Sozialgericht Hannover S 10 KR 835/09

SOZIALGERICHT HANNOVER

  • S 10 KR 835/09

vom 14. Juli 2010

IM NAMEN DES VOLKES

GERICHTSBESCHEID

In dem Rechtsstreit

A.,

Prozessbevollmächtigte:

S.,

gegen

C

hat das Sozialgericht Hannover

– 10. Kammer am

14. Juli 2010 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

durch den Vorsitzenden, Richter D.,

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung im Streit.

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus in E., das im Jahr 2008 im niedersächsischen Krankenhausplan für die Bereiche Neurologie und Neurochirurgie nicht aufgenommen war. Für diese Bereiche war in F. im Krankenhausplan aufgenommen. Das Marienhospital G. nahm den bei der Beklagten krankenversicherten H. (Versicherter) nach einem Sturz von einer Leiter mit anhaltender Bewusstlosigkeit zur stationären Behandlung am 27. April 2008 auf. Der Versicherte ist in das klägerische Krankenhaus am 28. April 2008 verlegt worden, das ihn neurochirurgisch versorgte und am 7. Mai 2008 entließ.

Mit Rechnung vom 11. November 2008 forderte sie von der Beklagten für die Behandlung 28.088,30 €. Die Beklagte verweigert die Zahlung. Hiergegen richtet sich die im Oktober 2009 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr der geltend gemachte Anspruch zusteht, da sie die Leistung im Rahmen einer Notfallbehandlung erbrachte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr für die stationäre Behandlung des Patienten I. einen Betrag in Höhe von 28.088,30 € nebst 2% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 27. November 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass für die Neurochirurgie zugelassene Einrichtungen sich in E., J. befinden. Von einem Systemversagen mit der Notwendigkeit, einen Privatbehandler in Anspruch nehmen zu müssen, könne nicht die Rede sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Entscheidungsgründe

Das Gericht hat den Rechtsstreit gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist im Gleichordnungsverhältnis zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenkasse statthaft. Es bedurfte keines Vorverfahrens oder Einhaltung einer Klagefrist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 24/08 R)

2.

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für den Bereich der Neurochirurgie besitzt (a) und auch keine Notfallbehandlung vorlag (b).

a)

Der Vergütungsanspruch für den streitigen Behandlungsfall steht der Klägerin nicht nach § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem am 1. November 1 992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Landesvertrag) zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 25GB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war und im Rahmen des Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung erfolgte. Bei den Plankrankenhäusern gilt die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative SGB V als Abschluss des Versorgungsvertrages.

Die Klägerin hat eine Leistung außerhalb ihres Versorgungsauftrages erbracht. weil sie im Jahr 2008 für den Bereich der Neurochirurgie nicht im Krankenhausbedarfsplan auf• genommen war.

b)

Der Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3. 2. Halbsatz des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz • KHEntgG). Danach dürfen Entgelte für die Behandlung von Notfallpatienten auch außerhalb des Rahmens des Versorgungsauftrages berechnete werden.

Ein Notfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 3, 2 Halbsatz KHEntgG ist gleichbedeutend mit dem Notfallbegriff des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach liegt ein Notfall nur vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten so dringlich ist, dass ein zugelassener Leistungserbringer nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (Bundessozialgerichts, Urteil vom 31. Juli 1963, 3 RK 92/59; Beschluss vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 114/06 B). Eine dringende Behandlungsbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahr für Leib und Leben bestehen oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Keine Notfallbehandlung liegt vor, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten es zulässt. dass er einen zugelassenen Leistungserbringer aufsuchen kann und eine Behandlungsbedürftigkeit wegen eines Notfalls endet, wenn der Versicherte zu einem zugelassenen Leistungserbringer verlegt werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 2006, B 1 KR 9105 R; Urteil vom 28. Juli 2008, B 1 KR 5/08 R).

Ausgehend von diesen Grundsätzen lag im Falle des Versicherten kein Notfall vor. Er hätte in ein zugelassenes Krankenhaus verlegt werden können, etwa in die K.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).