Sozialgericht Aachen S 14 KR 515/17

Sozialgericht Aachen

Urteil vom 10.07.2018 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Aachen S 14 KR 515/17

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 3.300 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von elf zwischen Juni 2013 und Februar 2014 – auf Grundlage des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gezahlten Aufwandspauschalen gezahlter – Aufwandspauschalen von je 300 EUR.

Dem liegt die stationäre Behandlung elf bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherter Personen im Plankrankenhaus der Beklagten zugrunde. Die Klägerin erteilte dem Sozial-medizinischen Dienst (SMD) nach Erhalt der Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2013-2014 in allen zehn Fällen einen Auftrag zur Prüfung von Kodierungs- und Abrechnungsfragen. Wegen des konkreten Inhaltes wird auf die klägerseitig vorgelegten Prüfaufträge verwiesen.

Der SMD forderte zur Beurteilung jeweils Unterlagen bei der Beklagten an, die diese auch zur Verfügung stellte. Nach Überprüfung kam der SMD in allen Fällen zu dem Ergebnis, dass die Abrechnung korrekt erfolgt sei, so dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führte.

Daraufhin zahlte die Beklagte jeweils eine Aufwandspauschale i.H.v. 300 EUR an die Klägerin.

Mit der am 29.11.2017 erhobenen Klage verlangt die Klägerin – ohne insoweit zuvor an die Beklagte herangetreten zu sein – auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die für die vor dem 01.01.2016 geltende Rechtslage zwischen einer den Anspruch auf eine Aufwandspauschale auslösenden Aufälligkeitsprüfung einerseits und einer Überprüfung der sachlich – rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung, die einen solchen Anspruch nicht auslösen soll, andererseits, unterscheidet, die gezahlten Aufwendungspauschalen von der Beklagten erstattet.

Der Vertreter der Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3300 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Verweis auf ein im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein – Westfalen erstelltes Gutachten des Bevollmächtigten der Beklagten (abrufbar unter: http://www.westphalmanagement.de/files/westphal/content/pdf/Gutachten%20KGNW%2012%20-%202015.pdf) vertritt diese die Auffassung, die Rechtsprechung des BSG verstoße gegen den klaren Wortlaut des § 275 SGB V und stehe im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers.

Durch die Klarstellung des Gesetzgebers zum 01.01.2016, dass die Aufwandspauschale für jede Überprüfung der Abrechnung eines Krankenhauses, bei der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst (MDK bzw. SMD) beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert (§ 275 Abs. 1 Buchst. c S. 2, 4 SGB V), habe der Gesetzgeber eine konstitutiv rückwirkende Regelung geschaffen. Zahlreiche Sozialgerichte des Landes hätten Erstattungsbegehren wie das der Klägerin abgewiesen, weil dem – für die Zeit vor Juli 2014, als der Erste Senat des BSG die Unterscheidung zwischen sachlich – rechtlicher Prüfung und Auffälligkeitsprüfung erstmals judiziert habe – Vertrau-ensschutzgesichtspunkte entgegenstünden. Es habe vor der entsprechenden Rechtsprechung völlige Übereinstimmung zwischen Kostenträgern und Krankenkassen gegeben, dass für jedwede Prüfung im Sinne des heutigen § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 4 SGB V eine Aufwendungspauschale zu zahlen gewesen sei. Daher sei es grob treuwidrig, nunmehr eine Erstattung zu verlangen. Zugleich stelle dies einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung des Rückwirkungsverbotes dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu-lässig. Bei einer auf Erstattung überzahlter Aufwandspauschalen gerichteten Klage einer Krankenkasse auf Grundlage eines öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruches gegen einen Krankenhausträger handelt es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. (vgl. BSG Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R -, Rn. 8, juris m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R –, BSGE 117, 94-117, SozR 4-2500 § 137 Nr 5, Rn. 9; BSG, Urteil vom 17. Juni 2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166; Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 64/01 R-, juris).

B. Die Klage ist jedoch unbegründet.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der in den Jahren 2013/2014 an die Klägerin auf Grundlage des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V gezahlten Aufwandspauschalen aus einem öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 01. August 1991 – 6 RKa 9/89 –, BSGE 69, 158-166, SozR 3-1300 § 113 Nr. 1, Rn. 17 ff.). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier zwischen den Beteiligten vor, da die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus nach den maßgeblichen §§ 107 ff. SGB V – und damit auch die in diesem Zusammenhang zu zahlenden Aufwandspauschalen – öffentlich-rechtlich geprägt sind (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 m.w.N.). Verpflichteter des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V ist in Gestalt der Krankenkassen immer ein Träger öffentlicher Rechte und Pflichten (§ 4 Abs. 1 SGB V).

II. Die auf Grundlage des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V (in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung) gezahlten Aufwandspauschalen hat die Klägerin nicht ohne Rechtsgrund geleistet.

Nach dieser Vorschrift hat eine Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale i.H.v. 300 EUR zu entrichten, falls eine Prüfung – nach § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 1, Abs. 1 Nr. 1 SGB V – nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Zu einer solchen Prüfung ist in gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, die Krankenkasse – unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes – bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung verpflichtet (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

1. Abgesehen von der hier zwischen den Beteiligten umstrittenen Rechtsfrage, ob eine Prüfung der sachlichen oder rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung einen Anspruch auf eine Aufwandspauschale vor dem 01.01.2016 begründen konnte (dazu 3., 4.), sind die Voraussetzungen des Anspruches der Beklagten gegen die Klägerin auf die gezahlten Aufwandpauschalen ohne Zweifel erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 1/10 R –, BSGE 106, 214-222, SozR 4-2500 § 275 Nr 3, Rn. 12 ff.): Die von der Klägerin beim SMD in Auftrag gegebenen Prüfungen der Abrechnungen der Beklagten in den elf streitbefangenen Fällen der Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten zielte auf eine Verringerung der Krankenhausvergütung. Die in den Jahren 2013/2014 abgeschlossenen Prüfungen führten zu einem über die Rechnungserstellung hinausgehenden Aufwand auf Seiten des Krankenhauses infolge erneuter Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall und zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages der erteilten Rechnungen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Der seit Beginn des Jahres 2015 für Streitigkeiten aus dem Bereich der stationären Versorgung allein zuständige Erste Senat des Bundessozialgerichtes hat mit einer im Juli 2017 begonnen Rechtsprechung eine (weitere) Differenzierung zwischen Prüfungen der Krankenkassen vorgenommen, die Anlass für das Klagebegehren ist. So sei das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht anwendbar bei der sachlichen oder rechnerischen Prüfung von Einzelfällen, sondern nur bei der Prüfung von Auffälligkeiten; auch nur in diesen Fällen könne sich das Krankenhaus auf die Ausschlussfrist von sechs Wochen berufen (§ 275 Abs. 1 Buchst. c S. 2 SGB V) oder die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V verlangen. Die sachlich – rechnerische Prüfung betreffe insbesondere die Fragen der richtigen Kodierung, d.h. ob bestimmte Haupt- oder Nebendiagnosen zu Recht angesetzt worden, oder ob die Voraussetzungen für die Abrechnung bestimmter Operationskodes oder Zusatzentgelte gegeben gewesen seien (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – SozR 4-2500 § 301 Nr 4; BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 25/13 R; BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 R – SozR 4-2500 § 301 Nr 3; BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 13/14 R – SozR 4-5560 § 17b Nr 6; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr 7, Rn. 17 ff.; BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 24/16 R –, SozR 4-2500 § 301 Nr 8, Rn. 9 ff.; BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 28/16 R –, Rn. 9 ff., juris). Dieser Rechtsprechung ist der Gesetzgeber für die Zeit ab Januar 2016 mit der Einfügung des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 4 SGB V begegnet, in der er “klarstellt” (BT-Anschlussdrucksache 18 (14) 0141.1, zum Änderungsantrag 1 der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung – KHSG, BT-Drs.18/5372), dass als Prüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen ist, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus er-fordert.

3. Die Kammer lässt dahinstehen, ob dem breiten Widerspruch der Instanzgerichte (siehe die Übersicht bei Makoski, jurisPR-MedizinR 3/2017 Anm. 5; SG Aachen, Urteil vom 22. August 2017 – S 13 KR 164/17 –, juris) gegen die durch den Ersten Senat des BSG seit Juli 2014 judizierten Differenzierung zwischen sachlich – rechnerischer – und Auffälligkeitsprüfung (s. 2.) zuzustimmen ist, oder die Begründung des BSG überzeugt.

4. Jedenfalls kann die Klägerin keine Aufwandspauschalen erstattet verlangen, die sie vor der erstmaligen Ausklammerung der sachlich – rechnerischen Rechnungsprüfung aus § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3, § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den Ersten Senat des BSG im Juli 2014 an die Beklagte gezahlt hat. Die Kammer folgt der Argumentation der Beklagtenseite insoweit, als eine Zahlung “ohne Rechtsgrund” aus rechtsstaatlichen Gesichts-punkten in der Ausprägung des Gebotes der Rechtssicherheit (Rückwirkungsverbot) (a) und des Vertrauensschutzes (Treu und Glauben) (b) nicht anzunehmen ist (vgl. u. a. SG Aachen, Urteil vom 22. August 2017 – S 13 KR 164/17 –, Rn. 23, juris; SG Aachen, Urteil vom 26.04.2018 – S 15 KR 437/16 (nicht veröffentlicht); SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2018 – S 4 KR 255/16 –, Rn. 16, juris).

a) Die rückwirkende Berücksichtigung der Differenzierung des Bundessozialgerichtes verstieße gegen das Gebot der Rechtssicherheit (Rückwirkungsverbot).

Das Gebot der Rechtssicherheit ist – ebenso wie das Gebot des Vertrauensschutzes – im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) verfassungskräftig verankert (vgl. BVerfGE 30, 392 (403)). Die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten, dass die Rechtsunterworfenen durch die rück-wirkende Beseitigung erworbener Rechte nicht über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht werden (vgl. BVerfGE 105, 48 (57); 133, 143 (158)). Eine “echte Rückwirkung” von Gesetzen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungs-rechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfGE 11, 139 (145 f.); 101, 239 (263)).

Zwar stellt höchstrichterliche Rechtsprechung kein Gesetzesrecht dar und erzeugt auch keine vergleichbare Rechtsbindung (vgl. BVerfGE 122, 248 (277); 131, 20 (42)). Sie kann jedoch eine über den Einzelfall hinausgehende Geltung erlangen, die in ihrer faktischen Wirkung der Gesetzeskraft gleichkommt (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 1980 – 12 RK 59/79 –, BSGE 51, 31-40, SozR 2200 § 1399 Nr 13, Rn. 27 f.; BAG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 AZR 284/06 –, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 01. Februar 2007 – 2 AZR 15/06 –, Rn. 20, juris; vgl. ferner: BSG, Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 71/04 R –, BSGE 95, 141-159, SozR 4-2500 § 83 Nr 2, Rn. 48). Eine entsprechende Geltungswirkung beruht dabei auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Einfachrechtlich wird dies etwa in § 48 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) abgebildet, der eine geänderte ständige Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse (§ 48 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X) gleichsetzt, – das Rückwirkungsverbot berücksichtigend – soweit sich dies zu Gunsten des Berechtigten auswirkt (vgl. dazu: SG Aachen, Urteil vom 18. März 2016 – S 18 SB 1110/14 –, Rn. 25 ff., juris). Die gesetzesähnliche Wirkung kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die höchstrichterliche Auslegung des Gesetzes von niemandem ernstlich in Zweifel gezogen wird. Da es indes nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauung bedarf, damit ein Gericht von seiner Rechtsprechung abweichen kann, ist eine Änderung ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach der Recht-sprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens-schutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten, langjährigen und nicht ernstlich angefochtenen Rechtsprechung entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. April 2015 – 1 BvR 2314/12 –, Rn. 13, juris; BVerfG, Beschluss vom 02. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 –, Rn. 81, juris; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, Rn. 85, juris).

(1) Davon ist aber vorliegend auszugehen. Zwar ist die seit dem 01.07.2014 durch das BSG judizierte Differenzierung zwischen sachlich – rechtlicher Abrechnungsprüfung und Auffälligkeit Prüfung eingehend begründet worden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr 7, Rn. 17 ff.).

(2) Jedoch war die entsprechende Änderung der Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer (anders als in den durch das BVerfG untersuchten Konstellationen) nicht vorhersehbar. Zwar hat das BSG in seiner vorherigen Rechtsprechung einer entsprechenden Differenzierung nicht ausdrücklich eine Absage erteilt. Allerdings hat es die Erfassung beider seit Juli 2014 differenzierter Fallgruppen durch § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V praktisch als selbstverständlich vorausgesetzt, diesbezüglich keine Zweifel aufkommen lassen und damit ein mindestens ebenso großes Vertrauen in das bis Juli 2014 gültige Rechtsverständnis geschaffen.

Noch nach Einfügung des Abs. 1 c in § 275 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.03.2007 zum 01.04.2007 (BGBl 2007, Teil I Nr. 11) ist die Differenzierung zwischen sachlich – rechtlicher Rechnungsprüfung und Auffälligkeitsprüfung weder vom Ersten, noch vom bis zum Jahr 2015 für Streitigkeiten aus dem stationären Bereich ebenfalls zuständigen Dritten Senat des BSG vertreten worden.

aa) Der Dritte Senat des BSG hatte bereits mit Urteil vom 22.04.2009 (BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 24/07 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 18, Rn. 15-20) einen 3-stufigen Aufbau von Informationsrechten der Krankenkasse bzw. Informationspflichten des Krankenhauses etabliert, den er auch in der Folge seinen Entscheidungen zugrunde legte (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R –, BSGE 111, 58-71, SozR 4-2500 § 109 Nr 24, Rn. 18 ff.). Dabei beschrieb er auf der 3. Stufe das Verfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

Auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) sei das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse im Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durch-führung von dessen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich sei und entweder der Betroffene eingewilligt habe (§ 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X) oder dies gesetzlich zugelassen sei (§ 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X). Danach sei die Erhebung von Sozialdaten bei den Krankenhäusern für die Zwecke der GKV zugelassen, soweit sie nach Maßgabe der Prüfaufträge von Krankenkasse und MDK u.a. für die “Prüfung der Leistungspflicht und die Erbringung von Leistungen an Versicherte” und für die “Beteiligung des Medizinischen Dienstes” (vgl. § 284 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und 7 SGB V) erforderlich sei.

Zwingend seien auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung zunächst die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V. Danach bestehe die Pflicht des Krankenhauses, der Krankenkasse bei Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln seien (vgl. BT-Drucks 12/3608 S 124). Nach der zu Grunde liegenden Vorstellung des Gesetzgebers seien damit die Mindestangaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötige (vgl. BT-Drucks 12/3608 S 124). Genüge die Anzeige des Krankenhauses diesen (Mindest-)Anforderungen nicht, fehle es bereits an der Fälligkeit der Vergütungsforderung (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 1 Rn. 12). Deshalb dürften die Krankenkassen bei Zweifeln oder Unklarheiten in Bezug auf die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Krankenhaus klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben seien, wenn keine ausreichenden Angaben zum Grund der Krankenhausaufnahme ersichtlich seien (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V).

Erschössen sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den – medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten – Mitarbeitern der Krankenkasse aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V oder eines Kurzberichts nicht selbst, sei auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten. Danach sei beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten zur Verfügung stehenden Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenhausbehandlung nicht ausreichten. Dazu habe die Krankenkasse dem MDK nach § 276 Abs. 1 S. 1 SGB V jedenfalls diejenigen zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, die ihr vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt worden seien, also insbesondere die Angaben nach § 301 SGB V. Den Krankenkassen stehe kein Recht zu, selbst in die ärztlichen Behandlungsunterlagen Einsicht zu nehmen (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3). Ebenso dürften die Krankenkassen grds. keine medizinischen Unterlagen “zur Vorprüfung des Vergütungsanspruchs” anfordern.

§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erlege den Krankenkassen daran anknüpfend die Pflicht auf, bei Zweifeln über die Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Vorausset-zungen, Art und Umfang, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 16 Rn.18; ebenso BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 15, Rn. 32).

Im Rahmen einer nach diesen Voraussetzungen ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung habe das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung – wenn sich also unter Auswertung der auf der ersten und zweiten Stufe verfügbaren Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis finden lasse – dem MDK auch über die Anzeige nach § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus alle weiteren Angaben zu erteilen und Un-terlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt würden. Rechtsgrundlage hierfür sei § 276 Abs. 2 S. 1 Hbs. 2 SGB V, nachdem der MDK Daten erheben und speichern darf, soweit dies für den Auftrag nach § 275 SGB V erforderlich ist. Entsprechend allein auf der dritten Stufe kämen die Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1 Buchst. c SGB V zur Geltung (BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr 16, Rn. 16).

Eine Unterscheidung auf der dritten dieser anschaulich beschriebenen und der Praxis entsprechenden drei Stufen in sachlich – rechnerische Prüfungsgegenstände und Auffälligkeitsprüfungen erfolgte dabei nicht. Soweit der Erste Senat ab Juli 2014 (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – SozR 4-2500 § 301 Nr 4) die Prüfung der sachlich – rechnerischen Richtigkeit auf “untergesetzliche Informations – und Abrechnungsvorgaben für das Krankenhaus” stützt, weil maßgebliche nach § 301 SGB V zu übermittelnde Behandlungsdaten keine Fakten, sondern Ergebnisse rechtlicher Subsumtion seien (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr 7, Rn. 17, 19), verortet er sie seither – gleichwohl eine über die zweite Stufe hinausgehende Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus stattfindet, entgegen des dargelegten Inhaltes des durch den Dritten Senat herausgearbeiteten 3-Stufen Systems – faktisch auf die ersten beiden Stufen, wobei er hierbei über § 69 Absatz 1 S. 3 SGB V an das Rege-lungssystem des bürgerlichen Rechtes anknüpft (BSG vom 25.Oktober 2016, a.a.O.,Rn. 20).

bb) In einem Urteil vom 22.06.2010 traf der Erste Senat des BSG indes noch keine Fest-stellungen, die eine Zuordnung zur Gruppe der sachlich – rechnerischen Überprüfung oder Auffälligkeitsprüfung erlaubte und handhabte den § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V im Sinne der 3. Stufe (dazu aa). (BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 29/09 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr 4). Im Tatbestand festgehalten wurde, dass die beklagte Kranken-kasse dem MDK den Auftrag zur Prüfung einer Abrechnung erteilt habe. Ohne weitere Differenzierung stellte der Senat fest, dass – abgesehen von der im Fall allein streitigen Frage des zeitlichen Anwendungsbereiches der Vorschrift – die Grundvoraussetzungen eines Anspruches des Krankenhauses gegen die Krankenkasse auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V erfüllt seien: Die von der Krankenkasse am 25.05.2017 beim MDK in Auftrag gegebene Prüfung der Abrechnung der Krankenhaus-behandlung ihres Versicherten habe auf eine Verringerung der Krankenhausvergütung gezielt, die abgeschlossene Prüfung zu einem über die Rechnungserstellung hinausgehenden Aufwand auf Seiten des Krankenhauses infolge erneuter Befassung mit dem Behandlungs – und Abrechnungsfall und zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages aus der erteilten Rechnung geführt (Rn. 11).

cc) Der Senat bezog sich dabei auf eine ausführliche Darlegung der Voraussetzungen in einem Urteil vom selben Tage (BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 1/10 R –, BSGE 106, 214-222, SozR 4-2500 § 275 Nr 3; zur Einordnung der Anwendung i. S. d. 3. Stufe – vgl. aa- BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr 16, Rn. 16), in dem das Krankenhaus – ohne Auswirkungen auf den Rechnungsbetrag – die bestehende Hauptdiagnose nicht richtig kodiert hatte. Die Verurteilung der Vorinstanzen zur Zahlung der Aufwandspauschale griff die Krankenkasse mit der Begründung an, der Zah-lungsanspruch des Krankenhauses scheitere schon daran, dass dem MDK kein “allgemeiner Prüfauftrag” erteilt worden sei, sondern nur eine Prüfung “der Richtigkeit der Hauptdiagnose” übertragen worden sei. Es lag also ein Fall vor, der nach der Differenzierung zwischen sachlich – rechnerischer Abrechnungsprüfung und Auffälligkeitsprüfung der ersten Fallgruppe zuzuschlagen wäre. Zwar hob das BSG die Entscheidungen der Vorinstanzen auf, jedoch gerade nicht unter Darlegung und Verweis auf die seit Juli 2014 erkannte Fallgruppenunterscheidung. Vielmehr führte der Erste Senat auch hier aus, der Anspruch scheitere nicht schon an den Grundvoraussetzungen des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V, das heiße am Nichtvorliegen einer mit Hilfe des MDK durchgeführten Prüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ( ) (Rn. 11). Zielsetzung eines die Aufwands-pauschale auslösenden Prüfauftrages an den MDK müsse in jedem Fall die Abklärung sein, ob aus dessen fachkundiger Sicht Gründe vorlägen, die die Höhe des Abrechnungsbetrages rechtfertigten. Die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung wird (als Gegenstand der Aufälligkeitsprüfung) zwar beispielhaft erwähnt, der Prüfung der Richtigkeit der Haupt-diagnose (wie im konkreten Fall) jedoch letztlich gleichgestellt. Eine Abgrenzung findet sich allein gegenüber einem Prüfgegenstand, bei dem es darum gehe, im Nachhinein eine vermutete Unterversorgung von Versicherten im Krankenhaus aufzudecken oder die Not-wendigkeit ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen im Anschluss an die Krankenhausbehandlung eines Versicherten abzuklären (Rn. 15). Wie der Gesetzes-wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeige, könnten innerhalb des von § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V erfassten Bezugsrahmens auch jenseits einer rein medizinischen Beurteilung im engeren Sinne liegende sonstige “Auffälligkeiten” für das Entstehen des Anspruches auf die Aufwandspauschale ausreichen. Das sei anzunehmen, wenn jedenfalls zu erwarten sei, dass sich die Zweifel der Krankenkasse an einer “ordnungsgemäßen Ab-rechnung” mittels des medizinisch – ärztlichen Sachverstandes des MDK und/oder seiner besonderen Kontroll – und Eingriffsbefugnisse (vergleiche § 276 Abs. 4 SGB V) klären lasse. Dies sei im vorliegenden Fall erfüllt. Dass die Krankenkasse den Auftrag an den MDK auf die Prüfung der Richtigkeit der Hauptdiagnose beschränkt habe sei ohne Bedeutung. Ausreichend sei, dass die Beklagte mit ihrem Antrag jedenfalls primär das Ziel verfolgt habe, eine ordnungsgemäße, möglicherweise zu vermindernde Abrechnung herbeizuführen und dieses Ziel gegenüber dem Krankenhaus nur unter Einschaltung des MDK zuverlässig erreichbar gewesen sei (Rn. 14, 15). Diese Ausführungen machte der Senat obwohl er der Revision letztlich aus einem anderen Grunde stattgab; nämlich weil das Krankenhaus durch die falsche Kodierung die Überprüfung veranlasst habe (Rn. 18 ff.), letztlich einer Erwägung aus Treu und Glauben.

dd) Mit Urteilen vom 13.11.2012 führte der Erste Senat ausdrücklich aus, er lege seiner Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 1/10 R –, BSGE 106, 214-222, SozR 4-2500 § 275 Nr 3) den Aufbau von 3 Ebenen der Auskunfts – und Prüfpflichten zu Grunde, wie ihn der Dritte Senat bereits mehrfach judiziert habe (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R –, SozR 4-2500 § 301 Nr 1, Rn. 29) und legte dar, § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V umfasse Auffälligkeiten, die die Krankenkassen zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Aufforderung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK berechtigten oder verpflichteten, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen Fragen nach der – insbesondere sachlich – rechnerischen – Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aufwürfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und –bewertung durch den MDK nicht beantworten könne (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R –, BSGE 112, 141-156, SozR 4-2500 § 275 Nr 8, Rn. 18). Insofern betonte der Erste Senat die Zugehörigkeit der sachlich – rechnerischen Abrechnungsprüfung (auch, nämlich dann, wenn weitere Sozialdaten, über die ersten beiden Stufen hinaus durch den MDK erhoben werden (müssen)) zum Regime des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

ee) Daran knüpfend wies der Dritte Senat in Bestätigung und Weiterentwicklung der Ent-scheidung des Ersten Senates vom 22.06.2010 (BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 1/10 R –, BSGE 106, 214-222, SozR 4-2500 § 275 Nr 3) mit Urteil vom 28.11.2013 darauf hin, dass nach der Rechtsprechung beider seinerzeit zuständigen Senate des BSG die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V nur in Betracht komme, wenn der MDK auf der 3. Stufe der Sachverhaltserhebung auf Veranlassung der Krankenkasse zuvor Sozialdaten gemäß § 276 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB V zur Rechnungsprüfung beim Krankenhaus angefordert habe (BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr 16, Rn. 16; ausdrücklich aufgegeben von BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr 7, Rn. 26). Eine Untersuchung der Rechnungsprüfungsgegenstände der Kranken-kasse unter Auspizien eines sachlich- rechnerischen- oder eines Auffälligkeitsinhaltes er-folgte selbstverständlich nicht und der Krankenkasse wurde die streitige Aufwandspau-schale zugesprochen, da die Krankenkasse die Prüfung nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Kodierung veranlasst habe.

dd) Noch im Dezember 2013 widerholte der Erste Senat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 52/12 R –, BSGE 115, 87-95, SozR 4-2500 § 109 Nr 36, Rn. 11), Auffälligkeiten, die eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlassten, bestünden, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung voll-ständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen und Fragen nach der – insbesondere sachlich – rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aufwürfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und –bewertung nicht beantworten könne und verwies auf die eigene sowie die entsprechende Rechtsprechung des Dritten Senates (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr 13, Rn. 15).

(2) Anhand der vorstehenden Rechtsprechungsdarstellung wird nicht nur die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die seitens des Ersten Senates ab dem 01.07.2014 (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – SozR 4-2500 § 301 Nr 4) vertretene Auffassung erkennbar, auf Grund derer die Klägerin zur Leistung verpflichtet war, sondern es wird auch ersichtlich, dass die Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen ist, sich in der Judikatur des BSG in keiner Weise angedeutet hat.

(3) Es ist – wie auch der Vertreter der Klägerin eingeräumt hat – auch nicht ersichtlich, dass in den Instanzgerichten oder der Literatur die durch das Bundessozialgericht seit Juli 2014 begründete Differenzierung erwogen oder gar vertreten worden wäre (anders bei BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, Rn. 86, juris). Dies könnte der Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens – wie dargestellt (a) – insofern entgegenstehen, als die höchstrichterliche Rechtsprechung dann in ihrer faktischen Wirkung einer Gesetzeskraft nicht gleichkäme (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2007 – GrS 2/04 –, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, Rn. 93). Vielmehr bestand kein Zweifel, dass die gesetzgeberische Vorstellung bei Einführung des § 275 Abs. 1 Buchst. c SGB V, dass auch falsche Kodie-rungen Anlass für eine Prüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Buchst. c SGB V sein könnten (vgl. Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV – WSG, BT-Drs. 16/3100, S. 171, späterhin von BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr 7, Rn. 14 als in den “rechtlichen Grundannahmen diffus” bezeichnet) Gesetzeskraft erlangt hätte.

(4) Soweit das BVerfG von dem grundsätzlichen Verbot echter Rückwirkung von Gesetzen – das wie nunmehr dargelegt – vorliegend auf die Rechtsprechung des BSG ab dem 01.04.2017 (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R –, BSGE 116, 165-172, SozR 4-2500 § 301 Nr 4, Rn. 2) zu übertragen ist – gemacht hat ( zusammenfassend m.w.Nachw.: BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 –, Rn. 64 f., juris), kommen diese in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht. Die Ausnahmen betreffen Fälle, in denen sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts (hier der ständigen Rechtsprechung eines obersten Gerichtes) bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig ist.

Soweit Fälle ausgeschlossen werden, in denen die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste oder dass das bisherige Recht in einem Maße treuwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden, hätte eine entsprechende Konstellation bereits die fehlende Übertragbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung bedeutet (vgl. a). Auch “überragende Belange des Gemeinwohls”, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, scheiden offensichtlich aus. Zuletzt ist auch der – im Falle einer rückwirkenden Anwendung der BSG Rechtsprechung ab Juli 2014 – verursachte “Schaden” nicht ganz unerheblich. Denn über die Betrachtung der konkreten Klageforderung hinaus ist zu vergegenwärtigen, dass eine Rückerstattung aller Aufwandspauschalen innerhalb des Verjährungsrahmens, die auf sachlich – rechnerischen Rechnungsprüfungen i. S. d. 01.07.2014 praktizierten BSG- Rechtsprechung beruhten, ab dem Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung insgesamt – auch bezogen auf ein einzelnes Krankenhaus – einer erhebliche finanzielle Belas-tung bedeuten würde. Der Prokurist der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass allein für die Jahre 2010 und 2011 sich ein Erstattungsbetrag i. H. v. 60.000 EUR summierte. Der Bevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass das Volumen auf Bundesebene einen dreistelligen Millionenbetrag umfasse. Hinzu tritt ein enormer Verwaltungsaufwand durch die Überprüfung des Inhaltes der Prüfaufträge der Krankenkassen an den MDK zur Feststellung, ob der oder den zurückgeforderten Aufwandspauschalen nicht doch eine “Auffälligkeitsprüfung” zugrunde gelegen hat, wobei die Unterscheidung bisweilen schwierig sein kann (vgl. SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2018 – S 4 KR 255/16 –, Rn. 29, juris).

(5) Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verweist, der seine seit 30 Jahren praktizierte Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln aufgegeben und klargestellt habe, dass ältere Klauseln nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes als wirksam zu behandeln seien, da es zum allgemeinen Risiko des Verwenders gehöre, dass diese Klauseln in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen als unwirksam beurteilt werden könnten (BGH, Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14 –, BGHZ 204, 302-316, Rn. 39) ist darauf hinzuweisen, dass die in Bezug genommene Konstellation schon insoweit nicht mit der vorliegenden vergleichbar ist, als sie einen Fall der – grundsätzlich zulässigen – “unechten Rückwirkung” – bei der auf in der Vergangenheit begonnene, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet wird (vgl. BVerfG WuM 1997, 94-101) – betrifft. Denn die Rechtsprechungsänderung wirkte auf ein in der Vergangenheit begründetes, noch andauerndes Dauerschuldverhältnis ein. Zudem war die höchstrichterliche Rechtsprechung vor der im angeführten Urteil durch den BGH dargelegten Entwicklung bereits nicht unumstritten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03 –, Rn. 19, juris, in o.a. Entscheidung (Rn. 20) als Wendepunkt angeführt). Ferner stellt die gewandelte BGH-Rechtsprechung selbst eine Ausgestaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar, in der die widerstreitenden Interessen des Vermieters an der Gültigkeit der vereinbarten Klausel und einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters gegeneinander abzuwägen waren – wie dies auch im Falle unechter Rückwirkung von Gesetzen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit notwendig ist (vgl. BVerfG WuM 1997, 94-101 BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 1 BvL 6/07 –, juris).

b) Die Rückforderung der gezahlten Aufwandspauschalen verstößt auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. 242 BGB) (a. A. ohne nähere Begründung: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Februar 2018 – L 5 KR 251/17 –, Rn. 16, juris), der um denselben – rechtsstaatsprinzipiellen – Kern wie das Verbot der Rückwirkung kreist und den Vertrauensschutz der Beklagten von anderer Seite beleuchtet.

(1) Der Erste Senat des Bundessozialgerichts hat gerade im Zusammenhang mit Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern zum Grundsatz von Treu und Glauben – zuletzt “unter Konkretisierung der allgemeinen Grundsätze der Verwirkung” – wiederholt ausgeführt, dass zu berücksichtigen sei, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiteten. Ihnen seien die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen sei von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten. So hat er es als unzulässig erachtet, nach Ablauf des auf eine vorbehaltlose und nicht offensichtlich unschlüssige Schlussrechnung eines Krankenhauses folgenden Jahres – trotz der nicht verstrichenen kurzen Verjäh-rungsfrist von 4 Jahren – eine Nachforderung zu erheben (BSG, Urteil vom 08. September 2009 – B 1 KR 11/09 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 19, Rn. 16; BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 6/12 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 27, Rn. 13; BSG, Urteil vom 05. Juli 2016 – B 1 KR 40/15 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 58, Rn. 20 f.). Der Vertrauenstatbestand er-wachse daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraue, dass das Krankenhaus keine weiteren Nachforderungen erhebe. Hieran richte sie ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nehme, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und – im Kontext sonstiger streitiger Forderungen – dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen. Weil die Krankenkassen auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen seien, müssten sie sich grundsätzlich auf die Schlussrechnung eines Krankenhauses schon im laufenden Haushaltsjahr verlassen können, in dem die Rechnung gestellt werde. Dies versetzte sie in die Lage, die dem geltenden Haushaltsplan zu Grunde liegenden Ausgaben – und Einnahmeerwartungen mit den tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen verlässlich abzugleichen und etwaige auf das folgende Haushaltsjahr zu übertragende Über – oder Unterdeckungen zu erkennen. Die Krankenkassen dürften grundsätzlich davon ausgehen, dass einmal gestellte, nicht beanstandete Schlussrechnungen nicht von den Krankenhäusern zu einem Zeitpunkt nachträglich korrigiert und Nachforderungen erhoben würden, die ihre Kalkulationsgrundlagen beeinträchtigten. Im Wege der “praktischen Konkordanz” seien die Interessen der Krankenhäuser einzubeziehen, hinsichtlich aller in einem laufenden Haushaltsjahr übermittelten Schlussrechnungen noch effektiv Nachprüfungen in einem angemessenen zeitlichen Rahmen vornehmen zu können.

(2) Die Kammer kann einen rechtserheblichen Unterschied zur vorliegenden Konstellation nicht erkennen. Die Klägerin hat die streitigen Aufwandspauschalen aufgrund einer allseitig akzeptierten Rechtsauffassung zu § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 3 SGB V vorbehaltlos an die Beklagte gezahlt. Die Beklagte hat darauf vertraut und durfte darauf vertrauen, dass die Aufwandspauschalen nicht zurückgefordert würden. Sie hat nicht nur davon Abstand genommen, die dem Prüfverfahren zu Grunde liegenden Abrechnungen als zweifelhaft zu behandeln, sondern auch die darauf folgende Zahlung der Aufwandspauschalen, mit der die jeweiligen Behandlungsfälle – zweifelsfrei aus Sicht beider Beteiligter – endgültig abgeschlossen werden sollten. Von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Zahlungen konnte angesichts des seinerzeit allgemeinen Rechtsverständnisses (dazu a) nicht ausgegangen werden. Die Krankenhäuser sind ebenso wie die Krankenkassen auf eine tragfähige Kal-kulation von Einnahmen und Ausgaben angewiesen.

Dabei ist zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten das Be-stehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanz-stichtag (regelmäßig zum Abschluss eines Kalenderjahres; § 242 Handelsgesetzbuch (HGB); vgl. 42 GmbH-Gesetz) ist. Zudem ist erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss. Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist (vgl. zum Ganzen BFH, Urteil vom 27. September 2017 – I R 65/15 –, Rn. 22, juris; BFH, Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97 –, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121, Rn. 11, jew. M.w.Nachw.; ferner BFH Urteil vom 6.6.2012 – I R 99/10 – DStR 2012, 1790, 1791). Aus den dargelegten Gründen (a) konnte die Beklagte in den Jahren 2013 und 2014 jedoch nicht ernstlich mit einer Rückforderung der Aufwandspauschalen rechnen und sich veranlasst sehen Rückstellungen zu bilden, vielmehr war sie daran gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Einkommenssteuergesetz i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HGB gehindert. Entsprechende Erwägungen hat der Erste Senat des BSG mit Urteil vom 13.11.2012 gerade zum Maßstab der Treuwidrigkeit einer Rückforderung der Krankenkasse gegen ein Kranken-hausträger erhoben (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R –, BSGE 112, 141-156, SozR 4-2500 § 275 Nr 8, Rn. 43).

Dahinstehen kann, ob – angesichts der Einfachheit des der Zahlung der Aufwandspauschalen zu Grunde liegenden Sachverhaltes – eine Rückforderung bereits zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres der Zahlung (2013-2014) auszuschließen war, weil gegenläufige Interessen der Krankenkassen nicht bestehen (anders als in den Fällen möglicher Nach-forderungen aus abgerechneten Behandlungsfällen), oder erst mit Ablauf des darauffolgenden Jahres (vgl. (1)), da die Rückforderung erstmalig mit der am 29.11.2017 erhobenen Klage geltend gemacht worden ist.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

D. Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes, wonach bei einem Antrag, der eine bezifferte Geldleistung betrifft, deren Höhe maßgebend ist.