Sozialgericht Düsseldorf S 26 (4) KR 287/00

Sozialgericht Düsseldorf

Urteil vom 10.01.2002 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Düsseldorf S 26 (4) KR 287/00

 
 

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen; im übrigen haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin anlässlich einer stationären Operation noch weitere Vergütungsansprüche zustehen.

Die Klägerin ist eine Klinik in der Rechtsform einer GmbH und hat als Leistungserbringer die bei der Beklagten krankenversicherte Frau B N (geb. 00.00.1926) in der Zeit vom 00.03. bis 00.04.1999 stationär behandelt. Durchgeführt wurde dabei eine vaginale Gebärmutterentfernung (Hysterektomie) mit einer Behebung der Senkung durch cysto- und rectocele Plastiken bei Anhebung des Blasenhalses von abdominal her (Kolposuspension nach Burch).

Mit Rechnung Nr. 0000 vom 15.04.1999 stellte die Klägerin der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von 8.433,30 DM in Rechnung; sie legte dabei ihrer Berechnung zu Grunde die Fallpauschale Nr. 15.01 (für die Gebärmutterentfernung) und zusätzlich das Sonderentgelt Nr. 13.08 (für die Kolposuspension nach Burch), entsprechend den Entgeltkatalogen der Bundespflegesatzverordnung (Anlagen 1 und 2 zur BPfLV).

Die Beklagte bezahlte die Rechnung wie begehrt.

Mit Schreiben vom 17.06. und 24.06.1999 forderte die Beklagte einen Betrag von 1.674,96 DM zurück; zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Sonderentgelt Nr. 13.08 von der Klägerin nicht hätte abgerechnet werden dürfen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) habe diese Auffassung bestätigt. Deshalb sei in Bezug auf Sonderentgelt Nr. 13.08 der dafür anfallende Betrag überzahlt worden. Die Beklagte forderte die Klägerin zur Zurücküberweisung des vermeintlich überzahlten Betrages auf. Zur Begründung führten die Beklagte bzw. der MDK aus: Unstreitig seien die Durchführung einer vaginalen Gebärmutterentfernung und einer Kolposuspensionsoperation nach Burch und die von der Klägerin erbrachten Leistungen. Die Abrechnung sei aber gleichwohl nicht korrekt. Es könne lediglich die Fallpauschale 15.01 berechnet werden. Die zusätzliche Abrechnung des Sonderentgelts 13.08 sei aber nicht möglich, weil nach der Textdefinition für dieses Sonderentgelt eine Inkontinenzoperation ohne Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) vorliegen müsse. In diesem Falle sei aber im gleichen Eingriff eine Hysterektomie vorgenommen worden. In diesem Zusammenhang spiele es auch keine Rolle, dass an einem Operationstermin über zwei operative Zugangswege vorgegangen worden sei, weil die Textdefinition des Sonderentgelts (SE) 13.08 eindeutig eine Inkontinenz-OP als alleinige Operation ohne Hysterektomie bestimme. Die Punktzahlbewertung für die Hysterektomie der Fallpauschale 15.01 sei im Vergleich zum Sonderentgelt 13.08 eindeutig für die Hysterektomie höher, so dass die Hauptleistung in der Hysterektomie gesehen werden müsse und damit die Fallpauschale 15.01 abgerechnet werden müsse.

Die Klägerin erhob Gegenvorstellungen. Insbesondere sei das Sonderentgelt 13.08 hier abzurechnen, weil der im Entgeltkatalog insofern ausgewiesene Leistungskomplex auch von der Klägerin erbracht worden sei. Die Beklagte blieb aber bei ihrer Ansicht.

Schließlich kürzte die Beklagte, weil die Klägerin nicht zurückzahlte, in einer Überweisung vom 11.11.1999 eine andere Rechnung der Klägerin um den Betrag von 1.674,96 DM.

Am 13.12.2000 hat die Klägerin gegen die Beklagte Leistungsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin insbesondere vor, dass ihrer Meinung nach die Textdefinition von SE Nr. 13.08 sich auf eine einzelne Operation beziehe. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, so würde bei der Abrechnung die Kolposuspension nach Burch unberücksichtigt bleiben müssen. Dies könne nicht zutreffen, weil das SE 13.08 hoch bewertet sei, nämlich mit 1.550 Punkten, entsprechend 1.674,96 DM. Es sei kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum – trotz Vorliegens einer anderen Operationsgebietes und eines gesonderten Operationszugangs – der erhebliche Mehraufwand einer zusätzlichen Kolposuspension nach Burch gegenüber einer isolierten Hysterektomie nicht vergütet werden solle. Der Mehraufwand spiegele sich letztlich wieder in einer Verlängerung der Operationszeit um mindestens 45 Minuten, ganz abgesehen von dem Materialmehraufwand. Der Wegfall des Sonderentgeltes Nr. 13.08 in der Abrechnung der Klägerin wäre ein Bruch in der ganzen Abrechnungssystematik der Bundespflegesatzverordnung, die erhöhten Aufwand auch höher vergüten wolle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

Die Zinsforderung rechtfertige sich aus § 15 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, wonach Verzugszinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz (jetzt Basiszinssatz) geltend gemacht werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 856,39 Euro nebst 2 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen, aus der Rechnung vom 15.04.1999 bzw. aus der Überweisung vom 11.11.1999 bezüglich der dieser Überweisung zugrundeliegenden Rechnungen, wobei die Zinsen ab dem 11.11.1999 beginnen sollen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und die Stellungnahme ihres Medizinischen Dienstes. Ergänzend trägt sie vor, dass nach wie vor die Fallpauschale 15.01 als Hauptleistung anzusehen sei, wegen der höheren Punktzahlbewertung, und aufgrund der Textdefinition eine zusätzliche Berücksichtigung von SE 13.08 nicht in Betracht komme. Durch die in Abrechnungs-Bestimmungen festgelegte Rangordnung solle gewährleistet werden, dass eine Leistung nicht einer – oft nur knapp und pauschal formulierten – Textdefinition zugeordnet wird, ohne dass der entsprechende Operationsschlüssel vorliege. Die Textdefinition könne der Zuordnung eines Patienten zu einem SE entgegenstehen. Eine zusätzliche Inrechnungstellung von SE 13.08 sei bei Durchführung einer Hysterektomie nicht möglich. Der Wortlaut der Bestimmung sei ihrer Meinung nach eindeutig. Es leuchte nicht ein, warum der Verordnungsgeber, wäre das SE zusätzlich abrechenbar, sich veranlasst gesehen habe, die einschränkenden Worte “ohne Hysterektomie” anzufügen. Auch die Fallgruppe 18 enthalte leistungseinschränkende Textdefinitionen wie z. B. ohne Strahlentherapie, Chemotherapie. Angesichts des Wortlauts von SE 13.08 sei kein Auslegungsbedarf gegeben, weil die Textdefinition unmissverständlich sei. Der Zusatz in der Textdefinition des SE 13.08 diene gerade der Klarstellung, dass bei mehreren erbrachten Einzelleistungen das SE 13.08 gerade dann nicht zur Abrechnung kommen solle, wenn im Rahmen eines Gesamteingriffs zugleich eine Hysterektomie vorgenommen worden sei. Erst in diesem Zusammenhang ergebe die Einschränkung “ohne Hysterektomie” überhaupt einen Sinn.

Außerdem könne angesichts einer einheitlichen Operation am gleichen Tag zum gleichen Zeitpunkt im Unterkörper der Versicherten nicht damit argumentiert werden, dass hier verschiedene Operationsgebiete vorliegen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Sie ist gegen die Beklagte als Leistungsklage zulässig (vgl. § 54 Abs. 5 SGG).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach den zwischen den Beteiligten geltenden vertraglichen Bestimmungen in Verbindung mit der Bundespflegesatzverordnung nach den Anlagen 1 und 2 zur Bundespflegesatzverordnung keinen Anspruch darauf, dass auch das SE 13.08 zugrundegelegt wird und deshalb keinen Anspruch darauf, dass insoweit für die Behandlung von Frau N ein weiterer Betrag von 1.674,96 DM (entspricht 856,39 Euro) abgerechnet wird. Die Beklagte war daher berechtigt, bei der Überweisung vom 11.11.1999 an die Klägerin eine andere Rechnung der Klägerin im Wege der Aufrechnung (§ 51 SGB I, § 987 BGB) zu kürzen, da die Klägerin aufgrund der zunächst vorgenommenen vollständigen Zahlung auf die Rechnung vom 15.04.1999 gegenüber der Beklagten ungerechtfertigt bereichert ist (vgl. § 812 BGB).

Dass die Beklagte der Klägerin zunächst 1.674,96 DM zuviel gezahlt hat, ergibt sich daraus, dass der Klägerin die Berücksichtigung von SE 13.08 in der Rechnung vom 15.04.1999 nicht zustand. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Textdefinition des SE 13.08 (Bl. 43 Gerichtsakte) ist eine (auch) durchgeführte Inkontinenz-Operation nach SE 13.08 nur dann berücksichtigungsfähig, wenn eine Hysterrektomie nicht durchgeführt wurde. Den Ausführungen der Beklagten und des MDK ist deshalb zuzustimmen. Nur diese formale Betrachtungsweise wird dem Verordnungswortlaut gerecht. Alle – aus Sicht der Klägerin verständlichen – Bemühungen der Klägerin, Sinn und Zweck der Fallpauschalen und Sonderentgelte für ihre Auffassung heranzuziehen und auch ihren Mehraufwand, scheitern am eindeutigen Wortlaut von SE 13.08. Gegen diesen Wortlaut kann nach den Auslegungskriterien höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ausgelegt werden. Für eine Auslegung ist immer nur dann Raum, wenn der Wortlaut des Gesetzes noch eine Auslegung zulässt, insbesondere bei unklaren oder missverständlichen Formulierungen. Das ist aber bei SE 13.08 gerade nicht der Fall: “Inkontinenz-OP ohne Hysterektomie (plastische Operation zur Behebung der Harninkontinenz der Frau)”. Es schließt also eine gleichzeitig auch durchgeführte Hysterektomie während des selben Krankenhausaufenthalts während einer Operation, die nach der höheren Punktzahl der Fallpauschale 15.01 bewertet wird, eben SE 13.08 aus. Es ist auch der Auffassung der Beklagten zuzustimmen, dass hier nicht mit unterschiedlichen Operationsgebieten argumentiert werden kann. Bei der Versicherten wurde eine Unterleibsoperation durchgeführt, zwar mit zwei Zugängen (vaginal und von abdominal her), aber doch im gleichen Operationstermin. Dies verbietet eine isolierte Bewertung und es erscheint konstruiert, bei einer Unterleibsoperation nur auf die jeweiligen Zugänge abzustellen. Insbesondere ist vielmehr der Auffassung der Beklagten zuzustimmen, dass die Einschränkung bei SE 13.08 “ohne Hysterektomie” gerade dann Sinn macht, wenn im Rahmen eines Gesamteingriffs zugleich eine Hysterektomie vorgenommen wurde (die hier mit einem höheren Punktwert nach Fallpauschale 15.01 bewertet wird). Es liegt in der Natur der Sache, dass bei Abrechnung nach Fall-Pauschale eben auch pauschalisiert wird und Einzelleistungen dabei unberücksichtigt bleiben können.

Wenn die Klägerin eine ihrer Meinung nach unzureichende Bewertung ihrer Leistungen durchsetzen will, muss sie also vielmehr auf eine Abänderung der zur Bundespflegesatzverordung ergangenen Anlagen hinwirken und sich an den Verordnungsgeber wenden. Solang aber die Anlagen 1 und 2 zur Bundespflegesatzverordnung so gelten wie sie sind, kann die Klägerin nur entsprechend den dortigen Textdefinitionen abrechnen.

Es kann damit dahinstehen, ob die Klage auch schon deshalb unbegründet wäre, weil die Beklagte auf die streitige Rechnung vom 15.04.1999 hin schon geleistet hatte und damit erfüllt hatte, entsprechend § 362 BGB, und dass die Klägerin an sich – soweit sie sich gegen die Kürzung einer anderen Rechnung wenden will – auf Leistung dieser anderen Rechnung klagen müsste; denn nach den vorstehenden Ausführungen war die Beklagte jedenfalls berechtigt, bei Überweisung einer anderen Rechnung der Klägerin am 11.11.1999 diese andere Rechnung zu kürzen im Wege der Aufrechnung mit ihrem Anspruch entsprechend § 812 BGB gegen die Klägerin wegen zu Unrecht berücksichtigter Berechnung von SE 13.08 bei B N.

Da die Hauptforderung der Beklagten schon unbegründet ist, ergibt sich auch kein Zinsanspruch der Klägerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG. Hier sind erstattungsfähig auch die Aufwendungen der Beklagten nach § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in Verbindung mit § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG, wonach – auch wenn anwaltliche Kosten nicht angefallen sind – eine grundsätzliche Kostenverpflichtung besteht von im Rechtsstreit unterlegenen Krankenhäusern in Rechtsstreitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG). Da die Klägerin mit ihrer Klage unterlegen ist, hat sie die etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten dem Grunde nach zu tragen.