Bundessozialgericht B 1 A 1/09 R

 

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Kassel, den 22. Juni 2010

Medieninformation Nr. 24/10

Krankenkasse darf Versicherten keine Prämien zahlen, wenn sie Leistungen in Anspruch nehmen

Die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, eine Satzungsänderung der klagen­den, bundesweit tätigen Betriebskrankenkasse (BKK) zu genehmigen, die eine vom Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen abhängige Staffelung der Prämien für ihre Versicherten vorsieht. Das hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts nach mündlicher Verhandlung am Dienstag, dem 22. Juni 2010 entscheiden. Die Betriebskrankenkasse regelt in § 8a ihrer Satzung die “Wahltarifprä­mienzahlung”. Danach erhalten Mitglieder, die dort im abgelaufenen Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung, wenn sie und ihre mitversicherten Familienangehöri­gen in diesem Kalenderjahr keine Leistungen in An­spruch genommen haben. Die Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen ist für die Prämienzah­lung unschädlich. Der Verwaltungsrat der Betriebs­krankenkasse beschloss im Jahr 2007, einen Nach­trag zur Satzung einzufügen, wonach ärztliche oder zahnärztliche Behandlung mit einer Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln im Kalen­derjahr die Prämienzahlung um 40 Euro mindert, zwei entsprechende Ver­ordnungen im Kalenderjahr die Prämie um 80 Euro mindern und jede weitere Verordnung eine Prämienzahlung ausschließt. Das Bundesversicherungsamt lehnte es als zuständige Aufsichtsbehörde ab, den Satzungsnachtrag zu genehmigen. Zu Recht, wie nun das Bundessozialgericht entschied, da die Staffelprämie gegen § 53 Abs 2 SGB V verstößt. Das Gesetz bestimmt abschließend, dass nur die völlige ganzjährige Nicht­inanspruchnahme einschlägiger Leistungen zu Prämienzahlungen berechtigt: Es gilt das “Alles oder Nichts-Prinzip”. Es waren keine Ausnahmen betroffen, deren Inanspruchnahme hierbei etwa aus Gründen der Prävention, des Schutzes bei Schwanger- und Mutterschaft oder aus Gründen des Min­derjährigenschutzes “unberücksichtigt” zu bleiben haben. Die Klägerin konnte auch keine Gleich­behandlung mit anderen Krankenkassen hinsichtlich der Genehmigungspraxis einfordern. Auf die europarechtlichen Wettbewerbsregeln für Unternehmen kann sie sich schon im Ansatz nicht berufen, denn Krankenkassen sind auch heute keine Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbs­rechts. Ebenso wenig gibt es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Az.:  B 1 A 1/09 R                              Daimler BKK ./. Bundesrepublik Deutschland

Hinweis auf Rechtsvorschriften: 

§ 53 Abs 1, 2 und 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Wahltarife in der Fassung vom 26.3.2007 (BGBl I 378)

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Ange­hörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied ge­zahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteige­rungen, die durch diese Maßnahmen erzielt werden, finanziert werden. Die Krankenkassen haben regelmäßig, mindestens alle drei Jahre über diese Einsparungen gegenüber der zuständigen Auf­sichtsbehörde Rechenschaft abzulegen.