Sozialgericht Aachen S 13 KR 157/08

Sozialgericht Aachen

Urteil vom 03.03.2009 (rechtskräftig)

Sozialgericht Aachen S 13 KR 157/08
 
 

Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten einer operativen Brustkorrektur mittels Liposuktion in Höhe von ca. 3.500,00 EUR.

Der 0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an der Vergrößerung des Brustdrüsengewebes und des umgebenden Fettanteils im Sinne einer Gynäkomastie beidseits. Ein früherer Versuch einer Fettabsaugung blieb ohne sichtbaren Erfolg. Seit 2008 befindet er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Er wiegt 109 kg bei einer Größe von 183 cm; dies entspricht einem Body-Mass-Index (BMI) von 32,5.

Ende September 2008 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten einer operativen Korrektur mittels “Vibrationsliposuktion in Tumeszenstechnik und Drüsenextirpation und Hautmantelverkleinerung über zirkulären Mamillenrandschnitt in ITN” (Intubationsnarkose) in Höhe von ca. 3.500,00 EUR. Er überreichte hierzu eine ärztliche Bescheinigung von Dr. K. (ärztlicher Direktor der C-Klinik, einer privaten Fachklinik für ästhetisch-plastische Chirurgie) vom 25.09.2008, in der die medizinische Indikation für die operative Korrektur bejaht wurde. Desweiteren legte der Kläger ärztliche Bescheinigungen von Dr. N. und dem Psychotherapeuten Dr. X. vom 25.09. bzw. 26.09.2008 vor; auch diese Ärzte unterstützten den Wunsch des Klägers nach operativer Änderung seiner Brustform im Hinblick auf die deshalb bei ihm bestehende depressive Verstimmung mit sozialer Isolation und die subjektive Belastung.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 24.10.2008 den Antrag ab mit der Begründung, vor einer Gewichtsreduktion unter einen BMI von 28 könnten die Operationskosten nicht übernommen werden; mit jedem Kilogramm Gewichtsreduktion nehme auch das Brustgewicht um jeweils 20 g ab.

Dagegen erhob der Kläger am 04.11.2008 Widerspruch. Er fragte, was der Krankenkasse lieber sei: eine einmalige – zugestanden nicht billige – Operation oder eine dauerhafte physische Erkrankung; als Berufskraftfahrer im Fernverkehr könne er zurzeit nicht weiter abnehmen, da er nur selten Gelegenheit zum Sport habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008 zurück mit der Begründung die attestierte seelische Belastung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) nicht durch plastisch-chirurgische Operation, sondern durch Mittel der Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychologie zu behandeln.

Dagegen hat der Kläger am 04.12.2008 Klage erhoben. Er verweist darauf, sein behandelnder Arzt habe die depressive und sozialphobische Erkrankung herausgestellt; wenn er nach einem Arbeitstag in einer Raststätte unter die Dusche gehe, würden sich die Kollegen lustig machen oder tuscheln; das gleiche Problem habe er, wenn er zum Schwimmen gehe. Er habe sich nunmehr bei der C-Klinik zur Operation am 11.03.2009 angemeldet und werde die Kosten vorerst übernehmen. Es sei ihm unverständlich, dass die Weiterbehandlung beim Psychotherapeuten genehmigt worden sein; wenn die Brust-Operation gemacht würde, wäre ein viel größerer und schnellerer Heilungsprozess und damit auch eine mittelfristige Kostenreduzierung möglich.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2008 zu verurteilen, die Kosten einer operativen Brustkorrektur mittels Liposuktion in der privaten C- Klinik in Höhe von ca. 3.500,00 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass keine medizinische Indikation für einen chirurgischen Eingriff zur Verkleinerung der Brustdrüsen des Klägers bestehe. Zudem handele es sich bei der beantragten Liposuktion um eine Behandlungsmethode, die nicht als Kassenleistung zu- gelassen sei, sodass eine Kostenübernahme hiernach grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichts- akte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer operativen Brustkorrektur mittels Liposuktion zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Maßstab für die Leistungsverpflichtung der Beklagten sind § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach die Krankenbehandlung u.a. die ärztliche Behandlung umfasst, und §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V. Danach haben die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung zu stellen, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig und unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Ergänzend hierzu regelt § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Bei der streitbefangenen Liposuktion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, weil sie als abrechnungsfähige ärztliche Leistung nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Sie kann als Sachleistung nicht zu Lasten der GKV erbracht werden, weil es für sie derzeit noch an der erforderlichen positiven Empfehlung des G-BA fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R).

Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des G-BA bedarf, liegen im Fall des Klägers nicht vor. Für einen Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, ist nichts ersichtlich, ebenso wenig für ein Systemversagen. Auch Anhaltspunkte für eine hier gebotene grundrechtsorientierte Auslegung im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 – sind weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Daran fehlt es (vgl. BSG a.a.O.).

Der Kläger kann eine Liposuktion auch nicht in Form einer Krankenhausbehandlung als Naturalleistung beanspruchen. In Bezug auf die C-Klinik scheitert dies bereits daran, dass es sich hierbei nicht um eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Einrichtung, sondern um eine Privatklinik handelt. Aber auch die Liposuktion in einem Vertragskrankenhaus kann der Kläger nicht aus der GKV beanspruchen. Zwar ist ein Anspruch hierauf nicht schon wegen des Fehlens einer positiven Empfehlung des G-BA zu verneinen. Insofern schließt § 137c SGB V grundsätzlich (auch neue) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht aus, solange der G-BA kein Negativvotum ausgesprochen hat. Ein solches Negativvotum existiert für Liposuktion nicht. Jedoch hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Krankenbehandlung, weil ein solche nicht im Rechtssinne notwendig bzw. erforderlich ist (§ 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Liposuktion kann sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Nach Auskunft der C-Klinik wird eine Liposuktion, wie sie beim Kläger vorgesehen ist, regelmäßig so durchgeführt, dass der Patient am Vormittag aufgenommen und am (Spät-)Nachmittag wieder entlassen wird. Bei der C-Klinik handelt es sich im übrigen – unabhängig von ihrem privatärztlichen Status – nicht um ein Krankenhaus, dass den Anforderungen des § 107 Abs. 1 SGB V entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.