Sozialgericht Aachen S 13 KR 345/20

Kernpunkte:

  • Eine Fallzusammenführung ist nur zulässig in den Fällen, die in der Fallpauschalenvereinbarung und im KHEntgG festgelegt sind.
  • Eine von den Regelungen der FPV abweichende oder darüber hinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, ist nicht zulässig.

 

 

Sozialgericht Aachen

 

Datum: 12.08.2021
Gericht: Sozialgericht Aachen
Spruchkörper: 13. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: S 13 KR 345/20
ECLI: ECLI:DE:SGAC:2021:0812.S13KR345.20.00 

 

Tenor:

 

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.609,10 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2019 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird auf 1.609,10 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

2  Die Beteiligten streiten über die Vergütung von erbrachten Krankenhausleistungen in Höhe von 1.609,10 €.
3 Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelten ihre Ärzte die am xx.xx.xxxx geborene, bei der Beklagten versicherte X. N. (im Folgenden: Versicherte) stationär vom 22. bis 23.02.2019 und vom 25.03. bis 01.04.2019. Zum ersten Aufenthalt führte eine Überweisung der Gynäkologin Dr. L. vom 19.02.2019 aufgrund des Verdachts auf einen Polypen des Corpus uteri sowie einer Postmenopausenblutung. Während der am 22.02.2019 durchgeführten diagnostischen Hysteroskopie zeigte sich eine „tumoröse Struktur mit aufgerauhter Oberfläche und suspekter Vaskularisierung“ (OP-Bericht vom 22.02.2019); eine Gewebeprobe wurde zur Abklärung an die histologische Abteilung weitergeleitet. Die histologische Untersuchung ergab sodann den Befund eines basaloiden Plattenepithelkarzinoms. Nach Eröffnung dieses Befundes gegenüber der Versicherten und Besprechung des weiteren Vorgehens erfolgte auf Überweisung der behandelnden Gynäkologin vom 12.03.2019 am 25.03.2019 eine erneute stationäre Aufnahme zur Operation am 26.03.2019. Die Klägerin liquidierte gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 04.04.2019 einen Betrag in Höhe von 1.589,10 € für den ersten Aufenthalt unter Zugrundelegung der DRG N10Z („Diagnostische Kürettage, Hysteroskopie, Sterilisation, Pertubation und kleine Eingriffe an Vagina und Vulva“) sowie mit Rechnung vom 05.04.2019 einen weiteren Betrag von 6.783,57 € unter Zugrundelegung der DRG N02C („Eingriffe an Uterus und Adnexen oder bestimmten Hernien und große operative Eingriffe an Vagina, Zervix und Vulva bei bösartiger Neubildung, ohne äußerst schwere CC, mit mäßig komplexem Eingriff“). 1 2 3 Die Beklagte beglich beide Rechnungen in voller Höhe. Im Rahmen einer Überprüfung der Abrechnung kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in einer Stellungnahme vom 20.11.2019 zu folgendem Ergebnis:
4 Nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG bilden die DRG-Entgelte sämtliche Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall ab. Weiterhin ist nach § 17c Abs. 1 Punkt 2 KHG vom Krankenhausträger durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass eine vorzeitige Verlegung oder Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen unterbleibt. Insbesondere haben Regelungen der Vertragsparteien zur Fallzusammenführung gemäß § 17b Abs. 2 Satz 2 KHG dem Wirtschaftlichkeitsgebot hinreichend Rechnung zu tragen.
5 Aus medizinischer Sicht handelt es sich im vorliegenden Fall um einen einzigen Behandlungsfall, da die erforderliche Behandlung zum Zeitpunkt der ersten „Entlassung“ noch nicht abgeschlossen und eine Fortsetzung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes notwendig war.
6 Es handelt sich somit um eine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 FPV (siehe dazu auch B 1 KR 29/16 R vom 28.03.2017), die gemäß Klarstellungen der Vertragsparteien zur FPV nur bei onkologischen Chemotherapiezyklen nicht zur Anwendung kommt.
7 Zusammenfassend war die Behandlung am 23.02.2019 nicht abgeschlossen und wurde am 25.03.2019 fortgesetzt, sodass die Fälle zusammenzuführen sind und nur eine Fallpauschale für beide Zeiträume anzugeben ist.“
8 Mit Schreiben vom 27.11.2019 teilet die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aus den Behandlungen der Versicherten eine Forderung in Höhe von 1.609,10 € habe und diese gegen den (unstreitigen) Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem anderen näher bezeichneten Behandlungsfall verrechne.
9 Am 25.09.2020 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 1.609,10 € erhoben. Sie hält die getrennte Abrechnung der beiden Behandlungen durch zwei Rechnungen für korrekt. Sie habe die Diagnosen medizinisch richtig und leitliniengerecht bestimmt. Unter Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2019, seien die Diagnosen und Prozeduren richtig verschlüsselt worden. Nach dem sogenannten „Grouping” durch einen zertifizierten Grouper hätten sich sodann die DRGs N10Z und N02C ergeben. Es handele sich um eine Behandlung aus dem Jahr 2019. Mithin sei § 8 Abs. 5 S. 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) zu beachten, der eine Fallzusammenführung nur unter den Voraussetzungen der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) erlaube, nicht jedoch aus anderen Gründen, insbesondere des fiktiven wirtschaftlicheren Alternativverhaltens. Die Ansicht des MDK schlage aufgrund dieser Vorschrift mit ihrem Bezug auf die BSG-Rechtsprechung fehl. Darüber hinaus habe auch keine Beurlaubung vorgelegen. Diese käme höchstens als fiktives Konstrukt aufgrund der pekuniären Interessen der Beklagten in Betracht. Eine Beurlaubung liege vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbreche, die stationäre Behandlung jedoch nicht abgeschlossen sei. Auch in Anbetracht der zivilrechtlichen Vorschriften und der hieraus resultierenden Haftungsgefahren sei zunächst zu konstatieren, dass es sich um keine Beurlaubung mit Zustimmung eines Krankenhausarztes gehandelt habe. Dass eine Behandlung mehrzeitig sein könne, sei nicht unüblich. Jedoch sei die erste Behandlungsphase zunächst abgeschlossen gewesen. Die Argumentation der Beklagten könne vor diesem Hintergrund nicht zur Fallzusammenführung taugen. Nicht zuletzt sei zu beachten, dass die Beurlaubung die Kehrseite der Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit darstelle und hiermit im Kontrast stehe. So sei eine Beurlaubung nur dann möglich, wenn es 4 5 6 7 8 9 etwas gebe, von dem beurlaubt werden könne. Wenn jedoch keine Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit bestehe, wie im vorliegenden Fall, könne auch keine Beurlaubung von einer solchen Krankenhausbehandlung stattfinden. Dann sei das einzig richtige Vorgehen ohne alternative Möglichkeit die Entlassung. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen.
10 Die Klägerin beantragt,
11  die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.609,10 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2019zu zahlen.
12  Die Beklagte beantragt,
13  die Klage abzuweisen.
14 Sie bleibt bei ihrer Auffassung und stützt sich dazu auf eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des MDK vom 05.03.2021. Darin hat der MDK seine Stellungnahme aus dem ersten Gutachten vom 20.11.2019 wiederholt und abschließende bemerkt: „Ob dieser Zeitraum zwischen den Aufenthalten als Beurlaubung gewertet werden kann, obliegt ebenfalls der juristischen Beurteilung.“ Die Beklagte meint, es sei eine Beurlaubung erfolgt. Sie behauptet, es sei eine Beurlaubung vorgenommen worden, um das Ergebnis der Histologie abzuwarten. Erst nach Vorliegen der Histologie habe die weitere Behandlung geplant werden können, also die Entscheidung, ob eine Operation notwendig oder kein Eingriff erforderlich sei. Es sei also unklar gewesen, wie die Behandlung fortgesetzt werde (Operation oder Behandlungsende). Das Ende der Behandlung könne also nicht die Entlassung aus dem Krankenhaus markieren. Laut MDK-Gutachten vom 05.03.2021 sei eine Fortsetzung der Behandlung sehr wahrscheinlich gewesen („Das Uteruscavum ist nur mäßig einsehbar. Es zeigt sich ein tumoröse Struktur mit aufgerauhter Oberfläche und suspekter Vaskularisierung.“). Das Ergebnis der Histologie hätte auch im Krankenhaus abgewartet werden können. Da dies aber unwirtschaftlich gewesen wäre, habe man sich für eine Beurlaubung und das Fortsetzen der Behandlung nach Vorliegen der Histologie entschieden. Dass die konkrete Terminplanung zur Operation erst am 07.03.2019 erfolgt sei, spreche nicht gegen eine Beurlaubung.
15  Nach mehreren rechtlichen Hinweisen hat das Gericht die Beteiligten mit Schreiben vom 25.05.2021 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Patientenakte der Versicherten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

18 Gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher angehört worden.
19  Die Klage ist zulässig und begründet.
20 Gegenstand der Klageforderung ist nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der (ersten) Behandlung der Versicherten. Denn dieser ist durch die Zahlung der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Gegenstand der Klageforderung ist vielmehr der Anspruch auf Vergütung aufgrund der stationären Behandlung eines anderen Versicherten, aus der die Klägerin – dies ist unstreitig – zunächst Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung in voller Höhe hatte. Die Forderung der Klägerin aus dieser Behandlung ist in Höhe der Klageforderung begründet, da die Beklagte dagegen mit ihrer Rückforderung aus dem Behandlungsfall des Versicherten nicht wirksam aufgerechnet hat.
21 Allerdings ist die Aufrechnung sowohl nach den vom Bundessozialgerichtes (BSG) vor Inkrafttreten der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) aufgestellten Maßstäben (vgl. (BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R und B 1 KR 9/16 R) als auch nach den strengeren Vorgaben der einschlägigen PrüfvV vom 03.02.2016 i.V.m. der dazu ergangenen Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 formal wirksam erklärt. Die maßgebliche Erklärung der Beklagten vom 27.11.2019 lässt den Aufrechnungswillen deutlich erkennen; sie ist auch hinreichend bestimmt, da sie sowohl die Forderung der Beklagten als auch die Forderung der Klägerin, gegen die aufgerechnet wurde, genau bezeichnet (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R).
22 Rechtsgrundlage des geltenden gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R – und vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung von Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sind in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesverbänden der Krankenkasse andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt. Es sind dies der Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (KBV) und der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (KÜV).
23 Die Klägerin hat der Beklagte zurecht für die erste Behandlung des Versicherten 1.589,10 € in Rechnung gestellt; einschließlich des abgezogenen Zuzahlungsanteil (20,00 €) der Versicherten betrug der Vergütungsanspruch 1.609,10 €. Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses ist gegeben, wenn die Krankenhausbehandlung erforderlich ist (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 Satz 1 KBV).
24 Die Klägerin hat die Vergütung – sowohl für die erste als auch für die zweite Behandlung – auf Grundlage des tatsächlichen Geschehensablaufs sachlich-rechnerisch zutreffend berechnet. Die Krankenhausvergütung bemaß sich nach Fallpauschalen (DRG) auf gesetzlicher Grundlage. Die Klägerin rechnete die Fallpauschalen (DRG) N10Z und N02C nach der FPV 2019 korrekt ab. Dies wird auch – bei unterstellter getrennter Abrechenbarkeit der Behandlungen – seitens der Beklagten nicht bestritten.
25 Die Voraussetzungen einer abrechnungstechnisch gebotenen Zusammenfassung der Falldaten der ersten und der zweiten Behandlung waren nach den Vorgaben der FPV 2019 nicht erfüllt. Eine Fallzusammenführung war auch unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Alternativverhaltens weder geboten noch überhaupt nur indiziert.
26 Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht. Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für Krankenhausbehandlung (BSG, Urteil vom 19.11.2019 – B 1 KR 6/19 R – m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist bei Behandlung der Versicherten prüfen, ob verschiedene gleich zweckmäßige und notwendige Behandlungsmöglichkeiten bestanden haben.
27 Nach der ab 01.01.2019 – also auch für den vorliegenden Fall – geltenden Bestimmung des § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG ist in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung „insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“. In der Gesetzbegründung dazu heißt es (vgl. BT-Drucks. 19/5593, S. 125): „ Die Ergänzung von § 8 Absatz 5 stellt klar, dass die von den Vertragsparteien auf Bundesebene in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) getroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierung der Zulässigkeit einer Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu verstehen sind. Eine von den Regelungen der FPV abweichende oder darüber hinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, ist damit nicht zulässig.“ Darauf hat auch das LSG Hamburg in seiner aktuellen Entscheidung vom 25.02.2021 (L 1 KR 114/19), in der es um einen dem vorliegenden durchaus vergleichbaren Fall ging, hingewiesen, eine Beurlaubung und eine Fallzusammenführung abgelehnt und der dort klagenden Krankenhausträgerin gegen die beklagte Krankenkasse Recht gegeben.
28 Soweit der MDK in seinen gutachtlichen Stellungnahmen auf § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) Bezug nimmt, wonach der Krankenhausträger durch geeignete Maßnahmen darauf hin wirkt, dass eine (u.a.) vorzeitige Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen unterbleibt, übersieht er die geltende Neuregelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntG und verkennt, dass eine vorzeitige Entlassung am 23.02.2019 nicht erfolgt ist. Und – entgegen der Auffassung der Beklagten – lag hier auch keine Beurlaubung der Versicherten vor. Gemäß § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2019 liegt eine Beurlaubung nur vor, wenn ein Patient mit Zustimmung der Ärzte die Behandlung unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist.
29 Die Klägerin hat ausführlich dargelegt und durch entsprechende Arztberichte nachgewiesen, dass die Behandlung nach der diagnostischen Hysteroskopie in Rahmen des zweitägigen stationären Aufenthaltes vom 22. bis 23.02.2019 abgeschlossen war. Auch der Patientenakte ist an keiner Stelle zu entnehmen, das zum Zeitpunkt der Entlassung aus der ersten Behandlung am 23.02.2019 diese noch nicht abgeschlossen war und weitere Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit bestand. Der Umstand, dass die am 22.02.2019 durchgeführte Hysteroskopie einen verdächtigen, abklärungsbedürftigen Befund ergeben hatte, der an die Histologie zur Abklärung weitergeleitet wurde, begründete bei der Entlassung am 23.02.2019 noch nicht eine weitere Notwendigkeit zur Krankenhausbehandlung. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung hätte negativ oder positiv ausfallen können. Die Einschätzung des MDK in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2021, die Indikation zur Operation hätte schon zeitnah nach dem 23.02.2019 gestellt werden können und die operativen Maßnahmen in einem überschaubaren Zeitraum danach umgesetzt werden können (und müssen), ist reine Spekulation. Der histologische 27 28 29 Befund und das weitere Vorgehen wurde mit der (knapp xx-jährigen) Versicherten erst am 07.03.2019 besprochen; nachdem die Versicherte sich offenbar auch mit ihrer Gynäkologin besprochen hatte, wurde sie auf deren Überweisung vom 12.03.2019 von der Klägerin für den 25.03.2019 zur Operation am 26.03.2019 einbestellt. Das BSG hat im Leitsatz seiner Entscheidung vom 19.11.2019 (B 1 KR 6/19 R) ausdrücklich auf den Fall einer Entlassung und nachfolgend „kurzfristiger Wiederaufnahme“ abgestellt. In diesem und anderen BSGund LSG-Urteilen lagen zwischen Entlassung und Wiederaufnahme nur wenige Tage. Im vorliegenden Fall lagen dazwischen aber 28 (!) Tage. Ein derart langer Zeitraum ist nicht mehr unter den Begriff der Beurlaubung i.S.v. § 1 Abs. 7 FPV 2019 zu subsummieren. Hinzu kommen die von der Klägerin angestellten haftungsrechtlichen Erwägungen.
30 Auch eine Wiederaufnahme mit der Konsequenz einer Zusammenfassung der Falldaten, speziell eine Fallgestaltung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2019, lag nicht vor. Der erste Krankenhausaufenthalt begann am 22.02.2019, der zweite am 25.03.2019; die Wiederaufnahme erfolgte also nicht „innerhalb von 30 Kalendertagen“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FPV 2019.
31 Aufgrund dieser Gegebenheiten hat die Klägerin – davon ist das Gericht überzeugt – bei den Aufnahmen zu den stationären Behandlungen des Versicherten vom 22.02. bis 23.02.2019 und danach vom 25.03. bis 01.04.2019 und bei der Abrechnung dieser beiden Behandlungsfälle nach der DRG N10Z und N02C nicht unwirtschaftlich gehandelt. Die Klägerin hatte Anspruch auch auf die Vergütung der DRG N10Z in Höhe von 1.609,10 €.
32 Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KBV sind Rechnungen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Da die Rechnung über die Krankenhausbehandlungskosten des in dem Schreiben vom 27.11.2019 genannten Behandlungsfalles einer anderen Versicherten fällig war und die Beklagte den gekürzten Betrag zu diesem Zeitpunkt zur Zahlung angewiesen hat, ist die Beklagte jedenfalls seit dem 03.12.2019 mit der Vergütung der Restforderung in Verzug. Daher ist das Zinsbegehren der Klägerin sowohl nach dessen Beginn als auch der Höhe nach (vgl. § 15 KBV) begründet.
33  Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
34  Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).