Sozialgericht Lübeck S 1 KR 485/04

Sozialgericht Lübeck

Urteil vom 07.01.2003 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Lübeck S 1 KR 485/04

 
 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.469,39 EUR nebst 2 % Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes der EZB seit dem 07.01.2003 zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten. Der Streitwert wird auf 2.469,39 EUR festgesetzt. Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Gottorfstr. 2 24837 Schleswig schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Lübeck Eschenburgstraße 3 23568 Lübeck schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Lübeck schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung ist gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Ziffer d, 25 Abs. 3 GKG die Beschwerdemöglichkeit gegeben. Diese ist innerhalb von 6 Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Die Beschwerde ist bei dem Sozialgericht Lübeck, Eschenburgstr. 3, 23568 Lübeck, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 EUR übersteigt.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung.

In der Klinik der Klägerin wurde im Zeitraum vom 02. Januar bis zum 06. März 2002 die bei der Beklagten krankenversicherte Patientin D M , geb. am 1980, vollstationär behandelt. Der die Patientin behandelnde Arzt für Psychiatrie Dr. E hatte eine vollstationäre Krankenhausbehandlung am 05. Dezember 2001 wegen einer akuten psychischen Dekompensation verordnet. Zunächst wurde die Patientin in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Lübeck vom 18. Dezember bis zum 27. Dezember 2001 vollstationär behandelt. Die dortigen Diagnosen im Entlassungsbericht vom 15. Januar 2002 lauteten: Anpassungsstörung (F43.2) sowie Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ (F60.31). Die dortige Behandlung wurde mit dem Hinweis auf eine geplante stationäre Psychotherapie am 02. Januar 2002 beendet.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die Patientin von der Klägerin zur vollstationären Behandlung aufgenommen. Die Aufnahmediagnosen lauteten: Affektive Störungen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. Die Beklagte ließ nach der Anzeige der Aufnahme ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein fertigen (11. Januar 2002). Der Gutachter Dr. B empfahl eine Kostenübernahme für die Dauer von sechs Wochen, mithin bis zum 12. Februar 2002. Nach einer Verlängerungsanzeige der Klägerin vom 24. Januar 2002 ließ die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK fertigen (30. Januar 2002). Der Gutachter führte aus, die Notwendigkeit der stationären Behandlung bis zum 06. März 2002 könne empfohlen werden. Eine medizinisch zwingende Notwendigkeit für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung gehe jedoch aus den Unterlagen nicht zwingend hervor. Insoweit wurde eine Kostenübernahme nach § 40 SGB V bis zum 06. März 2002 empfohlen.

Mit Schreiben vom 04. Februar 2002 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine weitere Kostenübernahme über den 12. Februar 2002 hinaus ab. Nach einem weiteren Verlängerungsantrag der Klägerin vom 25. Februar 2002 ließ die Beklagte erneut ein Gutachten des MDK fertigen (14. März 2002). Der mit allen drei Gutachten beauftragte Dr. B führte nunmehr aus, bei der Behandlung in dem Zeitraum vom 13. Februar bis zum 06. März 2002 “scheinen rehabilitative Aspekte im Vordergrund zu stehen”. Die Beklagte lehnte daraufhin erneut eine Kostenübernahme über den 12. Februar 2002 hinaus mit Schreiben vom 18. März 2002 ab. Dagegen erhob die Klägerin am 21. März 2002 “Widerspruch” und mahnte den ausstehenden Betrag für den Zeitraum vom 13. Februar bis 05. März 2002 in Höhe von 2.469,39 EUR am 19. Mai 2003 zur Zahlung an.

Mit der am 04. Februar 2004 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung dieses Betrages nebst 2 % Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes der EZB seit dem 07. Januar 2003. Zur Begründung führte sie aus, nach Auffassung des behandelnden Krankenhausarztes sei die Patientin über den gesamten Zeitraum vollstationär krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen. In der Zeit des Klinikaufenthaltes sei am 28. Januar 2002 ein Termin vor einem Gericht zu bewältigen gewesen, zu dem die Patientin als Zeugin in einem Missbrauchsverfahren geladen worden sei. Bereits die erste Verhandlung habe bei ihr zu einer schweren depressiven Krise und Reaktivierung alter Traumatisierungen geführt. Die Patientin habe sich nur deshalb in der Lage gesehen, den Gerichtstermin wahrzunehmen, weil ihr die stationäre Behandlung Sicherheit geboten habe und Probleme durch ärztliche Präsenz aufgefangen werden konnten. Sie sei auch zum Gerichtstermin begleitet worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.469,39 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 07.01.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass sie nur befristet bis zum 12. Februar 2002 eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe und die beiden Verlängerungsanträge negativ beschieden worden seien. Im anschließenden Zeitraum bis zum 06. März 2002 hätten rehabilitative Aspekte im Vordergrund gestanden, so dass grundsätzlich eine Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten eines anderen Kostenträgers durchzuführen gewesen sei. Auch wenn der Gerichtstermin am 28. Januar 2002 eine besondere Belastung für die Patientin bedeutet habe, so müsste diese doch spätestens am 12. Februar 2002 als abgeschlossen gelten.

Die Kammer hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Arztes für Neurologie Dr. P (11. April 2007) eingeholt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 34 bis 54 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin hat dem Gutachten nicht zu folgen vermocht und ausgeführt, der tatsächliche Krankenstand der Patientin sei nicht zutreffend wiedergegeben worden. Die Patientin habe bis zum Entlassungstag eine durchgehende regelmäßige tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapie erhalten und sei zusätzlich in der physiotherapeutischen Abteilung behandelt worden. Sie sei auch regelmäßig ärztlich visitiert worden, habe daneben regelmäßig am autogenen Training und an der Gymnastik teilgenommen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass sie latent suizidal gewesen und auf die tragfähige Beziehung zur Therapeutin mit der Möglichkeit der täglichen Ansprache angewiesen gewesen sei. Auch der MDK-Gutachter habe eine stationäre Behandlung bis zum 06. März 2002 für gerechtfertigt gehalten. Es muss auch berücksichtigt werden, dass eine Verlegung in eine Rehabilitationsklinik einen Wechsel der therapeutischen Bezugsperson mit sich gebracht hätte. Allein dieses hätte bei der Patientin zu einer Destabilisierung geführt. Es sei dringend erforderlich gewesen, dass die Beziehung der Patientin zur Therapeutin erhalten bleiben konnte. Die Klägerin hat beantragt, den die Patientin behandelnden Arzt Dr. W als Zeugen zu vernehmen.

Der Gerichtsgutachter hat unter dem 23. Juni 2007 eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt und ist bei seiner bisherigen Auffassung geblieben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2007 hat die Kammer den benannten Zeugen befragt. Der Zeuge hat – wie aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich – geäußert (Blatt 87 bis 89 der Gerichtsakte). Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte und die Patientin betreffende Krankenakte haben vorgelegen. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Denn es geht bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 86, 166, 167 ff.; BSGE 90, 1 ff.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Mit der Behauptung, es habe sich – obwohl die Behandlungen in einer lediglich als Krankenhaus zugelassenen Einrichtung stattgefunden hat – nicht um eine Krankenhausbehandlung, sondern um eine Reha-Maßnahme gehandelt, macht die Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht wegen einer sogenannten Aliud-Leistung geltend, wie es im zivilrechtlichen Schuldverhältnis bekannt ist (vgl. § 434 Abs. 3 BGB; dazu Palandt-Putzo, bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl. 2005, § 434 Rn. 52).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. mit der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2002. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 86, 166, 168; BSGE 90, 1, 2).

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Dem gemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Neben der Krankenbehandlung, die bereits notwendig ist, wenn es gilt, die Verschlimmerung einer Krankheit zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, verlangt eine Behandlung mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses nach § 39 SGB V die medizinische Notwendigkeit eines besonders qualifizierten Pflegepersonals, die besondere apparative Ausstattung und insbesondere die intensive Behandlung und jederzeitige Präsenz bzw. Rufbereitschaft qualifizierter Ärzte. Es wird allerdings für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder der Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen (BSGE 59,116,117; BSGE 83,254,259).

Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt (Höfler in Kasseler Kommentar: SGB V, § 39 RdNr 15 ). Bei einer psychiatrischen Krankenhausbehandlung kann der Einsatz einer bestimmten apparativen Ausstattung in den Hintergrund treten und der notwendige persönliche Einsatz von Ärzten, nichtärztlichen Fach- und Hilfskräften der unterschiedlichsten Therapierichtungen und Pflegekräften die Notwendigkeit eine stationären Behandlung begründen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 Az. B 3 KR 18/03 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 2). Andererseits genügt es nicht, wenn nur in gelegentlichen Ausnahmesituationen, z. B. beim Auftreten von Erregungszuständen psychisch Kranker die sofortige Hinzuziehung eines Arztes notwendig ist, weil in derartigen Fällen zumeist ambulante Notarztdienst gerufen werden kann (BSG SozR 2200 § 184 Nr. 28, Seite 43 f; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Niedersachsen vom 26. Januar 2000 Az: L 4 KR 105/98).

Die Abgrenzung zwischen einer vollstationären Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation ist vor allem im Bereich der psychotherapeutischen Medizin schwierig, weil Rehabilitationseinrichtung und Krankenhaus sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind. Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung getroffen werden, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln (BSG, SozR 3-2500, § 107 Nr. 1).

Anhaltspunkte für die Differenzierung sind in dem Gesetz enthalten. Gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 1 a und b SGB V sind Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzbuches Einrichtungen, die der stationären Behandlung der Patienten dienen, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen.

Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen sind auch Einrichtungen, die der stationären Behandlung der Patienten dienen, um fachlich medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen (§ 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V).

Krankenhäuser sind demgegenüber Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, fachlich medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten, mit ilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichen, pflege-, funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB V). Die Rechtsprechung hat u. a. daraus als besondere Mittel des Krankenhauses auf eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw. rufbereiten Arzt geschlossen (BSGE, Urteil vom 20.01.2005, B 3 KR 9/03 R m.w.N.). Dabei ist jedoch im Hinblick auf das Merkmal “Krankenhausbehandlung” weder der Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen worden. Regelmäßig ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich, die jedoch nur nach objektiven Merkmalen und Kriterien erfolgen kann (BSGE 81, 189, 193). Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften oder Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG 92, 300, 305).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und unter Auswertung des eingeholten Gerichtsgutachtens einerseits sowie der Zeugenaussage andererseits ist zur Überzeugung der Kammer festzustellen, dass auch in dem Zeitraum vom 13. Februar bis zum 05. März 2002 eine medizinische Notwendigkeit für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorgelegen hat und diese auch tatsächlich durchgeführt worden ist. Zwar hat der medizinische Sachverständige ausgeführt, dass nach Aktenlage nichts dagegen spricht, dass die Behandlung in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch unter teilstationären Bedingungen hätte erfolgen können. Der Sachverständige hat jedoch in seiner Ergänzung vom 23. Juni 2007 deutlich gemacht, dass er nach den ihm gestellten Beweisfragen sich nicht aufgerufen gefühlt hat, die Frage zu beantworten, ob eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit in einem Akutkrankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung vorgelegen hat. Insoweit widerspricht die Einschätzung des Gerichtsgutachters nicht der Feststellung der Kammer, dies auch deshalb, weil dem Sachverständigen die Aussagen des Zeugen nicht bekannt waren.

Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Beweisführung über die medizinische Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung und deren Dauer nicht allein über die Auswertung der Krankenakten durch einen Gerichtssachverständigen möglich ist sondern auch über die Anhörung des behandelnden bzw. verantwortlichen Arztes geführt werden kann. Denn selbst die Tatsache, dass Krankenakten als lückenhaft und nicht aussagekräftig bewertet worden sind, ändert hieran nichts. Maßgeblich ist allein der tatsächliche Geschehensablauf und nicht seine Dokumentation: Eine Krankenhausbehandlung kann nicht durch lückenhafte bzw. nicht aussagekräftige Krankenakten zu einer medizinischen Rehabilitation werden ( BSG, Urteil vom 20. Januar 2005, B 3 KR 9/03 R, S. 12 ).

Zur Überzeugung der Kammer ist die Beweisführung der stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der Klägerin im vorliegenden Fall gelungen. Sie hält die Aussagen des Zeugen für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig.

Danach ist davon auszugehen, dass aufgrund der Notwendigkeit der täglichen Anwesenheit der Psychotherapeutin und der übrigen Mitglieder des Teams zur Erreichung eines inneren Wachstums und einer Stabilität die stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit auch über den 12. Februar 2002 und bis zum 05. März 2002 vorgelegen hat. Schon die auch in diesem Zeitraum zu beobachtenden Selbstverletzungen der Patientin erforderten die besonderen Mittel des Krankenhauses und ein geschultes Pflegepersonal sowie einen jederzeit präsenten bzw. rufbereiten Arzt. Diese Selbstverletzungen als Folge einer latenten Suizidalität wären mit einer medizinischen Rehabilitation nicht zu begegnen gewesen, auch wenn nach der Aussage des Zeugen sich die Patientin nicht derart gravierend verletzte (“geritzt”) wie in der ersten Phase der Behandlung (“geschlitzt”). Auf diesem Hintergrund erscheint die Einschätzung des Gerichtssachverständigen, die Behandlung habe auch unter teilstationären Bedingungen erfolgen können, als zwar übereinstimmend mit der Aktenlage, jedoch nicht übereinstimmend mit den tatsächlichen Verhältnissen der vollstationären Behandlung. Die von dem Zeugen geschilderte therapeutische Gemeinschaft mit der Möglichkeit eines ständigen Austausches zwischen der Patientin, dem therapeutischen Personal und der Psychotherapeutin war nur unter vollstationären Bedingungen möglich.

Diese Beurteilung stimmt insoweit mit der Einschätzung des MDK überein, als auch Dr. B eine vollstationäre Behandlung über den 12. Februar 2002 bis zum 06. März 2002 für erforderlich gehalten hat. Seine Einschätzung in dem letzten MDK-Gutachten vom 18. März 2002, “bei dargelegter Notwendigkeit einer stationären Behandlung darüber hinaus bis 06. März 2002 scheinen diesbezüglich rehabilitative Aspekte im Vordergrund zu stehen “, beinhaltet eher eine Mutmaßung als eine Feststellung. Zur Auffassung der Kammer steht jedenfalls die Einschätzung von Dr. B nicht in direktem Widerspruch zu der Aussage des Zeugen. Zu berücksichtigen ist auch, dass Dr. B in seinem Gutachten vom 30. Januar 2002 sogar noch davon ausgegangen ist, dass ggf. eine stationäre Behandlung – allerdings nach § 40 SGB V – über den 06. März 2002 hinaus für erforderlich erachtet werden könnte. Dr. B hat auch stets seine Einschätzung auf die ihm vorliegenden Unterlagen gestützt und daraus hergeleitet, auch über den 12. Februar 2002 bis zum 06. März 2002 könne nach den vorliegenden Unterlagen die Notwendigkeit der Fortführung einer stationären Behandlung empfohlen werden (Gutachten vom 30.01.2002). Auch dieses Gutachten enthält die Einschränkung, dass aus den vorliegenden Unterlagen die medizinisch zwingende Notwendigkeit für eine akut stationäre Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V mit den besonderen Mitteln einer Klinik nicht zwingend hervorgehe. “Allein das Bevorstehen einer angstbesetzten und ggf. auch traumatisch erlebten Situation rechtfertige nicht von vornherein eine akut stationäre Krankenhausbehandlung”. Auch diese Einschätzung von Dr. B beinhaltet einige Unsicherheiten (zwingend, von vornherein). Geht man weiterhin von einem jedem Gutachter zustehenden Ermessensspielraum aus, so vermochte die Kammer auch aus diesen Feststellungen keine direkten Widersprüche zu den Einlassungen des Zeugen zu erkennen.

Zwar befindet sich der Zeuge als Chefarzt der Klinik in unmittelbarer Nähe zur Klägerin, allein dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil es mittlerweile immer noch ungeklärt ist, ob sich ein Gericht im Streitfall mit den Äußerungen der behandelnden Krankenhausärzte zur Notwendigkeit der stationären Behandlung zufrieden geben darf und diese nur auf bloße Vertretbarkeit hin kontrollieren darf ( subjektive Betrachtung ) oder ob der Leistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die Krankheit bei abstrakter Betrachtung anders als stationär im Krankenhaus hätte behandelt werden können ( Rspr. des 1. Senats des BSG, z.B. Urteil vom 16. Februar 2005, B 1 KR 18/03 R). Der klarstellende Beschluss des Großen Senats nach Vorlagebeschluss des 1. Senats des Bundessozialgerichts (B 1 KR 32/04 R) vom 07. November 2006 liegt noch nicht vor.

Nach der Auffassung des 3. Senats des BSG, die die Kammer für überzeugend hält, muss die Prognose des Krankenhausarztes, dass eine – weitere – psychiatrische Behandlung im Krankenhaus notwendig ist, von der Krankenkasse hingenommen werden, sofern sie vertretbar ist, weil der Arzt auch die volle strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortung für seine Entscheidung trägt. Die Entscheidung des Krankenhausarztes ist daher stets aus seiner vorausschauenden Sicht unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten ( oder auch nur erkennbaren ) Umstände zu beurteilen. Diese Prognoseentscheidung , eine Krankenhausbehandlung sei weiterhin notwendig, wäre nur dann nicht vertretbar, wenn sie im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt ( vgl. z.B., BSG, Urteil vom 20. Januar 2005, B 3 KR 9/03 R ). Der Zeuge sowie die behandelnde Ärztin für psychotherapeutische Medizin Dr. Sippel haben in den Verlängerungsanträgen vom 24. Januar und 11. Februar begründet die weitere stationäre Krankenhausbehandlung der Patientin für dringend indiziert erachtet. Einen Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Auch der medizinische Sachverständige hat dies nicht festzustellen vermocht. Seine Auffassung, die Behandlung über den 12. Februar hinaus bis zum 6. März 2002 hätte auch unter teilstationären oder ggf. ambulanten Bedingungen erfolgen können, beinhaltet keinen Widerspruch zur prognostischen Einschätzung des Krankenhausarztes, allein die ex-post Betrachtung ist eine andere.

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass tatsächlich keine stationäre Krankenhausbehandlung sondern eine Maßnahme zur Rehabilitation durchgeführt wurde, denn diese Auffassung lässt sich weder aus der Zeugenaussage noch aus dem – ergänzten – Sachverständigengutachten ableiten. Der Gutachter hat sich – mangels Beweisthema – dieser Frage nicht zugewandt. Die Beurteilung des MDK vermag ebenfalls keine Aliud-Leistung zu beweisen, denn – wie ausgeführt – handelt es sich zum einen bei den Ausführungen von Dr. B um eine Einschätzung nach Aktenlage ohne Berücksichtigung der Zeugenaussage und zum anderen kann nach der gewählten Formulierung eher von einer Mutmaßung ausgegangen werden. Zur Überzeugung der Kammer ist jedenfalls nach der Zeugenaussage von einer Krankenhausbehandlung auszugehen.

Nach allem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Der Zinsanspruch resultiert aus der zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Pflegesatzvereinbarung für 2002 unter Zugrundelegung einer Zahlungsfrist von 14 Tagen nach Erhalt der Rechnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert richtet sich nach der geltend gemachten Forderung, denn gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG ist bei einer Klage auf eine bezifferte Geldleistung deren Höhe maßgebend. Die geltend gemachten Zinsen waren gemäß § 43 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen.

Klingauf Direktor des Sozialgerichts