Sozialgericht Hannover S 10 KR 885/09
SOZIALGERICHT HANNOVER
- S 10 KR 885/09
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
A., Klägerin
Prozessbevollmächtigte:
B. ,
gegen
C., Beklagte
hat das Sozialgericht Hannover
– 10. Kammer –
ohne mündliche Verhandlung am 18. Juni 2010
durch den Vorsitzenden, Richter 0.,
sowie die ehrenamtlichen Richter E.,
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt. der Klägerin 69,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. April 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Abrechnung einer ambulanten Krankenbehandlung streitig Die bei der Beklagten versicherte F. befand sich am 10. März 2009 zu einer Voruntersuchung im Krankenhaus der Klägerin. Am 11 März 2009 fand eine ambulante Operation statt Die Klägerin stellte der Beklagten am 2. April 2009 die Kosten hierfür in Höhe von 356,58 € in Rechnung. Die Beklagte erfüllte die Forderung nicht vollständig. Sie lehnte die Forderung insoweit ab. als die Klägerin präoperative Laborleistungen sowie die Kosten nach der EBM-Ziffer 08211 abrechnete. Eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) leitete die Beklagte nicht ein.
Mit der im November 2009 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 69,32 € geltend. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein MDK-Prüfverfahren einzuleiten, um die Rechnung auf eine ordnungsgemäß Abrechnung überprüfen zu lassen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 69,32 € nebst Zinsen in Höhe von
8% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem
30. April 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, nicht verpflichtet gewesen zu sein, den MDK mit der Begutachtung zu beauftragen. Medizinische Fragestellungen stünden nicht Raum. Vielmehr sei die Auslegung und Abrechenbarkeit von EBM-Ziffern streitig. Sie ist der Auffassung, dass anstellte der Grundpauschale mit der EBM-Ziffer 08211 die Konsultationspauschale mit der EBM-Ziffer 01436 abzurechnen gewesen sei und dass die präoperativen Laboruntersuchungen grundsätzlich in den vertragsärztlichen Leistungsbereich gehörten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen, die ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärten.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von weiteren 69,32 € aufgrund der ambulant erbrachten Leistung für die bei der Beklagten versicherte ### ###.
Die Beklagte ist mit den erhobenen Einwendungen gegen die Abrechnung der Klägerin gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgeschlossen, weil sie die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung nach Satz 1 der Vorschrift nicht spätestens nach sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung einleitete und hierzu eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einholte.
Die Frist von sechs Wochen ist eine Ausschlussfrist. Prüfungen. die nach deren Ablauf dem Krankenhaus angezeigt werden, sind nicht zulässig (BT-Drucksache 16/3100. S. 171). Dasselbe gilt für Einwendungen der Krankenkassen. die ohne eine erforderliche Prüfung durch den MDK erhoben werden.
Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V iVm. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art. Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist. Verpflichtet bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen. Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen.
Die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Hegen vor. weil Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung zwischen den Beteilig ten im Streit stehen, die eine Überprüfung durch den MDK erforderten. Dies gilt sowohl für die Abrechnungen der präoperativen Leistungen (1) als auch für die Abrechnung der Grundpauschale (2).
1.
Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – (AOP-Vertrag) stellt der Überweisende Arzt dem den Eingriff nach § 115 b SGB V durchführenden Arzt die im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Eingriff gemäß § 115 b SGB V bedeutsamen Unterlagen zur Verfügung (Satz 1). Werden bereits durchgeführte Untersuchungen nochmals veranlasst, so sind diese in medizinisch begründeten Fällen von den Kostenträgern zu vergüten (Satz 2).
Ob den mit den EBM-Ziffern 32540, 32541, 32545 und 32083 abgerechneten Leistungen im streitgegenständlichen Behandlungsfall ein medizinisch begründetes Erfordernis im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AOP.vertrag zugrunde lag und entsprechende bedeutsame Unterlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag nicht vorhanden waren, sind medizinische Fragen. die die Beklagte aus eigener Sachkunde ohne eine gutachtliche Stellungnahme des MDK nicht beantworten kann.
2.
Nach der Erläuterung zur Konsultationspauschale der EBM-Ziffer 01436 ist neben der Gebührenordnungsposition 01436 für die Berechnung der jeweiligen arztgruppenspezifischen Versicherten -, Grund- und/oder Konsiliarpauschale in demselben Behandlungsfall mindestens ein weiterer persönlicher Arzt-Patient-Kontakt notwendig.
Ob ein solcher weiterer relevanter persönlicher Arzt-Patient-Kontakt erfolgte, kann ohne Auswertung der Patientenakte nicht beurteilt werden. Dies ist eine vom MDK vorzunehmende Prüfung, die die Beklagte nicht eingeleitet hat. Der Zinsanspruch folgt dem Grunde nach aus § 69 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) LV.m. § 286 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 18 Abs. 4 AOP-Vertrag. Der Höhe nach folgt der Anspruch aus § 288 Abs. 1 Satz 1. Satz 2 BGB.
Der Klägerin sieht kein weitergeltender Zinsanspruch nach § 288 Abs. 28GB zu, weil es an einem Rechtsgeschäft zwischen ihr und der Beklagten mangelt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 8. September 2009. B 1 KR 8/09 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG LV.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Berufung war zuzulassen. da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zukommt. Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung de Rechts zu fördern. Eine Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die vorliegende Streitsache auf, weil die Erstreckung des Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1 c Satz 1 und Satz 28GB V auf Abrechnungen nach dem AOP-Vertrag der Klärung bedarf.