Sozialgericht Aachen S 15 KR 348/16

Sozialgericht Aachen

Urteil vom 16.08.2018 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Aachen S 15 KR 348/16

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.266,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 3.296,73 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 3.296,73 EUR.

Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. In diesem wurde der bei der Beklagten krankenversicherte B. V. (im Folgenden: Versicherter) in der Zeit vom 21.09.2015 bis zum 23.09.2015 vollstationär behandelt. Dieser litt unter einem nicht kontrollierten Asthma bronchiale mit langjährigem Verlauf, fixierter Obstruktion und airway remodeling sowie nahezu dauerhafter systemischer Steroidbedürftigkeit. Die Krankenhausaufnahme erfolgte zur Durchführung einer geplanten bronchialen Thermoplastie, nachdem zuvor leitliniengerecht eine medikamentöse Behandlung erfolgt war. Für die Krankenhausbehandlung stellte die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage der Fallpauschale (DRG) E02C (Andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen ohne aufwändigen Eingriff, ohne schwerste CC, Alter 9 Jahre, mehr als ein Belegungstag) sowie unter Kodierung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 5-320.5 (Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus: Bronchoskopische Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur) unter dem 29.09.2015 einen Betrag in Höhe von 3.266,73 EUR (unter Berücksichtigung der Eigenbeteiligung von 30,- EUR) in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte zunächst vollständig.

Im Rahmen der anschließenden Überprüfung der Abrechnung des Behandlungsfalles kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in der gutachtlichen Stellungnahme vom 26.02.2016 zu dem Ergebnis, dass die Thermoplastie nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche und somit außerhalb von Studien und Erprobungsverfahren nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle. Medikamentöse Alternativen ständen zur Verfügung. Somit sei der Krankenhausaufenthalt als primäre Fehlbelegung zu bewerten. Mit Schreiben vom 01.03.2016 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des MDK-Gutachtens mit und wies darauf hin, dass sich ein strittiger Betrag von 3.296,73 EUR ergebe. Diesen Betrag verrechnete die Beklagte mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin aus einem anderen konkret bezeichneten Behandlungsfall.

Am 25.10.2016 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 3.296,73 EUR erhoben. Sie weist darauf hin, dass die bronchiale Thermoplastie eine zulässige Behandlungsmethode darstelle, die nach bisher vorliegenden Studien eine medizinisch anerkannte Methode sei. Nach § 137c SGB V obliege die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nach § 91 SGB V. Ergebe dessen Prüfung, dass eine Methode nicht den erforderlichen Kriterien genüge, erlasse er eine entsprechende Richtlinie mit der Folge, dass diese Leistung von der stationären Erbringung zu Lasten der GKV künftig ausgeschlossen werde (§ 137c Abs. 1 Satz 2 SGB V). Anders als im vertragsärztlichen Bereich, in dem gemäß § 135 SGB V der Erlaubnisvorbehalt gelte, seien im stationären Bereich Leistungen nur auf ausdrückliche Entscheidung des G-BA hin ausgeschlossen. In Zweifelsfragen bleibe es dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unbenommen, einen Antrag auf Überprüfung der Untersuchungs- und Behandlungsmethode beim G-BA zu stellen (§ 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V). Für die bronchiale Thermoplastie lägen keine einschränkenden Vorgaben vor. Vorliegend sei die bronchiale Thermoplastie eine medizinisch- wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspreche eine Behandlung, wenn die “große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe”. Die Methode werde seit mehr als zehn Jahren angewendet und werde inzwischen auch in evidenzbasierten Therapie-Leitlinien berücksichtigt. So habe sie Eingang gefunden in die GINA-Guidelines (Global Initiative for Asthma), die Empfehlungen der BTS (British Thoracic Society) zum Management des Asthma und die ERS/ATS (European Respiratory Society/American Thoracic Society)-Guidelines. Das Ziel der Thermoplastie sei eine klinisch relevante nachhaltige Verbesserung der Asthmasymptomatik durch eine gezielte Umformung der zentralen Atemwege mit exakt dosierter und zielgenau applizierter thermischer Energie. Die beim Asthmatiker hypertrophierte glatte bronchokonstriktorisch wirkende Muskulatur solle sich dadurch soweit zurückbilden, dass in der Folge nur noch schwächer ausgeprägte Atemwegsobstruktionen entstehen könnten. Die thermische Energie werde hierzu über spezielle Sonden in Form von hochfrequenten elektromagnetischen Wellen (300 bis 500 kHz) appliziert. Zur Behandlung werde ein Katheter durch den Arbeitskanal eines flexiblen Bronchoskops eingebracht. An dessen Ende befänden sich vier Elektroden, die über einen Handgriff körbchenartig aufgespreizt würden und dadurch mit der Bronchuswand in Kontakt gelangten. Damit werde das Muskelgewebe mit einer Leistung von 18 Watt über einen Zeitraum von 10 Sekunden auf 65° C erwärmt. Die Therapie erfolge in drei Sitzungen. In jeder Sitzung werde der Katheter etwa 50 – 100 Mal neu positioniert. Das Epithel der Bronchialschleimhaut bleibe erhalten. Die in der Projektstudie (Feasibility) erhobenen Daten zur Machbarkeit und Sicherheit zeigten einerseits eine hohe Sicherheit für die so behandelten Patienten und darüber hinaus bereits eine Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität im inhalativen Provokationstest mit Metacholin. Die AIR-Studie an 112 Patienten habe einige signifikante Verbesserungen der behandelten Patienten gegenüber der Kontrollgruppe ergeben: Pro Patient durchschnittlich 10 leichtgradige Asthma-Exazerbationen weniger pro Jahr, 400 Hübe weniger Rescue-Medikation, 86 symptomfreie Tage mehr pro Jahr, bessere peak-flow-Werte und eine verbesserte Lebensqualität sowohl im ACQ (Asthma Control Questionnaire) als auch im AQLQ (Asthma Quality of Life Questionnaire). Besonders günstig seien die Ergebnisse bei gleichzeitiger hochdosierter ICS-Therapie gewesen. Die Verbesserung des FEV1 und der Metacholin P20-Provokation seien in der AIR-Studie zwar nicht signifikant, allerdings habe eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion in der RISA-Studie belegt werden können. Die signifikanten Verbesserungen in der Häufigkeit der Reliever-Anwendungen und in der Lebensqualität seien bestätigt worden. RISA habe jedoch auch gezeigt, dass mit einer vorübergehenden Verschlechterung der Asthmasymptome in den ersten sieben Tagen zu rechnen sei. Die AIR2-Studie sei randomisiert gewesen, doppelblind mit Scheinprozeduren und habe 288 Patienten in 30 Zentren eingeschlossen. Die positiven Ergebnisse der vorherigen Studien hätten damit auf einem sehr hohen Evidenzniveau bestätigt werden können. Obwohl sich diese Methode in allen Untersuchungen durch eine hohe Sicherheit ausgezeichnet habe, seien in Einzelfällen Komplikationen wie Hämoptysen, Atelektasen oder Pleuritis aufgetreten. Die Beschwerdesymptomatik des Patienten dürfe keine wesentlichen anderen Ursachen haben. Die konservative Therapie des Asthma solle über einen angemessen langen Zeitraum optimal durchgeführt worden sein. Die bronchoskopischen Prozeduren müssten akribisch genau durchgeführt werden und erforderten Routine bei interventionellen Bronchoskopien. Der mechanische Reiz des Bronchoskops in den Atemwegen könne einen schweren Asthmaanfall sofort oder nach einem Intervall auslösen. Deshalb seien nur Einrichtungen geeignet, die solche Risikosituationen sicher beherrschen könnten. Unter diesen Voraussetzungen sei der positive Effekt allerdings gut belegt und könne über viele Jahre anhalten. Es gebe einen ersten Hinweis dafür, dass auch die Eosinophilenzahl im Blut vermindert und möglicherweise die systemische Inflammation beim Asthma positiv beeinflusst werde. Die bronchiale Thermoplastie erweitere das therapeutische Spektrum beim Asthma bronchiale. Dieses Verfahren setze als einziges ohne pharmakologische Zwischenschritte direkt an der Bronchialmuskulatur als Zielorgan an. Durch die Rückbildung der beim Asthmatiker pathologisch hypertrophierten Bronchialmuskulatur werde eine wesentliche Ursache der Bronchialkonstriktion langfristig günstig beeinflusst. Alle anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren würden dabei nicht beeinträchtigt und könnten deshalb leitliniengerecht weitergeführt werden. Nach der initialen Therapiephase seien aufgrund der bisherigen Erkenntnisse langfristig keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten. Die bronchiale Thermoplastie könne damit für geeignete Patienten eine zusätzlich zur medikamentösen Therapie eigenständig wirksame und deshalb besonders wertvolle Säule in der Therapie des schweren Asthma sein. Bei dem Verfahren der endobronchialen Thermoplastie handele es sich weder um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) im Sinne von § 6 Abs. 2 KHEntgG noch um ein unbewertetes zu verhandelndes Zusatzentgelt. Die angewendete Methode sei mit dem OPS 5-320.5 (Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus, Bronchoskopische Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur) darstellbar und führe in die Basis-DRG E02. Daraus lasse sich unschwer der Schluss ziehen, dass die von ihr gewählte Behandlungsmethode medizinisch anerkannt sei und dem Qualitätsgebot entspreche. Die Entscheidung über den Einsatz einer Behandlungsmethode müsse sie selbst treffen, da sie auch die haftungsrechtliche Verantwortung dafür trage. Die Entscheidung über den Einsatz der – medizinisch indizierten – bronchialen Thermoplastie habe sie positiv getroffen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Schriftsätzlich hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.296,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin habe die zu beachtenden Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsstandards nicht eingehalten. Bei der Thermoplastie handele es sich um ein Verfahren, das nicht durch eine hinreichende Studienlage belegt sei. Entgegen der Ausführungen der Klägerin handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Das eingesetzte Mittel sei 2015 als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mit dem niedrigsten Status NUB 4 bewertet worden. Dies besage, dass die Kriterien nach § 6 Abs. 2 KHEntgG nicht hinreichend dargestellt worden und somit nicht erfüllt seien. Im stationären Bereich bedürfe eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode zwar grundsätzlich keiner besonderen Zulassung und solle nur dann ausgeschlossen sein, wenn der G-BA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben habe (§ 137c SSB V). Auch § 137c SGB V stelle jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine generelle Erlaubnisnorm für alle beliebigen Methoden im stationären Bereich dar (BSG, Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R und Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R). Vielmehr sei ein Krankenhaus auch dann, wenn (noch) kein Verbot einer konkreten Behandlungsmaßnahme ausgesprochen worden sei, nicht von der Einhaltung des Qualitätsgebotes nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V im konkreten Einzelfall entbunden. Die Klägerin selbst habe angegeben, das Verfahren erst seit Ende 2013 an 30 Patienten erprobt zu haben. Auch aus den zitierten Studien ergebe sich nicht, dass es sich um eine evidenzbasierte Methode handele, sondern eher um eine experimentelle Behandlungsform für einen sehr eingegrenzten Personenkreis. Eine Durchführung komme aktuell nur im Rahmen von Studien in Betracht. Dass der Versicherte im Rahmen einer Studie behandelt worden sei, sei ebenso wenig ersichtlich wie der Umstand, dass die Standardtherapie nicht möglich gewesen sei. Es fehle bereits ein wesentliches Einschlusskriterium. Die maßgebliche AIR2-Studie sehe einen FEV1-Wert von )/= 60 % vor, während der Versicherte vor dem Eingriff lediglich einen FEV1-Wert von 51 % aufgewiesen habe. Der IgE-Wert des Versicherten sei nicht bekannt, so dass nicht beurteilt werden könne, ob eine medikamentöse Therapie als Alternative zur Verfügung gestanden habe. Im Übrigen ermöglichten die strukturellen und personellen Anforderungen der bronchialen Thermoplastie bei komplikationslosem Verlauf nach Auffassung des MDK grundsätzlich eine ambulante Durchführung. Daher müsse auch die Notwendigkeit des stationären Vorgehens per se in Frage gestellt werden.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte – insbesondere die von der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen ihres Sektionsleiters Pneumologie, H. X. und die von der Beklagten eingeholten gutachtlichen Stellungnahmen des MDK –, den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und den der den Versicherten betreffenden Patientenakte der Klägerin Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte vorliegend eine die Instanz abschließende Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung treffen, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).

Die Klage ist zulässig. Sie ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, weil es sich bei dem mit der Klage verfolgten Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 3.296,73 EUR um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (st. Rspr., vgl. BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; SozR 4-2500 § 39 Nr. 12; SozR 4-2500 § 109 Nrn. 13 und 17).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die vollstationäre Behandlung ihres Versicherten in der Zeit vom 21.09.2015 bis 23.09.2015 einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 3.296,73 EUR.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches der Klägerin ist § 109 Abs. 4 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (st. Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R und vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesverbänden der Krankenkassen andererseits geschlossenen Verträgen nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt.

Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses war gegeben, weil die Krankenhausbehandlung des Versicherten so, wie sie die Klägerin in der Zeit vom 21.09.2015 bis zum 23.09.2015 durchgeführt hat, erforderlich war (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 Satz 1 KBV). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der durchgeführten bronchialen Thermoplastie um eine neue Behandlungsmethode handelte, zu der der G-BA noch keine Empfehlung abgegeben hat.

Nach § 137c Abs. 1 SGB V überprüft der G-BA nach § 91 SGB V auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den o.a. Kriterien entspricht, erlässt der G-BA eine entsprechende Richtlinie (Satz 2). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs. 2 S. 2 SGB V). Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist (§ 137c Abs. 3, angefügt durch Art. 1 Nr. 64 Buchstabe b) des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16.07.2015 – BGBl I S. 1211). Die von der Klägerin bei der Krankenhausbehandlung des Versicherten angewandte Methode der bronchialen Thermoplastie erfüllt die Voraussetzungen nach § 137c Abs. 3 SGB V. Die bronchiale Thermoplastie ist eine Behandlungsmethode, die nicht ambulant erbracht werden kann und einer stationären Krankenhausbehandlung bedarf. Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten überzeugt die Kammer nicht. Zutreffend hat die Klägerin durch Vorlage der Stellungnahme ihres Medizincontrollings vom 26.02.2018 darauf hingewiesen, dass es in Europa zur klinischen Standardpraxis gehöre, dass Patienten nach einer bronchialen Thermoplastie 1 – 4 Tage im Krankenhaus bleiben. Dies korrespondiert mit der Gebrauchsanweisung für das Alair Bronchiale Thermoplastiesystem. Danach sollte dieses System ausschließlich in einem voll ausgestatteten Bronchoskopie-Umfeld bei uneingeschränktem Zugang zu vollständigem Wiederbelebungsequipment eingesetzt werden. Vor Durchführung des Eingriffs muss neben einer angemessenen Schulung sichergestellt werden, dass Ausrüstung, Medikation und Personal vorhanden sind, um potentielle Bronchoskopie-, Atemwegs- oder Anästhesiebedingte Notfallsituationen zu handhaben. Nach Durchführung der Prozedur wird eine sorgsame Überwachung der Patienten empfohlen; die Entlassung soll erst stattfinden, wenn die Patienten stabil sind und ihre Lungenfunktion und ihr Geisteszustand im Vergleich zu dem Zustand vor dem Eingriff zufriedenstellend und sie in der Lage sind, ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der bronchialen Thermoplastie um eine neue Behandlungsmethode handelt, zu der der G-BA eine Empfehlung abzugeben hat. Aus den von der Klägerin und ihrem Oberarzt sowie dem MDK in seiner Stellungnahme vom 26.10./03.11.2017 dargelegten wissenschaftlichen Berichten ergibt sich für die Kammer hinreichend nachvollziehbar, dass die bronchiale Thermoplastie zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung im September 2015 das Potential einer Behandlungsalternative geboten hat. Der Eingriff ist beim Versicherten auch – dies wird von der Beklagten nicht bestritten – nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Aus den medizinischen Voruntersuchungsergebnissen und den Krankenhausberichten ergibt sich, dass seinerzeit aus Sicht der Krankenhausärzte eine bronchiale Thermoplastie medizinisch indiziert und notwendig war, da bereits sämtliche möglichen Eskalationsstufen therapeutisch durchlaufen worden waren (vgl. die in der Patientenakte befindlichen Berichte vom 10.07.2015 und 15.09.2015). Die einzig noch mögliche Therapie mit Omalizumab schied im Fall des Versicherten aus. Diese Therapie soll nach der vorliegenden Fachinformation nur bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen von einem IgE-vermittelten Asthma ausgegangen werden kann. Beim Versicherten wurden zwar hohe IgE-Werte festgestellt; da jedoch keine Schimmelpilz- oder Hausstaubmilbenallergie, sondern lediglich saisonale Allergene nachgewiesen werden konnten, ergab sich keine Indikation für eine On-Label-Therapie mit Omalizumab. Zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung lag keine Entscheidung des G-BA zu dieser Methode gem. § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V (Ausschluss-Richtlinie) oder auch nur nach § 137c Abs. 1 S. 3 SGB V (Erprobung-Richtlinie) vor. Dies allein begründete gem. § 137c Abs. 3 SGB V den Vergütungsanspruch der Klägerin … Allerdings hat das BSG im Urteil vom 21.03 2013 (B 3 KR 2/12 R) die Auffassung vertreten, dass § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe. Es hat ausgeführt: “Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass – anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung – nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit, sodass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf.” (BSG, a.a.O., juris, Rdnr. 24).

Diese Auffassung entsprach (und entspricht) jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat deshalb im Sinne einer gesetzlichen Konkretisierung und Klarstellung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBL. I S. 1211) den neuen Absatz 3 in § 137c SGBV angefügt und dies wie folgt begründet (vgl. Bundestags-Drucksache 18/4095, S. 121, 122):

“Durch die Ergänzung eines dritten Absatzes in § 137c wird das in der Krankenhausver-sorgung geltende Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkreter im Gesetz geregelt. Die Regelung ist erforderlich, weil die Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. März 2013, Az. B 3 KR 2/12 R) mit dem in § 137c zum Ausdruck gebrachten Regelungsgehalt in einem Wertungswiderspruch steht. Es erfolgt eine gesetzliche Konkretisierung und Klarstellung, dass für den Ausschluss einer Methode aus der Krankenhausversorgung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und die Ablehnung eines Leistungsanspruchs im Einzelfall durch eine Krankenkasse im Falle des Fehlens eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses einheitliche Bewertungsmaßstäbe gelten.

Nach § 137c Absatz 1 ist es die Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Eine Methode, deren Nutzen nach Feststellung des Gemeinsamen Bundesausschusses zwar noch nicht hinreichend belegt ist, die aber das Potential einer erforderlichen Behandlungs-alternative bietet, kann nach den gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Krankenhaus-behandlung weiterhin zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist in einem solchen Fall grundsätzlich verpflichtet, eine Erprobung zu initiieren, um die für eine fundierte Entscheidung erforderlichen Erkenntnisse zu generieren. Bis zum Vorliegen dieser Erkenntnisse und einer abschließenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses bleibt es dabei, dass die Methode im Krankenhaus angewandt werden kann, insbesondere damit sie zur Versorgung der typischerweise schwerer erkrankten Versicherten mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen weiterhin zur Verfügung steht. Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Absatz 1 Satz 2.

Diese Wertentscheidung gilt es auch in dem Fall zu beachten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Überprüfung nach § 137c Absatz 1 durchgeführt hat. Es stünde mit dem dargestellten Konzept der grundsätzlichen Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt nicht in Einklang, wenn jede einzelne Krankenkasse im Einzelfall die Kostenübernahme für eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgende Behandlung mit einer Methode, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, mit der Begründung ablehnen könnte, der Nutzen der angewandten Methode sei noch nicht hinreichend belegt. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss eine Methode mit Potential unmittelbar aus der Krankenhausversorgung ausschließen kann, kann eine solche negative Leistungsentscheidung stattdessen auf der Ebene der Einzelkasse erfolgen. Im neuen Absatz 3 wird daher nun ausdrücklich geregelt, dass innovative Methoden, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer nach § 39 erforderlichen Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden können. Dies betrifft sowohl Methoden, für die noch kein Antrag nach § 137c Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch Methoden, deren Bewertung nach § 137c Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere im Einzelfall indiziert und erforderlich ist. Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative kann sich etwa daraus ergeben, dass die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für die Patientin oder den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patientinnen oder Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Das Erfordernis, wonach eine Leistungserbringung nur im Rahmen einer Studie zu Lasten der Krankenkassen möglich ist, gilt nach § 137c Absatz 2 Satz 2 demgegenüber nur für den Fall, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine Ausschlussentscheidung nach § 137c Absatz 1 Satz 4 (ggf. in Verbindung mit Satz 5) getroffen hat. Methoden, die nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam sind, dürfen weiterhin nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden.”

Daraus folgt für die Kammer unzweifelhaft, dass die von der Klägerin durchgeführte bron¬chiale Thermoplastie mangels einer Ausschlussentscheidung des G-BA nach § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V zu Lasten der Beklagten erbracht werde konnte und von der Beklagten zu vergüten war. Aus der Entscheidung des BSG vom 19.12.2017 (B 1 KR 17/17 R – , juris) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das BSG ist der Auffassung, dass die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V erst am 23.07.2015 mit Wirkung für die Zukunft in Kraft getreten ist und für den vom 1. Senat zu entscheidenden Behandlungsfall aus dem Jahre 2013 keine Rückwirkung entfaltet. Demgegenüber findet die Vorschrift auf den vorliegend von der Kammer zu entscheidenden Behandlungsfall aus September 2015 Anwendung. Soweit allerdings das BSG mit seiner Feststellung “An diesem Grundsatz hat die Einführung des Abs. 3 in § 137c SGB V nichts geändert” zum Ausdruck bringen wollte, dass es an seiner Rechtsprechung wie im Urteil vom 21.03 2013 (B 3 KR 2/12 R) festhält, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das BSG verkennt und konterkariert die mit § 137c Abs. 3 SGB V verfolgte Intention des Gesetzgebers, wie sie sich aus der – oben wiedergegeben – Begründung zu dieser durch das GKV- Versorgungstärkungsgesetz vom 16.07.2015 angefügten Vorschrift ergibt (vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 121, 122). Die Einführung dieser ausdrücklichen und klarstellenden Regelung hat der Gesetzgebers für erforderlich gehalten, weil “die Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. März 2013, Az. B 3 KR 2/12 R) mit dem in § 137c zum Ausdruck gebrachten Regelungsgehalt in einem Wertungswiderspruch steht”. Wenn das BSG nunmehr meint, die Änderung des § 137c SGB V und Einfügung der Regelung des § 137e SGB V hätten an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert und lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (vgl. bereits BSG, Beschluss vom 15.07,2015 – B 1 KR 23/15 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11,2016 – L 5 KR 1101/16), überschreitet es die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, indem es sich in klarem Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setzt. Es kommt für den Vergütungsanspruch des Krankenhaus nach § 137c SGB V nicht darauf an, ob es sich bei dem angewandten Verfahren um eine experimenteile Behandlungsmethode handelt, sondern allein darauf, ob sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt (137c Abs. 3 Satz 1 SGB V). Diese Voraussetzung, dieses “Potential”, kann aber für das bei dem Versicherten durch die Ärzte der Klägerin im September 2015 angewandte Verfahren der bronchialen Thermoplastie im Hinblick auf die Studienlage nicht ernsthaft bestritten werden.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den Betrag von 3.296,73 EUR in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.05.2016 beruht auf § 15 Abs. 1 KBV-NRW i.V.m. §§ 288, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 47, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).