Sozialgericht Gelsenkirchen S 28 (24) KR 72/00

Sozialgericht Gelsenkirchen

Urteil vom 23.01.2002 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Gelsenkirchen S 28 (24) KR 72/00

 
 

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten wegen des Umfangs der Kostenpflicht der Beklagten aus Anlass der vollstationären Behandlung ihrer Versicherten I H.

Die Versicherte befand sich in der Zeit vom 00.04.1998 bis 00.05.1998 in stationärer Behandlung des H1 Hospitals, I1, dessen Trägerin die Klägerin ist. Entlassdiagnose war als Hauptdiagnose ein Zwerchfellbruch mit Einklemmung (ICD-9 552.3).

Am 00.05.1998 wurde bei der Versicherten eine minimal invasive Komplexoperation des komplizierten Zwerchfellbruches vorgenommen. Dabei erfolgte eine transhiatale Freipräparation und Reposition des gastroösophagealen Überganges samt des hernierten Fundus, hintere Hiatoplastik mit Prolenenetzverstärkung und dorsale modifizierte 300 Grad Funoplikatio nach Toupet. Diese Prozeduren kodierte das H1 Hospital mit den ICPM 5-538.40, 1-694, 5-448.20, 5-448.7, d.h. mit dem Prozedurenschlüssel für eine entsprechende Operation im Wege der offenen konfentionellen Chirurgie.

Im gleichen Operationstermin wurde der Versicherten laparoskopisch die steinhaltige, Beschwerden verursachende Gallenblase entfernt, codiert mit ICPM 5-511.11.

Hauptleistung war dabei unstreitig die komplizierte Operation des Zwerchfellbruches, Nebenleistung die Gallenblasenoperation.

Das H1 Hospital stellte der Beklagten für die Behandlung der Versicherten unter dem 10.07.1998 neben 30 Basispflegesätzen 10 Abteilungspflegesätze Innere 80 % für die Zeit vom 28.04. bis 07.05.1998, zwei Abteilungspflegsätze Chirurgie 80 % für den 08. und 09.05.1998, sowie 18 Abteilungspflegesätze Chirurgie vom 10.05. bis 27.05.1998 in Rechnung, sowie für die Gallenblasenoperation das Sonderentgelt 12.12, insgesamt, abzüglich Selbstbeteiligung der Versicherten, einen Betrag in Höhe von 14.688,33 DM.

Mit Schreiben vom 10.06. und 15.09.1999 teilte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage durch sie veranlasster Gutachten des MDK vom 10.05. und 16.08.1999 mit, dass eine Vergütung nur nach tagesgleichen Pflegesätzen in Betracht komme. Sie forderte die Klägerin im Schreiben vom 15.09.1999 zur Rücküberweisungen des bereits angewiesenen Rechnungsbetrages auf, sowie zur Ausstellung einer neuen Rechnung innerhalb einer Frist von 14 Tagen, anderenfalls werde der Betrag bei den nächsten Überweisungen in Abzug gebracht. Nachdem die Klägerin der Vorgehensweise der Beklagen widersprach, macht sie nun mit der Klage den Betrag der von der Beklagten am 21.02.2000 vorgenommenen Absetzung in Höhe von 1359,13 DM geltend.

Die Klägerin führt aus, bei der Gallenblasenentfernung handele es sich zwar um eine Nebentherapie gegenüber der Zwerchfelloperation, aber um einen eigenständigen operativen Leistungskomplex, für den eine Gebühr gemäß einem Sonderentgelt 12.12 leistungsorientiert zu erheben sei. Es handele sich um eine Operation an einem anatomisch völlig getrennten und funktionell unabhängigen Organsystem. Auch seien die Gallenblasen- und die Zwerchfelloperation auch bei laparoskopischer Operationstechnik regelmäßig nicht durch die gleichen Troikare durchführbar. Deswegen könne weder von gleichem operativem Zugang noch vom gleichen Operationsfeld die Rede sein. Die Gallenblasenoperation werde als kleinerer Eingriff an die Zwerchfelloperation angehängt, um sie im Notfall ausfallen lassen zu können. Es bleibe allerdings bei einer einzigen verlängerten Narkose.

Im übrigen sei die Beklagte keinesfalls berechtigt zu verrechnen. Die Rechnung beruhe nicht auf unzutreffenden “Angaben” der Klägerin im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, sondern auf einer unterschiedlichen abrechnungsmäßigen Bewertung des korrekt dargestellten Sachverhaltes.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.359,13 DM zuzüglich 2% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 22.02.2000 zu zahlen,
2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,
3. das Urteil, notfalls gegen Sicherheitsleistung, für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise widerklagend beantragt die Beklagte,

festzustellen, dass ihr gegen die Klägerin ein Anspruch auf Einbehaltung aus Anlass der stationären Behandlung der Versicherten, I H, in Höhe von DM 1359,13 zusteht.

Die Klägerin beantragt,

die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass unter Zugrundelegung der von der Klägerin angegebenen Hauptdiagnose, die weder einer Fallpauschale noch einem Sonderentgelt subsumierbar sei und somit nach tagesgleichen Pflegesätzen abzurechnen sei, eine Sonderentgeltabrechnung unmöglich sei. Die Verrechnung sei auf der Grundlage des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 15 Abs. 4 Satz 1 des Vertrages, aber auch gemäß §§ 387 ff. BGB zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, sowie der Krankenakte der Versicherten H.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des Betrages in Höhe von 1359,13 DM. Ihr Vergütungsanspruch für die Behandlung der Versicherten I H aus Anlass des stationären Aufenthaltes vom 00.04.1998 bis 00.05.1998 ist durch die Zahlung des um die Klageforderung gekürzten Betrages erloschen. Die Beklagte durfte den überzahlten, nunmehr eingeklagten Betrag, verrechnen. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches der Klägerin ist der Sicherstellungsvertrag zwischen der Krankenhausgesellschaft in Nordrhein-Westfalen und den Verbänden der Krankenkassen gemäß § 112 SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen. Das H1 Hospital in N, dessen Trägerin die Klägerin ist, ist gem. § 108 Nr. 2 SGB V in die Versorgung der Versicherten der Beklagten eingebunden. Gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 b SGB V regelt der Sicherstellungsvertrag unter anderem die Kostenübernahme und Abrechnung der Entgelte.

Die Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin beurteilt sich nach den Vorschriften der Bundespflegesatz-Verordnung (BPFLV) in der hier anzuwendenden Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Bundespflegesatz-Verordnung vom 09.12.1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 2874 ff., in Kraft getreten gemäß Artikel 4 Absatz 2 am 01.01.1998). Nach § 1 Abs. 1 Bundespflegesatz-Verordnung werden die vollstationären Leistungen der Krankenhäuser nach dieser Verordnung vergütet. Was Krankenhausleistungen sind, definiert § 2 der Bundespflegesatz-Verordnung. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen gehören unstreitig dazu.

Gemäß § 11 Abs. 1 Bundespflegesatz-Verordnung werden mit den Fallpauschalen die allgemeinen Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, für den ein Entgelt in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 oder § 16 Abs. 2 bestimmt ist.

Nach § 14 Abs. 4 Bundespflegesatz-Verordnung werden Fallpauschalen für die Behandlungsfälle berechnet, die in den Fallpauschalenkatalogen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 16 Abs. 2 Bundespflegesatz-Verordnung bestimmt sind, wenn diese die Hauptleistung des Krankenhauses darstellen. Nach Ziffer 2 Buchstabe A und Buchstabe B der Abrechnungsbestimmung des bundesweiten Fallpauschalenkatalogs für Krankenhäuser nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 4 der Bundespflegesatz-Verordnung ist die in der Fallpauschalendefinition genannte Behandlung in Verbindung mit der genannten Hauptdiagnose für die Zuordnung zu einem Behandlungsfall maßgeblich.

Mit den Sonderentgelten wird nach §§ 11 Abs. 2, 14 Abs. 3 BPflV ein Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen für einen in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 oder § 16 Abs. 2 BPflV bestimmten Leistungskomplex eines Behandlungsfalles vergütet. Sie umfassen insbesondere die Kostenarten nach Nr. 1 – 4 und 14 in Blatt 1 der Leistungs- und Kalkulationsaufstellung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BPflV) und werden zusätzlich zu dem Abteilungs- und dem Basispflegesatz berechnet.

Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Bundespflegesatz-Verordnung ist als Entgelt für ärztliche und pflegerische Tätigkeit und die durch sie veranlassten Leistungen für jede organisatorisch selbständige bettenführende Abteilung, die von einem fachlich nicht weisungsgebundenen Arzt mit entsprechender Fachgebietsbezeichnung geleitet wird, ein Abteilungspflegesatz für die Leistungen zu vereinbaren, die nicht mit Fallpauschalen oder Sonderentgelten nach § 11 Bundespflegesatz-Verordnung vergütet werden.

Berechnungen von Sonderentgelten und tagesgleichen Pflegesätzen ist ausgeschlossen, wenn die Berechnung einer Fallpauschale möglich ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 Bundespflegesatz-Verordnung). Aus dem Umkehrschluss dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze vorzunehmen ist, wenn sowohl die Berechnung von Sonderentgelten als auch von Fallpauschalen ausgeschlossen ist. § 14 Abs. 6 und Abs. 7 Bundespflegesatz-Verordnung enthalten eine enumerativ abschließende Aufzählung der Fälle, bei denen neben der Vergütung der Hauptleistung nach einer Fallpauschale oder einem Sonderentgelt eine weitere Vergütung in Betracht kommt. Die Vergütung weiterer Leistungen auf der Grundlage eines Sonderentgeltes oder einer Fallpauschale neben einer auf der Grundlage tagesgleicher Pflegesätze zu vergütenden Hauptleistung ist nicht vorgesehen.

Im vorliegenden Fall stellte unstreitig die Operation der Hiatushernie die Hauptleistung während des stationären Aufenthaltes der Versicherten da. Die im Zusammenhang mit dieser Hauptleistung genannten ICPM-Schlüssel sind keiner Fallpauschale und keinem Sonderentgelt subsumierbar. Daher hat die Vergütung dieser Hauptleistung auf der Grundlage tagesgleicher Pflegesätze zu erfolgen.

Damit werden sämtliche Behandlungskosten, Unterkunft und Verpflegung für die Verweildauer eines Patienten auf der Grundlage eines kalkulatorischen Fallmixes abgegolten. Die Vergütung einer Nebenleistung, hier einer Gallenblasenoperation, sei es auf der Grundlage einer Fallpauschale oder eines Sonderentgeltes, ist neben der Vergütung einer Hauptleistung auf der Grundlage von tagesgleichen Pflegesätzen nicht möglich.

Die von der Klägerin vorgenommene Berechnung der Gallenblasenentfernung als Sonderentgelt 12.12 neben der Berechnung von Basispflegesatz und um 20 Prozent geminderten Abteilungspflegesatz wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn es sich bei der Gallenblasenoperation um die führende Behandlung gehandelt hätte, was unstreitig nicht der Fall ist, oder aber die Zwerchfellbruchoperation selbst einer Fallpauschale oder einem Sonderentgelt zuzuordnen wäre, was ebenfalls unstreitig nicht der Fall ist.

Bei letzterer Konstellation wären die durch den MDK getroffenen medizinischen Erwägungen von Bedeutung, ob es sich hier um einheitliche Operation handelte. Dabei wäre zu beachten, dass die Operation in einem Termin, während einer – verlängerten – Narkose und durch das gleiche Operations-Team erfolgte, so dass Kosten für ärztliches und pflegerisches Personal, Rüstzeit und Sachkosten, die einen wesentlichen Teil der Gesamtkosten ausmachen, nicht zusätzlich angefallen sind.

Die Kammer verkennt nicht, dass die Leistungen des Chirurgen, die tatsächliche Entfernung der Gallenblase, hier unterbewertet bleibt. Dennoch ist eine andere Berechnung nach den zur Zeit bestehenden Vereinbarungen der Bundespflegesatz-Verordnung nicht möglich.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den überzahlten Betrag nicht gemäß § 15 Abs. 4 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und §§ 387 ff BGB verrechnen konnte.

Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten richten sich nach dem Sicherstellungsvertrag gemäß § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Es handelt sich hierbei um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, auf denen die Grundsätze des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar sind. § 15 Abs. 4 des Vertrages enthält Regelungen im Falle der Störung der Leistungsbeziehungen. Gemäß § 15 Abs. 4 können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenen unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden. Dabei ist Satz 1 im Kontex mit Satz 2 zu lesen, da er ansonsten keinerlei Rechtswirkung entfalten würde und somit überflüssig wäre. Insofern kann dahin stehen, ob es sich hier um eine Abrechnung handelt, die auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht und im welchem Wortsinn “Angaben” zu verstehen sind. Jedenfalls handelt es sich hier um eine Beanstandung sachlicher Art, bei der überzahlte Beträge verrechnet werden können.

Aus den vorstehenden Gründen war die Klage abzuweisen. Eine Entscheidung über die gestellten Hilfsanträge war insofern nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG.