Sozialgericht Aachen S 6 KR 18/02

 

Sozialgericht Aachen

Gerichtsbescheid vom 08.07.2002 (rechtskräftig)

Sozialgericht Aachen S 6 KR 18/02
 
 

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Mit der Klage vom 30.01.2002 gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2002 fordert die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten die Erstattung der Kosten der ambulanten Behandlung einer Lebermetastasierung mit LITT (Laserinduzierte Thermo-Therapie) – DM 11.001,74 -.

I.

Der 1929 geborene Versicherte war seit 1999 wegen Coecum-Adeno-Krebs in Behandlung.

Auf den Kostenübernahme-Vordruckantrag des Universitätsklinikums G vom 14.11.2000 mit Attest des Internisten Dr. K vom 20.11.2000 hatte die Beklagte die Kosten einer LITT am 07.12.2000 – DM 7.549/81 – übernommen. Am 22.06.2001 beantragte der Versicherte eine erneute LITT und legte zur Begründung den Arztbrief des Prof. Dr. W Universitätsklinikum G 15.06.2001 vor. Gestützt auf die Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) Arztes Dr. U vom 02.07.2001 u. 03.07.2001 lehnte die Beklagte mit den oben genannten Bescheiden eine erneute Kostenübernahme für die am 10.,11.07.2001 durchgeführte LITT ab, weil diese noch nicht ausreichend erforscht und erprobt und eine befürwortende Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (BÄK) noch nicht erfolgt sei. Die Klägerin verweist darauf, dass es sich bei der LITT um die einzige noch gangbare Möglichkeit zur Verhinderung weiterer Metastasen gehandelt habe.

Die Beklagte legt das Gutachten des MDK-Arztes Dr. U vom 16.04.2002 vor, wonach es sich bei LITT um eine experimentelle Behandlungsform handele.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung der Auskünfte betreffend LITT bei Lebermetastasen des lögd (Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW) vom 21.03.2002 und des BÄK vom 25.03.2002 sowie durch Beiziehung der Unterlagen aus dem Streitverfahren SG Berlin S 82 KR 539/00.

II.

Da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und da der Sachverhalt in entscheidungserheblichen Umfang geklärt ist, wird die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 SGG abgewiesen.

Die Klage ist unbegründet, denn dem verstorbenen Versicherten stand kein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches 5. Buch/Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V – zu; es fehlt der Ursachenzusammenhang zwischen einer, vor der Selbstbeschaffung zu Unrecht erfolgten Leistungsablehnung und es fehlt an einem primären Sachleistungsanspruch auf LITT. Nach § 13 Abs. 1 darf die Krankenstelle anstelle der Sache oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V sind die Kosten selbstbeschaffter Leistungen in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit sie notwendig waren, wenn sie dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Wie sich aus dem Wort “dadurch” ergibt, muss der Selbstbeschaffung eine zu Unrecht erfolgte Leistungsablehnung vorausgegangen sein. Daran fehlt es, denn der Versicherte hat die Behandlung am 10./11.07.2001 durchführen lassen, ohne zuvor eine Prüfung und Entscheidung der Beklagten über eine Gewährung von LITT als Sachleistung abzuwarten. Selbst wenn es sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt haben sollte, entfällt ein Kostenerstattungsanspruch, weil LITT nicht als Sach- oder Dienstleistung erbracht werden konnte. LITT gehört nicht zu dem – abschließenden (vgl. BSG Urt. v. 09.12.97 – 1 RK 11/97 – ) – Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Entsprechend dem in § 135 Abs. 1 SGB V enthaltenen präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden kann LITT zu Lasten der.GKV nur erbracht werden, wenn der BÄK in einer Richtlinie eine befürwortende Empfehlung abgegeben hat. Da die ambulant durchgeführte LITT im Einheitlichen Bewertungsmaßstab-Ärzte für ambulante vertragsärztliche Leistungen (§ 87 SGB V) nicht erfasst ist, ist sie “neu” im Sinne des § 135 SGB V. Mangels einer befürwortenden Empfehlung des BÄK greift das Verbot des § 135 SGB V ein.

Unabhängig davon fehlt es – soweit ersichtlich – an der Berechtigung der Krankenhaus-Ärzte bzw. der Abteilung des Universitätsklinikums G ambulante vertragsärztliche Leistungen zu erbringen; weder sind die Krankenhausärzte zugelassene oder ermächtigte Ärzte, noch ist die Abteilung eine ermächtigte ärztliche Einrichtung im Sinne des § 95 Abs. 1 SGB V. Auch die sehr engen Voraussetzungen eines individuellen Heilversuchs mit einer unverzichtbaren und erwiesenermaßen wirksamen Therapie (vgl. BSG Urt. v. 19.03.02 – B 1 KR 37/00 R – betreffend Off-Label-Gebrauch eines Arzneimittels, PM-Nr. 16/02) liegen nicht vor.

Zwar litt der Versicherte an einer schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankung, für die – soweit ersichtlich – eine andere Therapie nicht verfügbar war, jedoch bestand aufgrund der Datenlage nicht die begründete Aussicht eines Behandlungserfolges von LITT. LITT befand sich noch in der Experimentierphase. Nach dem Rechercheergebnis des lögd war erst die klinische Erprobung der Phase II abgeschlossen, nicht aber die Langzeitkontrolle in einer Erprobung der Phase III (VogI et alt, MRT-gesteuerte laserinduzierte Thermotherapie (LITT) in der Onkulogie), sodass es an einer veröffentlichten Studie der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) wie auch an zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen fehlte, aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen der neuen Behandlungsmethode bestand.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§105 Abs. 1 S. 3, 183, 193 SGG.

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§105 Abs. 1 S. 3, 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG, denn der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 500,- EUR.