Sozialgericht Detmold S 3 KR 555/15

Sozialgericht Detmold

Urteil vom 19.01.2017 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Detmold S 3 KR 555/15

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Der Streitwert wird auf 940,32 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin des Krankenhauses in C1 P. Die bei der Beklagten Versicherte Frau K-D I, geboren am 00.00.1993, (nachfolgend: Versicherte) wurde am 08.06.2014 im Krankenhauses in C1 P behandelt. Diagnostiziert wurden Unterbauchschmerzen und Zwischenblutungen. Die Versicherte gab an, an diesem Tag zweimal kollabiert zu sein. Es erfolgten Anamnese, Schwangerschaftstest und Ultraschalluntersuchungen. Die Ärzte des Krankenhauses rieten der Versicherten zur stationären Behandlung und Überwachung. Dies lehnte die Versicherte ab und unterzeichnet um 16:00 Uhr ein Aufklärungsbogen. Um 16:15 Uhr verließ sie entgegen dem Rat der Krankenhausärzte das Krankenhaus.

Die Klägerin berechnete den Aufenthalt mit Rechnung vom 17.06.2014 unter Zugrundelegung der DRG N62B (Menstruationsstörungen und anderer Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane ohne komplexe Diagnose) mit Zu- und Abschlägen in Höhe von 631,82 EUR einschließlich 10,00 EUR Eigenbeteiligung der Versicherten.

Die Beklagte leitete das Überprüfungsverfahren ein und bat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Prüfung einer primären/sekundären Fehlbelegung Der MDK zeigte die Prüfung der Klägerin am 09.07.2014 an. Im Gutachten vom 20.10.2014 kam Dr. W-L (MDK) zu der Einschätzung, eine stationäre Behandlung sei geplant und medizinisch indiziert gewesen. Ein Behandlungsplan sei erstellt worden, die Aufnahmeentscheidung des Arztes sei korrekt gewesen. Eine Behandlung sei nicht eingeleitet worden, da die Versicherte das Krankenhaus vorher verlassen habe. Ob ihr ein Bett zugewiesen worden sei, sei nicht eindeutig zu klären.

Am 31.07.2014 stellte die Klägerin der Beklagten eine Kostenpauschale in Höhe von 8,50 EUR in Rechnung. Sie begründete dies damit, dass die Versicherte trotz Aufforderung die Eigenbeteiligung in Höhe von 10,00 EUR nicht gezahlt habe.

Mit Rechnung vom 16.01.2015 wurde außerdem eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Sie macht geltend, eine stationäre Behandlung der Versicherten habe nicht stattgefunden.

Am 08.10.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, entgegen der Auffassung der Beklagten könne vorliegend ein stationärer Aufenthalt abgerechnet werden. Das MDK-Gutachten bestätige, dass eine stationäre Behandlung notwendig gewesen sei und die Aufnahmeentscheidung des Arztes zur stationären Behandlung als korrekt eingestuft werden müsse. Von Seiten der Krankenhausärzte sei geplant gewesen, die Versicherte mindestens einen Tag und eine Nacht zu behandeln. Dazu sei es allein deswegen nicht gekommen, weil die Versicherte entgegen dem ärztlichen Rat das Krankenhaus zuvor verlassen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 940,32 EUR zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führt zur Begründung aus, eine Aufnahme der Versicherten in das Krankenhaus habe nicht stattgefunden. Nach den vorliegenden Unterlagen habe sich die Versicherte nur ca. 30 Minuten in der Einrichtung der Klägerin befunden. Ihr sei keine Abteilung bzw. Krankenhausbett zugewiesen und keine Verpflegung gewährt worden. Dies habe zur Folge, dass die Klägerin lediglich eine ambulante Notfallbehandlung abrechnen dürfe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Versicherten I als Zeugin. Hierzu wird auch die Sitzungsniederschrift vom 19.01.2017 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Behandlungsdokumentation der Klägerin waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenkasse handelt es sich um einen sogenannten Parteienrechtsstreit im Gleichordnungsverhältnis, indem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt.

Die Klage ist allerdings nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einer Krankenkasse bildet § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB) i. V. m. § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG).

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R; SozR 4-2500 § 109 Nr. 17).

Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Eine stationäre Behandlung der Versicherten am 08.06.2014 hat jedoch nicht stattgefunden.

Nach § 39 Abs.1 S.1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Die vollstationären, teilstationären und ambulanten Behandlungen im Krankenhaus sind in erster Linie anhand der geplanten Aufenthaltsdauer abzugrenzen. Danach liegt eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vor, wenn der Patient nach der Entscheidung des Arztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2004, B 3 KR 4/03 R; SozR 4-2500 § 39 Nr. 1). Der Gesetzgeber hat in der amtlichen Begründung zum Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (Bundesgesetzblatt I 2266) zur Abgrenzung der (voll- und teil-) stationären von der ambulanten Behandlung das Kriterium der “Aufnahme” in das Krankenhaus herangezogen und dieses als die “physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses” definiert (Bundestagsdrucksache 12/3608 Seite 82 zu § 39 SBG V). Was unter dem “spezifischen Versorgungssystem eines Krankenhauses” zu verstehen ist, ergibt sich unter Rückgriff auf die gesetzliche Definition des Krankenhausbegriffs in § 107 Abs. 1 SGB V. Denn ein Krankenhaus kann zwar auch ambulante Leistung erbringen, der Krankenhausbegriff wird aber nur von Einrichtungen erfüllt, die (auch und vor allem) zur stationären Leistungserbringung in der Lage sind. Dazu gehören neben der Möglichkeit, die Patienten unterzubringen und zu verpflegen (§ 107 Abs. 1 Nr. 4 SGB V), unter anderem eine ständige ärztliche Leitung (§ 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) und jederzeit verfügbares Personal (§ 107 Abs.1 Nr. 3 SGB V). Daraus wird deutlich, dass das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses nicht nur kurzfristige Eingriffe oder Maßnahmen ermöglicht, sondern besonders auf solche Behandlungen ausgerichtet ist, die einen längeren Aufenthalt des Patienten erfordern. Das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses wird daher in Anspruch genommen, wenn sich die Behandlung zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Demgegenüber erfordert der Aufnahmeakt selbst, das heißt die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in dieses Versorgungssystem, keine zeitliche Erstreckung über eine bestimmte Dauer. Voraussetzung hierfür ist lediglich die Entscheidung des Krankenhausarztes, dass eine Behandlung über mindestens einen Tag und eine Nacht erfolgen soll. Diese Aufnahmeentscheidung auf Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig z. B. durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes, das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen u.ä. dokumentiert. Eine auf diese Weise auf der Grundlage der Entscheidung des Krankenhausarztes einmal erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann nicht rückwirkend dadurch entfallen, dass der Patient zum Beispiel gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt; dann handelt es sich um eine “abgebrochene” stationäre Behandlung (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2005, B 1 KR 11/04 R; SozR 4-2500 § 39 Nr.5).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass die Versicherte in das Krankenhaus der Klägerin am 08.06.2014 aufgenommen worden ist. Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass eine stationäre Behandlung der Versicherten angezeigt und die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes korrekt war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde die Versicherte jedoch nicht physisch oder organisatorisch in das Krankenhausversorgungssystem eingegliedert. Die Versicherte hat insoweit glaubhaft bekundet, dass sie gegenüber der Krankenhausärztin nach Abschluss der Untersuchungen im Rahmen der Notfallbehandlung die vorgeschlagene stationäre Aufnahme abgelehnt hat. Die im Rahmen der Notfallbehandlung durchgeführten Ultraschalluntersuchungen der Versicherten fanden zwar nicht in der Notfallambulanz, sondern auf der Station für Frauenheilkunde statt. Gleichwohl wurde die Versicherte noch nicht einer bestimmten Station zugewiesen, ihr ein Bett zur Verfügung gestellt, noch Verpflegung gewährt. Insoweit hat die Versicherte klar gegenüber der Krankenhausärztin geäußert, sie stimme einer stationären Behandlung nicht zu. In einem solchen Fall kann auch die “Einbuchung” eines Versicherten in das Computersystem des Krankenhauses “als stationär aufgenommen” nicht zu einem Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung einer stationären Behandlung führen. Hierfür ist nach Auffassung der Kammer zumindest das Einverständnis des Versicherten zur stationären Aufnahme erforderlich, ein solches kann auch konkludent folgen, indem Krankenhausleistungen wie Unterbringung und Verpflegung in Anspruch genommen werden. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Auch der zeitliche Ablauf spricht gegen eine Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses. Beginn der Behandlung war nach Angaben der Klägerin um 15:20 Uhr. Bereits um 16:00 Uhr hatte die Versicherte eine Erklärung unterzeichnet, dass sie keine stationäre Behandlung wünscht. Typische Leistungen einer Krankenhausbehandlung wie Unterbringung und Verpflegung wurden in dieser Zeit von der Versicherten nicht in Anspruch genommen.

Da im Ergebnis kein Anspruch der Klägerin auf Vergütung einer stationären Behandlung der Versicherten bestand, entfällt auch ein Anspruch auf die Erstattung der Unkosten für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gemäß § 43b Abs. 3 S. 3, 6 SGB V. Die Versicherte hatte keine Eigenbeteiligung zu leisten.

Die Prüfung der Rechnung der Klägerin durch die Beklagte führte zu einer zutreffenden Minderung des Abrechnungsbetrages. Eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V hat die Beklagte daher nicht zu leisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).