Sozialgericht Koblenz S 12 KR 589/15

S 12 KR 589/15

SOZIALGERICHT
KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES

GERICHTSBESCHEID

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Koblenz am 09.05.2016 durch den Richter am Sozialgericht Dr. Traupe für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.464,24 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2014 zu zahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Streitwert wird auf 1.464,24 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Behandlung.

Die bei der Beklagten krankenversicherte ##### befand sich vom ##.## bis ##.##.2013 im B zur stationären Behandlung. Sie wurde durch den Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert.

Die Klägerin rechnete den stationären Aufenthalt mit Rechnung vom 11.12.2013 mit 5.096,80 € unter Ansatz der DRG-Ziffer E77F (Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane mit bestimmter Diagnose oder äußerst schweren CC) ab. Die Beklagte leistete Teilzahlungen in Höhe von 2.541,61 € (am 30.12.2013) sowie in Höhe von 1.090,95 € (am 21.02.2014), mithin in einer Gesamthöhe von 3.623,56 €.

Zur Prüfung der Abrechnung leitete die Beklagte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. In ihrem Gutachten vom 04.02.2014 kamen die Ärztinnen im MDK zu der Einschätzung, dass die vom Krankenhaus angegebene Hauptdiagnose J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet) korrekt sei. Bestätigt wurden auch die Nebendiagnosen 068.5 (primäre Thrombophilie) und S32.01 (Fraktur eines Lendenwirbels: L 1). Die Nebendiagnose J96.09 (akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) wurde geändert auf R06.0 (Dyspnoe). Bestätigt wurde zudem die Prozedur OPS 9-200.0 (hochaufwendige Pflege von Erwachsenen: 43 bis 71 Aufwandspunkte). Die Pneumonie sei radiologisch gesichert. Die Nebendiagnose der akuten respiratorischen Insuffizienz sei nicht korrekt. Es existiere eine Blutgasanalyse (BGA) unter Sauerstoff. Hier liege eine Hyperventilation vor, jedoch normale Sauerstoffwerte mit einer normalen Sättigung und ohne Hyperkapnie. Da immer wieder Dyspnoe in der Pflege dokumentiert worden und Sauuerstoffgabe erfolgt sei, könne hier die Dyspnoe als eigenständiges Symptom kodiert werden. Die obere Grenzverweildauer sei bei Erhalt der Hauptdiagnose nicht überschritten worden.

Das Krankenhaus widersprach dem Ergebnis der Begutachtung: Das Vorhandensein einer respiratorischen Insuffizienz definiere sich nicht ausschließlich anhand von pathologischen BGA-Veränderungen, sondern liege immer dann vor, wenn ein Patient die klinischen Zeichen einer Gasaustauschstörung erfülle und ein entsprechender Ressourcenverbrauch nachweisbar dokumentiert sei. Dies sei im Fall der Patientin angesichts einer Sättigung von 89% (ohne O2) gegeben gewesen.

In einem weiteren Gutachten vom 30.06.2014 stellte der Arzt im MDK fest, es sei in den Unterlagen kein pathologischer pO2-Wert in einer BGA dokumentiert. Der einzig vorhandene Wert sei mit 100 mmHg normwertig. Eine Hypoxie bzw. eine respiratorische Insuffizienz sei nach wie vor nicht dokumentiert. Damit sei die Nebendiagnose J96.09 nicht kodierbar.

Wegen der ausstehenden Vergütung hat die Klägerin am 31 .08.2015 bei dem Sozialgericht Koblenz Klage erhoben.

Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.464,24 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens nach Aktenlage bei, In seiner Ausarbeitung vom 18.12.2015 hat dieser die Auffassung vertreten, dass als Hauptdiagnose eine rechtsseitige Lungenentzündung mit Rippenfellerguss zum stationären Aufenthalt der Versicherten ###### im Zeitraum vom bis 2013 geführt habe. Krankheiten oder Komplikationen seien während des Aufenthalts nicht hinzugetreten. Die respiratorische Insuffizienz sei als Nebendiagnose J96.09 im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2013, zu verschlüsseln, da ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und Überwachungsaufwand erforderlich geworden sei. Die Nebendiagnosen seien sämtlichst zu verschlüsseln. Der Auffassung des MDK könne hinsichtlich der Festlegung der Nebendiagnosen nicht gefolgt werden, da im Rahmen der Hauptdiagnose “Lungenentzündung” eine verminderte Sauerstoffsättigung vorgelegen habe, die eine kontinuierliche Sauerstoffgabe erfordert habe.

Die Beklagte hat hierzu ein MDK-Gutachten der Frau Dr. ##### vom 11.02.2016 zur Akte gereicht: Die Versicherte sei mit einer rechtsseitigen Pneumonie mit Pleuraerguss stationär aufgenommen und antibiotisch behandelt worden. Die Versicherte habe Husten, Auswurf und Fieber gehabt. Bei Aufnahme sei eine Messung der Sauerstoffsättigung durchgeführt und dokumentiert worden. Bei einem Wert von 89 % sei Sauerstoff per Nasensonde insuffliert worden. Eine ärztliche Anordnung zur Sauerstoffgabe finde sich nicht. Im Verlauf sei dann eine
kapilläre Blutgasanalyse unter Sauerstoffgabe durchgeführt worden, die eine Hyperventilation gezeigt habe bei einem Sauerstoffpartialdruck von 100 mmHg entsprechend der Sauerstoffgabe. Es stelle sich die Frage, wann eine respiratorische, Insuffizienz , vorliege und wann die Diagnose J96 anzuerkennen sei. Kennzeichnend für die respiratorische Insuffizienz sei, dass die für die
Aufrechterhaltung eines suffizienten Gasaustausches notwendige Atemarbeit vom Patienten nicht mehr aufgebracht werden könne. Die Folge sei eine nicht mehr, ausreichende O2-Versorgung der Gewebe bzw. unzureichende CO2-Elimination. Der Nachweis der respiratorischen Insuffizienz werde durch eine arterielle (ersatzweise kapilläre) Blutgasanalyse erbracht. Eine respiratorische Insuffizienz liege vor, wenn pathologische Blutgasveränderungen im Sinne einer respiratorischen Partial- oder Globalinsuffizienz nachweisbar seien. Eine Dyspnoe ohne BGA-Veränderung sei keine respiratorische Insuffizienz. Bei einem arteriellen pO2 von < 60 mmHg unter Raumluftatmung liege eine respiratorische Insuffizienz vor. Ebenso gelte ein pCO2-Wert von> 50 mmHg in der arteriellen BGA als Nachweis der respiratorischen Insuffizienz. Die Ziffer 96 (respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert) könne bei Aufwand (zum Beispiel Sauerstoff-Gabe) zusätzlich zur Grundkrankheit verschlüsselt werden, wenn pathologische Blutgasveränderungen im Sinne einer respiratorischen Partial- oder Globalinsuffizienz nachgewiesen seien, Die Sauerstoffsättigung alleine sei nicht geeignet, eine respiratorische Insuffizienz zu belegen, da der Wert durch viele andere Faktoren beeinflusst werde, zum Beispiel von Sauerstoffpartialdruck und
vom Hämoglobinwert. Somit könne unabhängig von der Funktionsfähigkeit der Atmung ein niedrigerer Wert gemessen werden. Es sei in der Fieberkurve nicht ersichtlich, wie der Wert bestimmt worden sei. Bei Messung über Pulsoxymetrie am Finger sei der Wert zudem auch noch von der Durchblutung und der Platzierung des Pulsoxymeters am Finger abhängig. In Zusammenhang mit der Definition einer respiratorischen Insuffizienz werde immer eine Blutgasanalyse gefordert, die eine Hypoxämie und/oder eine Hyperkapnie (pathologisch erhöhter pCO2-Wert) belegten. Solche pathologischen Werte seien nicht dokumentiert worden. Somit sei auch unter Würdigung des Sachverständigengutachtens eine akute respiratorische Insuffizienz nicht belegt. Die Luftnot, die in der Pflege beschrieben werde, könne bei eigenständigem Behandlungsaufwand mittels Sauerstoffgabe jedoch kodiert werden.

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme beim Sachverständigen eingeholt. ist in seiner Stellungnahme vom 19.02.2016 bei der zuvor verbliebenen Ansicht geblieben. Der in der Krankenakte belegte Hämoglobinwert von 11,6 sei nicht geeignet, eine Erniedrigung der Sauerstoffsättigung hervorzurufen. Somit hänge in der Tat die gemessene Sauerstoffsättigung vom
Sauerstoffpartialdruck im Blut ab. Bei einem unteren Grenzwert von 94 % sei die gemessene Sauerstoffsättigung von 89 % eindeutig erniedrigt, hervorgerufen durch die Lungenentzündung mit Pleuraerguss. Es gebe somit keinen vernünftigen Zweifel, dass die Sauerstoffsättigung infolge eines erniedrigten Sauerstoffpartialdrucks, und nicht im Rahmen einer Anämie, deutlich pathologisch erniedrigt gewesen sei und eine kontinuierliche Sauerstoffgabe bis zur Abheilung der Pneumonie erforderlich gewesen sei.

Die Beklagte hat ein weiteres MDK-Gutachten der Frau Dr. #### vom 12.04.2016 zur Akte gereicht: Aus der Stellungnahme des Sachverständigen ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Krankenhausakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Insoweit gelten die Vorschriften über Urteile entsprechend.

Die vorliegende Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im Übrigen zulässig. Denn es geht um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Begleichung der noch ausstehenden Behandlungskosten für den stationären Aufenthalt der Patientin für die Zeit vom ##.##.2013 bis ##.##.2013 in Höhe von 1.464,24 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.01.2014 verlangen.

Unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Vergütung verbleibt ein Anspruch in dieser Höhe aufgrund der DRG E77F, wie von der Klägerin abgerechnet.

Die Klägerin hat die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf vollstationäre Vergütung erfüllt, indem sie die Versicherte stationär behandelt hat. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert nach ständiger Rechtsprechung mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Diese Krankenhausbehandlung muss durchgeführt und notwendig gewesen sein. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzverordnung festgelegt wird. Da die Klägerin in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, richtet sich. ihre Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung nach den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sowie des Krankenhausentgeltgesetzes.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von . § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSG, Urteile vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 3/08 KR R – juris): Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach DRG E77F und nicht nach DRG E771. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin wegen der hier streitigen stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil a) Fallpauschalen-Katalog der G-DRG Version 2013 sowie dem zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.v. und den Krankenkassen bzw. deren Verbänden geschlossenen Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – (KBV-RP; vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R, juris Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 24/08 R, juris Rn. 13). Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog mit verschiedenen, in dem Katalog der Norm abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet.

Die Spitzenverbände der Krankenkasse und der Verband der Privaten Krankenversicherung haben gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien, gemäß § 11 KHEntgG i. V. m. § 18 Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), also die Krankenhausträger und die Sozialleistungsträger, einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Grundlage dieser Regelung ist § 17b KHG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges leistungsorientiertes und pauschaliertes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach . § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbiditäten abzubilden, sein Differenzierungsgrad soll
praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären . Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG. Grundlage für die Einführung der DRG ist § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG, nach dem .die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Abs. 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem orientiert und jährlich weiterentwickelt und angepasst werden soll, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerung zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen enthalten, soweit diese nicht im Krankenhausentgeltgesetz vorgegeben werden.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten . Behandlungsfalles zu einer DRG wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen “Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V” (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als “Groupierung” bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines “Entscheidungsbaumes” wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. In diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert.

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. “Die Anwendung der DKR und der FPV einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert · und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind, Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend
nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit “lernendes” System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die
Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen” (BSG, Urteile vom 21.04.2015 – B 1 KR 9/15 R, juris, und vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – juris m.w.N;).  Medizinischen Begriffen kommt dabei der Sinngehalt zu, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird (BSG, Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 32, SozR 4-5560 §17b Nr. 3).

Die DRG E77F nach FPV 2013 wird u.a. nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn die ICD-Ziffer J18.0 (Bronchopneumonie, nicht näher bezeichnet) als Hauptdiagnose und J96.09 (akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) als Nebendiagnose kodiert werden dürfen. Dies ist vorliegend der Fall, wobei die Kodierung der Hauptdiagnose zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Die Nebendiagnose ist nach 00031 der DKR 2013 definiert als: “Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass
irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:

  • therapeutische Maßnahmen
  • diagnostische Maßnahmen
  • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand

Bei Patienten, bei denen einer dieser erbrachten Faktoren auf mehrere Diagnosen (entweder Hauptdiagnose und Nebendiagnose(n) oder mehrere Nebendiagnosen) ausgerichtet ist, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden. Somit ist es unerheblich, ob die therapeutjsche(n)/diagnostische(n) Maßnahme(n) bzw. der erhöhte Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand auch in Bezug auf die Hauptdiagnose geboten waren.

Zur Überzeugung ges Gerichts sind die Voraussetzungen für die Kodierung von J96.09 als Nebendiagnose erfüllt. Dies hat das gerichtlich eingeholte Gutachten nach Aktenlage des vom 18.12.2015 bestätigt. Die hiergegen vom MDK vorgebrachten Einwendungen haben zwar aus Sicht des Gerichts ein gewisses Gewicht, führen jedoch nicht dazu, dass das Gericht vom Ergebnis der Begutachtung abweichen könnte.

Der Sachverständige hat die den Aufenthalt der Patientin betreffenden Unterlagen des Krankenhauses sowie die weiteren ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere auch die im Vorfeld eingeholten MDK-Gutachten, im Verfahren sorgfältig ausgewertet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Haupt- und Nebendiagnose korrekt kodiert worden sind . Der Sachverständige verwickelt sich weder in Widersprüche noch verstößt er gegen Denkgesetze. Das Gutachten ist für das Gericht insgesamt weitgehend schlüssig und überzeugend.

Als respiratorische Insuffizienz bzw. Ateminsuffizienz wird eine Störung der äußeren Atmung bezeichnet, die zu einer Minderbelüftung der Lungenbläschen führt, die Folge einer Behinderung des GasaustCiusches in den Lungenbläschen ist oder eine Minderbelüftung verschiedener Lungenabschnitte bewirkt. In allen Fällen kommt es zu einer Veränderung der Blutgaswerte (Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Respiratorische_Insuffizienz).

Ausweislich des internistischen Gutachtens wurde die Versicherte angesichts von Fieber, Husten, Auswurf und . Luftnot stationär aufgenommen. Die Röntgenuntersuchung ergab eine rechtsseitige Lungenentzündung und einen rechtsseitigen Pleuraerguss. Die Sauerstoffsättigung betrug am 01 .11.2013 um 14.30 Uhr 89 %. Unter Sauerstoffzufuhr wurde eine Blutgasanalyse am
01.11.2013 um 14.35 Uhr durchgeführt, die einen pC02-Wert von 26 mmHg und einen P02-Wert von 147 mmHg ergab. Weiterhin wurde während des stationären Aufenthalts Dyspnoe dokumentiert. Mittels Sauerstoffsonde wurde kontinuierlich Sauerstoff zugeführt. Der Sachverständige hielt die Messung einer Sauerstoffsättigung von 89 % ohne Sauerstoffgabe angesichts der Diagnose “Pneumonie mit Pleuraerguss” auch für plausibel. Durch die AntibiotikaBehandlung waren dann sowohl der anfangs deutlich erhöhte Entzündungswert als auch die radiologischen Veränderungen rückläufig, so dass gegen Ende des stationären Aufenthalts auch von einer Normalisierung der Sauerstoffsättigung ausgegangen werden kann. Eine schlagartige Besserung des
Sauerstoffpartialdrucks bzw. der Sauerstoffsättigung ist bei einem derartigen Lungenbefund unwahrscheinlich. Insgesamt ist aufgrund der Art der Erkrankung mit Lungenentzündung und Rippenfellerguss nachvollziehbar, dass eine verminderte Sauerstoffsättigung, das heißt eine respiratorische Insuffizienz, einhergehend mit Luftnot, vorgelegen hat, die eine kontinuierliche
Sauerstoffzuführung erforderlich gemacht hat. Daher ist insgesamt die Nebendiagnose J96.09 im Sinne der Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2013, zusätzlich zu verschlüsseln. Auf den Einwand des MDK, dass eine Hypoxie bzw. eine respiratorische Insuffizienz in den Unterlagen nicht ausreichend belegt sei und eine Dyspnoe ohne Blutgasanalyseveränderungenkeine respiratorische Insuffizienz darstelle, hat der Sachverständige nachvollziehbar entgegnet, dass der in der Krankenakte belegte Hämoglobinwert von 11,6 nicht geeignet ist, eine Erniedrigung
der Sauerstoffsättigung hervorzurufen. Damit hängt die gemessene Sauerstoffsättigung vom Sauerstoffpartialdruck im Blut ab. Bei einem unteren Grenzwert von 94 % ist die gemessene Sauerstoffsättigung von 89 % eindeutig erniedrigt. Dies ist durch die Lungenentzündung mit dem Pleuraerguss hervorgerufen. Die Sauerstoffsättigung war infolge eines erniedrigten Sauerstoffpartialdrucks und nicht im Rahmen einer Anämie deutlich pathologisch erniedrigt. Für das Gericht ist dies insgesamt nachvollziehbar.

Der Zinsanspruch folgt aus § 9 Abs. 7 KBV-RP. Nach dieser Vorschrift kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungszieles Verzugszinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz ab dem Fälligkeitstag (Abs. 6 Satz 1 KBV) berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a Sozialgerichtsgeseti (SGG), 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).