Sozialgericht Hannover S 10 KR 655/09

SOZIALGERICHT HANNOVER

  • S 10 KR 655/09

Vom 16. Juli 2010

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

A., Kläger,

Prozessbevollmächtigter:

B.,

gegen

C., Beklagte,

hat das Sozialgericht Hannover

– 10. Kammer-

ohne mündliche Verhandlung am 16. Juli 2010

durch den Vorsitzenden, Richter C.,

und die ehrenamtlichen Richter E.,

für Recht erkannt

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung im Streit. Die bei der Beklagten krankenversicherte F., geboren am 22. Januar 1954, (Versicherte) hatte im August 2006 einen Brusttumor. Es stand eine Behandlung in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus bevor. In dem über das Aufklärungsgespräch und die Einwilligung gefertigten Protokoll vom 22. August 2006 (BI. 20 des zweiten Teils der Patientenakte) gab die Versicherte an, die Entscheidung über einen 99f. erforderlichen weiterführenden Eingriff erst nach einem Gespräch über den Befund der feingeweblichen Untersuchung treffen zu wollen.

Das klägerische Krankenhaus nahm am 23. August 2006 die Versicherte auf. Am selben Tag entfernte G. den Tumor. Ob er allseits vollständig entfernt wurde. stand zunächst nicht fest. Der danach durchgeführte Schnellschnittbefund ergab. dass der Tumor bösartig war. Am 24. August 2006 entließ das klägerische Krankenhaus die Versicherte und blockte einen Operationstermin für den 29. August 2006. An dem Tag nahm es die Versicherte zur Nachresektion des Tumorbetts sowie zur Ausräumung der Lymphknoten wieder auf.

Mit Rechnung vom 4. September 2006 forderte die Klägerin für die Behandlung der Versicherten am 23. und 24. August 2006 von der Beklagten 799,82 € unter Zugrundelegung der DRG Fallpauschale J25Z (kleiner Eingriff an der Mamma bei bösartiger Neubildung ohne äußerst schwerer oder schwere CC) mit einem Abschlag bei Grenzverweildauerunterschreitung. Der zweite Aufenthalt endete am 8. September 2006, für den die Klägerin mit Rechnung vom 20. September 2006 von der Beklagten 2.712,84 € forderte. In die Abrechnung steilte sie die die DRG Fallpauschale J23Z (großer Eingriff an der Mamma bei bösartiger Neubildung).

Die Beklagte erfüllte beide Forderungen und forderte die Klägerin nach einer Prüfung der Behandlungsfälle durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen und im Lande Bremen (MDK) zur Änderung der Rechnungen auf, da die Fälle zusammenzulegen seien und der Behandlungsfall nach der DRG J23Z abzurechnen sei.

Nachdem die Klägerin dies ablehnte. verrechnete die Beklagte am 19. Mai 2008 einen Betrag in Höhe von 792,73 € mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin. Mit der im Jahre 2009 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin die Zahlung des verrechneten Betrages geltend. Sie trägt vor, dass im Falle der Versicherten keine Beurlaubung vorgelegen habe. § 1 Abs. 7 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2006 (FPV 2006) finde keine Anwendung bei onkologischen Behandlungszyklen, bei denen eine medizinisch sinnvolle Vorgehensweise mit mehreren geplanten Aufenthalten zugrunde liege. Es handele sich in diesen Fällen um einzelne abgeschlossene Behandlungen, die durch eine reguläre Entlassung beendet worden. Dies beziehe sich nicht nur auf Chemo- oder Strahlentherapiezyklen, sondern betreffe auch „onkologische“ Behandlungszyklen. Der Termin für den 29. August 2006 sei beim ersten Aufenthalt sicherheitshalber geblockt worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 792,73 € nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung. dass nach der ersten Behandlung eine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 FPV 2006 erfolgt und die Behandlung noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

Das Gericht hat durch Vernehmung der Versicherten als Zeugin Beweis erhoben und den als Medizincontroller für die Klägerin tätigen Arzt H. angehört. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. März 2010 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Patientenakte der Klägerin Bezug genommen. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist statthaft. Es bedurfte keines Vorverfahrens oder Einhaltung einer Klagefrist. Der Anspruch der Klägerin in Höhe von 792,73 € aus einer unstreitigen Forderung ist durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 69 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Die Beteiligten schuldeten einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig im Sinne des § 387 SGB waren und die gefordert und bewirkt werden konnten.

Der Beklagten stand ein Rückzahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung für die anlässlich der Behandlung der Versicherten geleistete Vergütung zu. Rechtsgrundlage des Rückzahlungsanspruchs ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 812 ff BGB).

Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 Satz 3 SGB V. Die Beklagte hat im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses die ihr in Rechnung gestellten Kosten der Behandlung der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin in der Zeit vom 23. bis 24. August 2006 und vom 29. August 2006 bis zum 8. September 2006 in Höhe von 792,73 € ohne Rechtsgrund geleistet.

Rechtsgrundlage des von der Beklagten erfüllten Vergütungsanspruchs der Klägerin, ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem am 1. November 1992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Landesvertrag).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs., 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Der Höhe nach folgt der Anspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll• und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz• KHEntgG) und der Anlage 1 zu der FPV 2006. Hierbei war zur Ermittlung der Verweildauer von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen. Die vollständigen Tage der Beurlaubung vom 25. August 2006 bis zum 28. August 2006 zählen nach § 1 Abs. 7 Satz 4 FPV 2006 nicht zur Verweildauer. Eine Beurlaubung der Versicherten in dieser Zeit lag vor. Gemäß § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2006 liegt eine Beurlaubung vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch nicht abgeschlossen ist.

Die Voraussetzungen sind erfüllt. Eine Zustimmung des behandelnden Arztes lag zu der zeitlich befristeten Unterbrechung vor. Die Versicherte äußerte vor der Behandlung den Wunsch, das Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung vor der Fortsetzung der Behandlung abwarten und besprechen zu wollen. Diesem Wunsch entsprach der behandelnde Arzt. Die Versicherte verließ zeitlich befristet das Krankenhaus. Die Fortsetzung der Behandlung war für den 29. August 2006 vorgesehen. Hierbei ist es unerheblich, dass die Klägerin den Operationssaal für diesen Tag nur „sicherheitshalber“ geblockt hatte. Bereits im Zeitpunkt der Unterbrechung stand fest, dass die zweite Operation erforderlich war und vorgenommen werden musste. Der Termin hierfür war der 29. August 2006. Welchen sachlich gerechtfertigten Anliegen die Klägerin mit der „sicherheitshalber“ vorgenommenen Einschränkung der Reservierung Rechnung tragen wollte, ist nicht ersichtlich. Die stationäre Behandlung war auch nicht abgeschlossen. Die Nachresezierung und Entfernung der Lymphknoten ist ein zwingender Teil der Tumorbehandlung.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lag hier auch kein „onkologischer“ Behandlungszyklus vor, der mit Chemo• oder Strahlentherapiezyklen vergleichbar ist. Eine wiederkehrende identische Behandlung stellt die Nachresezierung und Entfernung der Lymphknoten nicht dar. Sie ist Bestandteil der Tumorentfernung. Dass dieser einheitlich vorzunehmende Eingriff nicht in einer Operation durchgeführt wurde, war ausschließlich dem Wunsch der Versicherten geschuldet. Eine medizinische Rechtfertigung bestand hierfür nicht. Wie H. in dem Beweisaufnahmetermin bestätigte, ist die übliche Vorgehensweise, dass nach dem ersten Eingriff weiter operiert wird, wenn der Befund bösartig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)