Sozialgericht Duisburg S 44 KR 379/17

Kernpunkte:

  • Die Verlegung eines Patienten aus einer Klinik mit einer geriatrischen Abteilung in eine andere Klinik zur Durchführung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ist grundsätzlich pflichtwidrig.
  • Wenn die Klinik keine medizinische Begründung für die Verlegung hat oder Kapazitätsprobleme nachvollziehbar darlegen kann, ist die Klinik der Kasse gegenüber Schadensersatzpflichtig (§ 280 BGB)
  • Die Tatsache, dass am einem Tag 7 Patienten in der Geriatrie aufgenommen wurden, spricht gegen die Annahme einer mangelnden Kapazität in der Geriatrie an diesem Tag.

 

 

 

Sozialgericht Duisburg

Urteil vom 14.02.2020
(nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Duisburg S 44 KR 379/17

 

Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 3.553,65 nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2017 zu zahlen. Der Streitwert wird auf 3.553,65 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Tragung der durch die Verlegung eines stationär behandelten Patienten verursachten Mehrkosten.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Der bei der Klägerin krankenversicherte Siegfried G., geb. am 12.01.19xx (nachfolgend: der Versicherte) wurde bei der Beklagten in der Zeit vom 27.07.2016 bis 01.09.2016 stationär behandelt und am 01.09.2016 zur geriatrischen Weiterbehandlung in das Katholische Klinikum R. (nachfolgend: das aufnehmende Krankenhaus) verlegt. Dort verblieb der Versicherte bis zum 23.09.2016. Die medizinische Notwendigkeit der stationären geriatrischen Komplexbehandlung sowie der Verweildauer ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Beklagte ist ein zugelassenes Plankrankenhaus in NRW. In der Anlage zum Feststellungsbescheid vom 24.11.2014 betr. die Beklagte sind 100 (Soll und Ist) Betten der Fachabteilung Geriatrie ausgewiesen. Die Beklagte unterhält in ihrer Betriebsstelle in der G.str. Hausnummer x in E. das Geriatrie-Zentrum “Haus B.”, in der sich die Geriatrie-Betten befinden. Für das Behandlungsjahr 2016 rechnete die Beklagte bei der Klägerin 187 geriatrische Komplexbehandlungen ab; zum Verlegungszeitpunkt nahm die Beklagte sieben andere bei der Klägerin versicherte Patienten im Geriatrie-Zentrum im Haus B. auf. Ursprünglich war die Verlegung des Versicherten in das Geriatrie-Zentrum Haus B. in E. ins Auge gefasst worden. Hierzu befindet sich in der Patientenakte unter dem Datum 24.08.2016 die Eintragung “morgen Anruf Haus B. Geri-komplex”. Aus welchen Gründen der Versicherte für die unstreitig erforderliche geriatrische Komplexbehandlung letztlich nicht in das Geriatrie-Zentrum Haus B. sondern in das aufnehmende Krankenhaus verlegt wurde, lässt sich der Patientenakte nicht entnehmen noch sonst nachvollziehen oder aufklären.

Für die stationäre Behandlung bei der Beklagten zahlte die Klägerin an die Beklagte einen Betrag i.H.v. 5.367,98 EUR, und für die stationäre Behandlung bei dem aufnehmenden Krankenhaus einen Betrag i.H.v. 7.174,88 EUR, mithin insgesamt für den Behandlungsfall des Versicherten für den Zeitraum 27.07.2016 bis 23.09.2016 einen Betrag i.H.v. 12.542,86 EUR. Bei einer durchgehenden Behandlung des Versicherten im Haus der Beklagten in der Zeit vom 27.07.2016 bis 01.09.2016 wären für die Klägerin Kosten i.H.v. 9.097,01 EUR angefallen. Weiterhin sind der Klägerin Transportkosten für die Verlegung des Versicherten i.H.v. 107,80 EUR entstanden.

Die Klägerin beauftragte am 30.09.2016 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Fragestellung, ob es medizinische Gründe für die Verlegung des Versicherten in das aufnehmende Krankenhaus gegeben habe. Der MDK kam mit gutachtlicher Stellungnahme vom 18.11.2016 zu dem Ergebnis, dass es keine medizinischen Gründe gegeben habe, aus denen nicht die Beklagte selbst die geriatrische Komplexbehandlung in der klinikinternen Geriatrie “Haus B.” hätte durchführen können.

Die Klägerin hat unter dem 03.04.2017 bei dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben, mit der sie die Zahlung von 3.553,65 EUR Schadensersatz geltend macht. Da bei einer durchgehenden Behandlung des Versicherten im Haus der Beklagten in der Zeit vom 27.07.2016 bis 01.09.2016 Kosten i.H.v. 9.097,01 EUR angefallen wären, sei die Differenz zu den tatsächlich angefallenen Kosten i.H.v. 12.542,86 EUR, mithin der Betrag i.H.v. 3.445,85 EUR zzgl. der Kosten für den Verlegungstransport i.H.v. 107,80 EUR, insgesamt ein Betrag i.H.v. 3.553,65 EUR als Schaden entstanden. Die Verlegung des Versicherten sei grundlos erfolgt. Mit der grundlosen Verlegung habe die Beklagte ihre Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Namentlich stehe der Versorgungsauftrag der Beklagten einer Verlegung und damit § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V einer grundlosen Verlegung entgegen. Hiernach sei das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Hierzu gehöre gem. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V auch die Frührehabilitation. Weder Ausweitung noch Einschränkung der zu erbringenden Krankenhausleistungen seien ohne weiteres möglich. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Krankenhausplanung durch Feststellungsbescheide, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Außerdem bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Die Klägerin habe nur die Kosten zu tragen, die bei einem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wären.

 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.553,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Die stationäre Behandlung sei erforderlich gewesen. Maßgebend sei die Abrechnungsregelung des § 1 Abs. 1 S. 2 Fallpauschalenvereinbarung 2016 (FPV 2016), wonach im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale abrechne. Es komme nicht darauf an, ob medizinische oder kapazitative Gründe für die Verlegung in das aufnehmende Krankenhaus ausschlaggebend waren. Der anordnende Krankenhausarzt sei im Verlegungszeitpunkt mangels hellseherischer Fähigkeiten nicht in der Lage einzuschätzen, ob die Verlegung zu höheren oder ggf. niedrigeren Kosten führe. Bei einem – nicht selten vorkommenden – Fall des Abbruchs der geriatrischen Komplexbehandlung oder im Fall einer Beatmung des Versicherten unter Erreichen der oberen Grenzverweildauer wäre die Verlegung für die Klägerin kostengünstiger gewesen als eine durchgängige Behandlung bei der Beklagten. Die Beklagte habe deshalb schon keine Pflichtverletzung begangen. Jedenfalls liege kein Verschulden vor, da der über die Verlegung entscheidende Arzt zum Verlegungszeitpunkt nicht absehen könne, ob eine Verlegung wirtschaftlich sei oder nicht. Dass am Tage der Verlegung des Versicherten sieben andere Versicherte im Haus Berge aufgenommen worden seien, zeige, dass die Behandlungskapazitäten der Beklagten erschöpft gewesen seien und die Beklagte damit kein Verschulden treffe. Außerdem seien die Regelungen des FPV 2016 abschließend auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Hiernach rechne im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale ab. Die Minderungs- und Abschlagstatbestände der FPV 2016 seien abschließend. Dies ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung, wonach eine Verlegung keines medizinischen Grundes bedürfe. Die FPV werde seit Jahren und Jahrzehnten in Deutschland zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern gelebt, so dass auch das historische Argument für die Beklagte spreche. In der mündlichen Verhandlung am 14.02.2020 hat die Beklagte pauschal bestritten, dass die Klägerin die Rechnung des aufnehmenden Krankenhauses tatsächlich bezahlt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Niederschrift über die Sitzung am 14.02.2020 Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung von Schadensersatz gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Es ist demnach weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist zu beachten.

Die hiernach zulässige Klage ist begründet. Der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich aus § 69 S. 3 SGB V iVm § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Nach § 69 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB V regeln das Vierte Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) sowie §§ 63 und 64 SGB V, das Krankenhausfinanzierungsgesetz, das Krankenhausentgeltgesetz und die hiernach erlassenen Rechtverordnungen grundsätzlich abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern sowie Krankenhäusern und deren Verbänden. Gem. § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V gelten für die Rechtsbeziehungen nach S. 1 und S. 2 die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach den Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind.

Die Voraussetzungen des § 69 S. 3 SGB V für die entsprechende Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB auf das Behandlungsverhältnis zwischen Krankenkasse und zugelassenem Krankenhaus bei Behandlung Versicherter sind erfüllt. Die stationäre Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus begründet zwischen seinem Träger und der Krankenkasse ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, auf das § 280 Abs. 1 BGB anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 12. November 2013 – B 1 KR 22/12 R –, BSGE 115, 11-17, SozR 4-2500 § 69 Nr 9, Rn. 11). Danach kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

Anders als die Beklagte meint, ist ein Rückgriff auf § 280 BGB nicht durch etwaig abschließende Regelungen der für die hier maßgebliche FPV 2016 verwehrt. § 280 BGB hat die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für einen Schadensersatzanspruch in einem bestehenden Schuldverhältnis zum Gegenstand. Die FPV 2016 verhält sich nicht zum Schadensersatzrecht. Hierfür bestünde auch gar keine Ermächtigungsgrundlage. Ermächtigungsgrundlage für die Regelungen der FPV 2016 ist § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gem. § 17b KHG gilt für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem, das Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden hat; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten werden die allgemeinen voll und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren entsprechend den Vorgaben des § 17b Abs. 1 und Abs. 3 KHG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im Krankenhausentgeltgesetz vorgegeben werden.

Aus den Regelungen der Ermächtigungsgrundlage des § 17b KHG ergibt sich damit für die FPV eindeutig der Regelungsauftrag für “Vergütung”. Vergütung ist Gegenleistung in Geld für die erbrachte Leistung der voll und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall, vgl. § 17b Abs. 1 S. 3 KHG: “Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen voll und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.” Vergütung ist ein aliud zu einem Schadensersatzanspruch. Gegenstand des Schadensersatzanspruches ist der Ausgleich von sich aus/in einem Schuldverhältnis ergebenden materiellen Einbußen.

Die Vorschriften des BGB über Schadensersatz wegen Pflichtverletzung sind damit – anders als die Beklagte meint – trotz der Regelungen in der FPV 2016 entsprechend anwendbar. Die Regelungen im BGB über den Schadensersatz sind auch mit der Stellung der Krankenhäuser im Versorgungssystem des SGB V vereinbar (BSG, Urteil vom 12. November 2013 – B 1 KR 22/12 R –, BSGE 115, 11-17, SozR 4-2500 § 69 Nr 9, Rn. 12). Die Beklagte hat durch die Verlegung des Versicherten in das aufnehmende Krankenhaus eine ihr gegenüber der Klägerin bestehende Pflicht verletzt. Die Beklagte war im Zeitpunkt der Verlegung zur Erbringung der Leistung der – hier unstreitig medizinisch erforderlichen – geriatrischen Komplexbehandlung des Versicherten verpflichtet. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Versorgungsauftrag der Beklagten. Diese Pflicht hat die Beklagte mit der Verlegung vor der Entlassfähigkeit des Versicherten verletzt.

Die Beklagte ist ein zugelassenes Plankrankenhaus. Gem. § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet. Gem. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Gem. § 109 Abs. 1 S. 2 SGB V gilt für die Beklagte als Plankrankenhaus die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan als Abschluss des Versorgungsvertrages.

Nach § 8 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V.m. § 6 KHG ergibt sich der Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses aus den Festlegungen des vom jeweiligen Bundesland aufzustellenden Krankenhausplanes i.V.m. dem jeweiligen Feststellungsbescheid zur Durchführung des Krankenhausplanes. Nach § 12 des Krankenhausgestaltungsgesetzes NRW (KHGG NRW) werden die Feststellungen über die (Nicht)Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan durch Bescheid der zuständigen Behörde getroffen, wobei der Bescheid u.a. die Art der Abteilungen und die Gesamtzahl der im Ist und Soll anerkannten Planbetten enthält. Der Feststellungsbescheid für die Beklagte vom 24.11.2014 enthält die Aufnahme der Beklagten in den Krankenhausplan des Landes NRW mit u.a. 100 Betten (Soll und Ist) im Gebiet Geriatrie.

Anders als die Beklagte meint, steht der Annahme einer Pflichtverletzung nicht die FPV 2016 entgegen. Die FPV 2016 verhält sich ebensowenig zu den Pflichten im bestehenden Schuldverhältnis wie zu einem Schadensersatz. Wie oben bereits ausgeführt, beschränkt sich die Ermächtigung zum Erlass der FPV 2016 auf “Vergütung”. Die in der FPV 2016 getroffenen Vergütungsregelungen beschränken sich nach Auffassung der Kammer auf Abrechnungsmodalitäten (das “Wie” der Vergütung). Nicht zum Gegenstand hat die FPV 2016, ob die Beteiligten die darin angesetzten Vergütungen zum Ansatz bringen dürfen oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich allein aus dem zugrundeliegenden materiellen Recht. Dass in der FPV 2016 in § 1 Abs. 1 S. 2 und § 3 Regelungen zur Verlegung und dem “Wie” der Abrechnung im Falle einer Verlegung enthalten sind, beinhaltet damit nicht Aussagen zur materiellen Rechtmäßigkeit der Verlegung. Hieran vermag auch die von der Beklagten hinzugezogene historische Auslegung nichts zu ändern. Nach Auffassung der Kammer hat auch die Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (KFPV 2004) lediglich Abrechnungsmodalitäten (“Wie”) zum Inhalt.

Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, hier durch die Verwendung der Formulierung “es sei denn”, trägt der Schuldner – hier die Beklagte – die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen (Seichter in: Herberger/ Martinek/ Rüßmann/ Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 280 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 45). Da nicht auch nur im Ansatz ein sachlicher Grund für die Verlegung vorgetragen wurde noch sich sonst Anhaltspunkte dafür ergeben, ist der Beklagten der Entlastungsbeweis nicht gelungen. Medizinische Gründe für die Verlegung sind nicht geltend gemacht und es bestehen hierfür auch keine Anhaltspunkte. Ob bei der Beklagte Kapazitäten für die geriatrische Komplexbehandlung des Versicherten bestanden, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Beklagte hat zum Fehlen von Kapazitäten jedoch weder substantiiert vorgetragen noch ergeben sich hierfür sonst Anhaltspunkte. Insbesondere spricht die Aufnahme von sieben anderen bei der Klägerin versicherten Patienten in der Geriatrie der Beklagten zum Verlegungszeitpunkt des Versicherten aus Sicht der Kammer eher für freie Kapazitäten in der Geriatrie der Beklagten als dagegen.

Die Höhe des Schadensersatzanspruches ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 249 S. 1 BGB, ohne dass es – wie die Beklagte meint – der “Erfindung des Instituts des wirtschaftlichen Alternativverhaltens” bedarf. Hiernach hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ohne die pflichtwidrige Verlegung hätte die Klägerin an die Beklagte unter Zugrundelegung der DRG F48Z einen Betrag iHv 9.097,01 EUR zahlen müssen; Kosten eines aufnehmenden Krankenhauses wären nicht entstanden. Die Klägerin hat aufgrund der pflichtwidrigen Verlegung an die Beklagte 5.461,48 EUR, Transportkosten i.H.v. 107,80 EUR und an das aufnehmende Krankenhaus 6.867,81 EUR zzgl. einer Aufwandspauschale i.H.v. 300 EUR, insgesamt 12.737,09 EUR gezahlt. Soweit die Beklagte im Termin die Zahlungen der Klägerin an das aufnehmende Krankenhaus bestritten hat, hat die Klägerin die Zahlungen durch Vorlage von Auszügen aus der elektronischen Akte über die ausgegangenen Zahlung in Höhe von 6.874,88 EUR und 300 EUR an das aufnehmende Krankenhaus (Anlagen zum Schriftsatz vom 15.03.2019) zur Überzeugung des Gerichts bewiesen. Zu ersetzen ist der Klägerin damit die Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten (12.737,09 EUR) und den Kosten, die ohne die Verlegung entstanden wären (9.097,01 EUR), mithin 3.640,08 EUR bzw. die mit dieser Klage geltend gemachten 3.553,65 EUR. Von einer Betragskorrektur nach ursprünglichem Rechenfehler hat die Klägerin abgesehen.

Auf die (Nicht)Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots sowie das (Nicht)Vorliegen und die (Nicht)Vorhersehbarkeit wirtschaftlicher Auswirkungen oder das Verletzen etwaiger Mitteilungspflichten kommt es nach Auffassung der Kammer damit nicht an. Offenbleiben kann auch, ob daneben ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegeben ist.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 4 Landesvertrag für das Land Nordrhein-Westfalen nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).