit erhöhten Entzündungsparametern im Blut und Fieber verantwortlich gewesen. Mit der kalkulierten Antibiotikatherapie mit Ampicillin/Sulbactam sei nicht versucht worden, eine weitergehende Entzündung zu verhindern, sondern es sei eine systemische Infektion behandelt worden, die sehr wahrscheinlich ihren Ursprung vom Dekubitus IV. Grades der linken Ferse genommen habe und nicht von dem Dekubitus der rechten Ferse. Das Antibiotikum sei gegen eine Vielzahl grampositiver und gramnegativer Erreger wirksam, einschließlich Staphylococcus aureus und offensichtlich nicht wegen der Wundsituation an der rechten Ferse verabreicht worden. Gemäß Therapieempfehlungen sei eine systemische Antibiotikatherapie bei dem Lokalbefund nicht angezeigt. Da aber eine Kolonisation der Wunde an der rechten Ferse mit Bakterien vorgelegen habe, sei die Wunde als Risikowunde zu bezeichnen, welche einer ärztlichen Behandlung in Form der Anwendung von lokalen Antiseptika bedurft habe, um eine lokale oder systemische Infektion zu vermeiden. Damit sei der Tatbestand einer behandlungsbedürftigen Krankheit erfüllt und Z22.3 in Kombination mit B95.6 zu kodieren. Ein Ressourcenverbrauch habe stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an die Klägerin 2.189,02 € zu zahlen. Denn der von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (dazu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 9; Urteil vom 6.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn. 7) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter erlosch in Höhe von 2.189,02 €, weil die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 22.08.2012 bis 06.09.2012 aufrechnete.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Krankenhausbehandlung anderer Versicherter der Beklagten gegen diese einen Anspruch auf Zahlung weiterer 2.189,02 € hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 29; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 7; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R – juris Rn. 8). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob dieser Zahlungsanspruch entsprechend § 387 Bürgerliches Gesetzbuch durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 22.08.2012 bis 06.09.2012 erloschen ist (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 33; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 8). Dies ist der Fall. Denn die Beklagte hatte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.189,02 € ohne Rechtsgrund gezahlt.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 22.08.2012 bis 06.09.2012 entstand dem Grunde nach. Der Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung und dazu korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R – juris Rn. 13; Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R – juris Rn. 26; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 18/15 R – juris Rn. 9; Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R – juris Rn. 9; Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – juris Rn. 8; Urteil vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R – juris Rn. 10; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 13; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn.11). Dies war hier unstreitig der Fall.

Die Klägerin durfte ihrer Abrechnung jedoch nicht die DRG-Fallpauschale J08B, sondern nur die DRG-Fallpauschale J03B zugrunde legen, weil neben den unstreitigen Diagnosen und Prozeduren die Nebendiagnose B95.6! (Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) nicht kodiert werden durfte.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 22.08.2012 bis 06.09.2012 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 1 Fallpauschalenvereinbarung 2012 (FPV 2012) sowie Anlage 1 der FPV 2012 (Fallpauschalenkatalog 2012). Die Höhe des Vergütungsanspruchs bemisst sich im DRG-Vergütungssystem, in welches das Krankenhaus der Klägerin einbezogen ist, nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normenverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als “Vertragsparteien auf Bundesebene” mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG Abrechnungsbestimmungen in der FPV.

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2012 rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten – insbesondere von Diagnosen und Prozeduren – in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (näher dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 19 ff.). Dabei greift das Programm auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die FPV selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier ICD-10-GM in der Version 2012) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2012). Ebenso gehört zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2012. Die Verbindlichkeit der in der FPV und den DKR angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in das vertraglich vereinbarte Fallpauschalensystem und insbesondere in dessen Kern, den Grouper, einbezogen sind (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 31; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn. 13; Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 24).

Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich ICD und OPS ist nicht automatisiert und unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (BSG, Urteil vom 21.02.2002 – B 3 KR 30/01 R – juris Rn. 27; Urteil vom 24.09.2003 – B 8 KN 3/02 KR R – juris Rn. 26; Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R – juris Rn. 17; Urteil vom 17.06.2010 – B 3 KR 4/09 R – juris Rn. 14; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 27; Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 41/14 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 30/17 R – juris Rn. 14).

Die Abrechnung der DRG-Fallpauschale J08B setzt voraus, dass die Klägerin den Kode ICD-10-GM (2012) B95.6! (Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) als Sekundärkode zu einer Haupt- oder Nebendiagnose kodieren durfte. Dies ist nicht der Fall.

Bei B95.6! handelt es sich um einen Ausrufezeichenkode, der gemäß D012i DKR 2012 („Mehrfachkodierung“; Deutsche Kodierrichtlinien Version 2012) als sekundäre Schlüsselnummer nicht alleine, sondern nur zusammen mit einem zutreffenden Primär-Diagnoseschlüssel verschlüsselt werden darf. Mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnete sekundäre Schlüsselnummern sind zum Teil optional, in anderen Fällen obligat anzugeben. Der Kode B95.6! ist ausweislich der Tabelle 2 in D012i DKR 2012 obligat (bzw. obligatorisch) anzugeben. Dabei bedeutet “obligat”, dass dieser Kode auch bei fehlendem Ressourcenverbrauch zu kodieren ist.

Aus dem Wortlaut des Sekundärkodes B95.6! und der systematischen Auslegung ergibt sich, dass der Kode nur dann kodiert werden darf, wenn Staphylococcus aureus die Ursache einer infektiösen Erkrankung ist. Der Nachweis einer Besiedlung mit diesem Keim allein reicht hierfür nicht aus. Dass der Keim Ursache einer Krankheit sein muss, ergibt sich aus dem Wortlaut des Kodes B95.6! (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2019 – L 1 KR 197/15 –, juris Rn. 31; Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2013 – L 4 KR 81/12 – juris Rn. 39; Thüringer LSG, Urteil vom 16.12.2014 – L 6 KR 532/12 – juris Rn. 28). Unter Beachtung der einschlägigen Überschriften ergibt die systematische Auslegung darüber hinaus, dass es sich bei dieser Krankheit um eine infektiöse Erkrankung handeln muss. So lautet die Überschrift zu Kapitel I des ICD-10-GM Version 2012: “Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)”. Die Überschrift zur einschlägigen Untergruppe lautet: “Bakterien, Viren und sonstige Infektionserreger als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind (B95-B98)”. Ferner heißt es in dem Hinweis zu der Untergruppe B95-B98: „Diese Kategorien sollten niemals zur primären Verschlüsselung benutzt werden. Sie dienen als ergänzende oder zusätzliche Schlüsselnummern zur Angabe des Infektionserregers bei anderenorts klassifizierten Krankheiten.“ Eine Kodierung eines Kodes aus der Untergruppe B95-B98 erfordert daher das Vorliegen einer infektiösen Erkrankung, die durch die in der Untergruppe jeweils aufgeführten Keime verursacht worden sein muss.

Vorliegend ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Staphylococcus aureus eine infektiöse Krankheit bei der Versicherten verursacht hat und ursächlich für den Fersenulcus gewesen ist.

Zwar ist der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. R…. in seinem Gutachten vom 02.05.2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Diagnose Z22.3 bestätigt werden könne. Dass an dem rechten Fersenulcus eine Infektion durch Staphylococcus aureus verursacht worden ist, hat er aber ebenso wie die Gutachter des MDK verneint. Eine Infektion mit diesem Keim ist nicht nachgewiesen, da keine Infektionszeichen (Rötung von mehr als 2 cm über den Wundrand hinaus, Schmerzen, Schwellung, verstärkte Exsudation, Fötor, nekrotisches entfärbtes Granulationsgewebe, Überwärmung, Bildung von Eiter oder Abszess, erhöhte Temperatur/Fieber, Schüttelfrost, erhöhte Entzündungswerte im Blut wie CRP oder eine Erhöhung der Leukozyten im Blutbild) ausgehend von diesem Dekubitus II. Grades vorlagen. Vielmehr wird der rechte Fersenulcus in dem Wundbericht des Seniorenzentrums Bergkristall vom 22.08.2012 wie folgt beschrieben: Größe: 1cm lang und 1,5 cm breit, Wundgrund, granuliert, leicht mazerisierte Wundränder, Wundumgebung trocken, minimal blutiges Wundsekret; und in der Krankenhausepikrise vom 04.09.2012 als Dekubitalulcus II. Grades mit hyperkeratotischem Randwall. Im Unterschied dazu wird über den Zustand des linken Fersenulcus im Wundbericht des Seniorenzentrums Bergkristall vom 22.08.2012 wie folgt berichtet: Größe: 4 cm lang und 5 cm breit, mit Fibrin belegter Wundgrund, mazerisierte Wundränder, Wundumgebung mit starker Rötung, Wärme abgebend, massiv serös-blutiges Wundsekret. Die Epikrise vom 04.09.2012 beschreibt eine nekrotisch belegte Dekubitalulceration IV. Grades mit ca. 8 cm Durchmesser, Knochenkontakt und leichter Umgebungsrötung. Da am rechten Fersenulcus somit keine Infektion festzustellen war, ist die Diagnose L08.8 zu verneinen (so folgerichtig: Sachverständiger Dr. R…. und Gutachter des MDK). Der Keim Staphylococcus aureus ist auch nicht Ursache des Fersenulcus gewesen, weshalb auch die Verschlüsselung von B95.6! mit L89.17 ausscheidet. Der Senat folgt den insoweit übereinstimmenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R…. und der Gutachter des MDK, insbesondere der Gutachterin Dr. U…. . Sie beruhen auf einer sorgfältigen Auswertung der vorliegenden Patientenakte sowie des Vortrages der Beteiligten und sind in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die in Abgrenzung zur Keimbesiedelung zugrunde gelegte Definition der Infektion, nämlich die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus, entspricht § 2 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz.

Die diesem Ergebnis widersprechenden Ausführungen des (Beteiligten-)Gutachters Dr. T…. vom 31.07.2020 sind hingegen nicht geeignet, den Senat von dem Vorliegen einer Infektion an dem rechten Fersenulcus zu überzeugen. Weder der Bedeutungsgehalt der in den Wunddokumentationen des Krankenhauses und des Seniorenzentrums Bergkristall verwendeten medizinischen Begriffe („leichte Mazeration“, „granulierender Wundgrund“, „blutiges Wundsekret“) werden entsprechend den medizinischen Standards ausgelegt, noch halten die Schlussfolgerungen, welche teilweise auch nur vermutet werden („Die mikrobiologischen Befunde des rechtsseitigen Fersenulcus lässt aber eine tiefere Gewebeinfektion vermuten.“), einem wissenschaftlichen Diskurs stand („Bacteroides fragiles, der nur unter Luftabschluss gedeiht“), was sowohl die MDK-Gutachterin Dr. U…. als auch der Sachverständige Dr. R…. zur Überzeugung des Senats nachgewiesen haben. Das (Beteiligten-)Gutachten lässt zudem eine differenzierende Analyse der deutlich unterschiedlichen Wundsituationen am rechten und am linken Fersenulcus und deren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand der Versicherten vermissen, weshalb sich das darin behauptete „multifaktorielle Geschehen“ und die „besondere Bedeutung“ des nur im Wundabstrich der rechten Ferse nachgewiesenen Staphylococcus aureus nicht nachvollziehen lässt.

Der Patientenakte kann auch nicht entnommen werden, dass die Klägerin selber von einer Infektion mit dem Keim Staphylococcus aureus an dem rechten Fersenulcus ausgegangen ist. Vielmehr erfolgte – worauf der Sachverständige Dr. R…. und die Gutachterin des MDK Dr. U…. hingewiesen haben – eine entsprechende systemische Antibiotikatherapie und konservatives Wundmanagement wegen der von dem Dekubitalulcus IV. Grades an der linken Ferse ausgehenden Infektion. Darüber hinaus fanden an der rechten Ferse – worauf der Sachverständige Dr. R…. hingewiesen hat – keine täglichen Verbandswechsel mit Anwendung von Antiseptika statt, was gegen eine Infektion spricht. In dem Entlassungsbericht vom 04.09.2012 wurden die Diagnosen Decubitalulcera beider Fersen, links IV. Grades, rechts II. Grades und sakral I. Grades bei eingeschränkter Mobilität bei Zustand nach Oberschenkelhalsfraktur links 11/2010, pAVK vom Oberschenkeltyp beidseits Stadium IV, Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Arterielle Hypertonie, gestörte Glukosetoleranz/Diabetes mellitus Typ II, Niereninsuffizienz Stadium IV mit Hypokalzämie und Hyperkaliämie, Chronisches Schmerzsyndrom bei Polyarthrose, schwere degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, CIHK aufgeführt und der Nachweis von Staphylococcus aureus an der rechten Ferse nur im Rahmen der bakteriologischen Befunde erwähnt. Dieser Befund war aber – dem Therapie- und Verlaufsbericht zufolge – für die Behandlung nicht ausschlaggebend. Unter „Therapie und Verlauf“ wurde (nur) der Blut- und Wundabstrich-Befund „Bacteroides fragilis“ erwähnt. Duplexsonographisch sei bei genannten Ulcerationen eine pAVK vom Oberschenkeltyp diagnostiziert worden. Zudem hat vorzugsweise die Infektion an der linken Ferse und die damit einhergehende Allgemeinzustandsverschlechterung zur stationären Aufnahme veranlasst, worauf die Gutachterin Dr. U…. unter Bezug auf die Krankenhausepikrise vom 04.09.2012 hingewiesen hat. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Diagnosen L08.8 und L89.17 als Primärkodes für den Sekundärkode B95.6! ausscheiden, da weder eine Infektion am rechten Fersenulcus vorgelegen hat noch der Staphylococcus aureus kausal für den Fersenulcus war.

Auch der Kode Z22.3 (Keimträger anderer näher bezeichneter bakterieller Krankheiten, Keimträger bakterieller Krankheiten durch Meningokokken, Staphylokokken, Streptokokken) kann nicht als Primärkode zu B95.6! in Ansatz gebracht werden. B95.6! setzt voraus, dass der Keim “Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind” ist. Der Kode Z22.3 beschreibt schon keine Erkrankung im Sinne von B95.6!. Der Kode befindet sich im Kapitel XXI der ICD-10-GM Version 2012, das wie folgt überschrieben ist: “Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen Z00-Z99”. Die maßgebliche Untergruppe trägt die Überschrift “Personen mit potentiellen Gesundheitsrisiken hinsichtlich übertragbarer Krankheiten (Z20-Z29)”. Aus dem Wortlaut des Kodes Z22.3 und der maßgeblichen Überschriften (Z22.- „Keimträger von Infektionskrankheiten; Inkl.: Verdachtsfälle“) ergibt sich, dass hier keine Erkrankung kodiert wird. Gegenstand der Kodierung ist vielmehr eine Person mit potentiellem Gesundheitsrisiko, hier in Gestalt einer Besiedlung mit Staphylokokken, bei der gerade keine durch Staphylokokken verursachte Erkrankung besteht. Aus der “Anleitung zur Verschlüsselung der ICD-10-GM 2012” (https://www.dimdi.de) ergibt sich, dass die Kodes aus dem Kapitel XXI zur (alleinigen) Verschlüsselung des Behandlungsanlasses nur verwendet werden dürfen, wenn Leistungen abgerechnet werden, die “nicht in einer Erkrankung begründet sind”. Als Beispiele werden Leistungen zur Vorsorge (z.B. Impfungen), zur Herstellung der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit, zur Empfängnisverhütung und zu Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation aufgeführt. Auch hierdurch wird belegt, dass mit dem Kode Z22.3 keine Krankheit kodiert wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Antwort des DIMDI vom 23.06.2010 auf eine Einzelanfrage. In dieser Antwort auf die Anfrage, ob Z22.3 in Verbindung mit B95.6! kodiert werden könne, hat das DIMDI die Auffassung vertreten, dass es sich bei Z22.3 im klassifikatorischen Sinne um eine “Krankheit” handele; die Kodierung von B95-B97 sei zusätzlich möglich. Der Senat kann sich dieser nicht begründeten Schlussfolgerung des DIMDI nicht anschließen. Es steht zwar außer Frage, dass es sich bei Z22.3 um eine Klassifikation handelt. Dies führt dazu, dass Z22.3 bei entsprechendem Ressourcenverbrauch als Nebendiagnose – im vorliegenden Fall ohne erlössteigernde Wirkung – kodiert werden kann. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich um eine Krankheit im Sinne von B95.6! handelt. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kode B95.6! Krankheiten mit Klassifikationen gleichsetzt. Der Wortlaut von B95.6! spricht von “Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind” und nicht von “Klassifikationen” oder von “Krankheiten im klassifikatorischen Sinne”. Der Begriff der Krankheit wird in dem ICD-10-GM Version 2012 vielfach in den Kapitelüberschriften verwandt (vgl. die Überschriften zu den Kapiteln I und III bis XIV). In dem Kapitel XXI “Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen Z00-Z99” wurden jedoch gerade keine Krankheiten klassifiziert, wie sich aus der Wortwahl, der Überschrift, der Kodes und aus der Verschlüsselungsanleitung des DIMDI ergibt.

Aus § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der Fassung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2394, in Kraft seit 01.01.2019) ergibt sich nichts anderes. Die Regelung sieht vor, dass das DIMDI u.a. bei Auslegungsfragen zu den Diagnoseschlüsseln Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen kann. Ganz abgesehen davon, dass es sich bei der Antwort auf eine Einzelanfrage nicht um eine Klarstellung oder eine Änderung der Diagnoseschlüssel i.S.v. § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V handelt, ist diese Vorschrift erst zum 01.01.2019 in Kraft getreten und kann daher zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts keine Wirkung entfalten. Daher kann offenbleiben, wie eine Klarstellung nach § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V ausgestaltet sein muss sowie welchen Rechtscharakter und welche Verbindlichkeit sie für die Gerichte hat.

Schließlich setzt der Sekundärkode B95.6! voraus, dass durch den Keim eine Infektion verursacht worden, eine Infektion mithin schon eingetreten ist. Auch aus diesem Grund qualifiziert sich der Kode Z22.3 nicht als Primärkode für B95.6!. Denn der Kode Z22.3 beschreibt keine Infektion, sondern eine Person, die mit Keimen besiedelt ist. Die Keimträgerschaft bzw. die Besiedlung mit Keimen ist aber gerade nicht mit einer Infektion gleichzusetzen. Darüber hinaus kann B95.6! begrifflich nicht “Ursache” des in Z22.3 beschriebenen Zustandes sein. B95.6! setzt als Sekundärkode voraus, dass durch den Keim eine andere Erkrankung verursacht wird. Dies schließt aus, dass sich die andere Erkrankung in der Besiedlung mit demselben Keim erschöpft.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann B95.6! auch nicht mit den Kodes L98.8 (Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Haut und der Unterhaut) und L98.9 (Krankheit der Haut und der Unterhaut, nicht näher bezeichnet) kodiert werden. Die Kodes gehören im Kapitel XII „Krankheiten der Haut und der Unterhaut (L00-L99)“ und in der Gruppe „Sonstige Krankheiten der Haut und der Unterhaut“ zu der Untergruppe „L98.-Sonstige Krankheiten der Haut und der Unterhaut, anderenorts nicht klassifiziert“. Hinsichtlich der Schlüsselnummern “Sonstige” und “nicht näher bezeichnet” bestimmt die DKR D009a: “Die Resteklasse ‘Sonstige …’ ist dann bei der Kodierung zu verwenden, wenn eine genau bezeichnete Krankheit vorliegt, für die es aber in der ICD-10 keine eigene Klasse gibt. Die Resteklasse ‘Nicht näher bezeichnete …’ ist dann zu verwenden, wenn eine Krankheit nur mit ihrem Oberbegriff (…) beschrieben ist und/oder eine weitere Differenzierung nach den Klassifikationskriterien der ICD-10 an entsprechender Stelle nicht möglich ist. (…) Die Resteklassen dürfen nicht verwendet werden, um Diagnosen ‘aufzufangen’, die scheinbar nicht anderenorts klassifiziert sind. Die ICD-10-Verzeichnisse sind zu verwenden, um die korrekte Schlüsselnummer-Zuordnung zu bestimmen (…).” DKR D014d bestimmt ergänzend den Vorrang des Systematischen Verzeichnisses vor dem Alphabetischen Verzeichnis, wenn Letzteres zu einem unspezifischen Kode (zB einem “9-Kode”) führt (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 1 KR 25/17 R –, SozR 4-5562 § 9 Nr 11, juris, Rn. 16). Der Dekubitus II. Grades an der rechten Ferse ohne den Nachweis einer Infektion ist aber bereits unter der Untergruppe „L89.-Dekubitalgeschwür und Druckzone (L80-L99)“ gemäß L89.17 – als die Symptomatik erklärende definitive Krankheitsdiagnose – zu verschlüsseln (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 1 KR 25/17 R –, SozR 4-5562 § 9 Nr 11, Rn. 18) und ist keine in die Resteklassen einzuordnende Diagnose L98.8 und L98.9.

Nach alledem ist die Kodierung von B95.6! durch die Klägerin zu Unrecht erfolgt mit der Folge, dass der stationäre Aufenthalt mit der DRG- Fallpauschale J03B abzurechnen war und die Beklagte daher zu Recht mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.189,02 € aufgerechnet hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

III.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG). L 9 KR 264/19

IV.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.