Sozialgericht Landshut S 1 KR 140/14

SOZIALGERICHT LANDSHUT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

in dem Rechtsstreit

……………

– Klägerin –

Proz.-Bev.: ……………

gegen

……………

– Beklagte –

Proz.-Bev.: ……………

Krankenversicherung

Die 1. Kammer des Sozialgerichts Landshut hat auf die mündliche Verhandlung in Landshut

am 26. November 2015

durch den Präsidenten des Sozialgerichts Biermeier als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Zehentbauer und Peller für Recht erkannt:

l. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.987,29 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab
03.01.2014 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 3.987,29 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1
Streitig ist, ob Vergütungsansprüche der Klägerin aus der stationären Behandlung von Versicherten der Beklagten durch Aufrechnung teilweise erloschen sind.

2
Die Klägerin ist Trägerin der _____klinik_____ einem nach § 109 Abs.4 SGB V zugelassenen Krankenhaus. Im Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt
der Patienten werden von den Krankenhausärzten regelmäßig Hilfsmittel verordnet, die im ambulanten Versorgungsweg beschafft und mit der Krankenkasse gesondert abgerechnet werden. In den’hier streitigen Fällen handelt es sich irh Einzelnen um Bandagen bzw. Lagerungsshilfen, Knieorthesen, Vorfußentlastungsschuhe sowie Verbandsschuhe.

3
Mit Schreiben vom 05.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin erstmals mit, dass die Kosten für diese Hilfsmittel mit den Behandlungskosten für den stationären Krankenhausaufenthalt abgegolten seien und eine nochmalige Abrechnung eine Doppelfinanzierung darstelle. § 2 Abs.1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) stelle klar, was zu den Krankenhausleistungen gehöre: Danach seien Krankenhausleistungen insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege sowie Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind. Die im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung entstehenden Kosten seien folglich durch die vereinbarten DRG-Fallpauschalen, Zusatzentgelte oder Tagespflegesätze abgegolten. Insgesamt forderte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 16.207,27 Euro für die Jahre 2009 bis 2012 von der Klägerin zurück.
Beigefügt war eine Auflistung von 128 Fallzahlen betreffend stationäre Behandlungen von Versicherten der Beklagten.

4
Die Klägerin wies die Forderung unter Hinweis auf § 7 des Nachtrages Nr. 1 vom 10.02.1997 zum Bayerischen Landesvertrag gem. § 115 Abs.1 SGB V zu § 115 Abs.2 Nr. SGB V zurück. Danach könnten Hilfsmittel, die für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt bestimmt und damit nicht Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen seien, jedoch bereits zum Zeitpunkt der Entlassung benötigt werden, vom Krankenhaus zu Lasten der Krankenkasse mit dem Verordnungsblatt Muster 16 verordnet werden. Diesen Vertrag habe die Klägerin eingehalten und damit den nahtlosen Übergang zwischen den Behandlungsformen sichergestellt.

5
Mit Schreiben vom 20.12.2013 bekräftigte die Beklagte ihre Auffassung, wonach die streitigen Hilfsmittel Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen seien und führte aus: „Zur Abwendung der Verjährung unserer Ansprüche aus dem Jahr 2009 waren wir gezwungen, einen Betrag in Höhe von 3.987,29 Euro gegen unstreitige Krankenhausvergütungen aufzurechnen”. Mit der Überweisung von Krankenhausvergütungen für das laufende Jahr 2013 zahlte die Beklagte eine um diesen Betrag geminderte Summe an die Klägerin (Wertstellung: 03.01.2014).

6
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die von der Beklagten einbehaltenen (unstreitigen) Vergütungsansprüche geltend. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Klägerin habe Verordnungen für Hilfsmittel ausgestellt, die von den Patienten im Anschluss an die Entlassung aus der stationären Behandlung benötigt wurden. Eine Verordnung bereits durch die Klägerin sei in diesen Fällen erforderlich, da der betroffene Patient das Hilfsmittel entweder bereits zum Zeitpunkt der Entlassung benötige oder weil das Hilfsmittel für den Gebrauch durch den Patienten angepasst werden müsse. Hierbei handle es sich gerade nicht um eine Doppelfinanzierung, sondern um eine sinnvolle Ergänzung, da diese Hilfsmittel ohnehin vom ambulant behandelnden Arzt verordnet werden müssten. Um einen nahtlosen Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung zu ermöglichen und Wartezeiten des Patienten auf dringend benötigte Hilfsmittel zu vermeiden, sei eine solche Verordnung durch das Krankenhaus zweckmäßig. Für die Beurteilung, ob es sich um eine Verordnung im Sinne des § 7 handle, sei entscheidend, ob der Schwerpunkt der Nutzung des Hilfsmittels in der stationären oder in der ambulanten Behandlung liege. In den hierin Frage stehenden Fällen seien die Hilfsmittel für die ambulante Behandlung benötigt worden. Im Übrigen sei ein eventueller Rückerstattungsanspruch aus dem Jahre 2009 verjährt.

7
Die Buchung sei erst am 03.01.2014 auf dem Konto der Klägerin erfolgt. Diese konnte somit frühestens zu diesem Zeitpunkt davon Kenntnis haben, dass die Beklagte den streitigen Betrag mit den laufenden Zahlungen verrechnen wollte. Dem behaupteten Rückerstattungsanspruch stehe auch der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus erforderten eine professionelle Zusammenarbeit der Beteiligten innerhalb eines dauerhaften Vertragsrahmens. In diesem Rahmen sei auch eine gegenseitige Rücksichtnahme geboten. Die Beklagte sei mehr als 4 Jahre untätig geblieben, so dass die Klägerin nicht mehr damit rechnen musste, dass Rechnungen über verordnete Hilfsmittel aus dem Jahre 2009 beanstandet werden.

8
Die Beklagte trat der Klageforderung mit Schriftsatz vom 21.08.2014 entgegen. Sie vertritt die Auffassung, dass sie die streitigen Hilfsmittel doppelt bezahlt habe, zum einen über die Fallpauschale für den vollstationären Aufenthalt der Versicherten, zum anderen aufgrund Rechnungsstellung des Sanitätshauses. Aufgrund dessen stehe ihr ein Rückzahlungsanspruch in Form eines öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruchs zu. Bei der Abrechnung des stationären Aufenthaltes sei der „innerhalb der DRG auf das verordnete Hilfsmittel entfallende Betrag ohne rechtlichen Grund erbracht (worden), weil die Klägerin die so bereits abgegoltene Leistung nicht auf eigene Kosten erbracht” habe. Die DRG umfasse grundsätzlich die vollständige Krankenhausbehandlung, mithin im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses gem. § 39 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind. Auch müsse beachtet werden, dass der Vereinbarung von Fallpauschalen stets eine Mischkalkulation zugrunde liege. Die Kostentragungspflicht richte sich schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht, wie die Klägerin anführe, nach dem zeitlichen Schwerpunkt der Verwendung des Hilfsmittels, sondern vielmehr nach dem erstmaligen Einsatz des Hilfsmittels im Rahmen einer Behandlung. Es handle sich dann kostenrechtlich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, sondern um eines nach § 39 SGB V. Vor allem Orthesen würden nach einer OP zur Ruhigstellung häufig anstelle eines angepassten Hilfsverbandes verordnet, die Kosten für den Gips damit eingespart und durch die Abrechnung nach Verordnung zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse im Ergebnis doppelt beglichen. In den streitigen Fällen habe die Klägerin daher aufgrund der Abrechnung des Sanitätshauses mit der Beklagten bzw. mit der Verordnung des Hilfsmittels eigene Aufwendungen erspart und folglich einen Vermögensvorteil erlangt. Dieser sei entsprechend § 818 Abs.2 BGB analog in Form eines Wertersatzes an die Beklagte zu leisten.

9
Die Aufrechnung sei auch wirksam. Bereits im Schreiben vom 02.12.2013 habe die Beklagte ihren Aufrechnungswillen klar bekundet. Nachdem die Beklagte nicht bezahlt habe, sei ihr außerdem mit Schreiben vom 20.12.2013 mitgeteilt worden, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.987,29 Euro zur Sicherung der Forderungen aus dem Jahr 2009 aufgerechnet habe. Eine unzulässige Rechtsausübung liege nicht vor. Die Beklagte gehe bei der Beantragung von Hilfsmitteln während stationärer Behandlung davon aus, dass die Verordnung allein im Rahmen des Entlassmanagements im Sinne des § 39 Abs.1 Satz 4 SGB V erfolge und das jeweilige Hilfsmittel nur für die ambulante Versorgung zuhause verordnet und beantragt werde. Dass die Beklagte auf das korrekte Verhalten ihres Vertragspartners vertraut habe, könne ihr nicht als widersprüchliches Verhalten angelastet werden.

10
Mit Schriftsatz vom 22.10.2014 wies die Klägerin darauf hin, dass die Beklagte bis dato nicht dargelegt habe, für welchen Patienten und welches Hilfsmittel konkret der von ihr behauptete Erstattungsanspruch bestehe. Die Klageerwiderung führe lediglich beispielhaft auf, um welche Art Hilfsmittel es sich handle bzw. handeln könnte; weder ordne sie diese Hilfsmittel einem bestimmten Patienten zu, noch werde erläutert, warum im konkreten Einzelfall die Verordnung nicht §7 des Vertrages gem. § 115 Abs.1 SGB V zu § 115 Abs.2 Nr. 2 SGB V entsprechen solle. Es fehle somit an einer substantiierten Darlegung des Ersatzanspruches.

11
Weiter wurde von der Klägerin vorgetragen: Die streitgegenständlichen Hilfsmittel hätten der Versorgung der Patienten nach Entlassung aus dem stationären Bereich gedient. Die Bestellung dieser Hilfsmittel erfolge möglichst frühzeitig, da zum einen die Lieferzeit eingeplant werden müsse und zum anderen, damit eine Anpassung der Hilfsmittel, welche regelmäßig erforderlich sei, noch vor der Entlassung vorgenommen werden könne. Dies entspreche den Vorgaben des § 39 SGB V, wonach die Krankenhausbehandlung auch ein Entlassmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die ambulante Versorgung umfasse. Während des stationären Aufenthalts der Patienten sei es auch nicht notwendig gewesen, diese mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln zu versorgen; Therapieziel und Versorgung der Patienten hätten sich auch mit Verbänden, Unterarmgehstützen, Anlegen eines Gipses etc. erreichen lassen.

12
Hilfsmittel, die nach der Entlassung nicht mehr benötigt werden, würden entsprechend § 2 Krankenhausentgeltgesetz ausnahmslos von der Klinik zur Verfügung gestellt.

13
Die Klägerin habe unbeanstandet über einen langen Zeitraum hinweg Hilfsmittel verordnet und durch den Zeitablauf habe sich bei ihr die Gewissheit verfestigt, dass ihr Vorgehen korrekt sei. Dies müsse umso mehr gelten, als – zumindest bei der Klägerin – die Beklagte die einzige Krankenkasse sei, die eine derartige Abrechnungsfähigkeit bestreite.

14
Mit Schriftsatz vom 15.06.2015 trug die Beklagte erstmals einzelfallbezogen vor. Danach resultiert die behauptete Gegenforderung der Beklagten aus 11 Vorfußentlastungsschuhen, 6 Schultergelenkbandagen/-orthesen, 1 Stoßabsorber/Fersenkissen, 3 Knierahmenorthesen, 2 HWS Stabilisierungsorthesen sowie 3 Verbandsschuhen.

15
Die Frage, welche Versorgung der Versicherten hier notwendig gewesen sei, könne dahinstehen. Denn die Klägerin habe die Patienten/Versicherten der Beklagten bewusst und zielgerichtet mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln bereits im Rahmen der vollstationären Krankenhausbehandlung versorgt. Dies bedeute, dass diese Hilfsmittel von der Klägerin selbst als integraler Bestandteil der jeweiligen Behandlung verwendet wurden. Die in § 7 der bayerischen Musterpflegesatzvereinbarung genannte Fallgruppe sei vorliegend nicht streitig. Denn sie betreffe ausschließlich die ambulante Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln, die im Krankenhaus aus medizinischer Sicht noch nicht benötigt werden bzw. zum Einsatz gekommen sind. Denkbare Hilfsmittel dieser Fallgruppe seien etwa Rollstühle, Pflegebetten oder Toilettensitzerhöhungen. Auch auf den Schwerpunkt der zeitlichen Nutzung komme es nicht an. Anknüpfungspunkt für die Frage, wer die Kosten zu tragen habe, sei ausschließlich der erstmalige Einsatzbedarf. In diesem Sinne habe auch das Sozialgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 09.07.2015 Az: S 7 KR 197/14 entschieden.

16
Mit Schriftsatz vom 14.11.2015 legte die Beklagte ferner ein Gutachten der IMB Consult GmbH Bochum vor, worin zahlreiche Hilfsmittel beschrieben werden, die bei der Hilfsmittelversorgung im Krankenhaus Anwendung finden. Die Klägerin legte schließlich noch „Hinweise zur DRG-Kostenkalkulation (ab dem Datenjahr 2013) des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH vor. Darin wird u.a. ausgeführt: „Vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter (z.B. die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln), deren Kosten durch den Leistungserbringer jedoch nicht dem Krankenhaus, sondern unmittelbar dem Patienten bzw. dessen Krankenversicherung in Rechnung gestellt werden, finden bei der Kalkulation der Behandlungskosten keine Berücksichtigung.”

17
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Antrag,

die Beklagte zur Zahlung von 3.987,29 Euro an die Klägerin zu verurteilen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.01.2014.

18
Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten stellte den Antrag,

die Klage abzuweisen.

19
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

20
Die Klage ist zulässig; sie ist auch begründet.

21
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus der Behandlung von Versicherten der Beklagten unstreitig einen Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe (§ 109 Abs.4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz und der einschlägigen Pflegevereinbarung). Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Es fehlt zum einen bereits an einer wirksamen, hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung (a), zum anderen war die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung – soweit sie überhaupt besteht – nicht fällig (b).

22
a) Es ist bereits fraglich, ob eine – rechtzeitige – Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB vorliegt. Das Schreiben der Beklagten vom 02.12.2013 enthält lediglich die Ankündigung einer Aufrechnung, die um einen Betrag in Höhe von 3.987,29 Euro gekürzte Überweisung wurde dem Konto der Klägerin erst am 04.01.2014, also nach Ablauf der Verjährungsfrist gutgeschrieben. Ob das Schreiben der Beklagten vom 20.12.2013, trotz der seltsamen Formulierung „… waren wir gezwungen …. aufzurechnen” im Wege der Auslegung als wirksame Aufrechnungserklärung zu werten ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls fehlt es bei dieser Erklärung an der notwendigen Bestimmtheit. Da die beiderseitigen Forderungen nur insoweit erlöschen, als sie sich decken, müssen Art und Umfang der Erklärung eindeutig bezeichnet sein. Dazu gehören insbesondere Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, Bezugszeiten, Fälligkeit der Forderung sowie die Darlegung, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt ist (BSG vom 24.07.2003, B 4 RA 60/02 R).

23
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 20.12.2013 offenbar nicht. Es wird lediglich eine Summe mitgeteilt, die die vermeintlichen Ansprüche der Beklagten aus angeblich unrechtmäßig verordneten Hilfsmitteln im Jahr 2009 beziffert. Erstmals mit Schriftsatz vom 15.06.2015 hat die Beklagte die einzelnen Versicherten und die Hilfsmittel benannt, die die Grundlage für die behauptete Gegenforderung bilden sollen. Diese, weit nach Ablauf der Verjährungsfrist nachgereichte Begründung vermag jedoch die ursprünglichen Mängel der Aufrechnungserklärung nicht mehr zu heilen.

24
Auf einen weiteren Gesichtspunkt ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen: Voraussetzung des einseitigen Gestaltungsrechts der Aufrechnung, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gem. § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der wirksamen Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss dabei uneingeschränkt wirksam und fällig sein, die Hauptforderung muss jedoch lediglich erfüllbar sein (vgl. Urteil des LSG Bayern vom 14.07.2012 – L 5 KR 461/13 m.w.N.). Vorliegend beruht die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aus einem von der Beklagten lediglich behaupteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bzw. Schadensersatzanspruch. Die Klägerin ist dieser Forderung von Anfang an vehement entgegengetreten und bestreitet deren Berechtigung schon dem Grunde
nach. Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte ein vollkommen falsches Verständnis vom Rechtsinstitut der Aufrechnung, wenn die glaubt, ihre vermeintlichen Erstattungsansprüche kurzerhand im Wege der Aufrechnung durchsetzen zu können. Die Aufrechnung führt zu einer Tilgungserleichterung und hat Vereinfachungsfunktion. Die Aufrechnung dient nicht dem Zweck, dem Schuldner Klarheit über das Erfüllungsverlangen zu verschaffen, sondern ist Surrogat der Erfüllung (BAG, Urteil vom 01.02.2006 – 5 AZR 395/05).

25
b) Selbst wenn man – entgegen der Auffassung der Kammer – die Aufrechnungserklärung als hinreichend bestimmt ansehen würde, käme man zu keinem anderen Ergebnis: Die zur Aufrechnung gestellte angebliche Gegenforderung war aufgrund der Besonderheiten von § 12 Ziff.2 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung 2009 nicht fällig. Somit bestand jedenfalls aus diesem Grund keine Aufrechnungslage. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind landesrechtliche Besonderheiten bei der Erklärung der Aufrechnung zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts stellt § 12 der Pflegesatzvereinbarung 2009 nicht lediglich-eine Verfahrensbestimmung dar, vielmehr haben die Beteiligten eine zweistufige Fälligkeit vertraglich geregelt, an die sie sich halten müssen. Danach hat die Krankenkasse, wenn das Krankenhaus die Rechnung nicht selbst storniert, den behaupteten öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch einzuklagen. Erst 3 Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung ist der Betrag zurückzuzahlen, erst dann kann auch aufgerechnet werden (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 24.09.2015 – L 5 KR 244/13, m.w.N.).

26
Vorliegend hat die Beklagte, trotz Kenntnis der Rechtsauffassung des Bayerischen Landessozialgerichts, diesen Weg nicht beschriften, sondern stattdessen die Aufrechnung erklärt. Damit konnte sie aber, wie ausgeführt, die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche der Klägerin nicht zum Erlöschen bringen.

27
Der Klage war daher stattzugeben.

28
Auf die Frage, ob die behauptete Gegenforderung dem Grunde oder der Höhe nach überhaupt besteht, kam es für die Entscheidung nicht an. Nicht tragfähig ist jedenfalls die Argumentation der Beklagten, soweit sie eventuelle Einsparungen auf Seiten des Krankenhauses aufgrund der verordneten Hilfsmittel (z.B. Orthese anstatt Gips-Verband) gleichsetzt mit den Kosten des verordneten Hilfsmittels. Im Übrigen werden die hier streitigen Hilfsmittel ausnahmslos vom Patienten auch nach der Entlassung benötigt, um den Erfolg der Behandlung sicher zu stellen; sie sind damit Teil der ambulanten Versorgung. Dass sie bereits im Krankenhaus angepasst und für einen kurzen Zeitraum verwendet werden, macht sie nicht zu „allgemeinen Krankenhausleistungen” im Sinne von § 7 des zitierten Bayerischen Landesvertrages.

29
Die Alternative für die Krankenhäuser liegt auf der Hand: Die Patienten müssten bei der stationären Aufnahme eine entsprechende Verordnung des einweisenden Arztes vorlegen, damit das Hilfsmittel vom Krankenhaus besorgt, angepasst und bei der Entlassung mitgegeben werden kann. Dieses umständliche Procedere zu vermeiden, war gerade der Sinn der in § 7 getroffenen, dreiseitigen Vereinbarung. Ein letzter Gesichtspunkt: Die Verordnung der hier streitigen und anderer Hilfsmittel, die bereits im Rahmen der Krankenhausbehandlung Verwendung finden, wurde über viele Jahre hinweg weder von der Beklagten noch von anderen Krankenkassen beanstandet. Die Klägerin durfte demnach, ebenso wie die anderen Krankenhäuser, jedenfalls bis zum Aufgreifen dieser Thematik im Jahre 2013 seitens der Beklagten, darauf vertrauen, dass diese Praxis Vertrags- und gesetzeskonform ist. Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Krankenhausärzte, wie von der Beklagten ebenfalls vorgetragen, lässt sich nach Überzeugung der Kammer unter diesen Umständen wohl kaum begründen.

30
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB i.V.m. der gültigen Pflegesatzvereinbarung.

31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs.2 VwGO.

32
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs.1 und 3 sowie § 47 Abs.1 G KG.