Landessozialgericht Baden-Württemberg L 5 KR 3595/15

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 22.02.2017
(nicht rechtskräftig)

 

Sozialgericht Heilbronn S 9 KR 4470/13
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 5 KR 3595/15

 

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.692,04 EUR endgültig festgesetzt.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Beklagten.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhauses. Am 12.08.2008 wurde die 1935 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte I. K. (im Folgenden: Versicherte) zur Auswechselung einer Hüftgelenksendoprothese stationär in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Implantiert wurde eine Endoprothese der Firma Z. GmbH Marke “Revitan” (im Folgenden: Revitan-Endoprothese). Nach der Operation wurde die Versicherte bis 26.08.2008 stationär behandelt.

Die Revitan-Endoprothese besteht aus einer proximalen und einer distalen Komponente, die durch eine Schraubverbindung miteinander verbunden werden; hierfür wird auf ein Gewinde am Ende der distalen Komponente eine Sicherungsmutter aufgeschraubt. Auf Grund freier Kombinationsmöglichkeiten könne – so der Hersteller – die optimale Beinlänge erzielt werden ohne Kompromisse in der Verankerung der Prothese.

Mit Rechnung vom 22.09.2008 stellte die Klägerin der Beklagten für die Krankenhausbehandlung der Versicherten eine Vergütung i.H.v. 9.530,80 EUR in Rechnung. Abgerechnet wurde die DRG (Diagnosis Related Group) 146B (Prothesenwechsel am Hüftgelenk ohne äußerst schwere CC, ohne allogene Knochentransplantation) i.H.v. 6.725,83 EUR zuzüglich des Zusatzentgelts (ZE) für modulare Endoprothesen (ZE 2008-25). Die Abrechnung dieses Zusatzentgelts ist nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 5-829.d zulässig. Der OPS 5-829.d (Fassung 2007) hatte im (hier maßgeblichen) Jahr 2008 folgenden Wortlaut (im Folgenden nur: OPS-Kode).

5-829.d Implantation oder Wechsel von modularen Endoprothesen bei knöcherner Defekt- situation mit Gelenk- und/oder Knochen(teil)ersatz oder individuell angefertigten Implantaten Exkl.: Implantation oder Wechsel einer Tumorendoprothese bei primären oder sekundären malignen Knochentumoren, bei der das Implantat der Länge und Dicke des resezierten Knochens entspricht (5-829.c) Hinw.: Dieser Kode ist ein Zusatzkode. Die durchgeführten Eingriffe sind geson- dert zu kodieren. Modulare Endoprothesen bestehen aus 3 oder mehr metallischen Einzel- teilen an mindestens einer gelenkbildenden Komponente, wobei der Auf- steckkopf bei einer Hüftendoprothese nicht mitgezählt wird.

Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) aber unter dem 01.10.2008 mit einer Abrechnungsprüfung; es werde um Prüfung der Kodierung des Zusatzentgelts (für modulare Endoprothesen) gebeten.

Im MDK-Gutachten vom 05.02.2009 führte Dr. P. aus, die Versicherte sei aufgrund einer Schaftlockerung links bei Z.n. einliegendem zementiertem Schaft in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Der Schaftwechsel sei auf zementfreien Revisionsschaft mit Keramikkopf durchgeführt worden. Die Verwendung einer modularen Endoprothese i.S.d. OPS-Erläuterungen sei nicht erfolgt.

Am 07.04.2009 verrechnete die Beklagte daraufhin einen Betrag von 2.692,04 EUR mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.

Mit Schreiben vom 07.07.2009 erhob die Klägerin Widerspruch. Die bei der Versicherten implantierte Revitan-Endoprothese sei ein modularer Schaft, der eine Verankerung im körperfernen Oberschenkel habe, auf den sodann eine (zweite) Komponente (ebenfalls modular) geschraubt werde, die den Konus für den Kopf beinhalte. Da es die letztgenannte Komponente in unterschiedlichen Größen gebe und die Ante-/Retroversion noch unabhängig von der Fixation des Implantates im Oberschenkelknochen eingestellt werden könne, werde dieser Schaft für Revisionen gerne verwendet. Die Schraube (Mutter) für die Verbindung der beiden Teile gehöre ebenfalls zum modularen Teil.

Die Beklagte holte das (weitere) MDK-Gutachten des Dipl.-med. D. vom 14.05.2012 ein. Darin ist ausgeführt, streitig sei das Zusatzentgelt für modulare Endoprothesen. Der MDK habe dieses Zusatzentgelt unter Hinweis auf das Fehlen von 3 metallischen Komponenten pro Gelenkseite gestrichen. Nach Ansicht der Klägerin müsse die Verschraubung der beiden Einzelteile, die die Schaftkomponente bildeten, ebenfalls zur Modularität gerechnet werden. Das könne dem einschlägigen OPS-Kode jedoch nicht entnommen werden. Hierfür gebe es auch eine entsprechende Mitteilung des D. Bei der Versicherten seien im Schaftbereich 2 metallische Einzelteile implantiert worden; der Aufsteckkopf selbst könne nicht mitkodiert werden. Die Voraussetzungen für die Abrechnung des Zusatzentgelts für modulare Endoprothesen seien daher nicht erfüllt.

Auf eine Anfrage des MDK vom 08.02.2007 hatte das D. mit E-Mail vom 26.02.2007 mitgeteilt, zu den (in OPS-Kode 5-829.d) geforderten 3 Einzelteilen (der modularen Endoprothese) würden Verbindungsstücke, wie Schrauben oder Verschlussplättchen, nicht hinzugerechnet.

Am 20.12.2013 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie trug vor, streitig sei die Zahlung des Zusatzentgelts für modulare Endoprothesen bzw. die Anwendung des OPS-Kodes 5-829.d. Eine modulare Endoprothese müsse nach dem genannten OPS-Kode aus (mindestens) 3 metallischen Einzelteilen bestehen. Es komme nicht darauf an, ob das jeweilige Einzelteil eine besondere Funktion erfülle oder sich in irgendeiner Weise von den anderen Teilen abgrenze. Die bei der Versicherten implantierte Hüftendoprothese bestehe aus einem metallischen rumpfnäheren Schaftteil, einem metallischen rumpfentfernteren Schaftteil und einer metallischen Sicherungsmutter, also aus 3 metallischen Einzelteilen i.S.d. OPS-Kodes 5-829.d. Die Sicherungsmutter sei für die Funktionsfähigkeit der Prothese zwingend notwendig. Ohne Sicherungsmutter könne die Endoprothese nicht sicher verwendet werden, weshalb sie notwendiger Bestandteil der Endoprothese sei. Der MDK könne sich für seine Auffassung, wonach Schrauben oder Inlays nicht mitzuzählen seien, nicht auf den Wortlaut des OPS stützen. Dieser ergebe nicht, dass Schrauben bzw. Muttern nicht als Einzelteile zu zählen seien (zur Auslegung des OPS etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 7/12 R -, in juris). Auch nach Ansicht des D. seien Schrauben als Komponenten von Prothesen einzustufen.

Vorgelegt wurde eine E-Mail des D. vom 27.04.2010. Darin heißt es auf eine Anfrage der Firma Z. GmbH, hinsichtlich der Revitan-Endoprothese liege von Seiten der (zuständigen) Fachgesellschaft folgende Einschätzung vor: Zu den 3 metallischen Einzelteilen an einer gelenkbildenden Komponente könnten Schrauben als 1 Einzelteil mitgezählt werden. Wenn also eine Endoprothese an einer gelenkbildenden Komponente aus 2 Metallteilen bestehe, die mit einer oder mehreren Schrauben verbunden würden, seien die Bedingungen (des OPS) für eine modulare Endoprothese erfüllt. Auch wenn mehrere Schrauben zum Einsatz kämen, liege insoweit nur ein metallisches Einzelteil vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Vergütungsvorschriften seien streng wortlautbezogen auszulegen. Sollte es in der Praxis deswegen zu Ungereimtheiten kommen, müsse das Vergütungsrecht entsprechend weiterentwickelt werden. Schrauben und Verschlussplättchen seien auch nach Auffassung des D. bei Anwendung des OPS-Kodes 5-829.d nicht mitzuzählen (vgl. auch SG Lübeck, Urteil vom 03.05.2012, – S 3 KR 41/11 -, nicht veröffentlicht).

Die Beklagte legte ein (zu einem anderen Rechtsstreit erstattetes) chirurgisches Gutachten (in Auszügen) vor. Darin heißt es, für die Abrechnung des OPS-Kodes 5-829.d müsse ein knöcherner Defekt eines Knochens vorliegen, z.B. nach Wechseloperationen, nach Mehrfachfragmentfrakturen, nach langstreckigen Spiralfrakturen, nach Resektion von Knochentumoren, bei denen zur Wiederherstellung der ursprünglichen knöchernen Situation z.B. einer Längenwiederherstellung des Knochens, eine modulare Endoprothese implantiert werden müsse. Es komme auf das Vorliegen eines knöchernen Defekts an, der ausgeglichen oder überbrückt werden müsse, um eine normale Längenwiederherstellung oder Achsenwiederherstellung des Knochens zu gewährleisten. Eine beispielhaft anzuführende Tumorprothese weise zahlreiche verschiedene Module auf, die individuell zusammengesetzt werden könnten. Nach Maßgabe des einschlägigen OPS-Kodes müsse die (modulare) Prothese aus mindestens 3 Komponenten bestehen, die dem Aufbau der Prothese dienten. Hierzu habe das D. im Jahr 2007 festgelegt, dass Schrauben und Kleinteile jeglicher Art keine Komponenten in diesem Sinne darstellten. Mittlerweile gebe es einen Vorschlag der (zuständigen) Fachgesellschaft, Schrauben und nicht tragende Anteile, wie Bolzen oder Verankerungsstifte, insgesamt als ein metallisches Teil pro Gelenkpartner zu zählen. Dieser Vorschlag habe sich bislang (bis zum Jahr 2012) nicht durchgesetzt. Im Jahr 2007 habe man diese Frage aber nicht diskutiert; es habe festgestanden, dass Schrauben und Verbindungsteile nicht zählten. Bei dem Revitan-System handele es sich um ein zementloses modulares Hüftsystem, das aus 2 unterschiedlichen proximalen und 2 unterschiedlichen distalen Komponenten bestehe. Die proximale Komponente werde in einer zylindrischen und in einer konischen Form angeboten, die distale Komponente werde mit einem geraden Schaft und einem kurvierten Schaft angeboten. Die beiden ausgewählten Elemente würden zusammengesteckt und mit einer Konusmutter verschraubt. Diese (kleine) Konusmutter könne nicht als drittes Modul einer modularen Endoprothese eingestuft werden. Daran änderten auch die Bemühungen der Fachgesellschaften, den OPS-Kode für die Zukunft entsprechend zu ändern und nicht tragende metallische Anteile (Schrauben, Adapter) als ein Metallteil je Gelenkseite zu zählen, nichts. Bis zum Jahr 2012 sei der Wortlaut des OPS-Kodes 5-829.d unverändert geblieben. Wie der Berufsverband der Deutschen Chirurgen mitgeteilt habe, werde die angeführte Änderung noch beraten, so dass es dabei bleibe, dass nicht tragende metallische Einzelteile nicht mitgezählt würden.

Am 25.09.2014 fand eine Erörterungsverhandlung des SG statt. Die Beteiligten lehnten den Abschluss eines Vergleichs ab.

Die Klägerin trug abschließend vor, im OPS-Kode 5-829.d sei von 3 metallischen Einzelteilen, nicht von 3 metallischen Modulen die Rede. Die Revitan-Endoprothese könne nur bei fester Verbindung – Verschraubung – der beiden Einzelteile sicher verwendet werden. Ohne Verschraubung würde die Prothese bei Belastung auseinanderfallen. Das von der Beklagten auszugsweise vorgelegte Gutachten könne nicht überzeugen; außerdem sei eine dem Sachverständigenbeweis nicht zugängliche Rechtsfrage zu beurteilen.

Die Beklagte wandte abschließend ein, unter “Modularität” sei die Aufteilung eines Ganzen in Teile zu verstehen, die man als Module, Bauelemente oder Bausteine bezeichnen könne. Die einzelnen Komponenten könnten auf unterschiedliche Weise kombiniert werden, wobei jede Einzelkomponente einen möglichen Platz einnehme und das System nur als Ganzes funktioniere. Durch genormte Schnittstellen sei die Austauschbarkeit der Module gewährleistet. Damit werde die Problematik der Kompatibilität gering gehalten. In der Endoprothetik spreche man von einem Monoblock-Prothesenteil, wenn die Endoprothese aus einem Stück geformt sei; andernfalls spreche man von einem modularen Aufbau. Bei der modularen Endoprothese werde das Prothesenteil daher nach dem Baukastenprinzip aus unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt. Damit könne das Prothesenteil intraoperativ den Gegebenheiten des konkreten Behandlungsfalls angepasst werden. Die Schrauben und Muttern dienten dabei nur dazu, die einzelnen Module zu verbinden. Hinsichtlich des Designs und der Anpassbarkeit der Prothese auf das individuelle Patientengelenk hätten sie keine weitere Funktion, dienten insbesondere nicht dem Zweck, ggf. knöcherne Defekte aufzufüllen oder zu überbrücken. Sei eine Prothese aus 2 Modulen aufgebaut und gebe es für jede Modulposition 3 Varianten, könne man insgesamt 9 unterschiedliche funktionstüchtige Prothesenteile zusammenbauen. Diese Variabilität werde durch die Schrauben/Muttern nicht gesteigert. Es gebe außerdem auch Endoprothesen, bei denen die Verbindung der einzelnen Module nicht durch Schrauben, sondern durch sich selbst verklemmende Koni bewerkstelligt werde. Diese Koni seien mit dem Modul verschweißt oder aus einem Stück gegossen. Für sie gälten die vorstehenden Ausführungen zur Variabilität entsprechend. Würden die Schrauben (bei verschraubten Endoprothesen) als Einzelkomponenten mitgezählt, stellte die Endoprothese mit Verbindungsschrauben eine modulare Endoprothese i.S.d. OPS-Kodes 5-829.d dar, nicht jedoch die Endoprothese mit selbstverklemmenden Koni als Verbindungselement. Maßgeblich seien daher nur die Module als metallische Einzelteile, die die Prothese formten und unter Hinweis auf die Überschrift des genannten OPS-Kodes potentiell defektfüllend bzw. defektüberbrückend seien. Schrauben, Muttern, Abdeckplatten der Schraubenkanäle und ähnliche Teile seien fester Bestandteil eines Moduls und keine (zusätzlichen) metallischen Teile i.S.d. OPS-Kodes 5-829.d.

Mit Urteil vom 23.07.2015 verurteilte das SG die Beklagte, an die Klägerin 2.692,04 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.04.2009 zu zahlen. Zur Begründung führte es aus, die bei der Versicherten implantierte Revitan-Endoprothese bestehe aus 4 metallischen Einzelteilen, wobei der Aufsteckkopf nach dem Wortlaut des OPS-Kodes 5-829.d nicht mitzuzählen sei. Ziehe man den Aufsteckknopf ab, verblieben 3 metallische Einzelteile. Dass es sich bei dem dritten Einzelteil um eine kleine (Schrauben-)Mutter handele, sei im Hinblick auf den klaren Wortlaut des genannten OPS-Kodes unerheblich. In dem OPS-Kode sei auch nicht von Modulen, sondern von Einzelteilen die Rede. Die abweichende und rechtlich nicht verbindliche Auffassung des D. möge nachvollziehbar und auch sachgerecht sein, da der Eingriff bei dreimodulären Endoprothesen aufwändiger sein werde als bei zweimodulären Endoprothesen. Ausschlaggebend sei aber der Wortlaut des OPS-Kodes.

Gegen das ihr am 31.07.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.08.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Revitan-Endoprothese bestehe aus 2 Komponenten, der distalen Revitan-Geraden und dem Revitan-Verbindungskonus. Beide Komponenten würden mit einer metallischen Sicherungsmutter verbunden. Die Auffassung des D. sei – wie das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein in einem gleich gelagerten Fall bestätigt habe (Urteil vom 12.02.2015, – L 5 KR 73/12 -, nicht veröffentlicht) – bei der Auslegung des einschlägigen OPS-Kodes (ausschlaggebend) zu berücksichtigen. Das D. habe im Verfahren des LSG Schleswig-Holstein durch Auskunft vom 12.08.2014 (erneut) bestätigt, dass bei Anwendung des OPS-Kodes 5-829.d Schrauben oder Pins nicht als metallische Einzelteile mitzuzählen seien. Das D. müsse für die sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise sorgen (§ 301 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) und dafür die tägliche Praxis beobachten und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den OPS-Kodes Lücken und Unklarheiten beseitigen. Der OPS-Kode 5-829.d habe die modulare Endoprothese zum Gegenstand. Das Gegenstück zur modularen Endoprothese sei die Monoblock-Prothese. Wenn in dem genannten OPS-Kode von “Einzelteilen” die Rede sei, sei damit im Hinblick auf den Gesamtwortlaut der Vorschrift anzunehmen, dass es sich bei den “Einzelteilen” um “Module” handeln müsse. Außerdem müsse die Implantation oder der Wechsel der modularen Endoprothese bei einer knöchernen Defektsituation erfolgen. Daher müssten die Prothese bzw. ihre Module dazu dienen, knöcherne Defekte aufzufüllen oder zu überbrücken. Diesem Zweck dienten Schrauben oder Muttern nicht. Bislang sei außerdem das Vorliegen einer knöchernen Defektsituation bei der Versicherten nicht festgestellt; aus ihren Unterlagen gehe das nicht hervor. Die bloße Schaftlockerung der erstimplantierten Endoprothese genüge hierfür jedenfalls nicht.

 

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen. Die Auffassung des D., die ohnehin nicht rechtsverbindlich sei, beziehe sich auf den OPS-Kode Fassung 2007; der Eingriff bei der Versicherten habe aber im Jahr 2008 stattgefunden und es sei anzunehmen, dass sich die Wertung des D. der Praxis angepasst habe. Hinweise des D. seien erst bindend, wenn sie in das OPS-Verzeichnis aufgenommen worden seien (BSG, Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 25/12 R -, in juris). Der Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein (Urteil vom 12.02.2015, a.a.O.) sei nicht zu folgen; sie trage dem Gebot der Wortlautauslegung des Vergütungsrechts nicht hinreichend Rechnung und beziehe sich auch auf den OPS Fassung 2007. In der vom LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) im Urteilstatbestand angeführten Auskunft des D. vom 12.08.2014 werde zudem ausgeführt, für die OPS-Fassung 2007 seien Schrauben oder Pins bei den metallischen Einzelheiten nicht mitzuzählen gewesen und die Definition sei später angepasst worden, so dass ab 2009 eine oder mehrere Schrauben als ein metallischer Anteil pro Gelenkpartner gezählt werden könnten, wenn sie in Kombination mit mindestens 2 weiteren metallischen Einzelteilen die mechanische Bauteilsicherheit des modularen Teils der Prothese gewährleisteten. Außerdem werde auf die E-Mail-Auskunft des D. an die Firma Z. vom 27.04.2010 hingewiesen. Der Wortlaut des OPS-Kodes 5-829.d verlange nur “Einzelteile” und keine “modularen Teile”. Bei Widersprüchlichkeit gehe der Wortlaut des OPS-Kodes den Hinweisen vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist das (von der Klägerin statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend gemachte, vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.04.2016, – B 1 KR 28/15 R -, in juris) Zusatzentgelt für die Implantation einer modularen Endoprothese i.H.v. 2.692,04 EUR; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Klägerin steht das streitige Zusatzentgelt für die Behandlung der Versicherten durch Implantation einer Revitan-Endoprothese nicht zu. Die Beklagte hat daher zu Recht die Erstattung des zunächst gezahlten Zusatzentgelts gefordert und den Erstattungsanspruch auch zu Recht durch Verrechnung bzw. Aufrechnung mit (anderen und unstreitigen) Vergütungsforderungen der Klägerin geltend gemacht (zu dieser Verfahrensweise etwa BSG, Urteil vom 25.10.2016, – B 1 KR 7/16 R -; Urteil 19.04.2016, – B 1 KR 23/15 R -, beide in juris). Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.

Die Beteiligten streiten (zu Recht) nicht darüber, dass der Klägerin für die Krankenhausbehandlung der Versicherten dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch (nach Maßgabe der DRG 146B) gegen die Beklagte zusteht (dazu, insbesondere zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Vergütung von Krankenhausbehandlungen näher etwa BSG, Urteil vom 17.11.2015, – B 1 KR 41/14 R -; Senatsurteil vom 14.12.2016, – L 5 KR 4875/14 -, beide in juris, sowie für den vorliegenden Fall die hierfür gemäß § 153 Abs. 2 SGG in Bezug zu nehmenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils). Streitig ist allein die Höhe des Vergütungsanspruchs. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie (auch) das Zusatzentgelt (ZE 2008-25) für modulare Endoprothesen beanspruchen kann. Das ist indessen nicht der Fall. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen des OPS-Kodes 5-829.d (in der bei Behandlung der Versicherten im August 2008 geltenden und daher hier maßgeblichen Fassung) sind nicht erfüllt. Die bei der Versicherten implantierte Revitan-Endoprothese stellt eine modulare Endoprothese i.S.d. genannten OPS-Kodes nicht dar.

Die für die Vergütung von Krankenhausbehandlungen geltenden Abrechnungsbestimmungen (einschließlich des OPS) sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb des vorgegebenen Vergütungssystems (des Krankenhausvergütungsrechts, dazu etwa BSG Urteil vom 17.11.2015, – B 1 KR 41/14 R -, in juris) eng am Wortlaut orientiert und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 7/12 R -, in juris; zur Auslegung des vertragsärztlichen Vergütungsrechts nur etwa BSG, Urteil vom 04.05.2016, – B 6 KA 16/15 R -; Urteil vom 11.02.2015, – B 6 KA 15/14 R -, beide in juris). Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nämlich nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit “lernendes” System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Wertungswidersprüchen, Unrichtigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten oder bei Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14.10.2014, – B 1 KR 26/13 R -, in juris); die zuständigen Stellen haben es in der Hand, durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ggf. Abhilfe zu schaffen. Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS, da der vom D. herausgegebene OPS erst durch die jährlich abgeschlossene Fallpauschalenvereinbarung für das Vergütungssystem verbindlich wird. Namentlich durch die in die Fallpauschalenvereinbarung einbezogenen DKR ist es den Vertragsparteien möglich, die erlöswirksame Kodierung des OPS zu steuern (BSG, Beschluss vom 19.07.2012, – B 1 KR 65/11 B -, in juris). Die genannten Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer Weise auch für die vom D. erteilten “Hinweise” zur Auslegung und Anwendung einzelner OPS-Kodes. Denn das D. hat nach § 301 Abs. 2 SGB V die Pflicht, für eine sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise zu sorgen, wofür es die tägliche Praxis beobachten und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den diversen OPS-Kodes beobachtete Lücken und Unklarheiten beseitigen muss (BSG, Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 25/12 R -, in juris).

Über die Auslegung des Regelwerks für die Vergütung von Krankenhausleistungen (ebenso von vertragsärztlichen Leistungen) muss im Streitfall das Gericht im Wege der Rechtsanwendung, nämlich der Anwendung der nach der Rechtsprechung des BSG hierfür maßgeblichen Auslegungsregeln, entscheiden. Die Entscheidung über die Enge oder Weite von Leistungstatbeständen ist eine Frage der rechtlichen Auslegung. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Daher ist in vergütungsrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich kein Raum für Sachverständigenvernehmungen (Senatsurteil vom 24.02.2016, – L 5 KA 5799/11 -, in juris, zur sachlich-rechnerischen Berichtigung vertragsärztlicher Vergütungsforderungen nach § 106a SGB V; jurisPK-SGB V/Clemens, § 106a Rdnr. 49 unter Bezugnahme u.a. auf die Rspr. des BSG). Sind danach allein maßgeblich juristische Auslegungsmethoden, tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund (BSG, Beschluss vom 12.12.2012, – B 6 KA 31/12 B -; Beschluss vom 10.03.2004, – B 6 KA 118/03 B -: u.a. Frage, welche Leistungen mit der Pauschale nach GNR 3454 EBM a.F. (bis 31.03.2005) – Grundpauschale für Ärzte für Laboratoriumsmedizin – abgegolten sind, dem Beweis durch Sachverständigen nicht zugänglich; auch BSG, Beschluss vom 28.09.2016, – B 6 KA 17/16 B -, alle in juris).

Davon ausgehend können bei Anwendung des OPS-Kodes 5-829.d – modulare Endoprothese (Fassung 2007) – Schrauben oder Muttern, die der Verbindung zweier Prothesenmodule dienen, nicht als “metallisches Einzelteil” i.S.d. Hinweistextes zu dem genannten OPS-Kode eingestuft und daher nicht (als drittes Einzelteil) mitgezählt werden. Das ergibt die Wortlautauslegung des OPS-Kodes 5-829.d.

Gegenstand der Wortlautauslegung ist der Text des jeweiligen OPS-Kodes in seiner Gesamtheit. Der OPS-Kode besteht aus dem Inhaltstext (der “Leistungslegende”) und den nach Maßgabe der DKR (als Klassenattribute) beigefügten Einschluss- und Ausschlussbemerkungen (eingeleitet durch “Inkl.” bzw. “Exkl.”) und Hinweisen (eingeleitet durch “Hinw.”). Einschlussbemerkungen (Inklusiva) enthalten nähere Angaben zum Inhalt des Kodes oder Beispiele für Sachverhalte, die diesem Kode zuzurechnen sind. Ausschlussbemerkungen (Exklusiva) nennen Maßnahmen, die nicht unter den Kode fallen; der tatsächlich zutreffende Kode ist in Klammern angegeben. Hinweistexte enthalten Hinweise zur Anwendung des Kodes. Sie weisen darauf hin, wann der Kode angewendet werden kann, oder wenn Komponenten eines komplexen Eingriffs, ergänzende Angaben zum Eingriff oder der Zugang für einen Eingriff gesondert und zusätzlich kodiert werden müssen (vgl. die entsprechenden Bestimmungen der DKR – P003d – und die die Erläuterungen des D. in: www.d …de/st./de/k./o./s./k …htm).

Die dem jeweiligen OPS-Kode in Hinweistexten (des D.) beigefügten Anwendungshinweise können die im Inhaltstext (in der “Leistungslegende”) des Kodes enthaltenen (unbestimmten, auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen) Begriffe näher “verbestimmen”, ähnlich der “Verbestimmung” unbestimmter Rechtsbegriffe in Gesetzestexten durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften (Norminterpretationsrichtlinien). Im Hinblick darauf sind die Begriffe des Inhalts- und des Hinweistextes eines OPS-Kodes wechselseitig aufeinander bezogen und nicht voneinander gesondert auszulegen. Bei dieser Vorgehensweise handelt es sich um Wortlautauslegung (grammatische Auslegung) und nicht um systematische Auslegung, die auf das Verhältnis einzelner Normen zueinander oder auf die Stellung einer Norm im Gefüge eines Regelwerks abstellt.

Die Wortfolge “metallische Einzelteile” im Hinweistext zu OPS-Kode 5-829.d ist somit in Bezug auf die Wortfolge “modulare Endoprothese” im Inhaltstext (in der Leistungslegende) des OPS-Kodes auszulegen. Der Hinweistext gibt an, wann der Kode verwendet werden kann, und enthält hierfür eine Begriffsbestimmung. Es wird (definitorisch) festgelegt, was unter einer modularen Endoprothese i.S.d. OPS-Kodes 5-829.d (im Gegensatz zu einer nicht modularen (Monoblock-)Endoprothese) zu verstehen ist, nämlich eine aus 3 oder mehr metallischen Einzelteilen an mindestens einer gelenkbildenden Komponente bestehende Prothese. Als Teil einer Begriffsbestimmung wird der Begriff “Einzelteil” nicht in einem weiten alltagssprachlichen Wortsinn, sondern in einem engeren technischen Wortsinn verwendet. Das tritt im Wortlaut des Hinweistextes zu OPS-Kode 5-829.d dadurch hervor, dass der Aufsteckkopf einer Hüftendoprothese – alltagssprachlich ein Einzelteil – nicht mitgezählt wird, also nicht Einzelteil im hier maßgeblichen -technischen Sinne sein soll. Im Hinblick darauf sind “Einzelteile” i.S.d. Hinweistextes zu OPS-Kode 5-829.d nur solche Teile der Endoprothese, die (zugleich) ein Modul der Endoprothese darstellen, nicht jedoch auch solche Teile, die (nur) der technisch notwendigen Verbindung der Prothesenmodule zur (funktionsfähigen) Prothese dienen, wie (Verbindungs-)Schrauben oder (Verbindungs-)Muttern. Wenn auch solche Teile die Mehrteiligkeit einer Endoprothese und damit deren Modularität i.S.d. OPS-Kodes 5-829.d begründen sollen, muss das im Inhaltstext des OPS-Kodes oder im Hinweistext hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Die Einschätzung von Fachgesellschaften wiedergebenden Auskünfte des D., wie die E-Mail-Auskunft an den Hersteller der Revitan-Endoprothese (Fa. Z. GmbH) vom 27.04.2010, wonach Schrauben nach Auffassung der zuständigen Fachgesellschaft mitzählten, können dies nicht ersetzen. Davon abgesehen hat das D. während der hier maßgebenden Zeit (2008) ersichtlich noch die gegenteilige Auffassung vertreten (E-Mail-Auskunft an den MDK vom 26.02.2007; ebenso die im Verfahren des LSG Schleswig-Holstein L 5 KR 73/12 erteilte Auskunft des D. vom 12.08.2014: Änderung (Mitzählen von Schrauben u.ä.) erst ab 2009). Unklarheiten bei Anwendung der OPS-Kodes in der Abrechnungspraxis muss das D. ggf. durch Änderung des jeweiligen Kodes oder Anpassung (Präzisierung) seiner Hinweise und nicht durch Einzelauskünfte an den MDK oder die Hersteller von Medizinprodukten beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 25/12 R -, in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).