Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 76/08
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.06.2009 (nicht rechtskräftig)
- Sozialgericht Dresden S 25 KR 1413/04
- Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 76/08
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 31. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu drei Vierteln, die Beklagte jeweils zu einem Viertel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.244,53 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin berechtigt ist, eine Rechnung über eine von der Klägerin erbrachte Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Finanzierung integrierter Versorgungsformen zu kürzen.
Die Klägerin wurde im Dezember 1997 gegründet und betreibt ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung mit 520 Planbetten. Alleingesellschafterin ist die Stadt H. (vgl. die Angaben bei Wirtschaft/Städtische Beteiligungen/Unmittelbare Beteiligungen unter www.h …de). Die Rechnung vom 27.10.2004 in Höhe von 24.326,10 EUR für die stationäre Behandlung der am 12.04.1937 geborenen Versicherten S. für die Zeit vom 08.09.2004 bis zum 05.10.2004 wurde von der Beklagten abzüglich eines Vergütungsanteils von einem Prozent bezahlt (Überweisungsbetrag: 24.081,57 EUR). Der Einbehalt erfolgte unter Hinweis auf zwei Verträge zur integrierten Versorgung: 1. „Vertrag über das Kooperationsprojekt gem. § 140b SGB V – Integrierte Versorgung mit dem Schwerpunkt invasiv-kardiologischer Behandlung (CARD.I.V.), den die Beklagte mit der Praxisklinik Kardiologie/Angiologie/Radiologie in D. sowie dem Städtischen Krankenhaus D. und hausärztlich oder nicht invasiv internistisch ambulanten Leistungserbringern zur Optimierung der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum 01.04.2004 schloss; 2. „Vertrag zur integrierten Versorgung nach § 140 b SGB V“ von Patienten mit Operationen an Bewegungsorganen und Gelenkimplantationen (BARIOS), den die Beklagte mit der Asklepios Orthopädische Klinik H. , niedergelassenen Fachärzten für Orthopädie und Chirurgie sowie Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung „Rheumatologie“ und beigetretenen Rehabilitationskliniken zum 01.02.2004 schloss. Für das Jahr 2004 ging die Beklagte für den Vertrag CARD.I.V. von einem Vergütungsvolumen von 1.277.380,90 EUR bei angenommenen 1.070 teilnehmenden Versicherten aus, für den Vertrag BARIOS von einem Vergütungsvolumen von 312.600,20 EUR bei 35 teilnehmenden Versicherten. Zur Finanzierung beider Verträge seien Zahlungskürzungen von insgesamt einem Prozent in Ansatz zu bringen (0,78 Prozent für CARD.I.V.; 0,22 Prozent für BARIOS).
Mit der am 22.12.2004 vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den Einbehalt des Vergütungsanteils von einem Prozent – bezogen auf die obige Rechnung – gewandt. Nach § 140d Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu einem Prozent von der nach § 85 Abs. 2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich seien. Die Regelung setze daher den Nachweis eines vorhandenen Integrationsprojektes voraus. Dieser sei von der Beklagten jedoch nicht geführt worden. Der Abzug von bis zu einem Prozent der Gesamtvergütung müsse zur Umsetzung von abgeschlossenen Integrationsverträgen erforderlich sein. Dies ergebe sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/1600 [S. 14] sowie BT-Drucks. 15/1584 [S. 8]). Die Beklagte könne sich zum Nachweis nicht darauf berufen, dass sie der gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH – BQS) die erforderlichen Informationen auf Grund der Vereinbarung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen weitergeleitet habe. Denn die BQS-Vereinbarung entfalte keine Rechtswirkung gegenüber der Klägerin. Darüber hinaus sei die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V formell und materiell verfassungswidrig. Der Einbehalt von Vergütungsanteilen sei als Abgabe anzusehen, die von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) nicht gedeckt sei. Die Anschubfinanzierung könne auch nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG gestützt werden, da sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze erstrecke. Nicht erfasst sei die Durchsetzung gesundheitspolitischer Fernziele, die den allgemeinen Standard der Krankenhausversorgung weit überstiegen (Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], DVBl. 1990, 2309 ff. [wohl: 984 ff.). Die Anschubfinanzierung diene nicht der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser. Ferner handle es sich auch nicht um Regelungen der Krankenhauspflegesätze, sondern um die Regelung der Finanzierung von Verträgen mit besonderen Leistungsanbietern gemäß § 140b SGB V. Da die Abgabe weder als Steuer noch als Gebühr anzusehen sei, handele es sich um eine Sonderabgabe; die Voraussetzungen zur Erhebung einer solchen Abgabe lägen jedoch nicht vor. Da der Gesetzgeber mit der Einführung der integrierten Versorgung eine sektorenübergreifende Regelung beabsichtigt habe, richte sich die Abgabe nicht an eine homogene Gruppe von Abgabepflichtigen. Auch sei nicht ersichtlich, dass zwischen der Gruppe der Abgabepflichtigen und der zu finanzierenden Aufgabe eine spezifische Sachnähe bestehe. Eine besondere Sachnähe der belasteten Gruppe der Krankenhäuser sei ebensowenig zu erkennen wie eine gruppennützige Verwendung der aus der Abgabe erzielten Finanzmittel. Die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V verstoße zudem gegen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG; darüber hinaus auch gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) eine rückwirkende Änderung der sich aus § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V dargelegten Grundsätze nicht ergebe. Vielmehr habe der Gesetzgeber ausdrücklich eine Regelung vorgesehen, nach der die Krankenkassen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenhäusern die Verwendung der einbehaltenen Mittel darlegen müssten. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte gegenüber der Klägerin – bezogen auf den streitigen Sachverhalt – nicht nachgekommen. Soweit sich aus der Gesetzesbegründung zu § 140d SGB V ergebe, dass der Umfang der Nachweispflicht u. a. gegenüber den Krankenhäusern nur dem Umfang der Nachweispflicht gegenüber der Registrierungsstelle in § 140d Abs. 5 SGB V entspreche, habe eine entsprechende Regelung keine Rückwirkung. Vielmehr sei die Streichung der Rückzahlungsverpflichtung der Krankenkassen für nicht verwendete Mittel der Anschubfinanzierung nach § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V in der Fassung des GKV-WSG verfassungswidrig. Die Überprüfung der Erforderlichkeit einbehaltener Vergütungsanteile zur Anschubfinanzierung müsse möglich sein, da ansonsten effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet sei.
Die Beklagte hat darauf erwidert, dass sie gesetzlich nicht verpflichtet sei, den von der Klägerin erbetenen Nachweis zu führen. Insbesondere könne sich Letztere nicht auf § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V berufen. Denn diese Regelung bestimme lediglich, dass die Einbehaltung in Höhe von einem Prozent der Vergütungsanteile zu erfolgen habe, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich seien. Der Nachweis eines Vertragsschlusses sei gerade nicht erforderlich. Auch die von der Klägerin in Bezug genommenen Bundestagsdrucksachen legten keine Nachweispflicht oder gar eine Beweispflicht der Krankenkassen nahe. Mit der bereits 2004 erhobenen Klage begehre die Klägerin überdies bereits vor Ablauf des im Gesetz vorgesehenen Drei-Jahres-Zeitraums die Rückzahlung einbehaltener Mittel in Höhe der klageweise geltend gemachten Forderung, der eine – gesetzlich ausgeschlossene – vorzeitige Abrechnung der Beklagten über die einbehaltenen und verwendeten Mittel vorauszugehen hätte. Die Einrichtung der erwähnten Registrierungsstelle auf Grund der BQS-Vereinbarung sei freiwillig erfolgt, da eine gesetzliche Pflicht zum Nachweis der Einbehaltung von Vergütungsabschlägen dem Grunde und der Höhe nach nicht bestehe. Die Krankenkassen seien lediglich gehalten, gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung bzw. gegenüber Krankenhäusern die Erforderlichkeit der Kürzung zur Finanzierung bereits abgeschlossener Integrationsverträge darzulegen. Eine Überprüfung der Erforderlichkeit der in Integrationsverträgen eingesetzten Mittel durch Kassenärztliche Vereinigungen bzw. Krankenhausträger könne damit jedoch nicht verbunden sein. Eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung müsse dafür Sorge tragen, dass die Gestaltungsfreiheit der Integrationsvertragspartner erhalten bleibe (Bezugnahme auf Orlowski/Wasem, Gesundheitsreform 2004, S. 93 ff.). Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte auf der Grundlage der BQS-Meldung – ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung – bereits ausführlich über die Integrationsverträge informiert habe. Nach dem Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21.06.2004 (S 1 KA 67/04 ER) sei die Krankenkasse lediglich dazu verpflichtet, anzugeben, welcher Vertrag (mit welcher Laufzeit, für welche Versorgungsregion, mit welchem geschätzten Vergütungsvolumen) finanziert werden solle. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der BQS-Vereinbarung seien ausschließlich das vertragskennzeichnende Deckblatt sowie die Unterschriftenseite des jeweils abgeschlossenen Vertrages zur integrierten Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V in Kopie zur Verfügung zu stellen. Weitergehende Angaben seien zum Nachweis abgeschlossener Integrationsverträge nicht notwendig. Die Klägerin möge zudem zunächst darlegen, wann sie das ihr nach der BQS-Vereinbarung ausschließlich gegenüber der BQS-Registrierungsstelle bestehende Recht auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen habe. Allgemeine Grundsätze der Beweislastverteilung dürften in diesem Falle nicht angewendet werden. Denn die Verträge zur integrierten Versorgung unterlägen dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Vertragsparteien. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stünden nach § 35 Abs. 4 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) den Sozialdaten im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB I gleich. Mit Blick auf die in den Integrationsverträgen enthaltenen Angaben über die sachlichen Verhältnisse der Vertragsbeteiligten und im Hinblick auf die darin enthaltenen weiteren – für Dritte nicht offenkundigen Tatsachen über den Geschäftsbetrieb (Preise, Haftungsregelungen usw.) – hätten die Verträge einen ausgesprochen vertraulichen Charakter und seien ihrem Inhalt nach nur den Vertragspartnern bekannt. Integrationsverträge dürften daher nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) offenbart werden (§ 35 Abs. 2 SGB I). Die Überlassung von Verträgen oder Vertragsinhalten könne daher nicht auf die §§ 67 ff. SGB X gestützt werden. Zudem sei die Offenlegung des Integrationsvertrages nicht erforderlich, da der Klägerin die nach der BQS-Vereinbarung bestehenden Rechte zur Verfügung stünden. Die Offenlegung von Vertragsinhalten würde nach Ansicht der Beklagten den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, den Wettbewerb unter den Leistungserbringern sowie unter den Krankenkassen zu fördern, vereiteln. Mit Blick auf die Zahl von 1.859 der gemeinsamen Registrierungsstelle gemeldeten – abgeschlossenen – Integrationsverträge (Stand: 31.12.2005) solle das mittlerweile etablierte Verfahren der gemeinsamen Registrierungsstelle nicht infrage gestellt werden. Zudem habe der Gesetzgeber durch § 140d Abs. 5 SGB V in der Fassung des GKV-WSG klargestellt, dass die Darlegungs- und Nachweispflicht im Umfang der bisherigen entsprechenden Verpflichtungen gegenüber der gemeinsamen Registrierungsstelle zu erfolgen habe. Dieser Regelung sei zu entnehmen, dass die Offenlegung von Integrationsverträgen gesetzlich nicht vorgesehen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber mit der Einführung des GKV-WSG die Krankenkassen von der Verpflichtung zur Rückzahlung der nicht für die Finanzierung der Integrationsverträge eingesetzten Mittel freigestellt. Vor diesem Hintergrund sei es widersinnig, über die BQS-Vereinbarung hinausgehende Nachweispflichten statuieren zu wollen.
Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2008 hat das SG dem Antrag der Klägerin auf Einsicht in die Verwaltungsakte entsprochen und ihr Bl. 86 bis 109, die sowohl den Integrationsvertrag CARD.I.V. als auch den Integrationsvertrag BARIOS betreffen, zugänglich gemacht. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Erinnerung hat das SG verworfen, da es sich bei der Gewährung der Akteneinsicht um eine prozessleitende Verfügung gehandelt habe, gegen die kein Rechtsbehelf statthaft eingelegt werden könne (Bezug auf § 172 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das SG hat die Beklagte sodann verurteilt, an die Klägerin 244,53 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen. Die auf Verhinderung der Offenlegung oder Einsichtnahme der Klägerin in die erwähnten Integrationsverträge gerichtete Feststellungs- und Widerklage hat das SG als unzulässig abgewiesen und insgesamt die Berufung zugelassen (Urteil vom 31.01.2008). Das SG habe sich nicht davon überzeugen können, dass die Beklagte Verträge zur integrierten Versorgung geschlossen habe. Ferner sei offen geblieben, dass die auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V einbehaltenen Beträge zur Umsetzung der Verträge BARIOS und CARD.I.V. erforderlich seien. Nach dem Grundsatz, dass jeder im Rahmen des materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trage, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten, trage die Beklagte vorliegend die objektive Beweislast für das Vorliegen von Verträgen zur integrierten Versorgung. Deren Ansicht, dass es hier aus Gründen des Schutzes des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses oder des Wettbewerbs zu einer Umkehr der Beweislast komme, entbehre jeder Grundlage. Es genüge nicht, dass überhaupt Verträge zwischen Trägern verschiedener Sektoren geschlossen worden seien. Vielmehr müssten diese auch die integrierte Versorgung zum Gegenstand haben. Die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung müssten damit durchbrochen und den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet werden, außerhalb der bisherigen Regelversorgung eine alternative Versorgungsstruktur zu entwickeln. Nach den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte entsprechende Verträge geschlossen habe. Die Meldung an die gemeinsame Registrierungsstelle reiche dazu nicht aus. Aus der Meldung ergebe sich lediglich, wer Partner des Vertrages sei, wie hoch das geschätzte Vergütungsvolumen sei und wie viele Versicherte teilnähmen. Der Vertragsinhalt ergebe sich aus der BQS-Meldung hingegen nicht. Das BQS-Verfahren ermögliche es den von einem Vergütungseinbehalt Betroffenen lediglich, sich auf einfache Art und Weise über die in § 3 Abs. 2 der BQS-Vereinbarung genannten Basisdaten zu informieren. Eine darüber hinausgehende Bedeutung komme dieser Vereinbarung nicht zu. Ob ein Vertrag zur integrierten Versorgung vorliege, könne nur auf der Grundlage der vollständigen Verträge beurteilt werden. Entsprechenden Verfügungen sei die Beklagte jedoch nicht gefolgt. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließe ein, dass die Verwaltungsvorgänge, welche die für das Verwaltungsverfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen Erwägungen dokumentierten, dem Gericht zur Verfügung stünden, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung bedeutsam sein könnten. Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängig sei, die zu der angegriffenen Entscheidung geführt hätten, werde auch die Kenntnisnahme durch das Gericht von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG eingeschlossen. Ansonsten wäre die Gewährung umfassenden Rechtsschutzes unmöglich. Denn das Gericht müsste ansonsten von den Darlegungen der Behörde ausgehen und könnte allenfalls überprüfen, ob die Entscheidungen auf der Grundlage der als zutreffend zu unterstellenden Behauptungen rechtmäßig seien (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 – 1 BvR 385/90 – juris Rn. 66 ff.). Die Vorlagepflicht bestehe für Akten und Urkunden, deren Inhalt für die Sachaufklärung des Gerichts notwendig sei. Den Umfang der Vorlagepflicht bestimme das Gericht. Das SG habe die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2004 zur Vorlage der Akten aufgefordert. Da in den übersandten Akten die Verträge BARIOS und CARD.I.V. nur auszugsweise enthalten gewesen seien, habe das SG die Beklagte nochmals mit Schreiben vom 29.11.2007 und vom 30.11.2007 aufgefordert, Kopien der vollständigen Verträge zu übersenden. Da die Beklagte keine Erklärung der obersten Aufsichtsbehörde beigebracht habe, dass das Bekanntwerden des Inhalts der angeforderten Unterlagen dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes nachteilig sein könnte oder dass die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssten (§ 119 SGG), sei die Beklagte dazu verpflichtet gewesen, die vollständigen Verträge vorzulegen. Ihre Weigerung sei daher als Verletzung ihrer Mitwirkungslast im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. So sei den vorgelegten Vertragsbestandteilen des Integrationsvertrages CARD.I.V. nicht zu entnehmen, wie die Ziele der integrierten Versorgung durch den Vertrag erreicht werden sollten. Die hausärztlich oder nicht invasiv internistisch tätigen ambulanten Leistungserbringer seien zudem nicht näher benannt. Der Vertrag BARIOS verweise bezüglich einzelner Versorgungsaufträge auf eine Anlage, die dem SG nicht vorgelegen habe. Die Prüfung, ob eine integrierte Versorgung vereinbart worden sei, sei daher nicht möglich. Die vorgelegten Kooperationsvereinbarungen formulierten lediglich allgemeine Programmsätze. Die Beklagte könne sich bezüglich des BARIOS-Vertrages nicht auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 11.11.2006 (L 1 B 291/05 KR-ER) berufen. Zwar habe dieser darin ausgeführt, dass es sich bei summarischer Prüfung um einen Vertrag der integrierten Versorgung handle. Allerdings sei diese Wertung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erfolgt; zudem sei dieser Rechtsstandpunkt von der Antragstellerin zuvor nicht bestritten worden. Selbst wenn man unterstellte, dass es sich bei den Verträgen CARD.I.V. und BARIOS um solche der integrierten Versorgung handele, wären die von der Beklagten gemachten Angaben zur Berechnung des Einbehalts nicht ausreichend, um den benötigten Finanzbedarf zu begründen. Zwar sei es zulässig, diesen auf Grund einer Prognoseentscheidung zu bestimmen, wobei der Beklagten eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative zuzugestehen sei. Die Prognose sei jedoch nur dann fehlerfrei, sofern sie auf Grund der vorhandenen Umstände und Zahlen nachvollziehbar sei, also insbesondere nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoße (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.08.2007 – B 10 EG 6/06 R – juris Rn. 15 m. w. N.). Dabei gehe die Ansicht der Beklagten, dass sich eine Überprüfung der Prognose durch die Gesetzesänderung zum 01.04.2007 auf Grund des GKV-WSG erübrige, fehl. Die zuvor vorgesehene Abrechnung der Einbehaltungen aus den Jahren 2004 bis 2006 seien zwar durch dieses Gesetz gestrichen worden. An dem Erfordernis, dass die einbehaltenen Beträge zur Umsetzung von nach § 140a SGB V geschlossenen Verträgen notwendig sein müssten (und zwar auch in den Jahren 2004 bis 2006), habe sich dadurch jedoch nichts geändert, sodass zur Rechtfertigung des Einbehalts auch für diese Jahre weiterhin eine valide, gerichtlich nachprüfbare Prognose zu verlangen sei. Eine solche sei auf Grund der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht möglich. Die zentrale Rechengröße der Prognose sei das geschätzte Vergütungsvolumen. Dazu habe die Beklagte lediglich mitgeteilt, dass dieses für das Jahr 2004 für den Vertrag CARD.I.V. auf 1.277.380,90 EUR bei 1.070 prognostizierten Patienten und für den Vertrag BARIOS auf 312.600,20 EUR bei 35 Patienten geschätzt werde. Wie sich das Vergütungsvolumen näher berechne und wie die Beklagte die prognostizierte Anzahl der Patienten ermittelt habe, bleibe unklar. Bemerkenswert sei jedenfalls, dass die Addition der auf Grund beider Verträge einbehaltenen Beträge für das Jahr 2004 mit einem Prozent exakt die nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V zulässige Höchstgrenze erreiche. Auch der geltend gemachte Zinsanspruch sei begründet; dieser beruhe auf Ziff. IX Abs. 1 Satz 3 der auf Grund der §§ 17, 17b, 18 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 11 Krankenhausentgeltgesetz geschlossenen Entgeltvereinbarung.
Die Zwischenfeststellungsklage der Beklagten sei unzulässig, da es an einem vorgreiflichen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis – und zwar bezogen auf die Einsicht in die dem Gericht übersandten Vertragsbestandteile als auch auf die Einsicht in die nicht übersandten Vertragsbestandteile – fehle. Bei der Gewährung der Akteneinsicht handele es sich um eine prozessleitende Verfügung, die für die übersendende Behörde gemäß § 172 Abs. 2 SGG unanfechtbar sei. Zudem habe sich – nach erfolgter Akteneinsicht durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung – der Antrag der Beklagten auf Zwischenfeststellung erledigt. Die von ihr erhobene Widerklage sei ebenfalls unzulässig, da ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Klägerin ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Verträge BARIOS und CARD.I.V. nicht zustehe, nicht ersichtlich sei.
Gegen das ihr am 17.06.2008 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 14.07.2008 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung. Das SG habe über die Erinnerung gegen die erteilte Akteneinsicht nicht in vorschriftsmäßiger Besetzung entschieden. Zudem hätte dieser Rechtsbehelf nicht mit der Begründung verworfen werden dürfen, dass er sich erledigt habe. Das SG habe dadurch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Das SG habe zugleich missachtet, dass die betreffenden Vertragsbestandteile nur für ein Verfahren „in camera“ und damit ausschließlich dem Gericht zur Verfügung gestellt worden seien. Das konkrete Vorgehen des SG und die ihm zu Grunde liegende Ansicht führten im Ergebnis zur Beseitigung des für das betreffende Verfahren statthaften Rechtsbehelfs der Erinnerung besonderer Art und verstoße zudem gegen das Verbot des Entzuges des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein Gehörverstoß sei auch darin zu sehen, dass das SG den Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.01.2008 trotz mehrfachen entsprechenden Ersuchens der Beklagten nicht aufgehoben habe. Ihr sei damit nicht hinreichend Gelegenheit eingeräumt worden, sich mit der für das Verfahren offenkundig entscheidungserheblichen und sehr komplexen Begründung des Urteils des BSG vom 15.11.2007 (B 3 KR 13/07 R) zeitlich ausreichend auseinanderzusetzen, da der Beklagten die schriftlichen Urteilsgründe erst am 25.01.2008 vorgelegen hätten und das SG bis zu diesem Tag eine Frist zur Stellungnahme gesetzt habe. Bei dem Vertrag CARD.I.V. handle es sich auch um einen Integrationsvertrag. Der Aufbau einer Versorgungskette im Rahmen dieses Vertrages führe zu einer Verbindung und Verzahnung der Leistungen der teilnehmenden Leistungserbringer und durchbreche durch das abgestimmte übergreifende Zusammenwirken bei der Versorgung die starren Grenzen der einzelnen Sektoren und Disziplinen. Die Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche werde dadurch überwunden, Substitutionsmöglichkeiten über verschiedene Leistungssektoren hinweg würden genutzt, Schnittstellenprobleme im Interesse einer reibungsloseren Versorgung des Patienten beseitigt und durch eine sehr zeitnahe umfassende Versorgung des Patienten sowohl einerseits sich aus einer Verzögerung der Behandlung ergebende mögliche gesundheitliche Spätfolgen als auch andererseits nicht notwendige Krankenhauseinweisungen vermieden. Zudem würden Doppeluntersuchungen im allseitigen Interesse und zum allseitigen Vorteil ausgeschlossen. Der Vertrag CARD.I.V. genüge insoweit den Vorgaben der leistungssektorenübergreifenden Versorgung in der Auslegung des § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das BSG im Urteil vom 06.02.2008 (B 6 KA 27/07 R). Zu berücksichtigen sei zudem, dass es nicht allein auf das vertraglich Geregelte ankomme, sondern auch gemeinsam vereinbarte Zielsetzungen und Absichten ausreichen könnten, sofern in der praktischen Durchführung des Vertrages eine übergreifende Steuerung von Behandlungsabläufen tatsächlich erreicht werde (Bezugnahme auf Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 20.05.2005 – L 4 B 20/05 KA ER). Auch der Vertrag BARIOS sei ein Integrationsvertrag, weil er eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit von Leistungserbringern beinhalte. Das Urteil des SG sei auch deshalb rechtswidrig, weil das SG die sich allein für die Krankenkasse und die Vertragspartner ergebenden Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume durch seine eigene Einschätzung ersetzt bzw. als nicht ausreichend erachtet habe. Die Beklagte sei nicht dazu verpflichtet gewesen, die genannten Integrationsverträge vollständig offen zu legen, da sie nach § 140d SGB V in der Fassung des GKV-WSG ausdrücklich nur die Meldung des geschätzten Vergütungsvolumens und der Kürzungsquoten der jeweiligen Einzelverträge zu melden habe, ferner deren Leistungsinhalt sowie deren Teilnehmer. Der Beklagten könne daher nicht entgegengehalten werden, sie habe die ihr obliegende Mitwirkung nicht erfüllt. Das GKV-WSG habe den Umfang der Darlegungs- und Nachweispflichten der Krankenkasse ausdrücklich klargestellt. Das SG sei daher nicht berechtigt gewesen, die Klägerin Einsicht in die Integrationsverträge nehmen zu lassen.
Während der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte der Klägerin umfassend Einsicht in die dem Senat vorliegenden Akten gewährt und die sich auf die Offenlegung der Integrationsverträge beziehenden Anträge im Berufungsschriftsatz (dort II. bis IV.) zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 31. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8 % Zinsen auf die ausgeurteilte Klageforderung von 244,53 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V verfassungswidrig ist.
Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest und trägt insbesondere ergänzend vor, die Gesetzesänderung des § 140d SGB V durch das GKV-WSG beziehe sich nur auf den Umfang der Nachweispflicht im Zusammenhang mit der Verwendung der einbehaltenen Mittel, nicht jedoch auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Einbehalts selbst. Der Rechtsschutz für die Betroffenen werde dadurch nicht ausgeschlossen. Die BQS-Registrierungsstelle habe lediglich unterstützende Funktion zur Erfüllung der gesetzlich nach wie vor bestehenden Nachweisverpflichtung der Krankenkassen auf Grund von § 140d SGB V. Zudem sehe § 3 Abs. 2 Buchstabe f der BQS-Verpflichtung vor, die relevanten Kalkulationsgrundlagen vorzulegen. Damit gehe die Nachweisverpflichtung gegenüber der BQS erheblich weiter als ihr die Beklagte tatsächlich gemeldet habe. Das mit der Plausibilisierung der Rechnungskürzung verbundene erleichterte Verfahren ersetze damit nicht die gesetzlich normierte Verpflichtung zum Nachweis der Erforderlichkeit, sondern gewährleiste lediglich ein praktikables Umsetzungsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 244, 53 EUR zuzüglich Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Denn die Beklagte hat den streitgegenständlichen Vergütungsanteil zu Recht einbehalten. Im Gegensatz zur Ansicht des SG handelt es sich bei den Verträgen CARD.I.V. und BARIOS um solche der integrierten Versorgung (I). Der von der Beklagten festgesetzte Einbehalt zur Finanzierung der beiden Verträge begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken (II). Die Klägerin ist nicht dazu berechtigt, von der Beklagten den Einblick in alle Vertragsunterlagen und den Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung einbehaltener Vergütungsanteile aufgrund einzelner Rechnungen zu verlangen (III). Die Regelung des § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist verfassungsgemäß (IV).
I.
Rechtsgrundlage des im Kern streitigen restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004. Nähere vertragliche Regelungen im Sinne von § 112 Abs. 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, insbesondere der Kostenübernahme und der Abrechnung der Entgelte, gab es in Sachsen im betroffenen Zeitraum nicht. Deshalb ist allein auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004 – B 3 KR 18/03 R – BSGE 92, 300 Rn. 9 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Auszahlung des streitgegenständlichen Einbehalts durch die Beklagte, da dieser rechtmäßig zur Anschubfinanzierung von Verträgen zur integrierten Versorgung erfolgt ist. Die Beklagte durfte die streitige Rechnung gemäß § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V um den streitigen Betrag kürzen.
1. Nach § 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung der Gesetze zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) dürfen die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden. Nach dieser Vorschrift legen die Verträge zur integrierten Versorgung die Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen fest. Die Regelung des § 140d Abs. 1 SGB V über die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung ist seit ihrem Inkrafttreten zum 01.01.2004 mehrfach geändert worden. Durch das Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz – VÄndG) vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3439) ist die ursprünglich bis Ende 2006 befristete Anschubfinanzierung bis Ende 2008 verlängert und die Pflicht zur Rückzahlung nicht zweckentsprechend verbrauchter Mittel bis zum 31.03.2009 aufgeschoben worden. Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) sind zum 01.04.2007 die Sätze 2 bis 4 eingefügt worden. Danach dürfen die Mittel der Anschubfinanzierung nur noch für voll- und teilstationäre Leistungen der Krankenhäuser und für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwendet werden, soweit nicht „Aufwendungen für besondere Integrationsaufgaben“ betroffen sind. Danach ist die Verwendung der Anschubfinanzierung für Verträge unzulässig, wenn damit (auch) Leistungen bezahlt werden, die nicht vertragsärztliche Leistungen sind (etwa solche der Apotheken). Diese gesteigerten Anforderungen gelten jedoch nach § 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht für Verträge, die vor dem 01.04.2007 abgeschlossen worden sind. Für die Anfang 2004 vereinbarten Verträge CARD.I.V. und BARIOS ist daher § 140d Abs. 1 SGB V i.d.F. des GMG maßgeblich.
2. Integrationsverträge können nach § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des GMG nur über eine „interdisziplinär-fachübergreifende“ oder über eine „verschiedene Leistungssektoren übergreifende“ Versorgung geschlossen werden.
a) Interdisziplinär-fachübergreifend ist die Versorgung, sofern an ihr Leistungserbringer verschiedener medizinischer Fachgebiete teilnehmen. Vertragsparteien des Vertrages CARD.I.V. sind neben einem Krankenhaus in D. eine Praxisklinik mit Fachärzten verschiedener Fachgebiete (Kardiologie, Angiologie, Radiologie) sowie hausärztlich und nicht invasiv internistisch tätige ambulante Leistungserbringer. Beim Vertrag BARIOS wirken ein Fachkrankenhaus für Orthopädie und Rheumaorthopädie und niedergelassene Fachärzte für Orthopädie und Chirurgie sowie Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung „Rheumatologie“ zusammen. Ob es sich dabei um eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung handelt, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die andere Alternative erfüllt ist.
b) Beide Verträge organisieren eine leistungssektorenübergreifende Versorgung.
aa) Der Begriff der Leistungssektoren i.S. des § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V ist gesetzlich nicht definiert (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks. 15/1525, S. 129, unter: Zu Nummer 113 [§ 140a], Zu Buchstabe a). Sein Inhalt ist deshalb nur durch eine am Zweck der integrierten Versorgung orientierte Auslegung zu bestimmen. Die Zielrichtung dieser Versorgungsform besteht zunächst darin, die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu durchbrechen und den Krankenkassen die Möglichkeit zu eröffnen, außerhalb der bisherigen Regelversorgung eine alternative Versorgungsstruktur zu entwickeln. Es soll eine Verzahnung der verschiedenen Leistungssektoren stattfinden, zum einen, um eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen, zum anderen aber auch, um für die Versicherten die medizinischen Behandlungsabläufe zu verbessern, Wartezeiten, Doppeluntersuchungen und Behandlungsdiskontinuitäten zu vermeiden (vgl. Baumann, jurisPK SGB V, § 140a Rn. 2).
Ausgehend von dieser allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Begriff der „Leistungssektoren übergreifenden Versorgung“ funktionell zu bestimmen. Ausgangspunkt ist jeweils das Leistungsgeschehen und dessen inhaltlicher Schwerpunkt. „Übergreifend“ ist dementsprechend eine Versorgung, die Leistungsprozesse, die in der traditionellen Versorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, nunmehr verknüpft. Behandlungsansatz und Ausrichtung des einzelnen Leistungsprozesses (z.B. hausärztliche Versorgung, ambulante Versorgung insgesamt, operative Behandlung, medizinische Rehabilitation) geben den entscheidenden Hinweis darauf, ob einzelne Behandlungsmaßnahmen Teil desselben Leistungssektors sind oder unterschiedlichen Sektoren angehören. Eine Operation (z.B. Implantation eines neuen Gelenks) und die anschließende Rehabilitation (z.B. Mobilisierung) dienen unterschiedlichen medizinischen Zwecken und sind in der Regelversorgung auch institutionell getrennt. Insoweit betreffen sie (auch) verschiedene Leistungssektoren i.S. des § 140a Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R – SozR 4-2500 § 140d Nr. 1 Rn. 16; Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 5/07 R – SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 Rn. 18).
Wichtigster Anwendungsfall einer die verschiedenen Leistungssektoren übergreifenden Versorgung ist eine Versorgung, die ambulante und stationäre Behandlungen umfasst. Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung wird bei der Erläuterung der Ziele der Integrationsversorgung bereits in der Überschrift besonders hervorgehoben (Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur GKV-Gesundheitsreform 2000, BT-Drucks. 14/1245, S. 55). Die integrierte Versorgung soll „Brücken über die Gräben der Versorgung schlagen“; neben das mehr als 100 Jahre bestehende Versorgungssystem alter Art soll eine Innovation gestellt werden, in der eine bessere, effektivere, die Angebote der Sektoren integrierende und die Ressourcen schonende Versorgung der Versicherten bewirkt wird (von Schwanenflügel, NZS 2006, 285, 287).
Daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, nur solche Verträge seien von § 140a Abs. 1 SGB V erfasst, die Leistungen aus den beiden „Hauptsektoren“ anbieten. Vielmehr sind unter Zugrundelegung eines funktionellen Ansatzes sowohl innerhalb des ambulanten als auch innerhalb des stationären Hauptsektors weitere Leistungssektoren zu unterscheiden, die Gegenstand von Integrationsverträgen sein können. Beispiel für ein integriertes Versorgungsangebot ohne Einbeziehung des stationären Sektors ist etwa die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Versorgung der Patienten in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Die Ziele der integrierten Versorgung, nämlich u. a. die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen, von Koordinationsproblemen im Behandlungsablauf und von Wartezeiten, können durch ein derartiges Angebot erreicht werden. Auch innerhalb des stationären Behandlungsbereichs ist eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung möglich und bisweilen vom Regelungszweck der Vorschriften über die integrierte Versorgung geboten. So kann etwa die Verknüpfung der Akutbehandlung in einem Krankenhaus – z.B. Durchführung einer Operation oder Behandlung eines Schlaganfalls – mit der anschließenden medizinischen Rehabilitation in stationären Einrichtungen Gegenstand eines Integrationsvertrages sein. Auch zwischen dem Akutkrankenhaus und dem Träger einer stationären Rehabilitationseinrichtung bestehen im traditionellen Versorgungssystem Schnittstellenprobleme, die im Interesse der betroffenen Patienten durch ein Versorgungsangebot aus einer Hand überwunden werden können (BSG, Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R – SozR 4-2500 § 140d Nr. 1 Rn. 18; Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 5/07 R – SozR 4-2500 § 140a Nr. 2 Rn. 20).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben organisieren die Verträge CARD.I.V. und BARIOS auch eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung, An beiden Verträgen wirken Leistungserbringer von ambulanter und stationärer Versorgung mit und verzahnen die in der Regelversorgung getrennten Bereiche. Im Gegensatz zur Ansicht des SG haben die jeweiligen Vertragspartner nicht lediglich „leere Programmsätze“ vereinbart.
(a) So enthält § 7 des Vertrages CARD.I.V. detaillierte Regelungen darüber, wie die teilnehmenden Versicherten durch gezielte und frühest mögliche Überweisungen zwischen den Vertragsparteien Spätfolgen und medizinisch nicht notwendige Krankenhausbehandlungen vermeiden können. Ziel dieses Vertrages ist es insbesondere, die Versorgung kardiologischer Patienten im ambulanten Bereich und dem zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung liegenden praxisklinischen Bereich zu optimieren. Die vertragsbeteiligte Praxisklinik und das Krankenhaus D. sollen nach § 7 CARD.I.V. die enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Fachärzten suchen, etwa in Form von Qualitätszirkeln und Fachveranstaltungen. Sämtliche Vertragsbeteiligte sollen auf die zielgerichtete Zuführung der Patienten zu einer hochwertigen und sachgerechten Diagnostik und Therapie zum frühest möglichen Zeitpunkt hinwirken, um Spätfolgen und medizinisch nicht notwendige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Das Krankenhaus D. verpflichtet sich, jederzeit die intensivmedizinische Versorgung der durch die Praxisklinik und die ambulanten Leistungserbringer im Rahmen von CARD.I.V. behandelten Patienten zu gewährleisten. Ferner haben die Vertragsparteien konkrete Maßnahmen vereinbart, wie Doppeluntersuchungen durch standardisierte Voruntersuchungen bei zugeordneten Haus- und Fachärzten aus der ambulanten Versorgung erfolgen können, damit diese bei stationärer Behandlung im Krankenhaus nicht nochmals vorgenommen werden müssen. Zudem sind konkrete Hinweis- und Informationspflichten der verschiedenen Leistungserbringer vorgesehen. Unter Verantwortung der Praxisklinik und des Krankenhauses D. sollen die Vertragsbeteiligten außerdem eine Liste von Arzneimitteln erstellen, um innerhalb der Versorgungskette eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Arzneitherapie zu erreichen.
(b) Bei dem Vertrag BARIOS ist der Senat bereits im Beschluss vom 11.09.2006 (L 1 B 291/05 KA-ER) davon ausgegangen, dass – wenn auch aufgrund summarischer Prüfung – die Anforderungen eines Vertrages der integrierten Versorgung erfüllt seien. Mit den entsprechenden Ausführungen des Senats in diesem Beschluss hat sich das SG nicht auseinandergesetzt. Die Bewertung des Senats, dass es sich bei dem Vertrag BARIOS um einen solchen der integrierten Versorgung handele, lässt sich jedenfalls nicht mit lediglich dem Hinweis darauf abtun, dass die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ergangen sei.
Der Vertrag BARIOS beschreibt als Ziel bereits in der Präambel, dass die orthopädische Versorgung der Versicherten durch die Verbindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung – sowohl akutstationär als auch rehabilitiv – durch den Aufbau einer patientenorientierten Versorgungskette optimiert werden soll. Diese wird in § 2 BARIOS konkret in acht Phasen dargestellt, in denen die integrierte Versorgung bei Operationen mit Gelenkersatz im Zusammenwirken zwischen niedergelassenen Fachärzten und der betreffenden Fachklinik – vom ersten Beratungsgespräch bis zur Nachbehandlung durch den beteiligten niedergelassenen Facharzt für die Dauer der Gewährleistungsfrist – zu erfolgen hat. Die Vertragsbeteiligten sind ferner verpflichtet, Therapiepläne abzustimmen, Behandlungen ausreichend zu dokumentieren und diese Aufzeichnungen sämtlichen Vertragsbeteiligten bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Ferner haben diese sich wechselseitig zu informieren. Auf diese Weise sollen Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen werden, z. B. durch Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Der straffe Behandlungsablauf mit zügigem Übergang von einer Behandlungsphase in die nächste soll kurze Arbeitsunfähigkeitszeiten und eine rasche Genesung des Versicherten ermöglichen (§ 1 BARIOS).
3. a) Neben dem Erfordernis der leistungssektorenübergreifenden Versorgung sind Verträge der in § 140b Abs. 1 SGB V in der Fassung des GMG genannten Vertragspartner jedoch nur dann solche der integrierten Versorgung, wenn durch sie auch Leistungen, die bislang Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, künftig ersetzt werden. Das ergibt sich aus der Konzeption der Integrationsversorgung als einer Alternative zur Regelversorgung, wie sie den Vorschriften der §§ 140a bis 140d SGB V seit ihrer Neufassung durch das GMG zugrunde liegt.
b) Auch nach diesem Maßstab erfüllen die Verträge CARD.I.V. und BARIOS die Anforderungen des § 140a Abs. 1 SGB V an einen Integrationsvertrag. Denn diese enthalten als zentrale Leistungen solche, die dem stationären und ambulanten Versorgungsbereich zuzuordnen sind und für die jeweils eigene Vergütungsregeln bestehen; eine Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen in demselben Krankheitsfall ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 3 CARD.I.V., § 2 BARIOS).
II.
Der von der Beklagten festgesetzte Einbehalt zur Finanzierung der beiden Verträge ist rechtmäßig.
§ 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V räumte den Krankenkassen eine weit reichende Einschätzungsprärogative hinsichtlich des zu erwartenden Finanzbedarfs ein. Dies beruht darauf, dass es sich um die Einführung und Erprobung einer neuen Ausgestaltung der Leistungserbringung handelte, über die noch keinen hinreichenden Erfahrungen vorhanden waren und die auch noch nicht strukturell verfestigt war. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass es nicht allein um die eigentliche Leistungserbringung und –Vergütung ging, sondern auch um die Anschubfinanzierung eines neuen Systems. Gerade zu Beginn, im Jahre 2004, konnten nur grobe Schätzungen hinsichtlich des Finanzbedarfs angestellt werden, da dieser sich aus verschiedenen, in ihrer Größe nicht genau bestimmbaren Determinanten ergeben hat. Eine den Einbehalt schon von Anfang an überhaupt nicht oder zumindest teilweise nicht rechtfertigende, unbeachtliche Kostenschätzung liegt daher nur dann vor, wenn sie schlechthin nicht vertretbar ist. Dies gilt umso mehr, als nach der zunächst geltenden Regelung eine nachträgliche Gesamtabrechnung erfolgen sollte und daher auch Einschätzungsfehler umso eher hinzunehmen waren.
Die von der Beklagten mitgeteilten Zahlen zum Finanzierungsvolumen für die Verträge BARIOS und CARD.I.V. erscheinen dem Senat plausibel. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin als großes Krankenhaus über eine ganz erhebliche Erfahrung hinsichtlich der Abschätzung von Behandlungskosten verfügt, jedoch zu keinem Zeitpunkt konkret vorgetragen hat, warum die Schätzung des Finanzierungsbedarfs der Beklagten nicht vertretbar ist, und auch keinen Beweisantrag gestellt hat, hat der Senat auch von Amts wegen keinen Anlass gesehen, weitere Ermittlungen durchzuführen.
III.
Die Klägerin ist nicht dazu berechtigt, von der Beklagten den Nachweis der sachgerechten Verwendung von Vergütungsanteilen aufgrund einzelner Rechnungen zu verlangen.
1. Auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des GMG sind Krankenkassen nur berechtigt, Vergütungsanteile zur Finanzierung konkreter Integrationsverträge einzubehalten. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Wendung der Vorschrift, „soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind“. Mit dieser Regelung wäre es nicht vereinbar, dass Krankenkassen pauschal und ohne näheren Hinweis auf Inhalt und finanzielles Volumen von Integrationsverträgen zunächst Gesamtvergütungsbestandteile einbehielten und allenfalls auf der Grundlage des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V nach drei Jahren (ganz oder anteilig) zurückerstatteten (vgl. Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630). Dem von der Beklagten erwähnten Beschluss des LSG Brandenburg vom 01.11.2004 (L 5 B 105/04 KA ER – MedR 2005, 62) kann daher nicht gefolgt werden (ebenso die Anmerkung von Bold, MedR 2005, 63; Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630).
Daraus folgt, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenhäusern, die zur Anschubfinanzierung eines Vertrages der integrierten Versorgung herangezogen werden, ein Anspruch auf Auskunft gegen die daran beteiligte Krankenkasse einzuräumen ist, auch wenn eine entsprechende Anspruchsgrundlage gesetzlich nur für Versicherte fixiert ist: Nach § 140a Abs. 3 SGB V haben diese das Recht, von ihrer Krankenkasse umfassend über die Verträge zur integrierten Versorgung, die teilnehmenden Leistungserbringer, besondere Leistungen und Qualitätsstandards informiert zu werden. Von besonderer Bedeutung dürften dabei Informationen über definierte medizinische Angebote mit besonderem Service und konkrete Qualitätssicherung sein (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 04/2009, § 140a Rn. 32). Ein Anspruch auf Kenntniserlangung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, insbesondere der Einblick in Kalkulationsgrundlagen, ergibt sich daraus aber nicht.
Weil jedoch ein Auskunftsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der Krankenhäuser gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist, kann dieser nicht so weit reichen wie der, welcher den Versicherten nach § 140a Abs. 3 SGB V eingeräumt worden ist. Dafür spricht auch, dass eine Vorlage der Verträge zu integrierten Versorgungsformen an die für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden nicht vorgesehen ist; die ersatzweise Vertragsfestsetzung durch das Schiedsamt nach § 89 SGB V ist unzulässig, da der Abschluss eines solchen Vertrages gesetzlich nicht vorgeschrieben ist (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 04/2009, § 140b Rn. 60, 61). Vielmehr ist der Umfang des Auskunftsanspruchs der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser nach seinem Sinn und Zweck vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit der einbehaltenen Mittel sowie der Pflicht zur Abrechnung der Krankenkassen zum 31.03.2009 zu beurteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit dem GMG so weit wie möglich Hemmnisse abbauen wollte, die aus seiner Sicht rechtlich und tatsächlich den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung verhinderten: (BT-Drucks. 15/1525, Seite 129, unter: Zu Nummer 113 (§ 140a), Zu Buchstabe a).
„Die Neufassung verzichtet auf die beschreibende Darstellung der integrierten Versorgung. Sie ist fokussiert auf den „Kern“ der integrierten Versorgung: Krankenkassen und Leistungserbringer schließen autonom Verträge über die Versorgung der versicherten außerhalb des Sicherstellungsauftrags nach § 75 Abs. 1 SGB V. Die Versorgung wird auf einzelvertraglicher Grundlage und nicht im Rahmen eines kollektivvertraglichen vereinbarten Normensystems durchgeführt. Die Anbindung der integrierten Versorgung an das Versorgungsgeschehen im Rahmen des Kollektivvertragssystems und insbesondere an den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen unterbleibt. Die bislang nach geltendem Recht vorgesehene Verschränkung zwischen dem Sicherstellungsauftrag und der einzelvertraglichen Absprache zur integrierten Versorgung machte die Rechtslage und die Abwicklung der vertraglichen Rechtsbeziehungen unübersichtlich und unberechenbar. Sie erweist sich so als eines der Hindernisse für den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung. Aus diesem Grunde wird die Verantwortung für die Abfassung der vertraglichen Rechte und Pflichten allein in die Verantwortung der Vertragspartner gegeben. Eine Einflussnahme Dritter, etwa über die bisherigen Rahmenvereinbarungen nach § 140d SGB V, scheidet aus. Den Vertragspartnern wird so auch die Bedeutung ihrer alleinigen Verantwortung für die Versorgung der Versicherten verdeutlicht. Auch erhalten damit die am Aufbau integrierter Versorgung Beteiligten die Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume, die für die Ausgestaltung der die Integration konstituierenden Verträge und für innovatives unternehmerisches Handeln notwendig sind. Der Wettbewerb um eine sachangemessene und „kluge“ Integration setzt voraus, den Akteuren vor Ort Freiheit zur Gestaltung in Eigenverantwortung einzuräumen“.
2. Gemessen daran ist die Beklagte nicht dazu verpflichtet (gewesen), der Klägerin überhaupt Einsicht in die Vertragsunterlagen zu gewähren. Dies wäre zunächst nicht mit der Absicht des Gesetzgebers zu vereinbaren, wonach die Einflussnahme Dritter unterbleiben sollte. Eine solche wäre jedoch unschwer möglich, könnten nicht am Vertrag beteiligte Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigungen oder sonstige Leistungserbringer über vereinbarte Leistungen, über Absprachen zu Qualitätsstandards und –verbesserungen und nicht zuletzt über ausgehandelte Vergütungen Kenntnis erlangen. Die verabredeten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in den Versorgungsabläufen könnten ansonsten unschwer von potentiellen konkurrierenden Anbietern übernommen werden, ohne den mit ihrer Einführung verbundenen Aufwand tragen zu müssen.
Nach Ansicht des Senats wird das berechtigte Interesse der zur Anschubfinanzierung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V herangezogenen Krankenhäuser und Kassenärztlichen Vereinigungen, Daten über Verträge zur integrierten Versorgung zu erhalten, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inanspruchnahme nachvollziehen zu können, durch die am 01.01.2004 in Kraft getretene Vereinbarung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen über die Einrichtung einer gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V (BQS-Vereinbarung) im Wesentlichen Rechnung getragen. Die gemeinsame Registrierungsstelle ist nach § 4 Abs. 1 der BQS-Vereinbarung dazu verpflichtet, auf Anfragen der gemäß § 4 Abs. 3 der Vereinbarung auskunftsberechtigten Krankenhäuser und Kassenärztlichen Vereinigungen Auskünfte über die ihr von den Krankenkassen gemeldeten Verträge zu erteilen. Diese haben der Registrierungsstelle gemäß § 3 Abs. 2 der BQS-Vereinbarung folgende Angaben mitzuteilen: – Vertragsbezeichnung, – Vertragsgegenstand, – Vertragspartner, – Vertragsbeginn/-dauer, – Versorgungsregion, – Geschätztes Vergütungsvolumen zur Finanzierung von Leistungen aus §§ 140a ff. SGB V sowie relevanter Kalkulationsgrundlagen (insbesondere geschätzte Anzahl der teilnehmenden Versicherten), – aus dem Vergütungsvolumen abgeleitete Quote, die zur Zahlungskürzung in Ansatz gebracht wird.
Diese Angaben genügen nach der Auffassung des Senats im Regelfall, um überprüfen zu können, ob tatsächlich ein Vertrag nach § 140a SGB V geschlossen worden ist (in diese Richtung argumentiert auch Engelhard, der das Problem der Nachweispflicht durch die Einrichtung der Registrierungsstelle für entschärft erachtet; vgl. in Hauck/Noftz, SGB V, § 140d Rn. 12). Sie reichen zudem dafür aus, um mittels dem in Anlage 2 zur BQS-Vereinbarung dargestellten Berechnungsverfahren die Zahlungskürzung bei Krankenhäusern nachzuvollziehen.
3. a) Allerdings haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhäuser einen Anspruch auf detailliertere Informationen, wenn Streit darüber besteht, ob überhaupt ein Vertrag vorliegt, der eine integrierte Versorgung zum Gegenstand hat. Denn die gemeinsame Registrierungsstelle prüft weder, noch stellt sie verbindlich fest, dass ein Vertrag im Sinne des § 140a Abs. 1 SGB V vorliegt. Der Auskunftsanspruch geht jedoch nur soweit, wie es nötig ist, um die grundsätzliche Verpflichtung zur Duldung des Einbehalts zu überprüfen. Dem ist die Beklagte – jedenfalls im Gerichtsverfahren – ausreichend nachgekommen. Wie bereits oben bei I. näher begründet, handelt es sich bei den Verträgen BARIOS und CARD.I.V. um Verträge im Sinne von § 140a Abs. 1 SGB V.
b) Daneben besteht ein weiter gehender Auskunftsanspruch, wenn der von der Krankenkasse angemeldete finanzielle Bedarf zur Finanzierung der vertraglich vereinbarten integrierten Versorgung auch unter Berücksichtigung des erheblichen Prognosespielraums der Krankenkasse nicht mehr nachvollziehbar ist. Dies setzt aber voraus, dass derjenige, der den Auskunftsanspruch geltend macht, seinerseits plausibel darlegt, warum er prognostizierte Finanzierungsbedarf als nicht mehr vertretbar angesehen werden kann. Diese abgestufte Darlegungslast rechtfertigt sich daraus, dass der Auskunftsanspruch nicht zum Ausforschungsanspruch mutieren darf und den von den Einbehalten Betroffenen als Leistungserbringer aus eigener Sachkenntnis heraus in aller Regel zumutbar ist, Gesichtspunkte zu benennen, die gegen eine Plausibilität der prognostizierten Finanzierung sprechen; zumal es nur darum gehen kann, schlechterdings nicht mehr vertretbare Prognosen zu beschreiben. Nur in diesem Fall kann es möglicherweise zu einem Verlust des Anspruchs der Krankenkasse nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V kommen. Letztlich kann dies alles dahinstehen, weil die Klägerin nicht einmal ansatzweise die fehlende Plausibilität des von der Krankenkasse festgesetzten Finanzierungsbedarfs geltend gemacht hat und im Übrigen auch keinen dahingehenden Beweisantrag gestellt hat. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen. Die Finanzierungsvolumina der beiden Verträge BARIOS und CARD.I.V. erscheinen in Relation zu den Leistungen und den Patientenzahlen nicht unplausibel.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass es hier um das Jahr 2004, also das erste Jahr der Finanzierung der Verträge ging. Insoweit muss ein besonders großzügiger Maßstab angelegt werden, weil noch keine Erfahrungswerte vorhanden waren und neben den Kosten für die eigentlichen Leistungen auch die unvermeidbaren Kosten der Projektentwicklung hinzukamen.
Der Gesetzgeber hat mit § 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V klargestellt, dass dazu für vor dem 01.04.2007 geschlossene Verträge nicht die Beschränkung nach § 140d Abs. 1 Satz 2 SGB V greift, wonach die einbehaltenen Mittel nur für voll- und teilstationäre und ambulante Leistungen der Krankenhäuser und für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwendet werden dürfen. Für die Verträge CARD.I.V. und BARIOS gilt daher, dass die einbehaltenden Vergütungsbestandteile etwa auch zum Aufbau notwendiger Verwaltungsstrukturen verwendet werden durften. Denn die integrierte Versorgung setzt hohe Ansprüche an alle Beteiligten: Die Organisationsstrukturen der Anbietergemeinschaft, ihre Grundlagen für Entscheidungsabläufe und ihre Planungskompetenz müssen so fundiert sein, dass sie eine auf Dauer angelegte, nachhaltige Versorgung der jeweiligen Versicherten einer Krankenkasse sicherstellen. Auch betriebswirtschaftliches Wissen muss bei den Anbietergemeinschaften vorhanden sein. Die Komplexität der Versorgung bezieht sich nicht nur auf das Versorgungsmodell an sich, sondern auch auf die benötigten Steuerungsinstrumente für ein medizinisches und betriebswirtschaftliches Management, wobei die medizinischen Steuerungsinstrumente drei Steuerungsfelder beinhalten, nämlich die Koordination, die Kommunikation und die Kooperation der Leistungsanbieter (von Schwanenflügel, NZS 2006, 285, 288).
Der Senat hat im Übrigen den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin nicht ernsthafte Bedenken gegen die konkrete Finanzierung hat, sondern es ihr um die Verhinderung oder zumindest die Behinderung der integrierten Versorgung als solcher durch die Ausforschung der Vertragsinhalte geht. So hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem von ihm selbst vorgelegten, von ihm verfassten Beitrag ausgeführt (GesR 2008, 185, 187): „Im Wesentlichen wurde bisher (nur) die Frage erörtert, ob Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen einen materiellrechtlichen Anspruch auf Offenbarung/Einsichtnahme in die Verträge der integrierten Versorgung (außerhalb des gerichtlichen Verfahrens) haben. Die Krankenhausträger der vorliegenden Verfahren haben einen anderen Weg beschritten. Sie haben im Rahmen der Überprüfung des vorgenommenen 1 % igen Abzugs dessen materielle Berechtigung bezweifelt, mit der Folge, dass die Verträge der integrierten Versorgung dem Gericht gegenüber vorgelegt und offengelegt werden mussten.“
4. Wie weit die Nachweispflicht für die Verwendung einbehaltener Vergütungsanteile für die Jahre 2007 und 2008 zu gestalten ist, kann hier dahinstehen. Denn die streitgegenständliche Rechnung wurde von der Klägerin im Jahr 2004 gelegt und betrifft somit einen Zeitraum, für den die Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V nicht abzurechnen hat.
Im Übrigen gilt: Die Krankenkassen sind zwar verpflichtet, gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenhäusern die Verwendung der einbehaltenen Mittel darzulegen. Die Darlegungspflicht besteht nicht generell, sondern nur in Bezug auf die Mittel, die von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung bzw. dem Krankenhaus nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V einbehalten worden sind. Die Verwendung der Mittel ist plausibel darzulegen; es muss nachvollziehbar sein, zu welchem Zweck die Mittel verwendet werden. Nach der Gesetzesbegründung soll der Umfang der Nachweispflicht dem der gegenüber der Registrierungsstelle entsprechen (BT-Drucks. 16/3100, Seite 153). Soweit die Klägerin die sachgerechte Verwendung der zur Anschubfinanzierung einbehaltenen Vergütungsanteile einwendet, ist aber darauf hinzuweisen, dass die Beklagte nicht dazu verpflichtet ist, den entsprechenden Nachweis anhand einzelner Rechnungen zu führen.
IV.
Die Regelung der Anschubfinanzierung aufgrund § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V ist auch verfassungsgemäß.
1. Insbesondere steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu; diese ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („Sozialversicherung“). Der Begriff „Sozialversicherung“ ist in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als weitgefasster „verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff“ zu verstehen. Er umfasst alles, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt.
Die gesetzliche Krankenversicherung ist völlig unbestritten Bestandteil der Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.
Die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V gehört als Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung damit zum „Recht der Sozialversicherung“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Wie oben erwähnt, soll die integrierte Versorgung neben das mehr als 100 Jahre bestehende Versorgungssystem alter Art gestellt werden, in der eine bessere, effektivere, die Angebote der Sektoren integrierende und die Ressourcen schonende Versorgung der Versicherten bewirkt wird (vgl. BSG, Urteil vom 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R – SozR 4-2500 § 140d Nr. 1 Rn. 22). Für die Anschubfinanzierung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V sollten Mittel von bis zu 1 Prozent der nach § 85 Abs. 2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtende Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Leistungen verwendet werden. Die Gesamtvergütung erfolgt für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder einer Krankenkasse einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen (§ 85 Abs. 1 SGB V). Diese Leistungen der bisherigen Regelversorgung wurden aus dem Beitragsaufkommen der Versicherten vergütet; nichts Anderes geschieht im Hinblick auf die Leistungen, die im Rahmen der integrierten Versorgung von den vertragschließenden Leistungserbringern erbracht werden und die die entsprechenden Leistungen des bestehenden Versorgungssystems ersetzen. § 140d SGB V stellt mithin eine Umfinanzierungsregelung dar, die aus dem gegebenen Beitragsaufkommen einen neuen „Honorartopf“ schafft und zu diesem Zweck anderen Leistungserbringern Beitragsmittel entzieht, indem die Vergütung abweichend vom bisherigen Rechtszustand geregelt wird. Dies ist von Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gedeckt.
2. Die Klägerin kann sich nicht auf einen Verstoß gegen Grundrechte berufen, da sie im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechtsfähig ist.
a) Die Grundrechte dienen vorrangig dem Schutz der Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt. Juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, insbesondere wenn der „Durchgriff“ auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lässt. Das ist jedenfalls insoweit nicht der Fall, als die juristische Person des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Dieser zunächst für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgesprochene Grundsatz beansprucht seiner Begründung nach gleichfalls für die der Form nach juristische Personen des Privatrechts Geltung, wenn diese sich überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden; auch diese können sich daher nicht auf den Schutz der materiellen Grundrechte berufen, soweit sie bestimmungsgemäß öffentliche Aufgaben wahrnehmen und in dieser Funktion von dem angegriffenen Hoheitsakt betroffen sind (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009 – 1 BvR 1731/05 – juris Rn. 16; Beschluss vom 16.05.1989 – 1 BvR 705/88 – NJW 1990, 1783).
Das BVerfG hat hiervon ausgehend die Frage, ob sich ein mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches Stromversorgungsunternehmen auf materielle Grundrechte berufen kann, bereits ausdrücklich verneint. Dabei reiche jedenfalls die Mehrheitsbeteiligung der juristischen Person des öffentlichen Rechts an der juristischen Person des Privatrechts aus, deren Hilfe sie sich bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bediene, da sie in einem solchen Fall den entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen vermöge (Beschluss vom 16.05.1989 – 1 BvR 705/88 – NJW 1990, 1783). Ein Hoheitsträger dürfe nicht durch die Gründung einer juristischen Person des Privatrechts die eigene Grundrechtsbindung abstreifen und mittelbar die eigene Grundrechtsfähigkeit erwerben (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009 – 1 BvR 1731/05 – juris Rn. 17).
b) Eine derartige Konstellation besteht im Falle der Klägerin, deren Alleingesellschafterin die Stadt H. ist. Dass die Gesundheitsvorsorge als öffentliche Aufgabe anzusehen ist, hat das BVerfG bereits entschieden (vgl. z.B. Beschluss vom 17.10.2007 – 2 BvR 1095/05 – DVBl 2007, 1555, 1564). Damit ist die Klägerin nicht grundrechtsfähig.
3. Eine Grundrechtsverletzung scheidet auch deshalb aus, weil kein Verfassungsverstoß vorliegt. Aus den unter IV.1. genannten Gründen handelt es sich nicht um eine Sonderabgabe, sondern um eine Regelung über das Leistungsentgelt. Selbst wenn man aber – wie die Klägerin – davon ausginge, dass der Vergütungseinbehalt als Sonderabgabe anzusehen sei, wäre diese verfassungsgemäß.
a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG greifen öffentliche Abgaben in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz zur Steuer ausschließen. Sie schaffen trotz ihrer Ähnlichkeit mit ebenfalls „voraussetzungslos“ erhobenen Steuern neben diesen und außerhalb der Grundsätze steuergerechter Verteilung der Gemeinlasten zusätzliche Sonderlasten und gefährden in den Fällen organisatorischer Ausgliederung des Abgabenaufkommens und seiner Verwendung aus dem Kreislauf staatlicher Einnahmen und Ausgaben zugleich das Budgetrecht des Parlaments. Wegen dieser Gefährdungen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sowie des parlamentarischen Budgetrechts unterliegen diese Sonderabgaben engen Grenzen und müssen gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009 – 2 BvR 743/01 – juris Rn. 57; Urteil vom 10.12.1980 – 2 BvF 3/77 – BVerfGE 55, 274, 308; Beschluss vom 17.07.2003 – 2 BvL 1/99 u.a. – BVerfGE 108, 186, 217 m.w.N.).
b) Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht und der deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden (BVerfG, Beschluss vom 08.04.1987 – 2 BvR 909/82 u.a. – BVerfGE 75, 108, 147 f.). Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Vergütungseingehalts nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V vor. Von dem Einbehalt sind die Vertragsärzte (ohne Zahnärzte) sowie Krankenhäuser betroffen. Dabei handelt es sich – anders als die Klägerin meint – um eine homogene Gruppe, nämlich die der ambulanten und stationären ärztlichen Leistungserbringer. Diese Gruppe weist eine besondere Sachnähe zur Etablierung der integrierten Versorgung auf, die nach der Absicht des Gesetzgebers neben den herkömmlichen Versorgungsstrukturen installiert werden sollten. Wie erwähnt, soll durch die integrierte Versorgung die bisherige Abschottung der einzelnen Leistungsbereiche überwunden sowie durch übergreifende Arbeitsteilung Qualität und Wirtschaftlichkeit medizinischer Leistungen gesteigert werden (BT-Drucks. 15/1525, Seite 130, unter: Zu Buchstabe d). Letztlich dient der Aufbau der integrierten Versorgung dazu, ein bezahlbares Gesundheitssystem mit einem qualitativ hochwertigen Niveau der medizinischen Leistungen zu sichern. Daran haben auch die ärztlichen Leistungserbringer ein besonderes Interesse; zumal es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt ist, Strukturen im Leistungserbringerrecht zu verändern. Der Einbehalt zur Anschubfinanzierung wird auch gruppennützig verwendet, da dieser für die Vergütung der Leistungen der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer eingesetzt wird. Jeder Leistungserbringer im ambulanten und im stationären ärztlichen Sektor wird entweder unmittelbar über den Einbehalt bei der konkreten Rechnung oder mittelbar über die Kürzung der Gesamtvergütung zur Finanzierung der Verträge herangezogen, die der Verwirklichung der integrierten Versorgung dienen. Zugleich ist aber mit der Schaffung der §§ 140a ff. SGB V in der Fassung des GMG den ärztlichen Leistungserbringern im ambulanten und stationären Bereich die Chance eingeräumt worden, durch die Teilnahme an der integrierten Versorgung als Vertragspartner an dem so geschaffenen Vergütungsvolumen zu partizipieren.
4. Soweit die Klägerin sich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG wendet, stellt sich die Heranziehung der Klägerin zur Anschubfinanzierung gegenüber der Gruppe der an der integrierten Versorgung Teilnehmenden bereits nicht als Ungleichbehandlung dar. Die Klägerin kann aus dem von ihr mitfinanzierten Vergütungsvolumen mangels Teilnahme an den Verträgen zwar keine Ansprüche ableiten. Dem steht jedoch gegenüber, dass sie wie jeder andere stationäre Leistungserbringer (Marktteilnehmer) grundsätzlich vorab die (Markt-)Chance hatte, an der integrierten Versorgung teilzunehmen. Das sozialpolitisch billigenswerte Ziel des Gesetzgebers, neue, leistungsfähigere Versorgungsformen einzuführen, wurde angestrebt, ohne einzelne Leistungserbringer in ihren Marktzutrittschancen zu benachteiligen. Bei grundsätzlich gleicher finanzieller Belastung aller maßgeblichen Akteure – auch die Teilnehmer an der integrierten Versorgung müssen im Rahmen der Regelversorgung den Einbehalt hinnehmen – und gleichen Chancen, mit den Krankenkassen Verträge zu integrierten Versorgung abzuschließen, werden diejenigen nicht durch das Gesetz ungleich behandelt, die die ihnen gebotenen Chancen nicht nutzen wollen oder aus wirtschaftlichen Gründen bei reduzierter Wettbewerbsfähigkeit nicht nutzen können. Sofern es im Einzelfall zu rechtswidrigen Wettbewerbsbeschränkungen durch die Krankenkassen gekommen sein sollte, berührt dies die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die integrierte Versorgung nicht. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die Klägerin selbst bei der Beklagten – oder bei einer anderen Krankenkasse – um die Einbeziehung in einen Vertrag zur integrierten Versorgung bemüht hat.
Aus den vorgenannten Erwägungen liegt auch kein verfassungswidriger Eingriff in die unternehmerische Betätigungsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vor.
Eine Aussetzung des Rechtstreits und eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hat der Senat deshalb nicht in Betracht gezogen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Hier hat der Senat berücksichtigt, dass das Interesse der Klägerin über den eingeklagten Betrag hinausgeht und es vordringlich darauf gerichtet ist, umfassend vom Inhalt der Vertragsunterlagen zu BARIOS und CARD.I.V. Kenntnis zu erlangen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Hierbei geht der Senat davon aus, dass es neben dem eingeklagten Betrag auf beiden Seiten ein – wenngleich gegenläufiges – Interesse am Umfang der Auskunftspflicht der Beklagten gibt, das ohne Addition eines doppelten Streitwertes nach § 52 Abs. 2 GKG insgesamt mit 5.000,00 EUR zu bestimmen ist. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG besteht. Insbesondere ist die Sache nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, nachdem das BSG zur integrierten Versorgung im zitierten Urteil vom 06.02.2008 (B 6 KA 27/07 R) bereits entschieden hat.