Sozialgericht München S 47 KR 544/02

Sozialgericht München

Urteil vom 23.11.2004 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht München S 47 KR 544/02
  • Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 6/05

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2002 verurteilt, der Klägerin die Kosten des zweiten Cochlear-Implantats links in Höhe von 22.375,68 Euro zu erstatten sowie aus dieser Versorgung anfallende und noch nicht abgerechnete Kosten zu übernehmen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten für eine Versorgung der Klägerin mit einem zweiten Cochlear-Implantat links (bilateral).

Die 1953 geborene Klägerin ist beidseits gehörlos. Sie beantragte am 18. Dezember 2001 unter Vorlage einer Verordnung des Klinikums der Universität M. eine bilaterale Cochlear Implantat (CI) Versorgung. Sie sei seit 25. Januar 2001 mit einem CI rechtsseitig versorgt. Sie sei als Erzieherin in einem Kindergarten mit ungünstiger akustischer Umgebung beschäftigt. Durch eine zusätzliche Versorgung auch des linken Ohres mit einem CI sei eine deutliche Steigerung der Kommunikationsfähigkeit der Klägerin in Alltagssituationen sowie aufgrund der binauralen Interaktion zwischen den beiden Implantat-Systemen eine Verbesserung des Richtungsgehörs zu erwarten.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK vom 18. Januar 2002 ein, nach der zur Zeit dem Antrag auf beidseitige Versorgung bei Erwachsenen im konkreten Fall nicht zugestimmt werden könne.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2002 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab. Gemäß der Stellungnahme des MDK sei eine einseitige CI-Versorgung ausreichend, da die akustische Reizung unter Umständen bei Bedarf durch Weiterbenutzung eines Hörgerätes auf der anderen Seite erreicht werden könne.

Den Widerspruch vom 5. und 11. März 2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2002 zurück.

Mit der Klage vom 11. Juli 2002 macht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiterhin einen Anspruch auf Versorgung mit einem zweiten CI, linksseitig, geltend. Die beidseitige CI-Versorgung sei vor allem aufgrund der fehlenden Fähigkeit der Klägerin zur Berufsausübung als Erzieherin in einer Kindertagesstätte notwendig.

Die Regierung von Oberbayern, Integrationsamt, stimmt mit Bescheid vom 11. September 2002 einer ordentlichen Kündigung zu.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2002 unter Verweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides, die Klage abzuweisen. Sie verwies darauf, dass Hilfsmittel, die die Folgen und Auswirkungen einer Behinderung lediglich in einem bestimmten Lebensbereich wie z.B. auf rein beruflicher oder gesellschaftlicher Ebene bzw. im Freizeitbereich, mildern und keine allgemeinen Grundbedürfnisse betreffen, die Krankenkassen nicht zur Verfügung zu stellen hätten. Auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. November 1999 (Az.: B 3 KR 3/99 R) und vom 30. Januar 2001 (Az.: B 3 KR 10/00 R) wurde verwiesen. Im Sinne der BSG-Rechtsprechung sei eine medizinische Notwendigkeit für eine beidseitige Versorgung weiterhin nicht zu erkennen. Soweit es sich um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben handele, sei eine vorrangige Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers gemäß § 5 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) gegeben.

Mit Änderungsbescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung München II vom 30. Dezember 2002 wurde der Grad der Behinderung rückwirkend ab 14. März 2002 auf 80 v.H. festgestellt und die Merkzeichen RF und G1 vergeben.

Mit Beschluss vom 21. Januar 2003 hat das Gericht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz notwendig beigeladen.

Die Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2003 die Entlassung aus der Beiladung, da nicht ersichtlich sei, inwieweit sie hier als leistungspflichtig in Betracht kommen könnte. Der Antrag der Klägerin auf CI-Versorgung des linken Ohres sei mit Bescheid vom 10. Juli 2002 abgelehnt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2003 wies die Beigeladene den Widerspruch zurück. Mit Schriftsatz vom 3. April 2003 reichte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht München (Az.: S 17 RA 384/03) ein. Mit Beschluss vom 26. Mai 2003 hat das Gericht das Ruhen dieses Verfahrens angeordnet.

Die Beklagte machte mit Schriftsatz vom 15. April 2003 deutlich, dass es sich bei dem von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgebrachten Vergleichsfall der Versicherten H. K. gemäß Abhilfe des Widerspruchs vom 13. Februar 2003 nicht um einen präjudizierenden Fall für zukünftige Leistungsfälle handele. Es sei ausdrücklich klargestellt worden, dass keine abschließende Regelung existiere, wonach die bilaterale Versorgung mit einem CI in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse falle. Im Übrigen sei die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben, da die beidseitige Versorgung mit dem CI für die Klägerin berufsbedingt notwendig sei.

Das Gericht hat ein HNO-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. (HNO-Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M.) vom 27. Juni 2003 eingeholt, wonach eine beidseitige Ertaubung unklarer Genese vorliege. Eine bilaterale Versorgung mit einem weiteren CI für das linke Ohr sei erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Die gegenwärtige Versorgung mit einem CI im rechten Ohr sowie mit einem Hörgerät am linken Ohr sei nicht ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich. Ein Erfolg einer Hörgeräteversorgung erscheine aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Hörprüfungen aussichtslos. Eine Versorgung mit einem weiteren CI sei nicht lediglich zur Teilnahme am Arbeitsleben als Erzieherin erforderlich. Vielmehr benötige die Klägerin die beidseitige Versorgung auch für das alltägliche Leben sowie für jegliche andere Teilnahme am Arbeitsleben.

Die Beklagte wies mit Schriftsatz vom 11. und 25. September 2003 darauf hin, dass die Versorgung mit einem weiteren CI eine erforderliche Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 SGB IX sei. Hierfür sei die Beigeladene zuständig.

Die Beigeladene lehnte mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2003 unter Verweis auf das Gutachtensergebnis die Abgabe eines Anerkenntnisses ab.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK vom 7. und 20. Januar 2004 ein. Danach stehe das Gutachtensergebnis im Widerspruch zu den Empfehlungen für bilaterale CI-Versorgung im Rahmen der Schweizerischen Sozialversicherungen vom November 2003, wonach bei Erwachsenen die Reifung des auditorischen Systems weitgehend abgeschlossen sei und eine bilaterale Versorgung die beruflich-soziale Integration nur in Ausnahmefällen verbessern könne. Die beidseitige CI-Versorgung sei vorliegend medizinisch nicht notwendig.

Das Gericht hat hierzu eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 13. Juli 2004 eingeholt, der sein Gutachtensergebnis aufrecht erhält. Der Gehörlose sei noch stärker als der Schwerhörige auf eine Hörhilfe angewiesen und benötige gerade eine beidohrige Versorgung. Der Hinweis des MDK auf eine zusätzliche Versorgung mit einer FM-Anlage erscheine nicht ganz zeitgemäß. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Versorgung sei in erster Linie auf die ausreichende Versorgung abzustellen. Vorliegend gehe es um eine Hörstörung, die mit Hörgeräten alleine nicht versorgt werden könne.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2004 ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Oktober 1980 (Az.: L 4 KR 12/80) und teilte mit, dass zwischenzeitlich die Klägerin durch eine Kreditlösung, also bilateral, versorgt worden sei. Er beantragte deshalb, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin von sämtlichen Kosten für die bilaterale Versorgung freizustellen. Mit Schriftsatz vom 31. August 2004 stellte er gemäß der ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. H. fest, dass die beidseitige Versorgung der Klägerin unter Wahrung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte die einzige Möglichkeit darstelle, den Ausgleich der Behinderung in ausreichendem Maße vorzunehmen.

Die Beklagte hielt mit Schriftsatz vom 28. September 2004 unter Bezugnahme auf eine erneute Stellungnahme des MDK vom 15. September 2004 an ihrer Auffassung fest. Der Gutachter habe zugestanden,
dass es sich nicht um eine unumstrittene Versorgung handele. Er befürworte die Versorgung nur aus ärztlich-ethischen und physiologischen Gründen.
Es entspreche nicht dem SGB V, die in seinem ärztlichen Ermessen bestmögliche bzw. theoretisch optimale Versorgung vorzusehen. Eine Versorgung mit einer FM-Anlage sei sinnvoll.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2004 darauf hin, dass eine Erzieherin nicht mit einer FM-Anlage arbeiten könne. Jedes Kind müsste stets ein Mikrofon umhängen haben, das Botschaften über einen eigenen Funk auf den Sprachprozess der Hörbehinderten überträgt. Der MDK- Gutachter lasse ein absolutes Ablehnungsinteresse erkennen.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2004 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Rechnung der Firma M.- Deutschland GmbH vom 9. November 2004 in Höhe von 22.375,68 Eur vor. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

“den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2002 in der Ge stalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 aufzuhe ben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Ko sten für eine Versorgung mit
einem zweiten CI links in Höhe von 22.375,68 Eur sowie evtl. noch nicht abgerechnete Kosten zu erstatten.”

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene stellte keinen eigenen Antrag.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Klageakte sowie den der beigezogenen Akten der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. Sie waren ebenso wie die Gerichtsakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet, da der Klägerin ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der angefallenen Kosten der bilateralen CI-Versorgung zusteht.

Der Anspruch ergibt sich aus § 13 Abs. 3 SGB V. Hierbei hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sachleistungsgrundsatz im Sinne der §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 SGB V geschaffen.

§ 13 Abs. 3 SGB V gibt für den Ausnahmefall einen Kostenerstattungsanspruch, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann.

Eine Erstattung ist ausgeschlossen, wenn die erbrachten Leistungen nicht dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V festgelegten medizinischen Standard entsprochen haben bzw. ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit nicht in dem für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in § 135 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Verfahren festgestellt worden sein sollten.

Ein Erstattungsanspruch ist ferner ausgeschlossen, soweit es sich um Aufwendungen für unnötige und unwirtschaftliche Leistungen handelt. Die Krankenkassen schulden den Versicherten nur die zur Erkennung, Heilung, Eindämmung oder Linderung der Krankheit notwendigen und ausreichenden Leistungen, §§ 13 Abs. 1, 27 SGB V.

Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (erste Fallgruppe) oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte (zweite Fallgruppe). Vorliegend kommt allein die zweite Fallgruppe in Betracht. Diese setzt eine Kausalität zwischen Ablehnung und Kostenentstehung voraus. Der Kostenerstattungsanspruch setzt insoweit voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst wird, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen (BSG, Breith. 2002, 154 ff).

Vorliegend ist die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 18. Dezember 2001 auf Übernahme der Kosten einer zweiten CI-Versorgung, hier des linken Ohrs, bereits mit einem CI des rechten Ohrs versorgt. Die beidseitige CI-Versorgung wurde von der Beklagten mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgelehnt. Dies erfolgt nach Überzeugung des Gerichts zu Unrecht im Sinne des § 13 Abs. 3 2. Fallgruppe SGB V.

Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Hilfsmitteln. Hierzu gehören nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Nach dem vom Gericht eingeholten HNO-ärztlichen Gutachten des Prof. Dr. H. vom 27. Juni 2003 ist die bilaterale Versorgung mit einem weiteren CI für das linke Ohr erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V. Die gegenwärtige Versorgung mit einem CI im rechten Ohr sowie mit einem Hörgerät am linken Ohr sei nicht ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich. Ein Erfolg einer Hörgeräteversorgung erscheine aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Hörprüfungen aussichtslos. Die Klägerin leide an einer beidseitigen Ertaubung unklarer Genese. Das Gericht teilt die Auffassung des Gutachters, dass ein Mensch, der beidseitig taub ist, grundsätzlich einen Anspruch auf beidohriges Hören hat, auch wenn er nach einseitiger Versorgung mit einem CI unter bestimmten Bedingungen eine gewisse Sprachverständlichkeit erzielt hat. Der medizinische Sachverständige legte in seinem Gutachten umfassend die Bedeutung des beidseitigen Hörens dar. Er benennt vor allem die Ermöglichung des Richtungshörens, ferner die Verbesserung der Sprachverständlichkeit um etwa 5 dB und die Diskrimination von Sprache, d.h. das Heraushören von Sprachsignalen aus einem Störgeräusch.

Ein derartiger Anspruch kann auch aus einer analogen Anwendung der Hilfsmittelrichtlinien vom 1. Juli 2001 zur beidseitigen Versorgung mit einem Hörgerät abgeleitet werden. Danach kann eine Versorgung beidohrig erfolgen, wenn die auditive Kommunikationsbehinderung beidseitig effektiv versorgbar ist und zu erwarten ist, dass beide Hörgeräte durch den Patienten gleichzeitig genutzt werden können, dass weiter die Fähigkeit zur sachgerechten Bedienung von zwei Hörgeräten beim Patienten vorhanden ist und dass durch die beidohrige Versorgung gegenüber der einohrigen Versorgung das Sprachverstehen im Störgeräusch um mindesten 10 Prozentpunkte steigt oder das Richtungshören verbessert wird. Nach Darlegung des Gutachters treffen auch diese Bedingungen auf die beidseitge CI-Versorgung des beidseitig gehörlosen Patienten zu. Auf die o.g. Ausführungen wird verwiesen.

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung der Vorteile einer beidseitigen CI-Versorgung verweist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zutreffend auf die Forschungsergebnisse der Universitäten W. und H … Der medizinische Sachverständige legte in seinem Gutachten die Arbeit von S. und Mitarbeitern der W. Universitäts-HNO-Klinik dar (veröffentlicht im Jahre 2002 in der Zeitschrift “Ear und hearing”). Bei den erwachsenen Testpersonen mit einer beidohrigen CI-Versorgung hat sich gegenüber denen mit einer einseitigen CI-Versorgung eine Besserung der Sprachverständlichkeit um mindestens 10 %, in manchen Fällen bis zu 30 %, ergeben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend die ärztliche Verordnung von der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke des Klinikum der Universität München ausgestellt wurde, bei der es sich ausgewiesenermaßen ebenfalls um eine anerkannte HNO-Klinik handelt. Die Verordnung wurde mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 näher begründet, wobei u.a. auf die Schwierigkeiten der Klägerin bei der Lokalisierung von Zurufen sowie bei Gruppenunterhaltungen hingewiesen wurde. Durch die zusätzliche Versorgung auch des linken Ohrs mit einem CI sei eine deutliche Steigerung der Kommunikationsfähigkeit der Klägerin sowie eine Verbesserung des Richtungsgehörs zu erwarten.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Vorteile der bilateralen CI-Versorgung noch wissenschaftlich diskutiert werden. Auch handelt es sich um eine relativ neue Vorgehensweise. Durch den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. H. wurde jedoch überzeugend dargelegt, dass die Forschungsergebnisse auf eine deutliche Verbesserung des Sprachverständnisses, des Richtungshörens und der Diskrimination von Sprache hinauslaufen. Dies sei auch bei der Klägerin zu erwarten.

Auch der HNO-Arzt Dr. D. vom MDK hat in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 2004 unter Bezugnahme auf die Empfehlungen für bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung im Rahmen der Schweizerischen Sozialversicherungen darauf hingewiesen, dass nach den Empfehlungen dieser schweizerischen Audiologie- und Expertenkommission die bilaterale CI-Versorgung bei allen Patienten, also nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, Vorteile bieten könne. Dass die Erfolge bei Kindern und Jugendlichen möglicherweise evidenter ist, schließt nicht aus, dass auch bei Erwachsenen, bei denen die Reifung des auditorischen Systems weitgehend abgeschlossen ist, eine maßgebliche Verbesserung beispielsweise des Sprachverständnisses und des Richtungshörens eintritt.

Im Übrigen sind die schweizerischen Empfehlungen für das Gericht und auch für den MDK in Bayern nicht bindend.

Letztendlich stellt der MDK darauf ab, dass in dem konkreten Fall eine FM-Anlage aus beruflichen Gründen mit Wahrscheinlichkeit eine größere Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit bringen würde wie eine beidseitige CI-Versorgung ohne FM-Anlage. Nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen gemäß dessen ergänzender Stellungnahme vom 13.Juli 2004 ist jedoch zum einen der Hinweis auf eine zusätzliche Versorgung mit einer FM-Anlage nicht ganz zeitgemäß, wenn heute schon die CI in Kombination mit einer Hörgeräteversorgung auf demselben Ohr eingesetzt werde. Zum anderen geht der Hinweis des MDK auf die beruflichen Gründe fehl, da, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2004 zu Recht verweist, eine FM-Anlage bei der Tätigkeit als Erzieherin in einer Kinderkrippe oder einem Kindergarten denkbar ungeeignet erscheint.

Da auch eine sonstige Versorgung medizinisch nicht geeignet bzw. ausreichend ist, ist auch von einer Wirtschaftlichkeit der beidseitigen CI-Versorgung im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V auszugehen. Insbesondere geht es vorliegend um Hörstörungen, die mit Hörgeräten alleine nicht versorgt werden können.

Dabei ist auch die Beklagte für die Kostenerstattung zuständig, nicht die Beigeladene. Wie der medizinische Gutachter nämlich überzeugend darlegt, ist die Versorgung mit einem weiteren CI nicht lediglich zur Teilnahme am Arbeitsleben als Erzieherin erforderlich. Vielmehr benötige die Klägerin die beidseitige CI-Versorgung über die berufliche Situation hinaus für das alltägliche Leben sowie für jegliche andere Teilnahme am Arbeitsleben.

Hinsichtlich der durch die zweite CI-Versorgung angefallenen, aber noch nicht von der Klägerin gezahlten Kosten ergibt sich aus den dargelegten Gründen ein Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme gemäß §§ 27, 33 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.