Sozialgericht Detmold S 24 KR 80/16

Sozialgericht Detmold

Urteil vom 22.06.2018 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Detmold S 24 KR 80/16

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Krankenhausbehandlung.

Der am 00.00.1939 geborene und bei der Klägerin versicherte Herr O V wurde in der Zeit vom 05.07.2011 bis 18.07.2011 im Krankenhaus der Beklagten stationär behandelt. Bei ihm wurde am 06.07.2011 bei bestehender hochgradiger Insuffizienz der Mitralklappe (sowie weiteren multiplen kardialen Erkrankungen und Vortherapien) der operative Ersatz der Mitralklappe verbunden mit einem dreifachen aortokoronaren Venenbypass, einer Excision der atheromatösen Wand der Aorta descendens, einer Perikardiolyse sowie einer Ventrikelnaht bei Verletzung des rechten Ventrikels im Rahmen der Sternotomie durchgeführt. Im Rahmen der fünfeinhalbstündigen Operation wurden unter anderem drei Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) verabreicht.

Mit einer Rechnung vom 19.07.2011 machte die Beklagte für diese Behandlung auf Grundlage der DRG A13A (Beatmung ) 95 und ( 250 Stunden mit hochkomplexem Eingriff oder intensivmedizinischer Komplexbehandlung ) 1656 Punkte oder ) 1104 Punkte mit komplexer OR-Prozedur oder mit komplizierter Konstellation, bestimmter OR-Prozedur und Alter ( 16 Jahre oder bei Lymphom und Leukämie) Kosten in Höhe von 42.204,21 EUR geltend. Abgerechnet wurde dabei auch das Zusatzentgelt 84.03 (Gabe von drei ATK).

Die Klägerin beglich am 01.08.2011 einen Teilbetrag in Höhe von 26.429,75 EUR und teilte der Beklagten in einem Schreiben vom selben Tag mit, dass für sie die abgerechneten Prozeduren nicht nachvollziehbar seien. Daher habe sie nur einen Teilbetrag überwiesen. Sollte die Beklagte damit nicht einverstanden sein, bitte sie um Vorlage der vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) angeforderten Unterlagen.

In einem Schreiben vom 01.08.2011 teilte der SMD der Beklagten mit, dass er mit der Prüfung des Falles beauftragt worden sei. Die Beklagte werde um Übersendung des Entlassungsberichts, des Beatmungsprotokolls, der Intensivkurve sowie von Nachweisen über die Zusatzentgelte gebeten. In einem weiteren Schreiben vom 11.04.2012 bat der SMD um Vorlage des Anästhesieprotokolls vom 06.07.2011.

In einem Schreiben vom 23.04.2012 teilte Dr. I, Leitender Arzt des Instituts für Anästhesiologie im Krankenhaus der Beklagten, dem SMD mit, dass diesem Wunsch nicht entsprochen werden könne, weil eine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten V nicht vorliege.

Der SMD führte in einer Stellungnahme vom 15.06.2012 aus, dass die Gabe von Prothrombinkomplex bisher nicht nachgewiesen sei und die Beklagte diesbezüglich an ihre Mitwirkungspflichten erinnert werden sollte. Bezüglich der übrigen Zusatzentgelte sei der Dosisnachweis geführt. Ebenso könne die Dauer der Beatmung nachvollzogen werden.

In einem Schreiben vom 20.06.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie auf Grundlage der Stellungnahme des SMD vom 15.06.2012 den Rechnungsbetrag auf 41.034,50 EUR korrigiert habe.

Am 18.07.2012 erfolgte dann der vollständige Rechnungsausgleich durch die Klägerin.

Die Beklagte stellte der Klägerin für den Aufwand der Prüfung am 09.08.2012 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,- EUR in Rechnung, die diese auch beglich.

Mit einem Schreiben vom 26.10.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) über die Abrechenbarkeit von ATK (Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R) zur Rechnungskorrektur bis zum 10.11.2015 auf. Sie begründete dies damit, dass sie die Abrechnung im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit nicht nachvollziehen könne.

In einer Email vom 27.11.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine Rückforderung des Zusatzentgelts für unzulässig erachte.

Am 18.12.2015 hat die Klägerin Zahlungsklage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, welches mit Beschluss vom 21.01.2016 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Detmold verwiesen hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein Erstattungsanspruch in Höhe von 1.266,23 EUR zustehe. Die Gabe von drei ATK beim Versicherten V sei nicht wirtschaftlich gewesen. Das BSG habe festgestellt, dass grundsätzlich die Gabe von Pool-Thrombozytenkonzentraten (PTK) ausreichend und die Verabreichung von ATK medizinisch nicht erforderlich sei, es sei denn, dass in der Person des Patienten bestimmte Besonderheiten vorlägen. Solche medizinischen Besonderheiten seien jedoch durch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt vorgebracht worden; sie hätten auch nicht vorgelegen. Vielmehr verabreiche die Beklagte ausnahmslos und systematisch ATK und verstoße damit regelmäßig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Sie habe den SMD am 18.01.2016 erneut um eine Prüfung gebeten. Der SMD komme in seiner Stellungnahme vom 21.01.2016 zum Schluss, dass keine Besonderheiten in der Person des Versicherten vorgelegen hätten, die die Gabe von ATK gerechtfertigt hätten. Sie sei mit ihrem Erstattungsbegehren auch nicht ausgeschlossen. Es handele sich um eine Kodierfrage und damit um einen Fall der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, für die die Sechs-Wochen-Frist zur Einleitung einer Prüfung gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht gelte. Im Übrigen sei der Anspruch noch nicht fällig, weil die Beklagte keine Begründung dafür abgegeben habe, warum sie ausnahmsweise ATK verwendet habe. Sie habe daher eine weitere Prüfung durch den SMD einleiten dürfen. Dem Gesetz sei auch nicht zu entnehmen, dass eine zweite Prüfung zwingend innerhalb der Sechs-Wochen-Frist zu erfolgen habe. Es handele sich vielmehr um eine Fortsetzung der im Jahr 2011 begonnen Prüfung, so dass eine erneute Prüfanzeige entbehrlich gewesen sei.

In der von der Klägerin eingereichten Stellungnahme vom 21.01.2016 hat Frau Dr. Schröder-Berndt vom SMD ausgeführt, dass nach bisher verfügbaren Erkenntnissen kein gesicherter Vorteil oder Nachteil der verschiedenen Thrombozytenkonzentrat-Präparationen bei nicht-immunisierten Patienten vorliege. Immunisierte Patienten sollten hingegen ausschließlich mit ATK versorgt werden. Hier sei der Versicherte V nicht-immunisiert gewesen, so dass PTK hätten zur Anwendung kommen können. Weder die medizinischen Voraussetzungen noch ein medizinischer Engpass rechtfertigten die Abrechenbarkeit des Zusatzentgelts 84.03.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.266,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin keine Rückforderung mehr verlangen könne, weil sie damit gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe bereits 2011 ein Prüfverfahren durch den SMD eingeleitet, die Rechnung nicht beanstandet und nach Abschluss des Verfahrens den Rechnungsbetrag vollständig gezahlt. Die Sechs-Wochen-Frist sei verstrichen, so dass die Einleitung eines neuen Prüfverfahrens im Jahr 2016 unzulässig sei. Die Klägerin hätte die Prüfung jedenfalls noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist einleiten müssen, was nicht geschehen sei. Aufgrund des Versäumnisses der Ausschlussfrist sei auch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kein Beweis mehr zu erheben über die Notwendigkeit der Behandlung oder Richtigkeit der Abrechnung (Hinweis auf BSG Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R -, juris). Auch der Umstand, dass die Klägerin die abgerechnete Aufwandspauschale entrichtet habe, belege, dass die Prüfung beendet gewesen sei. Sie, die Beklagte, sei darüber hinaus über die Einleitung des zweiten Prüfverfahrens nicht informiert worden. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 10.03.2015 (B 1 KR 2/15 R) zudem klargestellt, dass es sich bei der Frage der Notwendigkeit der Gabe von ATK um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handele. Der SMD habe sich bereits 2011 alle notwendigen Informationen beschaffen können, so dass auch die Forderung fällig gewesen sei. Im Übrigen habe das BSG in seinem Urteil vom 10.03.2015 (B 1 KR 2/15 R) nicht abschließend aufgezählt, wann die Gabe von ATK medizinisch notwendig sei und ob ATK oder PTK risikobehafteter seien. In der Wissenschaft sei die Überlegenheit von ATK gegenüber PTK gerade im herzchirurgischen Bereich, der hier betroffen sei, belegt.

Auf das von der Klägerin eingereichte Gutachten von Prof. Dr. I vom Oktober 2015 (“Transfusionsmedizinische Stellungnahme ATK versus PTK”) wird verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten Gutachtens des Transfusionsmediziners Prof. Dr. C vom 24.01.2018. Auf das Gutachten wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin sowie die ebenfalls beigezogenen Patientenunterlagen zum Behandlungsfall des Versicherten V verwiesen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn es geht bei einer auf Erstattung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (st. Rspr., vgl. etwa BSG Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R -, juris Rn. 13).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung von 1.266,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2015 verlangen.

Dem Erstattungsanspruch der Klägerin steht nicht bereits entgegen, dass die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ungenutzt verstrichen wäre. Die Frist ist hier einschlägig, weil es sich bei der Prüfung der Notwendigkeit der Gabe von ATK um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handelt (vgl. BSG Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R -, juris Rn. 27). Das Verstreichenlassen der Frist bewirkt allerdings vom rechtlichen Ansatz her keinen Einwendungsausschluss (BSG Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R -, juris Rn. 39). Die Nichteinhaltung der Frist führt lediglich dazu, dass die Krankenkassen und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) bei einzelfallbezogenen Auffälligkeitsprüfungen nach Ablauf der Frist auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung – deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt – jeweils zur Verfügung gestellt hat (vgl. BSG Urteile vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R und B 1 KR 14/12 R -, jeweils juris). Dies hindert das Krankenhaus nach Fristablauf nicht daran, dem MDK angeforderte Sozialdaten aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Es ist bloß berechtigt, entsprechende Anforderungen zu verweigern und ggf. abzuwehren. Ebenso bleibt das Recht der Krankenkasse unberührt, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen. Der ungenutzte Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V hindert hingegen die Krankenkassen nicht, die Abrechnung des Krankenhauses auf dieser Grundlage wegen Auffälligkeit zu prüfen. Das Recht der Krankenkassen, die Abrechnung sachlich und rechnerisch zu prüfen, bleibt gänzlich unberührt (BSG Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 33/15 R -, juris Rn. 21). Im Rahmen der Beweiserhebung durfte daher auf die Unterlagen zurückgegriffen werden, die bereits dem SMD vorgelegen hatten (Entlassungsbericht, Beatmungsprotokoll, Intensivkurve, Nachweise über die Zusatzentgelte). Die Angaben, die für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Gabe von ATK im Falle des Versicherten V notwendig waren, ergaben sich hieraus vollständig.

Ferner steht dem Erstattungsbegehren der Klägerin auch der Grundsatz der Verwirkung nicht entgegen (vgl. dazu BSG Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R -, juris Rn. 37). Grundsätzlich passt das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nicht. Es ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden “besonderen Umstände” liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG Urteil vom 23.05.2017 – B 1 KR 27/16 R -, juris). Man mag zwar überlegen, ob das Zeitmoment erfüllt ist, weil die Klägerin kurz vor Ende der vierjährigen Verjährungsfrist die Erstattung gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Jedoch liegt das Umstandsmoment nicht vor. Zwar war auch das Zusatzentgelt 84.03 Gegenstand der SMD-Prüfung im Jahr 2012, aber aus der Stellungnahme des SMD vom 15.06.2012 geht lediglich hervor, dass geprüft wurde, ob die abgerechnete ATK-Dosis nachgewiesen ist. Aus ihr geht gerade nicht hervor, dass der SMD bereits im Jahr 2012 die Frage prüfte, ob die Gabe von ATK medizinisch erforderlich war oder die Gabe von PTK ausreichend gewesen wäre. Insofern kann nicht von einer Verwirkung des Erstattungsbegehrens ausgegangen werden.

Ein Erstattungsanspruch der Klägerin scheidet aber aus anderen Gründen aus:

Rechtsgrundlage für die Forderung der Klägerin ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlich geprägt. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung – §§ 812 ff. BGB -, mit der der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Diesbezüglich ist allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, zurückgefordert werden können (vgl. BSG Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R -, juris Rn. 15 ff.).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die ihr in Rechnung gestellten und bezahlten Kosten des stationären Aufenthalts ihres Versicherten V im Krankenhaus der Beklagten in Höhe von 1.266,23 EUR mit Rechtsgrund geleistet.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 – B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen Urteil vom 30.01.2002 – L 4 KR 110/00 -, juris Rn. 22). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Sowohl die Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung als auch die Verweildauer sowie der Umfang der von der Beklagten erbrachten Leistungen – einschließlich der Gabe von Thrombozytenkonzentraten – sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist ausschließlich die Frage, ob die Gabe der drei ATK im Falle des Versicherten V medizinisch notwendig war oder aber die kostengünstigere Verabreichung von PTK ausgereicht hätte. Nur in dieser Höhe (1.266,23 EUR) wird eine Erstattung von der Klägerin geltend gemacht.

Die Abrechnung des Zusatzentgelts 84.03 für die Behandlung des Versicherten V durfte erfolgen, weil die Gabe der drei ATK medizinisch erforderlich war.

Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (vgl. BSG Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R -, juris). Bei unwirtschaftlicher Behandlung des Versicherten kann die Beklagte allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R -, juris). Die Wirtschaftlichkeit einer Krankenbehandlung beurteilt sich bezogen auf das jeweilige nach § 27 SGB V zulässige Behandlungsziel nach ihrer Eignung, ihrem Ausreichen und ihrer Notwendigkeit aus allein medizinischen Gründen sowie bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungen nach ihren Kosten für die Krankenkasse.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Gabe der ATK beim Versicherten V nicht unwirtschaftlich. Bislang liegen nämlich keine gesicherten Daten vor, die belegen, dass ATK und PTK im operativ-herzchirurgischen Bereich gleich geeignet sind. Dies schlussfolgert das Gericht aus dem schlüssigen und ausführlichen Gutachten von Prof. Dr. C vom 24.01.2018.

In seinem transfusionsmedizinischen Gutachten führt Prof. Dr. C überzeugend aus, dass die wenigen Studien zu den Thrombozytenkonzentraten vorwiegend bei hämatologischen oder onkologischen Patienten erhoben worden sind und nicht ohne Weiteres auf andere Empfängergruppen (z.B. blutende Patienten aus dem operativen Bereich) übertragen werden können. Entsprechend kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bislang keine vergleichenden Studien zur klinischen Wirksamkeit von PTK und ATK vorlägen, die eine sichere Aussage über eine Unter- bzw. Überlegenheit der einzelnen Präparate-Art zuließen.

Der Sachverständige stellt ferner fest, dass bei der Verwendung von PTK aufgrund der erhöhten Spenderexposition das Risiko der Infektionsübertragung gegenüber ATK ansteige. Solange keine großen, multizentrisch und prospektiv angelegten Vergleichsstudien mit geeigneten Studienendpunkten hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit vorlägen und man daher keine vergleichende Aussage über die klinische Wirksamkeit beider Präparate treffen könne, könne man sich bei der Definition eines “Goldstandards für die Thrombozytentransfusion” nur nach dem Risikoverhältnis richten. Hier wiesen die ATK gegenüber den PTK bei dem Risiko der Virusübertragung klare Vorteile auf. Insofern seien nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand die ATK als Goldstandard zu bezeichnen. Deswegen sei die Gabe von ATK im Falle des Versicherten V gerechtfertigt gewesen, da unter anderem aufgrund des Einsatzes der Herz-Lungen-Maschine mit einer Schädigung der patienteneigenen Thrombozyten und damit einer Verschlechterung der Blutgerinnungssituation habe gerechnet werden müssen. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung und ihrer überzeugenden Begründung nach eigener Prüfung ausdrücklich an.

Diesem Ergebnis steht nicht die Empfehlung der Fachgesellschaften entgegen, wonach die Auswahl der Thrombozytenkonzentrate von der Verfügbarkeit der Präparate abhängig sein soll. Hierfür verweist die Kammer auf die wiederum überzeugende Begründung des Sachverständigen: Da es sich bei Thrombozytenkonzentraten um Gewebe-Transplantate handele, so Prof. Dr. C, sei ihre Verfügbarkeit wie bei jedem menschlichen Transplantat von vielen Faktoren abhängig. Eine ganz wesentliche Rolle spiele dabei die Spendebereitschaft der Bevölkerung. Daher sei nicht an jedem Ort zu jedem Zeitpunkt jedes der beiden Präparate uneingeschränkt verfügbar. Hinzu komme, dass die Indikation zur Thrombozytentransfusion meist einer gewissen Dringlichkeit unterliege. Stehe daher in einer individuellen medizinischen Situation bei gegebener Indikation zur Thrombozytentransfusion nur ein PTK zur Verfügung und sei in der gebotenen zeitlichen Dringlichkeit kein ATK zu besorgen, so werde man selbstverständlich nicht auf die Thrombozytentransfusion verzichten, sondern das verfügbare PTK transfundieren.

Dem hier gefundenen Ergebnis steht das Urteil des BSG vom 10.03.2015 (B 1 KR 2/15 R) nicht entgegen (so auch für einen ähnlichen Fall SG Aachen Urteil vom 15.12.2016 – S 15 KR 61/13 -, juris). Zwar hat das BSG ausgeführt, ATK seien nur dann medizinisch notwendig, wenn bestimmte – hier nicht vorliegende – Besonderheiten in der Person des Patienten vorlägen, wie eine Autoimmunisierung gegen HLA Klasse I Antigene und HPA-Antigene sowie bei Refraktärität gegenüber Thrombozytentransfusionen, d.h. zweimalig ausbleibender Thrombozytenanstieg auf AB0 kompatible Thrombozytenkonzentrate nach Ausschluss nicht immunologischer Ursachen wie Fieber, Sepsis, Splenomegalie, Verbrauchskoagulopathie und chronischem Lebervenenverschluss. Hierbei hat sich das BSG jedoch ausschließlich auf die revisionsrechtlich bindenden (vgl. § 163 SGG) Feststellungen der Vorinstanz (LSG Saarland Urteil vom 22.08.2012 – L 2 KR 39/09 -, juris) gestützt. Das LSG Saarland hat nach Beweiserhebung und Auswertung der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgeführt, dass es im Jahr 2008 bei der nicht-immunisierten Patientin in Bezug auf Risiko und Wirksamkeit nicht medizinisch indiziert gewesen sei, alleine ATK zu verabreichen. Ob es künftig sinnvoll oder gar zu empfehlen sein könne, auf Einzelspenderpräparate zurückzugreifen, sei nicht entscheidungserheblich. Insofern weicht die Kammer von den Feststellungen des LSG Saarland und den darauf basierenden revisionsrechtlichen Ausführungen des BSG nicht ab (vgl. SG Aachen Urteil vom 15.12.2016 – S 15 KR 61/13 -, juris).

Da bereits ein Anspruch auf die Hauptforderung entfällt, kommt auch ein akzessorischer Zinsanspruch nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.