Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 KR 203/10

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az.: L 1 KR 203/10

SG Hannover Az. S 19 KR 181/09

Celle, den 23.01 .2013

In dem Rechtsstreit

Krankenhaus vertreten durch die Geschäftsführer,

gegen

Krankenkasse vertreten durch den Vorstand,

 

IM NAMEN DES VOLKES

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 6. April 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2628,33 Euro sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9. Juni 2008 auf 2355,93 Euro, sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 8. Dezember 2008 auf 319,86 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2628,33 Euro festgesetzt.

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Verkündet am: 23.01.2013

In dem Rechtsstreit

Krankenhaus, vertreten durch die Geschäftsführer,

gegen

Krankenkasse, vertreten durch den Vorstand,

hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2013 in Celle durch den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Taubert, den Richter am Landessozialgericht Wolft, die Richterin am Landessozialgericht Böhmer-Behr sowie die ehrenamtlichen Richter Gerdes und Harland für Recht erkannt:

  1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 6. April 2010 wird aufgehoben, .
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2628,33 Euro
  3. sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9. Juni 2008 auf 2355,93 Euro,
  4. sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 8. Dezember 2008 auf 319,86 Euro zu zahlen.
  5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  6. Die Revision wird nicht zugelassen.
  7. Der Streitwert wird auf 2628,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Krankenhausvergütung nach DRG-Fallpauschalen. Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – zugelassenes Krankenhaus. Sie behandelte vom 15. bis 29. September 2006 die am 21. Dezember 1930 geborene Versicherte der Beklagten #####  (nachfolgend: Versicherte). In der Krankenakte der Versicherten befindet sich das Rettungsdienstprotokoll DIVIOK vom 15. September 2006. In dem Protokoll wurde u.a. festgehalten:

[quote]Notfallsituation: Kreislaufschwäche unklarer Genese, unklares Erbrechen, unklarer Schwindel, Zustand nach Unterleibs-OP vor ca. 4 Wochen, bekanntes Vorhofflimmern – cave Marcumar.[/quote]

Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung der Versicherten zunächst die DRG F 62 A (“Herzinsuffizienz”) mit 4.852,75 € in Rechnung. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Fallberatung DRG durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bat die Beklagte um eine Korrektur der Rechnung. Die Beklagte widersprach der Auffassung der Klägerin (Schreiben vom 23. Juli 2007).

Nach einer erneuten Beurteilung durch den MDK ergab sich nach Auffassung der Beklagten, dass allenfalls die DRG F62 C (“Herzinsuffizienz und Schock ohne äußerst schwere CC”) abzurechnen sei (Mitteilung der Beklagten vom 30. April 2008 an die Klägerin). Die Beklagte rechnete am 3. Juni 2008 den Betrag von 2.355,93 € mit unstreitigen Forderungen der Klägerin auf.

Am 24. November 2008 erfolgte eine Umkodierung und neue Rechnungslegung durch die Klägerin. Sie stellte für die stationäre Behandlung der Versicherten die Fallpauschale DRG T 60 C (“Sepsis”) in Höhe von 5.172,61 € in Rechnung. Die Klägerin hat am 5. März 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und hat mit ihrer Klage die noch bestehende Rechnungsdifferenz in Höhe von 2.628,33 € geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, es sei hier für den stationären Aufenthalt der Versicherten die Vergütung nach der Fallpauschale “DRG T 60 C” bei Vorliegen einer Sepsis als Hauptdiagnose vorzunehmen.

Die Beklagte hat sich auf eine Stellungnahme des MDK – Gutachten Dr. ### vom 22. Juli 2009 – bezogen, wonach dieser nach Auswertung der Krankenakte zu dem Ergebnis komme, dass die DRG F 62 C abzurechnen gewesen wäre. Die Klägerin hat hierzu eine Stellungnahme des #### – vom 11. September 2009 vorgelegt.

Das SG hat Dr. ###, Facharzt für Innere Medizin und Rehabilitationswesen, beauftragt, ein Sachverständigengutachten zu erstellen. Dieser kommt in seinem nach Aktenlage am 14. Dezember 2009 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Sepsis im Falle der Versicherten nicht vorgelegen habe, da die Kriterien hierfür nicht erfüllt seien. Als Hauptdiagnose sei vorliegend eine “Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichter Belastung I50.13” zu kodieren. Dies ergebe nach dem Grouper-Ausdruck die DRG-Ziffer F 62 C.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid (G B) vom 6. April 2010 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung auf das Sachverständigengutachten des Dr. ### gestützt. Die Klägerin hat gegen diesen ihr am 12. April 2010 zugestellten GB am 10. Mai 2010 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie trägt vor, es sei im Falle der Versicherten die Sepsis als Hauptdiagnose zu verschlüsseln gewesen. Die Versicherte sei auf der Inneren Abteilung aus der Gynäkologischen Abteilung mit Herzrasen, progredienter Dyspnoe und innerem Unwohlsein aufgenommen worden. Initial habe sich ein positives Troponin sowie eine CK-Erhöhung bis 263U/l bei einem CK-MB von 7 % sowie erhöhte Entzündungsparameter gezeigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des MDK seien nach den zum streitbefangenen Zeitpunkt gültigen Definitionen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und der Deutschen Sepsisgesellschaft die Voraussetzungen für die Kodierung einer Sepsis erfüllt gewesen.

Die Klägerin legt die Rechnungen für den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 24. November 2008, den Abschlussbericht über den Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 29. November 2006 und Unterlagen zum Vorliegen eines SI RS – Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom – gültig bis 31 . Dezember 2006 – vor.

Die Klägerin beantragt,

  1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 6. April 2010 aufzuheben,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.628,33 € sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.355,93 € seit dem 9. Juni 2008 sowie 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 319,86 € seit dem 8. Dezember 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie widerspricht der Auffassung der Klägerin und verweist hierzu auf ihr bisheriges Vorbringen und auf das Gutachten des Dr. ###, Arzt für Innere Medizin, MDK Hannover, vom 22. Juli 2009.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. ###, Arzt für Innere Medizin, eingeholt. Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 5. Juli 2011 zu dem Ergebnis, es habe sich im Behandlungsfall der Versicherten um eine schwere Infektion mit septischem Verlauf gehandelt. Die DRG T 60 C sei zutreffend. Hingegen sei die von der Beklagten angenommene Kodierung DRG F 62 C mit der Hauptdiagnose “Herzinsuffizienz” nicht zutreffend, denn nach den deutschen Kodierrichtlinien sei die Hauptdiagnose “die Diagnose, die nach Analyse, also am Ende des Krankenhausaufenthaltes, als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.” Dies sei eindeutig die Infektion mit ihren systemischen Folgen gewesen.

Die Beklagte hat dem Gutachten des Prof. Dr. Hensen widersprochen und hierzu ein Gutachten des MDK – Dr. ####, Internist/Sozialmedizin, vom 28. September 2011 vorgelegt. Nach Auffassung von Dr. #### sei der vom Sachverständigen Prof. Dr. #### gezogene Schluss, es habe eine Sepsis vorgelegen, nicht begründet. Es sei der sichere Nachweis einer invasiven Temperaturmessung, wie dies bei Behandlung einer Sepsis zu erwarten gewesen wäre, nicht erbracht worden. Vielmehr sei den Ausführungen des vom SG in erster Instanz erstellten Gutachtens von Dr. #### sowie der Schlussfolgerung des SG zu folgen.

Der Senat hat zu dem Gutachten des Dr. #### eine ergänzende Stellungnahme bei dem Sachverständigen Prof. Dr. #### eingeholt (27. März 2012). Hierzu hat die Beklagte weitere Gutachten des MDK – Dr. #### – Gutachten ohne Datum, überreicht mit Schriftsatz vom 1. August 2012, und Gutachten vom 26. Oktober 2012 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenakte der Versicherten und die Gerichtsakte des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz – SGG – form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist auch begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Hannover ist aufzuheben, denn die Klägerin hat Anspruch auf die streitige Vergütungsdifferenz in Höhe von 2.628,33 Euro nebst 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz in tenoriertem Umfang.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehen sich Krankenhaus und Krankenkasse bei der Frage, wie die Behandlung eines gesetzlich gegen Krankheit Versicherten zu vergüten ist, im Gleichordnungsverhältnis gegenüber, so dass eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt und ein Vorverfahren nicht durchzuführen ist (Urteil des erkennenden Senats vom 19. Dezember 2012 – L 1 KR 23/11 u.H.a.d.st. Rechtspr. des BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 R – Rdnr. 8 m.w.N.).

Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausgesetz und der Anlage 1 der Fallpauschalenverordnung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGG V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1-8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog ist in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Krankenhausentgeltgesetz geregelt. Der Spitzenverband Bund der Krankenkasse (bis 30. Juni 2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz als Vertragsparteien auf Bundesebene einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelten oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 Krankenhausgesetz wurde das DRG-System für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines Deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten: Zunächst wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des BMG herausgegebenen “Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 101 SGB V” (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung (Kodierung) haben die Vertragspartner auf Bundesebene “Kodierrichtlinien” beschlossen.

Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die für den Tag der stationären Aufnahme, hier der 15. September 2006, geltenden Abrechnungsregelungen, d.h. hier die Kodierrichtlinien 2006, die DRG Abrechnungsregeln (FPV), die OPS-301 und die ICD-10 jeweils in der Version 2006.

In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, an hand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als “Grouping” bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung liegt ein fester Groupingalgorithmus zugrunde. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Softwareprogramme eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zertifiziert sind. In einem entsprechenden Definitionshandbuch ist für jede Fallpauschale die jeweils maßgebliche Entscheidungslogik in Form von Ablaufdiagrammen festgehalten (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 R – Rdnr. 13).

Für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind auch Nebendiagnosen bedeutsam, soweit ihnen die Vertragsbeteiligten zur angemessenen Bewertung von Versorgungsbesonderheiten Abrechnungsrelevanz beigemessen haben. Für die Begleiterkrankungen ist das nach den hier geltenden Kodierrichtlinien der Fall, wenn sie einen über die Hauptdiagnose hinausgehenden Versorgungsaufwand bedingen und nach der DRG-Entscheidungslogik eine höhere Bewertung der erbrachten Leistungen nach sich ziehen. Fehlt es daran, ist mit der Fallpauschale für die Grunderkrankung auch der Versorgungsaufwand für etwaige Begleiterkrankungen vollständig mit abgegolten. Maßgeblich für die Krankenhausvergütung ist nicht der tatsächlich angefallene und nach Selbstkostendeckungsprinzipien zu bewertende Krankenhausaufwand, sondern der Behandlungsanlass und der zu dessen Versorgung nach der Wertung der Vertragspartner typischerweise erforderliche Aufwand.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz sind mit der DRG-Fallpauschale alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen abgegolten. Das sind die Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Begleiterkrankungen und anderen Versorgungsbesonderheiten kommt im Fallpauschalensystem nur Bedeutung zu, soweit sie in das DRG-Regelwerk eingegangen sind und in dessen System zu einer höher bewerteten DRG führen. Zusätzlich zur Hauptdiagnose kodiertähig sind nur solche Nebendiagnosen, deren Versorgung weitere und in Bezug auf die Haupterkrankung nicht gebotene Leistungen des Krankenhauses ausgelöst hat.

“Hauptdiagnose” in diesem Sinne ist die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.

Da das DRG – basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit “lernendes” System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. Von diesen Grundsätzen ausgehend, ist der Krankenhausaufenthalt der Versicherten nach der Fallpauschale DRG T 60 C (“Sepsis”) zu vergüten. Dies folgt nach Auffassung des Senats aus dem im Berufungsvertahren eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. ####.

Vorl iegend war eine Sepsis als Hauptdiagnose zu kodieren. Nach den zum streitbefangenen Zeitpunkt gültigen Definitionen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Sepsis-Gesellschaft (DSG) sind die Voraussetzungen für die Kodierung einer Sepsis ertüllt gewesen. Auf einer internationalen Konsensuskonferenz (ACCP/SCCM Konsensus-Konferenz) wurden 1992 Definition und Diagnosekriterien von SIRS, Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock einheitlich definiert.

Ein “Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS)” ist gegeben, wenn zwei Kriterien der unten stehenden Kriteriengruppierung II ertüllt sind. Eine Sepsis liegt bei einem zusätzlichen Nachweis einer Infektion vor (I und 11):

I. – Nachweis einer Infektion

Diagnose einer Infektion über den mikrobiologischen Nachweis oder durch klinische Kriterien

II. – Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) (mindestens zwei Kriterien erfüllt)

  • Körpertemperatur> 39 0 C oder< 36 0 C
  • Tachykardie: Herzfrequenz> 90/min
  • Tachypnoe: Atemfreqenz > 20/min oder Hyperventilation (PaC02 < 4,3 kPa bzw. 33 mmHg)
  • Leukozystose (> 12.000 weiße Blutkprperchen/mm3) oder Leukopenie (> 4.000/mm3) oder> 10 % unreife neutrophile GranulOZy1en im Differentialblutbild. (Vgl. Gutachten des Prof. Dr. ####, Seite 6 und 7; Anlage 4 zum Berufungsschriftsatz der Klägerin vom 7. Mai 2010).

Danach waren im Falle der Versicherten drei Kriterien der Kriterienliste II für eine Sepsis erfüllt. Der Sachverständige hat dies in seinem für den Senat nachvollziehbaren Gutachten überzeugend dargelegt. Es handelt sich um die erhöhte Körpertemperatur, die Leukozytose und tachykarde Herzfrequenz > 90/min. im Rettungswagen und im Verlauf. Dazu führte der Sachverständige zusammenfassend aus, es habe bei der Versicherten per definitionem eine Sepsis, am ehesten eine Urosepsis vorgelegen. Als wahrscheinlichster Erreger komme das Bakterium E. coli in Betracht. Auf der Grundlage der im Jahre 2006 geltenden Kodierungsregelungen führte dies dazu, dass die Sepsis auch bei septisch verlaufenden Infektionen mit 2 Kriterien der Liste II ohne zwingende Abnahme von 2 x 2 Blutkulturen und damit vergleichsweise geringem Behandlungsaufwand bei der Kodierung angesteuert werden konnte (vgl. die Ausführungen im Gutachten Seite 9) .

Damit war der Behandlungsfall der Versicherten nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Hensen als eine schwere Infektion mit septischem Verlauf mit DRG T 60 C zu kodieren. Der Senat folgt dieser Einschätzung des Sachverständigen.

Soweit im erstinstanzlichen Verfahren durch das abweichende Gutachten des Dr. #### und die Stellungnahme des MDK sich abweichende Beurteilungen ergeben und die Beklagte durch die im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren Stellungnahmen des MDK den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. #### widerspricht, folgt dem der Senat nicht. Das Gutachten von Prof. Dr. Hensen ist für den Senat überzeugend und nachvollziehbar. Prof. Dr. #### hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass er der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. ####, MDK, vom 28. September 2011 nicht folgen könne, weil aus der Krankenakte der Versicherten unvollständig zitiert worden sei. Bereits bei der Einschätzung des Konsiliarius am 16.09. seien septische Temperaturen mit CRP – und Leukozyten-Anstieg trotz Antibiose beschrieben worden und es sei wie folgt  zusammengefasst worden:

[quote]Tachyarrhythmia bei Vorhofflimmern mit kardialer Dekompensation und Myokardischämie im Rahmen einer Sepsis, vermutlich gynäkologischer Ursache[/quote]

Es sei also von den behandelnden Ärzten nicht grundsätzlich von einer Iinksventikulären Dekompensation im Rahmen eines tachykarden Vorhofflimmerns als Hauptdiagnose ausgegangen worden, sondern von einer Sepsis mit der Folge einer Herzrhythmusstörung und Herzinsuffizienz. Dies werde auch unterstützt durch das Rettungsprotokoll bei Einlieferung.

Soweit in dem Gutachten des MDK moniert worden sei, dass die Temperaturerhöhung durch eine invasive, zumindest “rektale intravasale oder intravesikale Messung der Temperatur” hätte kontrolliert werden müssen, wäre dies in diesem Fall unverhältnismäßig gewesen. Die Messung einer invasiven Temperatur sei auch nicht Bestandteil der Kodierrichtlinien. Aus der Aufnahmedokumentation in diesem Fall gehe hervor, dass in der Aufnahmesituation zweimal fieberhafte Temperaturen gemessen worden seien (33,9° C und 38,7° C) . Auf der Station sei die Temperatur ebenfalls noch zweimal erhöht über 38,5° C gemessen worden. Damit ergebe sich bei Hauptdiagnose Sepsis A41.9 die DRG T 60 C.

Der Senat hält die Schlussfolgerungen des Sachverständigen für überzeugend und schließt sich ihnen nach inhaltlicher Prüfung an. Hinsichtlich des Nachweises der fieberhaften Temperaturen ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass in den Patientenunterlagen des Krankenhauses die Messungen am 16. und 17. September jeweils mit einem Kreis versehen sind. Auf diese Weise werden nach Kenntnis des Senats üblicherweise rektale Temperaturmessungen gekennzeichnet. Es ist daher wahrscheinlich, dass insoweit tatsächlich eine Kontrolle der erhöhten Temperatur in der vom MDK geforderten Weise erfolgte.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 13 Abs. 7 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3,47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen, § 160 Abs. 2 SGG.

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