Verwaltungsgericht Köln 7 K 5224/17

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 5224/17

Urteil vom 03.07.2018

  • Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  • Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
  • Die Berufung wird zugelassen.
1

Tatbestand

2 Die Klägerin ist eine 0000 gegründete Spezialklinik für minimal-invasive Chirurgie mit Sitz in C.. Die Beklagte ist ein in der Rechtsform einer privatrechtlichen GmbH gegründetes Institut, das Aufgaben in Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung und Weiterentwicklung des DRG-Systems („Diagnosis Related Groups“, sog. Fallpauschalen) im Krankenhauswesen nach § 17 b des Krankenhausgesetzes (KHG) wahrnimmt. Gesellschafter der Beklagten sind der Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland (GKV-Spitzenverband) – eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – sowie der Verband der Privaten Krankenversicherungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft als Vereine des Privatrechts.
3 Mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 übertrug der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 KHG den genannten Institutionen die Aufgabe, bis zum 30.06.2000 die Grundstrukturen eines DRG-Systems einschließlich dessen laufender Pflege auf Bundesebene zu vereinbaren. Auf dieser Grundlage schlossen sie die „Vereinbarung über die Einführung eines pauschalisierenden Entgeltsystems nach § 17 b KHG“, deren § 5 lautet:
4 „Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 17 b Abs. 2 und 3 KHG bedienen sich die Vertragspartner eines für die Selbstverwaltungspartner arbeitenden Instituts.“
5 Die für die Ermittlung der Fallpauschalen erforderlichen Daten wurden in der Zeit nach Einführung des DRG-Systems auf der Grundlage einer Auswahl freiwillig teilnehmender Krankenhäuser ermittelt. Dieses Verfahren wurde mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) zum 01.01.2016 mit dem Ziel einer erhöhten Repräsentativität der Daten geändert. Dem § 17 b Abs. 3 des KHG wurden die Sätze 6 und 7 angefügt:
6 6Auf der Grundlage eines vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zu entwickelnden Vorschlags vereinbaren die Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 bis spätestens zum 31. Dezember 2016 ein praktikables Konzept für die repräsentative Kalkulation nach Satz 3 und deren Weiterentwicklung. 7Als Bestandteil des Konzepts haben die Vertragsparteien geeignete Maßnahmen zu seiner Umsetzung zu vereinbaren; dabei können sie insbesondere bestimmte Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten und Maßnahmen ergreifen, um die Lieferung uneingeschränkt verwertbarer Daten zu gewährleisten und um die Richtigkeit der übermittelten Daten umfassend überprüfen zu können.“
7 Hiervon ausgehend schlossen der GKV-Spitzenverband, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft am 02.09.2016 die „Vereinbarung gemäß § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation“ (ReprKalkV). § 2 dieser Vereinbarung lautet wie folgt:
8 (1) Die Auswahl der zu verpflichtenden Krankenhäuser erfolgt durch das InEK im Jahr 2016 bis spätestens zum 31.10.2016 und ist auf maximal 40 Teilnehmer begrenzt. In den folgenden Auswahlrunden erfolgt dies bis zum 31.08. des jeweiligen Auswahljahres. Eine Auswahl zu verpflichtender Krankenhäuser erfolgt alle drei Jahre. Sofern zwischenzeitlich weitere Krankenhäuser verpflichtet werden müssen, kann vor Ablauf der drei Jahre eine weitere Auswahlrunde stattfinden. Hierüber entscheiden die Vertragsparteien.
9 (2) Die ausgewählten Krankenhäuser werden durch das InEK schriftlich informiert. Dabei teilt das InEK dem Krankenhaus auch die Voraussetzungen einer erfolgreichen Teilnahme sowie die mit der Verpflichtung verbundenen Sanktionsregelungen mit. Sie sind für fünf Datenlieferjahre (Datenlieferjahr bezieht sich auf das Jahr der Lieferung der Daten des Krankenhauses an das InEK, welches die Daten des Vorjahres beinhalten) zu einer Teilnahme an der Kalkulation verpflichtet. …
10 (3) Für die ausgewählten Krankenhäuser gilt, soweit in dieser Vereinbarung nichts Abweichendes geregelt wird, die „Vereinbarung über die Teilnahme an der Kalkulation für die Pflege und Weiterentwicklung des Entgeltsystems im Krankenhaus“, die das InEK mit freiwillig teilnehmenden Krankenhäusern abschließt, entsprechend.
11 (4) … .
12 In § 3 heißt es u.a.:
13 (1) Krankenhäuser, die zur Teilnahme an der Kalkulation ausgewählt wurden, haben bis zum 31.03. des zweiten Datenlieferungsjahres die Kalkulationsdaten vollständig an das InEK zu liefern. Bei Nichteinhaltung dieser Frist haben sie nach einmaliger schriftlicher Mahnung durch das InEK die Daten bis zum 30.04. des Datenlieferungsjahres zu liefern. Bei Nichteinhaltung hat das Krankenhaus Zahlungen (an das InEK) nach den folgenden Regelungen zu leisten:
14 a. Erfolgt im ersten Datenlieferungsjahr keine Lieferung der in § 2 Absatz 4 benannten Informationen, gilt ein pauschaler Abschlag in Höhe von 14.000 Euro.
15 b. – e.  [es folgen weitere gestaffelte Sanktionsregelungen]
16 … .
17 Bei der am 31.10.2016 in Siegburg stattfindenden Auswahl (Losverfahren) von 40 Krankenhäusern wurde u.a. die Klägerin ausgewählt. Mit Schreiben vom 02.11.2016 teilte die Beklagte der Klägerin diesen Umstand mit. Sie führte aus, die Klägerin sei nunmehr verpflichtet, mit ihrem Krankenhaus für die kommenden fünf Jahre an der Kostenerhebung teilzunehmen. Eine unvollständige und/oder ausbleibende Kalkulationsteilnahme sei sanktionsbehaftet. Dem Schreiben waren Informationen zur Datenerhebung und der Vordruck einer Vereinbarung über die Teilnahme an der Kalkulation beigefügt.
18 Die Klägerin lehnte die Teilnahme an der Kalkulation ab und erhob Widerspruch, da es an einer gesetzlichen Grundlage für die „Zwangsverpflichtung“ fehle. Mit Schreiben vom 30.03.2017 verwies die Beklagte gegenüber der Klägerin darauf, dass sie in Umsetzung der Vorgaben des § 17b Abs. 3 Satz 6 KHG im Auftrag der Vertragsparteien auf Bundesebene handele.
19 Die Klägerin hat am 12.04.2017 Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2016, hilfsweise die Feststellung begehrt, dass sie nicht zur Teilnahme an der Kalkulation der Krankenhausentgelte für die Datenjahre 2016 bis 2020 verpflichtet sei.
20 Mit der Klageschrift hat sie die Anträge angekündigt,
21 den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2016 aufzuheben,
22 hilfsweise
23 festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, an der Kalkulation der Krankenhausentgelte für die Datenjahre 2016 bis 2020 gemäß Schreiben der Beklagten vom 02.11.2016 teilzunehmen.
24 Die Anfechtungsklage sei statthaft, weil es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 02.11.2016 bei der gebotenen Auslegung nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts um einen Verwaltungsakt handele. Die Im Losverfahren vorgenommene Auswahlentscheidung stelle unzweifelhaft eine Maßnahme auf dem Gebiet der Krankenhausfinanzierung und damit des öffentlichen Rechts dar. Auch werde die Beklagte als Behörde tätig, weil sie als Beliehene eigenverantwortlich öffentliche Aufgaben wahrnehme. Zumindest handele sie als Bote der eigentlich beliehenen Selbstverwaltungsträger. Auch beinhalte das Schreiben vom 02.11.2016 eine Regelung mit Außenwirkung und nicht eine bloße Information dar. Es stelle die Rechte und Pflichten der Klägerin hinsichtlich der Kalkulationsteilnahme unmittelbar fest. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage lägen ebenfalls vor. Statthaft sei auch die hilfsweise erhobene Feststellungklage, da zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts bestehe.
25 Der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, weil es an einer für die Beleihung erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehle. Selbst dann, wenn man in der Vertragskompetenz gemäß § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG eine Befugnis zur Beleihung sähe, wäre der Beleihungsakt rechtswidrig, da es an jeder geregelten Aufsicht fehle und die Beklagte nicht demokratisch legitimiert sei.
26 Mit Schriftsatz vom 08.11.2017 hat die Klägerin die Anträge geändert Sie beantragt nunmehr,
27 festzustellen dass der von den Vertragsparteien auf Bundesebene gemäß § 17 b Abs. 2 Satz 1 KHG erlassene Verwaltungsakt vom 02.11.2016 nichtig ist,
28 hilfsweise,
29 den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2016 aufzuheben,
30 weiter hilfsweise,
31 festzustellen, dass die Klägerin zur Teilnahme an der Kalkulation der Krankenhausentgelte gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 02.11.2016 nicht verpflichtet ist.
32 Der Hauptantrag sei schon deswegen begründet, weil der Verwaltungsakt vom 02.11.2016 die erlassende Behörde nicht erkennen lasse.
33 Mit Rücksicht auf den Hauptantrag regt sie an, die Vertragsparteien auf Bundesebene gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KHG beizuladen.
34 Nach Umformulierung des Hauptantrages beantragt die Klägerin nunmehr,
35 festzustellen dass der von der Beklagten für die Vertragsparteien auf Bundesebene gemäß § 17 b Abs. 3 Satz 7 KHG erlassene Bescheid vom 02.11.2016 nichtig ist,
36 hilfsweise,
37 den Bescheid der Beklagten vom 02.11.2016 aufzuheben,
38 weiter hilfsweise,
39 festzustellen, dass die Klägerin zur Teilnahme an der Kalkulation der Krankenhausentgelte gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 02.11.2016 nicht verpflichtet ist.
40 Die Beklagte beantragt,
41 die Klage abzuweisen.
42 Die mit dem ursprünglichen Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage sei unstatthaft, weil das Schreiben vom 02.11.2016 keinen Verwaltungsakt darstelle. Das zunächst als erster Hilfsantrag erhobene Feststellungbegehren sei zwar zulässig, mangels Passivlegitimation der Beklagten jedoch unbegründet. Denn sie sei nicht Beliehene. Ihr seien in Zusammenhang mit dem Verfahren zur repräsentativen Auswahl der Kalkulationskrankenhäuser im Sinne des § 17 b Abs. 3 Satz 3 KHG keine Verwaltungsaufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen worden. Sie handele in diesem Zusammenhang nur als Verwaltungshelfer oder sonst Indienstgenommene. Das Gesetz weise ihr lediglich einen Auftrag zur Ausarbeitung eines Konzeptvorschlages nach § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG zu. Die weiteren Aufgaben seien den Selbstverwaltungspartnern übertragen. Diese hätten entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung die „Vereinbarung gemäß § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation“ vom 02.09.2016 geschlossen. Diese lasse ihr – der Beklagten – keinen Spielraum zu einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung. Deshalb handele sie auch nicht in eigenem Namen als Behörde. Der Klageänderung sei zu widersprechen. Sie sei unzulässig. Der auf die Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Hauptantrag richtete sich gegen die Selbstverwaltungsträger und setzte einen Parteiwechsel voraus. Die Klageänderung sei auch nicht sachdienlich, da eine Nichtigkeitsfeststellung schon mangels eines Verwaltungsaktes unzulässig sei. Sie wäre aber auch unbegründet. Dass die erlassende Behörde in Gestalt der Vertragsparteien auf Bundesebene nicht erkennbar gewesen sei, sei vor dem Hintergrund des vorprozessualen Schriftwechsels nicht haltbar.
43 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der seitens der Beteiligten überreichten Unterlagen (3 Hefter) Bezug genommen.
44

Entscheidungsgründe

45 Die Klage ist zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet.
46 Der Hauptantrag ist zulässig.
47 Er ist statthaft. Gemäß § 43 Abs. 1, 3. Var. VwGO kann mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Voraussetzung der Nichtigkeitsfeststellungsklage ist, dass objektiv ein Verwaltungsakt vorliegt,
48 vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 43 Rn. 21; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Auflage 2010, § 43 Rn. 64.
49 Diese Voraussetzung ist gegeben. Das vom Beklagten versandte Schreiben vom 02.11.2016 erfüllt in Verbindung mit dem vorangegangenen Auswahlverfahren die Voraussetzungen der Legaldefinition des Verwaltungsaktes in § 35 Satz 1 VwVfG. Mit dem Ergebnis des am 31.10.2016 durchgeführten Losverfahrens war die Klägerin zur verpflichtenden Teilnahme an der Kostenerhebung zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation nach § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG bestimmt. Damit war in einem ersten Schritt eine Regelung im Sinne einer verbindlichen Festlegung der Pflichten der Klägerin in Bezug auf die Ermittlung des maßgeblichen Aufwandes getroffen. Diese wurde durch das Schreiben der Beklagten vom 02.11.2016 gegenüber der Klägerin konkretisiert. Dieses unterrichtete die Klägerin letztverbindlich über die Verpflichtung, mit ihrem Krankenhaus für die kommenden fünf Jahre an der Kostenerhebung teilzunehmen. Ohne diese Mitteilung bliebe das zuvor durchgeführte Losverfahren ein Verwaltungsinternum. Das Schreiben stellt damit den Abschluss eines mehraktigen Verwaltungshandelns dar, das nach § 17 b Abs. 3 Satz 7, 2. Var.  KHG, ausgehend von der Bestimmung der potentiell verpflichteten Krankenhäuser, über die Festlegung der Einzelheiten des Auswahlverfahrens, dessen praktische Durchführung bis zur Mitteilung des Ergebnisses an das betroffene Krankenhaus unterschiedliche Teilakte umfasst, die als behördliche Verfahrenshandlungen für sich genommen gemäß § 44a VwGO nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Klage sein können, mit dem verfahrensabschließenden Schreiben aber in rechtserheblicher Weise dem Betroffenen im Sinne einer Einzelfallregelung bekanntgemacht werden und damit Außenwirkung erlangen.
50 Vgl. BayVGH, Beschluss vom 16.08.2017 – 7 CE 17.10111 -, juris (Losverfahren bei der Studienplatzvergabe), VG Hannover, Beschlüsse vom 01.06.2016 – 11 B 3071/16 und 11 B 3102/16 – (Spielhallenerlaubnis durch Los).
51 Es handelt sich auch um die Maßnahme einer Behörde im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Denn Behörde ist gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Angesprochen sind damit im Sinne eines funktionalen Behördenbegriffs ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung Einrichtungen mit einer gewissen organisatorischen Selbständigkeit, denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen sind,
52 vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 1 Rn. 230 ff.
53 Dies ist in Bezug auf die mit der streitbefangenen Auswahlentscheidung befassten Spitzenverbände der Fall. Denn als Bestandteil des Erhebungskonzepts haben die Vertragsparteien – mithin der Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland (GKV-Spitzenverband), der Verband der Privaten Krankenversicherungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (im Folgenden „Spitzenverbände“) – durch § 17 b Abs. 3 Satz 7 KHG den gesetzlichen Auftrag, Maßnahmen zur Umsetzung zu vereinbaren; dabei können sie insbesondere bestimmte Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten und Maßnahmen ergreifen, um die Lieferung uneingeschränkt verwertbarer Daten zu gewährleisten und um die Richtigkeit der übermittelten Daten umfassend überprüfen zu können. Diese Befugnis betrifft mit den Grundlagen der Krankenhausfinanzierung eine originär öffentlich-rechtliche Angelegenheit, welche die Spitzenverbände in eigener Zuständigkeit wahrnehmen.
54 Vgl. hinsichtlich der Befugnis zur Entgeltfestsetzung: VG Berlin, Urteil vom 30.08.2016 – 2 K 37/15 -, juris.
55 Gegen die Qualifizierung des Schreibens als Verwaltungsakt spricht auch nicht, dass ihm einige typische Formelemente des Verwaltungsakts fehlen. So fehlen die Bezeichnung als „Bescheid“ o.ä. und insbesondere eine Rechtsbehelfsbelehrung. Diese mögen ggf. Indizien für das Vorliegen eines Verwaltungsakts sein; aus ihrem Fehlen folgt nicht das Gegenteil, solange dem Schreiben mit hinreichender Deutlichkeit eine rechtlich verbindliche Regelung zu entnehmen ist. Dies folgt bereits daraus, dass Verwaltungsakte grundsätzlich formfrei sind, sofern nicht besondere gesetzliche Bestimmungen etwas anderes vorsehen. Auch führt das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung nur zu einer Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist, ändert aber nicht an der Rechtsqualität der Maßnahme.
56 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 35 Rn. 53.
57 Maßgebend für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt ein Verwaltungsakt ist, bleibt vielmehr der objektive Erklärungswert der Maßnahme, d.h. dasjenige, was der Empfänger bei Berücksichtigung aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei einer objektiven Auslegung analog §§ 133, 157 BGB unter der Erklärung verstehen durfte.
58 Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20.04.2005 – 9 C 4.04 -, BVerwGE 123, 292-303; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG-Großkommentar, 2014, § 35 Rn. 9 m.w.N.
59 Dies ist vorliegend die Verpflichtung zur Teilnahme, zumal dem Schreiben in Anlage 1 ein Sanktionskatalog für den Fall der Nichtteilnahme beigefügt war und sich damit Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit der Mitteilung nicht aufdrängten.
60 Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit richtet sich auch gegen den richtigen Klagegegner. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Nichtigkeit gerade daraus hergeleitet wird, dass der Bescheid die tatsächlich ausstellende Behörde im Sinne des § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG nicht erkennen lasse und streitig ist, wem die Maßnahme zuzurechnen ist, ist die Nichtigkeitsfeststellungklage gegen diejenige Stelle zu richten, die in dem Schreiben formal als Aussteller hervortritt. Dies ist nach der äußeren Gestaltung des Schreibens das beklagte Institut. Ob dieses, wie die Klägerin argumentiert, lediglich als Bote für eine Regelung durch die Spitzenverbände auftritt, diese als wahre Aussteller nicht erkennbar sind und hieraus eine Nichtigkeit des Verwaltungsakts folgt, ist eine Frage der Begründetheit der Nichtigkeitsfestellungsklage.
61 Ob die nunmehr gefundene Formulierung des Antrags eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO beinhaltet, mag auf sich beruhen. Eine Klageänderung wäre jedenfalls sachdienlich, weil die erhobene Feststellungklage der materiellen Klärung der Wirksamkeit des angegriffenen Bescheides zwischen den Beteiligten  dient.
62 Die Klage ist im Hauptantrag jedoch unbegründet, da Gründe für die Nichtigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes nicht vorliegen. Allgemein ist ein Verwaltungsakt gemäß § 44 Abs. 1 VwGO nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist. Derartige evidente Mängel,
63 vgl. hierzu Ramsauer, in: Kopp/Schenke, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 44 Rn. 8-30a,
64 sind nicht ersichtlich, da sich die Reglung auf die gesetzliche Vorgabe des § 17b Abs. 3 Satz 6 KHG und die zu ihrer Umsetzung getroffenen Regelungen stützt. Sie werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.
65 Der besondere Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist ebenfalls nicht gegeben. Hiernach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf die allgemeinen Nichtigkeitsvoraussetzungen dann nichtig, wenn er die erlassende Behörde nicht erkennen lässt. Dies ist nicht der Fall. Denn Erlassbehörde ist im Gegensatz zu der auf den ersten Blick erscheinenden Aufmachung des Schreibens nicht das beklagte Institut, sondern die Spitzenverbände. Es bestehen damit auch keine Anhaltspunkte für die mit der Nichtigkeitsfeststellungklage mittelbar geltend gemachte angemaßte Kompetenz des beklagten Instituts. Wer nämlich einen Verwaltungsakt erlassen hat, beurteilt sich ebenso wie die bereits angesprochene Frage, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt, aus Empfängersicht. Die Kammer folgt der Auffassung des beklagten Instituts, dass dieses gerade nicht mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beliehen ist. Es fehlt an einem gesetzlichen oder sonstigen Beleihungsakt. Insbesondere ist § 17 b Abs. 3 Satz 6 KHG eine solche Aufgabenübertragung nicht zu entnehmen. Hiernach vereinbaren die Spitzenverbände bis spätestens zum 31.12.2016 ein praktikables Konzept für die repräsentative Kalkulation nach Satz 3 und deren Weiterentwicklung. Satz 7 präzisiert diesen Gesetzesauftrag auf die Vereinbarung geeigneter Maßnahmen zur Umsetzung dieses Konzeptes, namentlich zur Verpflichtung bestimmter Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation und zur Ergreifung Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verpflichtung. Dem beklagten Institut ist gesetzlich damit nur die Position einer vorbereitenden Institution zugedacht. Es liefert lediglich den Vorschlag für die von den Spitzenverbänden zu treffende Vereinbarung. Dem entspricht § 2 Abs. 1 Satz 1 ReprKalkV, der die Rolle des beklagten Instituts auf einen Informationsauftrag gegenüber den betroffenen Krankenhäusern beschränkt. Adressaten aller Rechte und Pflichten in Bezug auf die Fortentwicklung des DRG-Systems bleiben die Spitzenverbände. Diese Zuständigkeit spiegelt sich in der Gestaltung des Schreibens vom 02.11.2016. Es führt die Spitzenverbände bereits in der Kopfzeile als Träger des Instituts ausdrücklich auf. Der nachfolgende Text lässt keinen Rückschluss auf eine eigene Regelung des beklagten Instituts zu. Vielmehr wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene auf der Basis der gesetzlichen Regelung eine Vereinbarung getroffen und auf dieser Grundlage im Institut das vereinbarte Losverfahren stattgefunden habe und die Klägerin nunmehr verpflichtet sei, Daten zur Erhöhung der Repräsentativität des Entgeltsystems zu liefern. Die Heranziehung der Klägerin setzt dabei eine Vereinbarung um, an der das beklagte Institut nicht beteiligt ist. Verantwortlich bleiben vielmehr die Spitzenverbände. Die Rolle des Instituts beschränkt sich in hinreichend erkennbarer Weise auf die einer Stelle zur Sammlung und Auswertung von Daten.
66 Es ist der Klägerin einzuräumen, dass die Verantwortlichkeit der Spitzenverbände für die getroffene Regelung bei der Gestaltung des Schreibens klarer hätte hervorgehoben werden können. Nicht nachvollziehbar ist der Kammer jedoch die Darstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, diese sei von dem Schreiben gleichsam überrascht gewesen und habe es nicht einzuordnen gewusst. Maßgeblich für die Auslegung einer Regelung ist nicht ein wie auch immer zu beschreibendes Allgemeinverständnis, sondern der jeweilige Empfängerhorizont,
67 vgl. für die Erkennbarkeit von Nichtigkeitsgründen Ramsauer, in: VwVfG, 18. Auflage 2017, § 44 Rn. 13.
68 Gerade in hochspezialisierten Materien wie dem Recht der Krankenhausfinanzierung ist von einem fachlich in besonderer Weise vorgebildeten Empfängerkreis, in der Regel in Person des Verwaltungsleiters bzw. der Verwaltungsleiterin des Krankenhauses, auszugehen. Die Kenntnis der Besonderheiten des DRG-Systems und der hieraus folgenden Rechte und Pflichten kann hier unterstellt werden. Es zählt zum Kernbereich der Krankenhausfinanzierung. Diese Kenntnis schließt die zur Fortentwicklung des Systems durch die Spitzenverbände ergriffenen Maßnahmen ein, zumal diese hinreichend kommuniziert wurden. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass der angesprochene Empfängerkreis die Rolle des beklagten Instituts wie auch der Spitzenverbände innerhalb des DRG-Systems einzuordnen weiß.  Damit liegt die Annahme fern, das Schreiben vom 02.11.2016 lasse keinen oder zumindest nicht seinen wahren Aussteller erkennen,
69 zum letztgenannten Fall vgl. Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 44 Rn. 35.
70 Der erste Hilfsantrag ist unzulässig. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Dies lässt für die hier ausdrücklich gegen das beklagte Institut gerichtete Klage keinen Raum, da das streitgegenständliche Schreiben den Spitzenverbänden zuzurechnen ist. Diese richtet sich gegen die falsche Beklagte.
71 Zur umstrittenen Einordnung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO als Element der Prozessführungsbefugnis oder als Ausdruck der Passivlegitimation mit der Folge einer Unbegründetheit der Klage bei falschem Klagegegner vgl. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Auflage 2010, § 78 Rn. 3 und 4; Redeker/v. Oertzen, 16. Auflage 2014, § 78 Rn. 1; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 78 Rn. 1, jeweils m.w.N..
72 Die Bestimmung des richtigen Klagegegners kann auch nicht durch eine Beiladung der Spitzenverbände ersetzt werden. Der Beigeladene ist gerade nicht Hauptpartei des Rechtsstreits.
73 Der weitere Hilfsantrag ist unzulässig. Denn die Feststellung kann nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Subsidiarität der Feststellungsklage). Dem Begehren eines betroffenen Krankenhauses festzustellen, dass es zur Teilnahme an der Kalkulation der Krankenhausentgelte nicht verpflichtet ist, kann mit der Anfechtungsklage gegen die Auswahlentscheidung Rechnung getragen werden. Für eine gegen das beklagte Institut gerichtete Feststellungklage besteht folglich kein Raum.
74 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
75 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
76 Die Berufung ist gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Das Verfahren betrifft nach Inkrafttreten des § 17 b Abs. 3 Sätze 6 und 7 KHG neue Rechtsfragen, die derzeit Gegenstand elf weiterer bei der Kammer anhängiger Klageverfahren und sechs Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind.
77

Rechtsmittelbelehrung

78 Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
79 Statt in Schriftform kann die Einlegung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
80 Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
81 Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
82 Die Berufungsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
83

Beschluss

84 Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
85 50.000,00 €
86 festgesetzt.
87

Gründe

88 Der festgesetzte Streitwert entspricht dem wirtschaftlichem Interesse der Klägerin am Verfahren (§ 52 Abs. 1 GKG). Die der Bemessung zugrunde liegende Schätzung orientiert sich an der Höhe der für den Fall der Nichtablieferung von Daten vorgesehenen Sanktionen. Diese belaufen sich nach § 3 der ReprKalkV auf einen pauschalen Abschlag von 14.000,00 Euro im ersten Erhebungsjahr und ansteigende Abschlage zwischen 15,00 Euro und 90,00 Euro je voll- und teilstationärem Krankenhausfall bis zum fünften Jahr. Da insoweit die Höhe der Sanktion von der Zahl der Behandlungsfälle abhängt, entzieht sie sich einer genauen Festsetzung. Dies rechtfertigt eine pauschale Bestimmung auf insgesamt 50.000,00 Euro.
89

Rechtsmittelbelehrung

90 Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
91 Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
92 Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
93 Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
94 Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.