Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1515/01

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 25.04.2003 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Reutlingen S 3 AL 1139/02
  • Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1515/01

 

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des So-zialgerichts Reutlingen vom 21. März 2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 67.440,26 nebst zwei v.H. Zinsen über dem Diskontsatz der Bundesbank für den Zeitraum vom 01. Februar 1996 bis 31. Dezember 1999 und zwei v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 01. Januar 2000 zu zahlen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung eines Sonderentgelts (SE) und eines Intensivpflegesat-zes in Höhe von insgesamt DM 131.910,68 (= EUR 67.440,26) zuzüglich Zinsen aus der stationären Behandlung des am 1968 geborenen J. K. (J.K.) streitig.

J.K. ist bei der Beklagten versichert. Bei ihm wurde im Januar 1994 ein linksseitiges Hodenkar-zinom im Stadium C festgestellt; es erfolgte eine operative Entfernung des linken Hodens. Nach zunächst festgestellter kompletter Remission traten im Januar und August 1995 Rezidiverkran-kungen auf; deswegen wurden bei mehreren stationären Krankenhausaufenthalten zyklische Chemotherapien durchgeführt. Am 05. Dezember 1995 wurde J.K. zwecks Durchführung einer autologen Stammzelltransplantation (AST) mit anschließender Hochdosis-Chemotherapie in der Abteilung II Hämatologie, Onkologie, Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Kli-nik und Poliklinik der Klägerin stationär aufgenommen und bis 27. Dezember 1995 behandelt. Die AST wurde am 13. Dezember 1995 durchgeführt. Die Beklagte erteilte gegenüber der Klä-gerin aufgrund der ihr zugegangenen Aufnahmeanzeige unter dem 03. Januar 1996 eine Über-nahmeerklärung hinsichtlich der Krankenhauskosten zu den Vertragssätzen für die Dauer der Krankenhausbehandlung. Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung des J.K. am 15. Januar 1996 insgesamt DM 147.652,14 in Rechnung, und zwar für die Intensivpfle-ge/Überwachung ohne Wahlleistung Arzt am 05. Dezember 1995 DM 1.901,68, für die Regel-leistung ohne Wahlleistung Arzt vom 06. bis 27. Dezember 1995 DM 15.750,46 und für die AST am 13. Dezember 1995 DM 130.000,00. Die Beklagte wies der Klägerin lediglich den Betrag von DM 15.750,46 für die Regelleistung an. Nachdem die Klägerin die Bezahlung der gesamten Rechnung angemahnt hatte, holte die Beklagte zunächst eine Stellungnahme der Dr. R. vom Me-dizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 03. Mai 1996 ein. Diese wies darauf hin, aus den Unterlagen ergebe sich, dass die Stammzelltransplantation mit Hochdosis-Chemotherapie im Rahmen eines Studienprotokolls durchgeführt worden sei. Dazu sei eine entsprechende Arztanfrage sinnvoll, um festzustellen, ob die AST über die Krankenkasse abgerechnet werden könne. Danach wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 19. August 1996 darauf hin, während der Gespräche der Klägerin mit den Kostenträgern über die Vergütung der AST sei von dort mehrfach geäußert worden, dass die AST innerhalb von Studienprotokollen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB) zähle. Insoweit sei auch Übereinstimmung erzielt worden. Deswegen halte sie eine Übernahme der Kosten der AST bei J.K. nicht für möglich. Für die Dauer des stationären Aufenthaltes werde der allgemeine Pflegesatz überwiesen. Zu der bei J.K. durchgeführten Therapie äußerte sich der Ärztliche Direktor der genannten Abteilung II der Klägerin Prof. Dr. K. mit Schreiben vom 29. August 1996. Er wies darauf hin, die durchgeführten Untersuchungen zeigten, dass für Pati-enten durch die AST mit Hochdosis-Therapie eine etwa doppelt so gute Langzeitüberlebensrate erzielt werden könne, als durch eine Standardtherapie. Das zuletzt durchgeführte Therapiever-fahren sei hier im nationalen und internationalen Konsens als etabliertes Vorgehen anzusehen. Es sei nur noch nicht endgültig gesichert, welche Medikamente und in welcher exakten Dosierung im Rahmen der Hochdosis-Therapie einzusetzen seien. Diese Fragen untersuche man gegenwär-tig in so genannten Therapieoptimierungsstudien; auch J.K. sei nach einem entsprechenden Pro-tokoll behandelt worden, das eine bestimmte Zytostatikadosierung und ein bestimmtes Applika-tionsschema vorgesehen habe. Dieses beinhalte jedoch nicht die Frage der Hochdosis-Therapie an sich. Dazu holte die Beklagte die Stellungnahme des Dr. Dr. E., Internist, Hämatologe, Dip-lom-Biochemiker, Sozialmedizin, vom 17. März 1997 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, der Wert der Hochdosis-Therapie bei Progression einer zysplatinhaltigen Chemotherapie werde in einer laufenden Studie überprüft; deren Wert sei jedoch derzeit nicht nachgewiesen. Hier müsse erst noch das Ergebnis der laufenden Studie in biostatisch gesicherter Form abgewartet werden. Danach verblieb die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 1997 bei ihrem Standpunkt, dass die Kosten für die AST mit Hochdosis-Therapie bei J.K. nicht übernommen werden könnten, weil eine therapeutische Wirksamkeit statistisch nicht gesichert sei. Dem widersprach Prof. Dr. K. erneut mit Schreiben vom 28. Mai 1997; er wies nochmals darauf hin, dass die durchgeführte Hochdosis-Therapie in der Rezidivsituation bei Patienten mit malignen Hodentumoren ein etab-liertes klinisches Verfahren sei. Derzeit würden lediglich noch Untersuchungen zur Therapieop-timierung im Hinblick auf spezielle Dosierungsaspekte einzelner Medikamente sowie die Wer-tigkeit bestimmter Medikamentenkombinationen bei der Hochdosis-Therapie durchgeführt. Auch danach blieb die Beklagte im Hinblick auf Mahnungen hinsichtlich der verlangten Zahlung des Restbetrags von DM 131.901,68 bei ihrem Standpunkt (Schreiben vom 17. Juni und 04. Dezember 1997, 16. Februar und 02. März 1998). Zuletzt hatte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des Dr. Dr. E. vom 07. August 1998 eingeholt.

Am 12. Oktober 1999 erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage auf Erstat-tung des SE für die AST mit Hochdosis-Chemotherapie einschließlich des Pflegesatzes für einen Tag Intensivpflege. Sie trug vor, die geltend gemachte Forderung in Höhe von DM 130.000,00 sei als SE abzurechnen gewesen. Aus den Stellungnahmen des Prof. Dr. K. ergebe sich, dass beim Rezidiv eines Hodentumors die AST mit Hochdosis-Chemotherapie als etabliertes Verfah-ren wissenschaftlich anerkannt sei. Zwar seien die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht in biostatisch randomisierten Studien gewonnen worden; die therapeutische Wirkung und die Erhöhung der Lebenswahrscheinlichkeit um 40 vom Hundert (v.H.) sei jedoch bereits seit 1995 in der wissenschaftlichen Literatur gesichert. Die Behauptung der Beklagten, die The-rapie sei bei J.K. innerhalb einer klinischen Studie durchgeführt worden, gehe fehl. J.K. habe zwar an einer so genannten Therapieoptimierungsstudie teilgenommen. Im Rahmen dieser Studie sei jedoch nicht die therapeutische Wirkung der Hochdosis-Chemotherapie überprüft oder in Frage gestellt worden. Vielmehr sei es darum gegangen, spezielle Dosierungsaspekte einzelner Medikamente zu testen. Genau für die gewählte Behandlungsmethode sei in der vorgelegten Pflegesatzvereinbarung 1995 ein SE in Höhe von DM 130.000,00 vereinbart worden. Die Partei-en seien sich darüber einig gewesen, die Abrechnung dieses SE nicht auf bestimmte Diagnosen zu beschränken, wie dies später in der ebenfalls vorgelegten Anlage 1 zur Nebenabrede der Pflegesatzvereinbarung 1998 geschehen sei. Die Entscheidung über die medizinische Indikation zur Durchführung einer AST sei im Sinne der Therapiefreiheit allein dem behandelnden Arzt überlassen. In der Pflegesatzvereinbarung 1995 sei die Durchführung von maximal 27 AST an ihrer Klinik vereinbart worden. Bei Mindererlösen habe kein Ausgleich zu Lasten der Kostenträger durchgeführt werden sollen. 1995 seien genau 27 Transplantationen vorgenommen worden. Die Abrechnung des vereinbarten SE sei von anderen Kassen bei 26 Fällen problemlos anerkannt worden. Im Rahmen der 1998 erstellten Abrechnungsregelungen sei von Kassenseite die Behandlungsmethode bei Keimzelltumoren, d.h. bei einem Hodenkarzinom, in keinem Sta-dium als nicht indiziert angesehen worden. Da sich die Beklagte ausdrücklich auf die Stellung-nahme des Dr. Dr. E. vom 07. August 1998 berufe, werde auf die Anlage 1 zur Nebenabrede der Pflegesatzvereinbarung 1998 hingewiesen, wo die durchgeführte Behandlungsmethode bei der Diagnose eines Hodenkarzinoms als mit dem SE abrechenbar angesehen werde. Die von ihr geltend gemachte Forderung sei nicht verjährt. Sie weise auf die hier maßgebende vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 Abs. 1 des Ersten Buches des SGB (SGB I) und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Juni 1999 (B 3 KR 6/99 R = SozR 3-1200 § 45 Nr. 8) hin. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie verwies auf die zuletzt eingeholte Stellungnahme des Dr. Dr. E. vom 07. August 1998. Die Therapiefreiheit der Krankenhausärzte führe nicht dazu, dass alle vom Krankenhaus durchgeführten Maßnahmen von den Kostenträgern zu bezahlen seien. Leistungen nach wissenschaftlich nicht anerkannten Me-thoden bzw. nach nicht ausreichend erprobten Verfahren oder Außenseitermethoden, die sich nicht bewährt hätten, könnten keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auslösen. Die bei J.K. durchgeführte AST stelle bei dem Krankheitsbild des soliden Tu-mors keine anerkannte Behandlungsmethode dar, für die sie leistungspflichtig sei. Die Behand-lung sei noch in die Phase von Forschung und Lehre einzustufen gewesen, wie Dr. Dr. E. darge-legt habe. Da eine Pflegesatzvereinbarung auf der Basis der Verordnung zur Regelung der Kran-kenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung – BPflV -) dem geltenden höherwertigen Recht des Fünften Buches des SGB (SGB V) nicht entgegenstehen dürfe, könne in der Pflege-satzvereinbarung 1995 mit der Vereinbarung eines SE für 27 AST nur die Abrechnung einer bestimmten Leistungsmenge unter der Voraussetzung und Einhaltung der Gesetze gemeint ge-wesen sein. Die vereinbarte Leistungsmenge könne nicht als Freibrief zur Abrechnung bei jeder Indikation ausgelegt werden. Auf die Rechtslage im Jahre 1998 komme es nicht an. Im Übrigen sei die Forderung der Klägerin bereits verjährt, denn die Verjährungsfrist sei hier bereits am 31. Dezember 1998 abgelaufen gewesen. Mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2001, der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 26. März 2001 zugestellt, wies das SG die Klage ab. Das SG führte aus, mit Recht habe die Beklagte dar-auf hingewiesen, dass hier eine Leistungspflicht der GKV nicht bestanden habe. Die Behandlung mit der streitigen Therapie sei jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt Teil einer Studie gewesen, die erst dazu habe dienen sollen, die Wirksamkeit dieser Therapiemethode nachzuweisen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04. April 2001 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, die pflegesatzrechtlichen Abrechnungs-voraussetzungen des SE “Autologe Blutstammtransplantation” und des besonderen Pflegesatzes “Intensivpflege” hätten zweifelsfrei vorgelegen. Dem Vergütungsanspruch stehe auch nicht ent-gegen, dass die Krankenhausbehandlung im Rahmen einer so genannten Therapieoptimierungs-studie erfolgt sei. Dies werde im Übrigen auch durch die Neuregelung des § 137c SGB V i.d.F. des Gesundheitsreformgesetzes 2000 bestätigt. Die durchgeführte Behandlungsmaßnahme sei auch im konkreten Einzelfall medizinische erforderlich gewesen. Hier sei der Behandlungserfolg mit einer wesentlich höheren Wahrscheinlichkeit eingetreten als bei der Durchführung jeder an-deren Behandlungsmethode. Die Leistungsverweigerung der Beklagten verstoße auch gegen die gemeinsame Pflegesatzkalkulation zwischen den Vertragsparteien im Rahmen der Pflegesatzver-einbarung 1995. Diese Vereinbarung habe keine einschränkenden Indikationen für die Abrech-nung des SE für die AST enthalten. Eine derartige Eingrenzung wäre von ihr im Rahmen der Pflegesatzkalkulation akzeptiert worden, weil sich aufgrund der Pflegesatzsystematik dadurch entsprechend höhere tagesgleiche Pflegesätze ergeben hätten. Hätten die Vertragsparteien 1995 einvernehmlich darauf verzichtet, ein SE für die AST zu vereinbaren, wären zweifellos die ta-gesgleichen Pflegesätze des Pflegesatzzeitraums 1995 entsprechend höher ausgefallen. Eine Ein-schränkung der Indikationsgebiete für die Abrechnung des hier streitigen SE sei erst im Rahmen der Pflegsatzvereinbarung 1998 getroffen worden; auch daraus ergebe sich, dass die Vertragspar-teien die Abrechnung des SE für den Pflegesatzzeitraum 1995 nicht auf bestimmte Diagnosen hätten beschränken wollen. Es müsse aber auch berücksichtigt werden, dass mit der Therapie “Autologe Blutstammzelltransplantation” im Rahmen der Pflegesatzvereinbarung 1995 dieselbe Behandlung gemeint sei wie mit dem Begriff der “Hochdosis-Therapie mit autologer Blut-stammzelltransplantation” im Rahmen der Nebenabrede zur Pflegesatzvereinbarung 1998. In dieser Nebenabrede werde dann auch unter der Bezeichnung “Keimzelltumor” genau das Krank-heitsbild angesprochen, welches bei J.K. zum Einsatz der AST geführt habe. Dies ergebe weiter, dass auch die von der Klägerin zusammen mit dem MDK überarbeitete Indikationsliste für “Au-tologe Blutstammzelltransplantationen”, die der Pflegesatzvereinbarung 2001 zugrunde liege, die Behandlung des Keimzelltumors ausdrücklich vorsehe. Verjährung sei hier nicht eingetreten. Denn in ihrem Verhältnis zur Beklagten gelte die allgemeine vierjährige Verjährungsfrist des § 45 SGB I. Auf den Beginn der Verjährung komme es hier nicht an. Jedenfalls sei die vierjähri-ge Verjährungsfrist bei Klageerhebung am 08. Oktober 1999 noch nicht verstrichen gewesen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus den Regelungen der jeweils geltenden baden-württembergischen Landesverträge zu § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Nach § 19 Abs. 3 dieser Ver-träge könne sie Verzugszinsen in Höhe von zwei v.H. über dem Diskontsatz bzw. seit dem 01. Januar 2000 zwei v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes ab Fälligkeitstag berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedürfe. Die Fälligkeit ergebe sich nach § 19 Abs. 1 des entsprechenden Landesvertrages; sie trete innerhalb von 14 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes ein. Ausgehend von dem Abrechnungsdatum des 15. Januar 1996 sei die Beklagte jedenfalls spätestens mit dem 01. Februar 1996 in Verzug gera-ten; damit sei der Zinsanspruch ab diesem Zeitpunkt gegeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 67.440,26 nebst zwei v.H. Zinsen über dem Diskontsatz der Bundesbank für den Zeitraum vom 01. Februar 1996 bis 31. Dezember 1999 und 2 v.H. über dem Basiszins-satz gemäß § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 01. Januar 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Hier sei nicht belegt, dass die bei J.K. 1995 im Rahmen einer Therapieoptimierungsstudie angewandte Behandlungsmethode biostatisch entsprechend den Anforderungen des BSG gesichert gewesen sei. Die Klägerin habe keine substantiellen neuen Argumente vorgetragen. Die Pflegesatzvereinbarung 1995 hätte für die AST nur dann Bedeutung haben können, wenn die Methode im Falle des Versicherten hin-sichtlich des klinischen Nutzens biostatisch gesichert gewesen wäre. Andernfalls wäre die Ver-einbarung rechtswidrig gewesen und hätte nicht genehmigt werden können. Mit der Pflegesatz-vereinbarung 1995 sei nicht über die Qualität und Wirksamkeit der AST entschieden worden. Eine solche Vereinbarung hätte nicht getroffen werden können, weil sie dem Gesetz widerspro-chen hätte. Durch diese Vereinbarung sei lediglich die vertragliche Grundlage dafür geschaffen worden, in Qualität und Wirksamkeit dem medizinischen Stand entsprechende Leistungen abzu-rechnen. Nur insoweit habe die Vereinbarung gesetzeskonform sein können. Erst durch die Pfle-gesatzvereinbarungen der Folgejahre seien sowohl mittels der Indikationsliste als auch mittels eines Modellvorhabens nach § 26 BPflV die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen wor-den, unter den definierten Voraussetzungen die Kosten einer AST durch das Krankenhaus abzu-rechnen und von den Kostenträgern übernehmen zu müssen. Diese Situation habe im Jahre 1995 noch nicht vorgelegen. Die Beklagte hat die Unterlagen zu den Pflegesatzvereinbarungen für 1995 und 1998 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil oh-ne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Be-rufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten das in der Pflegesatzvereinbarung vom 09. März 1995 vereinbarte SE von DM 130.000 (= EUR 66.467,94) für die bei J.K. am 13. Dezember 1995 durchgeführte AST im Rahmen der bei ihm durch die Klägerin vom 05. bis 27. Dezember 1995 dauernden Krankenhausbehandlung verlangen, ebenfalls den danach verein-barten Pflegesatz für Intensivpflege/Überwachung am 05. Dezember 1995 in Höhe von DM 1.901,68 (= EUR 972,31). Das SG hat die Leistungsklage zu Unrecht abgewiesen. Es hätte ihr, auch hinsichtlich der begehrten Zinsen, stattgeben müssen.

Zunächst ist anzumerken, dass für die Entscheidung über die Leistungsklage das SG am Sitz der Landesregierung, das heißt das SG Stuttgart, zuständig gewesen wäre. Eine Beiladung des J.K. war nicht erforderlich, da der ihm gegenüber erfüllte Leistungsanspruch allein zwischen der Klä-gerin und der Beklagten im Streit steht.

Die Klage ist als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Kran-kenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, wie das BSG zuletzt im Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 64/01 R mit weiteren Nachweisen – ausgeführt hat. Weiter ist, wie schon im Urteil des Senats vom 27. September 2002 (L 4 KR 1517/01) geschehen, darauf hinzuweisen, dass nach der Rechsprechung des BSG die Klage schon deswegen begründet ist, weil Rechnun-gen zeitnah, d.h. innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungstellung, zu begleichen sind, und zwar auch dann, wenn die Krankenkasse als Kostenträger sie nicht für berechtigt hält. Nach den ver-traglichen Abmachungen gilt, dass etwaige Überzahlungen erst bei späteren Abrechnungen zu berichtigen sind. Diese Regelung ist geschaffen worden, um zu vermeiden, dass Leistungserbringer in erheblichem Umfang mit ihren Forderungen abwarten müssen, so dass es ohne weite-res zu Insolvenzen kommen könnte. Dies wäre ein nicht in Kauf zu nehmender Nachteil, der durch die Umstellung vom Tagespflegesatzprinzip unter anderem auf SE entstehen würde. Das Ziel dieser Umstellung ist es nicht, den Leistungsbringer in wirtschaftliche Schwierigkeiten und Liquiditätsengpässe zu bringen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Kosten der AST. Maßge-bend ist der Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V, den die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft in Stuttgart mit u.a. der Beklagten am 25. April 1994 geschlossen hat. Gemäß § 112 Abs. 1 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigun-gen der Krankenhausträger im Lande gemeinsame Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen. Das einzelne Krankenhaus wird dann durch einen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Verbän-den der Ersatzkassen geschlossenen Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V in die Versorgung der Versicherten eingebunden (§ 108 Nr. 3 SGB V). Dieser Vertrag ist gemäß § 112 Abs. 2 Satz 2 SGB V für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbind-lich. Die Klägerin ist jedoch als Hochschulklinik im Sinne des Hochschulbaugesetzes zugelasse-nes Krankenhaus nach § 108 Nr. 1 SGB V. Somit konnte J.K. als Versicherter der Beklagten gemäß § 2 Abs. 2 SGB V die Leistungen der Beklagten als Sach- und Dienstleistungen erhalten, da sich die Beklagte der Klägerin als zugelassenen Leistungserbringer bediente. Nachdem der Pflegesatz selbst für die Zeit vom 06. bis 27. Dezember 1995 nicht im Streit steht und am 20. August 1996 überwiesen wurde, ist hier zunächst über das SE von EUR 66.467,94 zu entschei-den, dessen Zahlung die Beklagte zu Unrecht abgelehnt hat. Die Grundlage des Zahlungsan-spruchs ist insoweit die Pflegesatzvereinbarung 1995 zwischen der Klägerin und den Sozialleis-tungsträgern gemäss § 18 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) sowie der §§ 4, 16 der BPflV vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750). Nach § 3 Abs. 4 Buchstabe b der Pflegesatzvereinbarung 1995 wurden gemäß § 6 Abs. 4 BPflV innerhalb des Budgets nach § 2 ab 01. Januar 1995 für eine AST DM 130.000,- als SE vereinbart, wie sie auch die Klägerin hier berechnet hat. Einschränkende Indikationen für die AST im Rahmen der ab 01. Januar 1995 gel-tenden Pflegesatzvereinbarung 1995 sind im Gegensatz zu späteren Vereinbarungen nicht er-sichtlich. Nur mengenmäßig sind die an der Pflegesatzvereinbarung 1995 Beteiligten nach § 6 (Kosten- und Leistungsentwicklung) bei der AST von 27 Entgelten zu je DM 130.000,-, also insgesamt von einer Erlössumme von DM 3,51 Millionen ausgegangen. Eine gewisse Einschränkung der Indikation zur AST haben die an der Pflegesatzvereinbarung Beteiligten erst in der Nummer 1 der Nebenabrede zur Pflegesatzvereinbarung 1998 und in der Anlage 1 dazu getroffen. Die Nummer 1 lautet unter der Überschrift “Alt-Sonderentgelt ‚autolo-ge Blutstammzelltransplantation’” wie folgt: “a) Die Vertragsparteien verpflichten sich, die anhängende Indikationsliste zur Blutstamm-zelltherapie (Anlage 1 zu dieser Nebenabrede) als für beide Seiten verbindliche Grundla-ge für die Kostenübernahme/Abrechnung anzuerkennen. b) Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung werden im Rahmen des 6-Stufen-Plans der zwischen den Onkologischen Fachgesellschaften und den VdAK/AEV vereinbarten “Konzertierten Aktion Stammzelltransplantation” dem Medizinischen Dienst der Kran-kenversicherung zur Verfügung gestellt. c) Die Mehrerlöse bis 30.06.1998 (Behandlungsdatum) aus der Reduzierung des Preises auf DM 90.000 je Sonderentgelt “autologe Blutstammzelltransplantation” werden durch ei-nen entsprechenden Abschlag (Berechung siehe Anlage 2 zu dieser Nebenabrede) auf den Preis ab 01.07.1998 ausgeglichen”.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Beklagte zweifelsfrei zur Zahlung des für die Zeit ab 01. Januar 1995 vereinbarten SE verpflichtet, wie der Senat schon im Urteil vom 16. März 2001 (L 4 KR 2140/00) entschieden hat. Für den Senat ist auch hier Ausgangspunkt die Vereinbarung des SE für die AST bei der Klägerin in der Pflegesatzvereinbarung 1995. Dabei berücksichtigt der Senat, dass, soweit die Beklagte bei J.K. eine Indikation für die AST wegen fehlender biosta-tisch gesicherter Studien verneint, zum einen nach der Pflegesatzvereinbarung 1995 keine Ein-schränkung der Indikation für die AST im Hinblick auf die Durchführung von noch laufenden Untersuchungen zur Therapieoptimierung gegeben war. Für die Zeit ab 01. Juli 1998 war zwar eine Einschränkung der Indikation gegeben; im Hinblick auf das bei J.K. festgestellte Rezidiv eines Hodentumors als Keimzelltumor rechtfertigte zum anderen auch und damit erst recht die AST nach dem Stand der ab 01. Juli 1998 geltenden Vereinbarung. Der Senat wertet insoweit auch, dass bei einer für 1995 angenommenen Leistungsmenge von 27 AST ausschließlich das vorliegende Verfahren eine Zahlungsverweigerung wegen mangelnder Wirksamkeit bzw. man-gelnder Indikation zum Gegenstand hat, obwohl keinerlei Besonderheiten ersichtlich sind, die das Verhalten der Beklagten rechtfertigen könnten. Einwendungen der Beklagten gegen den durch die bereits erbrachte Leistung konkretisierten und erfüllten Anspruch des J.K. als Versicherten der Beklagten können diesen – außer im Falle von Bösgläubigkeit des Versicherten – nicht in Frage stellen. Zwar kann die Beklagte im Verhältnis zum Leistungserbringer die rechtsvernichtenden Einwendungen der Unwirtschaftlichkeit (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V) sowie die hemmenden Einreden der Unzweckmäßigkeit und Nichterfor-derlichkeit (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V) geltend machen, da der Vergütungsanspruch der Kläge-rin nur soweit reicht, wie der Behandlungsanspruch des J.K. als Versichertem der Beklagten (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4). Die Klägerin kann nur in diesem Rahmen Leistungen erbringen. Innerhalb dieses Rahmens muss die Klägerin jedoch die von der Beklagten dem Versicherten gegenüber geschuldeten Leistungen erbringen. Die Beklagte hat bei Abgabe der Kostenüber-nahmeerklärung vom 03. Januar 1996, die als Willenserklärung zu beachten ist, keinen Vorbe-halt bezüglich der Behandlungsmethoden, die SE auslösen, gemacht. Dies wäre der Beklagten möglich gewesen, da sie aufgrund der vorangegangenen Behandlungen bei der Klägerin über den Leistungsfall informiert war. In diesem Rahmen hätte sie im Hinblick auf ihre Verpflichtung, in erforderlichen Fällen die medizinischen Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Kranken-hausbehandlung vom MDK überprüfen zu lassen, einen Vorbehalt machen können. Eine Neben-abrede bezüglich der in der Pflegesatzvereinbarung 1995 vereinbarten SE für die AST dahinge-hend, dass vor einer SE auslösenden Behandlung der MDK einzuschalten wäre, findet sich nicht. Dies war auch nicht zu erwarten, da aufgrund der nur zum Teil in Frage gestellten Forschungser-gebnisse SE für die AST mit einer Mengenbegrenzung auf 27 Behandlungsfälle bei der Klägerin im Jahre 1995 vereinbart waren.

Die Berufung erweist sich auch als begründet, soweit die Klägerin den nach der Pflegesatzver-einbarung 1995 vereinbarten besonderen Pflegesatz nach § 5 Abs. 2 BPflV für Intensivpflege bei J.K. am 05. Dezember 1995 in Höhe von EUR 972,31 begehrt. Insoweit hat die Beklagte nicht sub-stantiiert bestritten, dass die Notwendigkeit einer Intensivpflege am 05. Dezember 1995 bestan-den hat. Dem Anspruch auf Zahlung von EUR 66.467,94 steht nicht entgegen, dass er bei Klageerhebung am 12. Oktober 1999 bereits verjährt gewesen sein könnte; denn, wie die Klägerin zutreffend ausge-führt hat, war nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. Juni 1999 = SozR 3-1200 § 45 Nr. 8) eine Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 45 SGB I maßgebend.

Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin EUR 66.467,94 zu zahlen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 19 Abs. 1 und 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Danach hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu bezahlen. Bei Überschreiten dieses Zahlungsziels kann das Krankenhaus Verzugszinsen in Höhe von zwei v.H. über dem Diskontsatz bzw. seit dem 01. Januar 2000 zwei v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes ab Fälligkeitstag berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Im Hinblick auf das Abrechnungsdatum des 15. Januar 1996 ist davon auszugehen, dass Verzug am 01. Februar 1996 eingetreten war. Mithin ist der geltend gemachte Zinsanspruch ab 01. Februar 1996 ebenfalls begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis zum 01. Januar 2002 gül-tig gewesenen Fassung.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.