Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 KR 248/10
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 04.08.2011 (nicht rechtskräftig)
Siehe auch den Kommentar zu diesem Urteil und zur Revision des BSG
- Sozialgericht Koblenz S 3 KR 364/09
- Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 KR 248/10
- Bundessozialgericht B 3 KR 15/11 R (Revision zurückgewiesen am 12.06.2012)
- Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 09.11.2010 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Zahlung weiterer Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 423,13 EUR nebst Zinsen.
In dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde die bei der Beklagten krankenversicherte M R vom 01.07.2008 bis 08.07.2008 sowie erneut vom 11.07.2008 bis 14.07.2008 stationär behandelt. Für die Erstbehandlung mit der Hauptdiagnose D 25.9 (Leiomyom des Uterus, nicht näher bezeichnet) machte die Klägerin ausgehend von der DRG N 21 Z (Hysterektomie außer bei bösartiger Neubildung, ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne komplexen Eingriff) mit Rechnung vom 17.07.2008 insgesamt 3.436,19 EUR geltend, für die Zweitbehandlung mit der Hauptdiagnose T 81.0 (Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert) forderte die Klägerin ausgehend von der DRG X 62 Z (Vergiftungen/toxische Wirkungen von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen oder Folgen einer medizinischen Behandlung) einen Betrag von 1.557,75 EUR (Rechnung vom 23.07.2008). Beide Rechnungen beglich die Beklagte zunächst, machte gestützt auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) – Dr L vom 03.09.2008 und 15.09.2008, Dr L / Dr H -V vom 01.10.2008 – in der Folge jedoch geltend, nach der Regelung in § 2 Abs 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV 2008) müsse eine Fallzusammenführung erfolgen. Ausgehend von der für den zusammengeführten Fall anwendbaren DRG N 21 Z mit einem DRG-Preis von 4.485,38 EUR ergebe sich eine Differenz in Höhe von 423,13 EUR zu Gunsten der Kasse. Trotz des Widerspruches der Klägerin gegen die Fallzusammenführung verrechnete die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsbetrag am 19.06.2009 mit einer anderen Forderung der Klägerin.
Am 04.08.2009 hat die Klägerin daraufhin Zahlungsklage in Höhe von 423,13 EUR zum Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben. Sie hat geltend gemacht, eine Fallzusammenführung sei nicht gerechtfertigt. In Betracht käme lediglich nach § 2 Abs 3 FPV 2008 eine Fallzusammenführung wegen einer „in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation“. Vorliegend sei bei der betroffenen Versicherten der Beklagten anlässlich der Abschlussuntersuchung des ersten Aufenthaltes eine zeitgerechte Wundsekretion bei abheilendem Scheidengrund ohne Anhalt für Hämatom oder Infektion und unauffälligem sonographischen Befund festgestellt worden. Am 11.07.2008 habe die Versicherte dann notfallmäßig mit Unterbauchschmerzen und vaginaler blutiger Sekretion stationär aufgenommen werden müssen, wobei sonographisch ein Scheidenstumpfhämatom bestanden habe. Da bei der Entlassung nach dem ersten Aufenthalt kein Anhalt auf ein Hämatom bestanden habe, habe sich das Hämatom folglich erst später entwickelt, was nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses falle. Im Unterschied zur FPV 2007 sei bei der FPV 2008 in § 2 Abs 3 S 1 zur Rechtfertigung einer Fallzusammenführung wegen einer Komplikation ausdrücklich die Ergänzung „in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden“ erfolgt, womit klargestellt worden sei, dass lediglich eine unerwünschte behandlungsbedingte Komplikation zB in Form einer nicht lege artis erfolgten Behandlung erfasst werde. Die Beklagte hat eingewandt, der Geltungsbereich der streitigen Regelung sei weiter zu fassen. Nur wenn die Komplikation auf mangelnde Compliance des Patienten oder auf eine zwischenzeitlich bei einem anderen Arzt erfolgte Behandlung zurückzuführen sei, sei keine Fallzusammenführung vorzunehmen. Alle anderen Fälle, in denen sich eine Komplikation im Zusammenhang mit der Leistung des Krankenhauses, also im Zusammenhang mit der dortigen Behandlung ergebe, fielen hingegen in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses.
Durch Urteil vom 09.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht eine Fallzusammenfassung nach § 2 Abs 3 FPV 2008 vorgenommen. Für die Zusammenfassung der Fälle sei nicht von Bedeutung, ob das Krankenhaus die Komplikation verschuldet habe und die Komplikation somit auf einem fehlerhaften Handeln beruhe. Wie bereits das SG Dresden mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2009 (S 18 KR 252/07, juris) dargelegt habe, sei es Ziel der Zusammenführung, im Hinblick auf mögliche Komplikationen Frühentlassungen der Patienten zu vermeiden und zumindest diesbezüglich keinen finanziellen Anreiz in diese Richtung zu geben. Da mit der Fallpauschale die Behandlung eines Patienten bis zur festgelegten Grenzverweildauer vergütet werde, müsse das Krankenhaus auch bei der Wiederaufnahme eines Patienten wegen einer Komplikation in diesem Zeitraum seine Leistungen grundsätzlich ohne zusätzliche Vergütung erbringen und das dementsprechende Risiko von auftretenden Komplikationen tragen. Wäre eine Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in das Krankenhaus nur bei einer verschuldeten Komplikation vorzunehmen, so wäre die Regelung in § 2 Abs 3 S 3 (richtig: S 2) FPV 2008, wonach eine Zusammenfassung und Neueinstufung bei unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemotherapien und Strahlentherapien im Rahmen onkologischer Behandlungen nicht vorgenommen wird, nicht notwendig gewesen. Die aufgeführte Ausnahme spreche deshalb dafür, dass grundsätzlich eine Fallzusammenführung unabhängig davon zu erfolgen habe, ob das Krankenhaus die Komplikation verschuldet hat. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 22.11.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.12.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe die Ergänzung im Wortlaut der streitigen Regelung über die Fallzusammenführung in der FPV 2008 nicht berücksichtigt und auch nicht beachtet, dass der angeführte Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 14.08.2009 noch die alte Fassung in der FPV 2006 betroffen habe. Wenn nunmehr nur eine „in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses“ fallende Komplikation erfasst werde, so dürfe ein Verschulden nicht komplett ausgeblendet werden. „Verantwortung“ bedeute die Verpflichtung, für etwas Geschehenes einzustehen. So finde sich im Duden unter dem Adjektiv „verantwortlich“ auch die Erklärung: „Für etwas die Verantwortung tragend, Schuld an etwas“. Unstreitig habe sich das bei der Versicherten zur notfallmäßigen Wiederaufnahme in das Krankenhaus führende Hämatom aber nicht auf Grund eines Fehlers bei der Erstbehandlung im Krankenhaus entwickelt. Aus der Regelung in § 2 Abs 3 S 2 FPV 2008, dass eine Zusammenfassung und Neueinstufung bei unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemotherapie und Strahlentherapie im Rahmen onkologischer Behandlungen nicht vorgenommen wird, lasse sich die vom SG gezogene Schlussfolgerung nicht ziehen. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts handele es sich nicht um eine Ausnahme, sondern um eine explizite Klarstellung auf Veranlassung des Bundesgesundheitsministeriums.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 09.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 423,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.06.2009 zu zahlen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vorliegend maßgebliche Regelung über die Fallzusammenführung in der FPV 2008 sei nicht so zu verstehen, dass eine Fallzusammenführung nur bei einem Verschulden des Krankenhauses im Sinne einer nicht lege artis durchgeführten Behandlung erfolgen solle. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Verursacher der Komplikation für eine nicht sachgerechte Behandlung noch eine höhere Vergütung erwarten könnte, was von den Vereinbarungspartnern sicherlich nicht erwünscht gewesen sei. Zu beachten sei weiter, dass durch die bisherige Praxis der Fallzusammenführung bei Komplikationen bis 2007 die Kosten von solchen Komplikationsfällen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus mit in das DRG-Vergütungssystem einbezogen worden seien. Die Kosten von Komplikationen seien mithin in die Berechnung der Höhe der DRGs eingeflossen. Würden aus einer Komplikation nun zwei stationäre Fälle generiert, würden die Kosten der Komplikation doppelt berücksichtigt. Dem ist die Klägerin entgegengetreten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte, die Behandlungsakte der Klägerin sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung durch das SG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Beklagte hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der überzahlten Vergütung betreffend die hier streitigen Krankenhausbehandlungen. Mit diesem Erstattungsanspruch durfte sie analog §§ 387 ff BGB gegenüber anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin aufrechnen (vgl. zur Aufrechnungsbefugnis BSG 30.6.2009 – B 1 KR 24/08 R, juris Rn. 11). Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf vollständige Begleichung dieser Forderungen.
Die als Leistungsklage zulässige (BSG 8.9.2009 – B 1 KR 11/09 R, juris Rn. 10 m.w.N.) Klage ist nicht begründet. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin wegen der hier streitigen Behandlungen ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG, in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 15.12.2004, BGBl. I 3429) und der Anlage 1 Teil a) Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2008 sowie dem zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und den Krankenkassen bzw. deren Verbänden geschlossenen Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – (KBV-RP; vgl. BSG 30.6.2009 – B 1 KR 24/08 R, juris Rn. 13). Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen „Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V“ (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines „Entscheidungsbaumes“ wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. In diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert. Nach diesen Maßstäben stand der Klägerin aus den hier streitigen Behandlungen eine Vergütung nur in der von der Beklagten anerkannten Höhe zu.
Vorliegend hat die Beklagte zu Recht für die Behandlungen ihrer Versicherten vom 01.07.2008 bis 08.07.2008 sowie vom 11.07.2008 bis 14.07.2008 nur den sich bei Fallzusammenführung ausgehend von der hierfür maßgeblichen DRG N 21 Z ergebenden um 423,13 EUR niedrigeren als bei Einzelvergütung der beiden Krankenhausbehandlungen Forderungsbetrag gezahlt. Insoweit sind rechnerische Fehler bei der auf Grund der Zusammenfassung der Falldaten von der Beklagten vorgenommenen Neueinstufung nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
Entgegen der mit der Berufung weiterverfolgten Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung gegeben. Nach § 8 Abs 5 KHEntgG hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn Patienten, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen werden (§ 8 Abs 5 S 1 KHEntgG). Näheres oder Abweichendes regeln die Vertragsparteien nach § 17b Abs 2 S 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) oder eine Rechtsverordnung nach § 17b Abs 7 KHG (§ 8 Abs 5 S 2 KHEntgG). In § 2 Abs 3 FPV 2008 haben die Vertragsparteien die Vorgaben nach § 8 Abs 5 KHEntgG ergänzt und geregelt, dass das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen hat, wenn Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wiederaufgenommen werden (§ 2 Abs 3 S 1 FPV 2008). Diese Regelung findet vorliegend grundsätzlich Anwendung, weil die nach § 2 Abs 3 S 3 FPV 2008 vorrangigen Vorgaben in § 2 Abs 1 und 2 FPV 2008 hier nicht einschlägig sind. Die Wiederaufnahme der Versicherten am 11.07.2008 erfolgte auch innerhalb der oberen Grenzverweildauer von elf Behandlungstagen für die bei isolierter Betrachtung des ersten Krankenhausaufenthaltes maßgebliche DRG N 21 Z wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung, wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist. Diese Komplikation – die Entwicklung eines Hämatoms – stellt eine typische Komplikation nach einem operativen Eingriff dar, wie Dr L / Dr H -V im MDK-Gutachten vom 01.10.2008 zutreffend festgestellt haben. Die Komplikation fällt auch im Sinne der Regelung des § 2 Abs 3 S 1 FPV 2008 „in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses“. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Regelung nicht im Sinne eines vorwerfbaren Verhaltens, also eines Behandlungsfehlers des Krankenhauses als Ursache der komplikationsbedingten Wiederaufnahme des Patienten zu verstehen. Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft abzulegen (vgl – auch zum Folgenden – den Beitrag „Verantwortung“ in: Wikipedia, freie Enzyklopädie, http://de.Wikipedia.org/w/index.php?title=verantwortung+printable=yes, recherchiert am 10.03.2011). Verantwortung stellt das menschliche Handeln in kausale Zusammenhänge. Aus der Soziologie kommt der Hinweis, dass Verantwortung nur im Rahmen einer Ungewissheit Sinn ergibt, wenn also künftige Entwicklungen oder Handlungsfolgen vorab nicht planbar sind. Die oft vorgenommene Vermischung der Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ ist inkorrekt, weil das Vorliegen von Schuld voraussetzt, dass die handelnde Person vorsätzlich oder fahrlässig gegen bestehende Normen verstößt, während Verantwortung auch dann geltend gemacht werden kann, wenn als korrekt angesehenes Handeln (ganz gleich, auf Grund welcher Umstände) negative Folgen nach sich zieht. Letzteres trifft gerade im hier interessierenden Zusammenhang einer Komplikation auf Grund einer durchgeführten medizinischen Behandlungsleistung zu. Denn der Bedeutungskern des Begriffes „Komplikation“ beschränkt sich darauf, dass der Krankheits- bzw Behandlungsverlauf eine nicht gewollte ungünstige Wendung nimmt. Auf die Vorhersehbarkeit oder Unerwartetheit ihres Eintritts kommt es hingegen nicht zwingend an. Insbesondere setzt eine Komplikation nicht schon begrifflich eine nicht lege artis erfolgte Behandlung voraus (vgl Landessozialgericht – LSG – Rheinland-Pfalz 10.06.2010 – L 5 KR 232/09). Anders als bei Abstellen auf eine vom Krankenhaus verschuldete Komplikation, die ein Fehlverhalten des Krankenhauses impliziert, ist bei einer „in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses“ fallenden Komplikation lediglich eine Ursache-Folge-Verknüpfung zwischen der vom Krankenhaus durchgeführten Leistung und dem Eintritt einer zur Wiederaufnahme des Patienten führenden unerwünschten Folge („Komplikation“) der Behandlung erforderlich, welche allerdings fehlt, wenn maßgeblich für die Komplikation ein nicht vom Krankenhaus gesetzter weiterer Umstand ist, etwa ein unvernünftiges Verhalten des Patienten nach der ersten Krankenhausentlassung oder ein fehlerhaftes Behandlungsverhalten des nach der ersten Krankenhausentlassung ambulant weiterbehandelnden Arztes. Dass solche nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Umstände für die bei der Versicherten eingetretene Komplikation ursächlich waren, ist von der Klägerin nicht aufgezeigt worden und auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Wiederaufnahme der Versicherten auf Grund eines Scheidenstumpfhämatoms nach vorangegangener laparoskopischer Hysterektomie unterfällt daher nach der Regelung des § 2 Abs 3 S 1 FPV 2008 dem Verantwortungsbereich des klagenden Krankenhauses. Zu Recht hat mithin die Beklagte eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorgenommen und die hieraus resultierende Überzahlung der von der Klägerin fehlerhaft getrennt abgerechneten Krankenhausbehandlungen in Höhe von 423,13 EUR durch Verrechnung mit einer unstreitigen anderen Rechnung der Klägerin nachträglich abgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.