Sozialgericht Köln S 26 KR 89/05

Sozialgericht Köln

Urteil vom 07.12.2007 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Köln S 26 KR 89/05

 
 

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 2,5 Mio. Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht im Rahmen der Durchführung des Risikostrukturausgleichs (im Folgenden: RSA) für das Kalenderjahr 2004 den Jahresabgeltungsbetrag zur pauschalen Abgeltung für Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen verrechnet hat.

Die Klägerin ist eine geöffnete Betriebskrankenkasse und nimmt als gesetzliche Krankenkasse am RSA teil.

Durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherungen (Gesundheitsstrukturgesetz – GSG -) ist bundesweit der Risikostrukturausgleich mit Wirkung vom 01.01.1994 eingeführt worden. Mit dem RSA werden die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, der Zahl der nach § 10 SGB V Versicherten und der Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen (§ 267 Abs. 2 SGB V) zwischen den Krankenkassen ausgeglichen (§ 266 Abs. 1 S. 2 SGB V). Nach § 266 Abs. 2 SGB V wird die Höhe des Ausgleichsanspruchs oder der Ausgleichsverpflichtung einer Krankenkasse durch Vergleich ihres Beitragsbedarfs mit ihrer Finanzkraft ermittelt. Der Beitragsbedarf einer Krankenkasse ist die Summe ihrer standardisierten Leistungsausgaben. Die standardisierten Leistungsausgaben je Versicherten werden auf der Basis der durchschnittlichen Leistungsausgaben je Versicherten aller Krankenkassen jährlich so bestimmt, dass das Verhältnis der standardisierten Leistungsausgaben je Versicherten der Versichertengruppen zueinander dem Verhältnis der nach § 267 Abs. 3 SGB V für alle Krankenkassen ermittelten durchschnittlichen Leistungsausgaben je Versicherten der Versichertengruppen nach § 267 Abs. 2 SGB V zueinander entspricht. Das Bundesversicherungsamt führt den Ausgleich durch und stellt im Voraus für ein Kalenderjahr die Werte nach Abs. 5 Nr. 2 und 3 vorläufig fest (§ 266 Abs. 5 und 6 SGB V). Bei der Berechnung der von den Krankenkassen zu leistenden Ausgleichszahlungen legen die Krankenkassen die Werte nach S. 1, die zum Oktober des Vorjahres erhobene Zahl ihrer Versicherten je Versichertengruppe nach § 267 Abs. 2 SGB V und die voraussichtliche Summe der beitragspflichtigen Einnahmen ihrer Mitglieder zugrunde. Nach Ablauf des Kalenderjahres sind der Beitragsbedarf und die Finanzkraft jeder Krankenkasse vom Bundesversicherungsamt aus den für dieses Jahr erstellten Geschäfts- und Rechnungsergebnissen und den zum 01.10. des Jahres erhobenen Versichertenzahlen der beteiligten Krankenkassen zu ermitteln. Die nach S. 2 geleisteten Zahlungen gelten als Abschlagszahlungen. Sie sind nach Festsetzung des Beitragsbedarfs und der Finanzkraft nach S. 3 mit den endgültig für das Geschäftsjahr zu leistenden Zahlungen auszugleichen. Seit 01.01.2004 beteiligt sich der Bund an Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen der Krankenkassen, und zwar für das hier streitige Jahr 2004 mit insgesamt einer Milliarde Euro. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung ist ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Verteilung der Gelder zu bestimmen. Maßstab für die Verteilung sind die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen (§ 221 SGB V). Hinsichtlich der Art und Weise der Verteilung und Berechnung finden sich Details in der Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung – im Folgenden: RSAV) und der Verordnung über die Verteilung der pauschalen Abgeltung für Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen durch den Bund (Pauschal-Abgeltungsverordnung – im Folgenden: PauschAV). Was unter versicherungsfremde Leistungen fällt, ist in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PauschAV definiert (z.B. diverse Krankengelder, Empfängnisverhütung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, Krankenhausbehandlung, Hebammenhilfe, Mutterschaftsgeld, Betriebs-, Haushaltshilfe und häusliche Krankenpflege, etc.). Mit Bescheid vom 07.04.2005 setzte die Beklagte im Rahmen des Risikostrukturausgleichs den Gesamtsaldo für die Klägerin in 2004 auf 14.828.338,99 Euro fest. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Saldo sei für die Klägerin nach einer nochmaligen Berechnung des voraussichtlichen Beitragsbedarfs und der voraussichtlichen Finanzkraft für das Kalenderjahr 2004 unter Berücksichtigung der bisherigen monatlichen Abschläge Januar bis Dezember 2004 berechnet worden. Desweiteren sei der Jahresabgeltungsbetrag zur pauschalen Abgeltung für Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Kalenderjahr 2004 berechnet und mit dem Zwischenausgleich verrechnet worden. Der festgesetzte Gesamtsaldo werde Ende April 2005 überwiesen. Das Nähere zur Berechnung sei den anliegenden allgemeinen Erläuterungen zu entnehmen, welche Gegenstand des Bescheides seien. In der Anlage „Berechnung des Jahresabgeltungsbetrages 2004“ ist der Jahresabgeltungsbetrag 2004 für die Klägerin mit 22.891.327,20 Euro berechnet worden. Abzüglich der bereits am 01.05. und 01.11.2004 erhaltenen Abschläge ergebe sich eine Differenz von 1.701.694,05 Euro.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.05.2005 Klage erhoben und zur Begründung zunächst vorgetragen, durch die rechtswidrige Verrechnung sei sie um 3.676.997,99 Euro beschwert. Die Klägerin führt ferner aus, die Gelder nach § 221 Abs. 2 S. 2 SGB V in Verbindung mit §§ 2, 3 PauschAV müssten anhand der Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen der jeweiligen Krankenkassen verteilt werden. Demnach müssten Kassen mit einem hohen Anteil an versicherungsfremden Leistungen einen entsprechend hohen Ausgleich erhalten, Kassen mit weniger Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen entsprechend weniger. Kassen ohne derartige Ausgaben hingegen müssten unberücksichtigt bleiben. Die Verteilung erfolge dabei notwendig in zwei Schritten: Zunächst sei der Abgeltungsbetrag für die einzelne Kasse zu kalkulieren. Dann müsse die Verteilungsquote anhand der Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen aller Kassen ermittelt werden und diese Quote auf die konkreten Ausgaben der einzelnen Kasse angewendet werden. Im Ergebnis stehe danach der pauschale Abgeltungsbetrag für die einzelne Kasse fest. Der so errechnete Betrag müsse dann nur noch ausgekehrt werden. Durch den Akt der Auskehrung müsse der berechnete Abgeltungsbetrag unverändert bleiben. Alles andere stelle zwangsläufig einen Verstoß gegen den gesetzlich vorgegebenen Verteilungsmaßstab dar. Genau dies sei jedoch mit dem angegriffenen Bescheid geschehen: Denn faktisch ausgekehrt werde der Abgeltungsbetrag, indem er zunächst an die Klägerin ausgezahlt, dann unmittelbar im RSA-Verfahren wieder eingezogen werde und sich dann über die Absenkung des Ausgleichsbedarfsatzes auch der Klägerin gegenüber auswirke. Die beitragspflichtigen Einnahmen ihrerseits stünden in keinem Verhältnis zu den Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen. Allerdings sei der Jahresabgeltungsbetrag 2004 maßstabsgerecht und richtig mit 22.891.327,20 Euro berechnet worden. Endgültig ausgekehrt werde dieser Jahresabgeltungsbetrag jedoch nicht. Denn durch das mit dem Bescheid manifestierte rechtswidrige Verrechnungsverfahren komme der Abgeltungsbetrag der Klägerin tatsächlich nicht zugute. Er werde nicht – wie gemäß § 4 Abs. 3 PauschAV vorgeschrieben – mit den Risikostrukturausgleichsverpflichtungen verrechnet, sondern in das RSA-Verfahren eingebunden. An deren Ende stehe ein tatsächlicher Finanzeffekt zugunsten der Klägerin in Höhe von nur noch 19.214.329,21 Euro. Die Differenz zu dem nach der ursprünglichen Berechnung zu beanspruchenden Betrag belaufe sich zum Nachteil der Klägerin auf 3.676.997,99 Euro. Der Abgeltungsbetrag werde nahezu zeitgleich mit seiner Auskehrung – vorläufig – wieder abgeführt. Denn der finanzielle Vorteil werde anschließend durch die Absenkung des Ausgleichsbedarfsatzes wieder zurückgeführt, jedoch nicht in gleicher Höhe. Es liege damit keine bloße Verrechnung, sondern eine Einbindung in das RSA-Verfahren vor. Die Verteilung erfolge letztlich über den Ausgleichsbedarfsatz anhand der beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin. Die Beklagte könne ihren Bescheid auch nicht auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV stützen. Denn diese Regelung sei nicht von der Verordnungsermächtigung nach § 221 Abs. 2 S. 1 und § 266 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB V gedeckt. Sie widerspreche in unzulässiger Weise gesetzlichen Vorgaben. Die Regelung verstoße auch gegen das Wesentlichkeitsprinzip. Die Klägerin führt ferner aus, Zahlungen im RSA beglichen nur die Differenz zwischen Finanzkraft und Beitragsbedarf einer Kasse. Versicherungsfremde Leistungen fänden im Rahmen der Bezugsgrösse „Beitragsbedarf“ nur insoweit Berücksichtigung, indem diese einen gewissen Teil der Leistungsausgaben darstellten, welche allerdings nur in standardisiertem Umfang den Beitragsbedarf bestimmten. Zu einem weiteren oder gar doppelten Ausgleich versicherungsfremder Leistungen könne es folglich nicht kommen.

Die Klägerin beantragt,

1.den Bescheid des Bundesversicherungsamtes vom 07.04.2005 aufzuheben, soweit darin die Verrechnung des Jahresabgeltungsbetrages für das Kalenderjahr 2004 vorgenommen wird, 2.hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.04.2005 zu verurteilen, über den Jahresabgeltungsbetrag für das Kalenderjahr 2004 neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung nicht nur auf der Grundlage des § 221 Abs. 2 SGB V die PauschAV erlassen, sondern auf der Grundlage des § 266 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB V auch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 der RSAV geändert habe. Der Verordnungsgeber habe damit im Hinblick auf die Beteiligung des Bundes an Aufwendungen einer Krankenkasse nach § 221 SGB V die gesetzliche Regelung des § 266 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB V umgesetzt, nach der die von Dritten erstatteten Ausgaben bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben im Rahmen des Beitragsbedarfs außer Betracht bleiben müssten. Die Beklagte verweist diesbezüglich auf die amtliche Begründung der Verordnungsänderung. Die Klägerin bleibe nach dem durchgeführten RSA durch Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen mit einem Betrag von 3.676.997,99 Euro zusätzlich belastet. Hierbei handele es sich um den Anteil, der die entsprechenden standardisierten Leistungsausgaben des RSA für alle Krankenkassen überschreite. Diesen müsse die Klägerin selbst finanzieren; sie habe insoweit keinen Anspruch auf vollständigen Ausgleich. Im übrigen sei es ohne einen unvertretbar hohen bürokratischen Aufwand nicht möglich, GKV-Durchschnittsausgaben als standardisierte Leistungsausgaben für das Ausgabenprofil versicherungsfremder Leistungsausgaben gesondert darzustellen. Diese Ausgaben seien in jedem RSA-Hauptleistungsbereich mit unterschiedlicher Gewichtung enthalten. Überdies könnten die Auswirkungen der Beitragsfreiheit für Erziehungsgeld, Mutterschaftsgeld und Elternzeit nicht quantifiziert werden und würden somit nicht in den Verteilungsschlüssel einfließen. Spätestens ab dem Kalenderjahr 2006, in dem die versicherungsfremden Leistungsausgaben der Krankenkassen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro vollständig kompensiert werden sollten, würden dann die verteilten Finanzmittel die maßgeblichen Schlüsselgrößen übertreffen. Nicht zuletzt die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten bestätigt, dass hier ein verwaltungsfreundliches Verfahren etabliert worden sei, welches Verteilungsgerechtigkeit und solidarische Finanzierung von Leistungsausgaben im RSA rechtslogisch und systemgerecht in Einklang bringe. Im übrigen habe der Gesetzgeber mit den §§ 221 Abs. 2 und 266 Abs. 7 SGB V das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung ermächtigt, jeweils durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Ausgestaltung der Verfahren RSA und pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen zu erlassen. Hierauf könnten die Verordnungsänderungen gestützt werden. Im übrigen bildeten die standardisierten Leistungsausgaben nur eine Größe bei der Berechnung des Beitragsbedarfs. Deren Ermittlung sei zwingende Voraussetzung zur späteren Berechnung des Beitragsbedarfs. Auf dieser Grundlage getroffene Regelungen beruhten daher auf § 266 Abs. 7 Nr. 1 und 2 SGB V, da mit der Konkretisierung der standardisierten Leistungsausgaben zwangsläufig die Berechnung des Beitragsbedarfs verbunden sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der Beitragsbedarf der Krankenkasse hier nicht angepasst werde. Lediglich zu Zwecken der Verrechnung der versicherungsfremden Leistungen würden die den Krankenkassen überwiesenen Beträge zurückgefordert und ausgleichsbedarfsmindernd verrechnet, so dass die finanzielle Entlastung direkt über die Minderung der Finanzkraft erfolge. Im übrigen seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die von der Klägerin beanstandeten Verordnungsbestimmungen sich nicht innerhalb der vom Bundessozialgericht zitierten Maßstäbe gehalten hätten. Ein Verstoß gegen das Wesentlichkeitsprinzip sei nicht erkennbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Denn die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Vielmehr stellt sich der Bescheid vom 07.04.2005 in vollem Umfang als rechtmäßig dar, so dass weder der Haupt- noch der Hilfsantrag der Klägerin Erfolg haben konnte. Der Bescheid steht im Einklang mit der PauschAV (hier: insbesondere § 4) sowie mit der RSAV (hier: insbesondere § 10 Abs. 1 Nr. 2) sowie den übergeordneten Vorschriften der §§ 221, 266 SGB V. Der Gesetzgeber hat ab 2004 mit dem neuen § 221 SGB V eine Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die sog. versicherungsfremden Leistungen eingeführt. Als versicherungsfremd sind unter dem Gesichtspunkt der Steuerfinanzierung Leistungen zu werten, welche nach ihrer Zielsetzung allgemeine öffentliche Aufgaben und – jedenfalls nicht in erster Linie – dem Solidarausgleich der Versichertengemeinschaft zuzuordnen sind. Mit dem Bundeszuschuss soll sichergestellt werden, dass diese Leistungen zumindest teilweise aus Steuermitteln finanziert und nicht von der Solidargemeinschaft der GKV getragen werden müssen. Die zunächst vorgesehene Koppelung an das Aufkommen des Bundes aus der Erhöhung der Tabaksteuer wurde aufgegeben. Nach § 266 Abs. 1 SGB V wird zwischen den Krankenkassen jährlich ein RSA durchgeführt. Dabei sollen die Zahlungen der ausgleichsverpflichteten Kassen in den RSA und die Zahlungen an die ausgleichsberechtigten Kassen aus dem RSA sich ausgleichen (Null-Summen-Spiel). Die Höhe des Ausgleichsanspruchs oder der Ausgleichsverpflichtung einer Krankenkasse wird durch Vergleich ihres Beitragsbedarfs mit ihrer Finanzkraft ermittelt. Der Beitragsbedarf einer Krankenkasse ist die Summe ihrer standardisierten Leistungsausgaben (§ 266 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB V). Die standardisierten Leistungsausgaben sind im Rahmen der Rechenschritte zur Durchführung des RSA also ein wesentliches Element. Bei der Ermittlung dieser standardisierten Leistungsausgaben bleiben die von Dritten erstatteten Ausgaben außer Betracht (§ 266 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB V), also auch die vom Bund nach § 221 SGB V gewährten Beteiligungen an den Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Jahr 2004. Das „Nähere“ über die Verteilung des Bundeszuschusses für die versicherungsfremden Leistungen nach § 221 Abs. 1 SGB V einerseits sowie unter anderem Art und Umfang der für die Durchführung des RSA erforderlichen Daten und schließlich das Verfahren und die Durchführung des RSA andererseits regelt stets das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. Die Detailfragen hat mithin bei beiden Vorschriften der Gesetzgeber dem o.g. Bundesministerium (im Folgenden: BMG) überlassen. Das BMG hat aus dieser rechtlichen Grundlage im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften des SGB V einerseits die PauschAV, andererseits die Ergänzung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV verordnet. Vor Artikel 1 der PauschAV und der Verordnung zur Änderung der RSAV hat der Verordnungsgeber zu Recht § 266 Abs. 7 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 221 Abs. 2 SGB V als Rechtsgrundlagen genannt (vgl. Bundesrat-Drucksache 159/04, S. 1). Die Befugnis des BMG zur Anpassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV zeitgleich mit der Verordnung der PauschAV ergibt sich zusätzlich aus § 266 Abs. 7 Nr. 2 SGB V (Abgrenzung der zu berücksichtigenden Leistungsausgaben nach Abs. 2 und 4 …). Nach Auffassung der Kammer ist die amtliche Begründung zur Verordnung über die Verteilung der pauschalen Abgeltung für Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen durch den Bund und zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung zutreffend und sachgerecht. Auf S. 10 der Bundesrat-Drucksache 159/04 wird diesbezüglich ausgeführt:

„Die Regelung (gemeint ist die Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV) setzt die vom Gesetzgeber geforderte Berücksichtigung von Erstattungen im Risikostrukturausgleich (§ 266 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB V) in Bezug auf die den Krankenkassen nach Art. 1 zufließenden Abgeltungsbeträge des Bundes um. Sie stellt dabei sicher, dass die entsprechenden Leistungsausgaben für die am RSA beteiligten Krankenkassen nicht zweifach ausgeglichen werden. Der in § 221 Abs. 1 S. 1 SGB V ab dem Jahr 2006 maßgebende Betrag von 4,2 Milliarden Euro soll die versicherungsfremden Leistungen pauschal abgelten. Diese werden für die am RSA beteiligten Krankenkassen bereits über den RSA mit insgesamt 0,4 Ausgleichsbedarfsatz-Punkten ausgeglichen – zum einen durch die Berücksichtigung der entsprechenden Leistungsausgaben bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben und zum anderen durch den Ausgleich der entsprechenden Beitragsausfälle (bei Bezug von Mutterschafts- und Erziehungsgeld bzw. Inanspruchnahme von Elternzeit) im Finanzkraftausgleich. Die nach Art. 1 der Krankenkasse zufließenden Beträge sind daher im RSA ausgleichsmindernd zu berücksichtigen, andernfalls würden die von den anderen Krankenkassen über den RSA bereits solidarisch finanzierten Aufwendungen der betreffenden zahlungsberechtigten Krankenkasse doppelt ausgeglichen. Diese wirtschaftlich und rechtlich nicht vertretbare Folge wird durch die Regelung in Art. 2 vermieden, indem der RSA-Beitragsbedarf der betreffenden Krankenkasse um den nach Art. 1 jeweils zufließenden Betrag reduziert wird. Soweit Krankenkassen auch nach dem durchgeführten Ausgleich durch Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen zusätzlich belastet bleiben, handelt es sich um den Anteil dieser Ausgaben, der die entsprechenden standardisierten Leistungsausgaben des RSA für alle Krankenkassen überschreitet. Die Krankenkasse muss den über dem Durchschnitt liegenden Anteil durch zusätzliche Beitragssatzpunkte selbst finanzieren. Der damit einhergehende Anreiz zur Wirtschaftlichkeit gehört zu den grundlegenden Steuerungswirkungen des RSA und ist vom Gesetzgeber gewollt.“

Schließlich vermochte sich die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV gegen das Wesentlichkeitsprinzip verstößt. Vielmehr hat der Gesetzgeber selbst in § 266 Abs. 2 sowie Abs. 4 Nr. 1 SGB V alle wesentlichen Elemente geregelt. Mit dem geänderten § 10 Abs. 1 Nr. 2 RSAV werden diese gesetzgeberischen Vorgaben lediglich praktisch umgesetzt. Im übrigen geht die Kammer mit dem Bundessozialgericht (vgl. Urteil vom 23.01.2003 – B 12 KR 19/01 R) davon aus, dass die Verordnungsermächtigung des § 266 Abs. 7 SGB V die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz erfüllt. Danach muss das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Welche Anforderungen dazu erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme abhängig. Geringere Anforderungen sind bei vielgestaltigen Sachverhalten zu stellen. In § 266 SGB V hat der Gesetzgeber selbst die Entscheidung für den RSA, dessen Ziel und den Umfang der Ausgleichspflicht getroffen. Die wesentlichen Maßstäbe für die Abgrenzung der Versichertengruppen, für die Ermittlung des Finanzbedarfs und der Finanzkraft sowie für das Ausgleichsverfahren sind im Gesetz geregelt. Dieser gesetzliche Rahmen grenzt in Verbindung mit der Verordnungsermächtigung (§ 266 Abs. 7 SGB V) und der vorausgegangenen Rechtssprechung die Befugnisse des Verordnungsgebers hinreichend ab. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 18.07.2005 (2 BvF 2/01) betont, dass die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgendmöglich gefasst sein muss, sondern nur hinreichend bestimmt zu sein hat. Dazu genügt es, wenn sich die dort geforderte Bestimmtheit durch Auslegung nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm kann herangezogen werden. Die Detailfragen darf der Gesetzgeber der Exekutive zur Beantwortung überlassen. Was die Vorhersehbarkeit einer gesetzlichen Ermächtigung anbelangt, so mag es zwar für Bürger schwer einzuschätzen sein, welchen konkreten Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann. Dies liegt aber nicht an der mangelnden Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung, sondern an der Komplexität der Materie selbst. Im Hinblick auf die künftigen Adressaten der Vorschrift, – wie hier die Krankenkassen – ist der Inhalt, den eine Rechtsverordnung haben könnte, jedoch ausreichend gesetzlich vorgeprägt.

Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die Verrechnung des Jahresabgeltungsbetrages unter Berücksichtigung der geleisteten vorläufigen Abgeltungsbeträge mit den Ausgleichsansprüchen und -verpflichtungen der Krankenkassen in dem für den Zeitraum des gesamten Vorjahres durchzuführenden Ausgleich nach § 17 Abs. 3 a S. 1 der RSAV, bei Nichtdurchführung dieses Ausgleichs im monatlichen Ausgleich für den Monat April des Folgejahres in § 4 Abs. 3 PauschAV ausdrücklich geregelt ist. Ergänzend bestimmt § 4 Abs. 6 PauschAV, dass das Bundesversicherungsamt im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen das Verteilungsverfahren vereinfachen kann. Die Beklagte hatte diesbezüglich schon darauf hingewiesen, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen bestätigt hätten, dass hier ein verwaltungsfreundliches Verfahren etabliert worden sei, welches Verteilungsgerechtigkeit und solidarische Finanzierung von Leistungsausgaben im RSA rechtslogisch und systemgerecht in Einklang bringe. Die Klage konnte deshalb insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war auf den im Sozialgerichtsverfahren maximal möglichen Wert von 2,5 Mio. Euro festzusetzen (vgl. § 52 Abs. 4 GKG).