Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 18/08

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom 18.02.2010 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Berlin S 73 KR 3025/04
  • Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 18/08

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufnahme der “Antriebseinheit Excor” in das Hilfsmittelverzeichnis.

Die Klägerin stellt das extrakorporale Herzunterstützungssystem “B Heart Excor” her, das den Kreislauf mechanisch unterstützt. Es wird eingesetzt, 1) wenn sich die Herzfunktion eines Patienten während der Wartezeit auf ein menschliches Spenderherz akut verschlechtert und er den Zeitraum bis zur Transplantation nicht überleben würde, 2) die Möglichkeit besteht, dass es durch eine vorübergehende Entlastung zu einer Erholung des Herzmuskels und damit zur Heilung kommt, oder 3) ein Patient kein Spenderherz empfangen kann und das Unterstützungssystem dauerhaft eingesetzt werden soll. Das natürliche Herz des Patienten bleibt dabei erhalten und das System, bestehend aus einer Blutpumpe, Silikonkanülen und einem Pumpenantrieb, übernimmt einen Teil der Arbeit des Herzens. Die Silikonkanülen werden dem Patienten im Rahmen einer stationären Behandlung implantiert, während die Blutpumpe sowie der Pumpenantrieb extrakorporal zum Einsatz kommen. Die Operation wird durch das Krankenhaus nach DRGs abgerechnet. Für die Implantation des herzunterstützenden Systems, offen chirurgisch, und die extrakorporale Pumpe sieht die Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser in der Anlage 4 ein Zusatzentgelt vor (ZE 22 mit OPS-Code 5-376-20). Während einer stationären Behandlung erfolgt der Antrieb durch das von der Klägerin hergestellte immobile Antriebssystem “Ikus”. Die streitgegenständliche und ebenfalls von der Klägerin hergestellte mobile Antriebseinheit “Excor” kann der Patient auf einem Wagen (Caddy) bei sich führen. Ihm wird damit eine Entlassung in die häusliche Umgebung ermöglicht. Das mobile Antriebssystem “Excor” ist unter der CE- Nummer 0125 europaweit zugelassen.

Am 7. Januar 2002 beantragte die von der Klägerin bevollmächtigte Prüf- und Zertifizierungsstelle für Medizinprodukte GmbH an der Technischen Universität (B CERT) die Aufnahme der Antriebseinheit “Excor” in das Hilfsmittelverzeichnis. Die Aufnahme der Blutpumpen und der Silikonkanülen beantragte sie ausdrücklich nicht. Nach Beratung in der Arbeitsgruppe “Hilfsmittel” und Anhörung der B CERT lehnten die Spitzenverbände der Krankenkassen mit Bescheid vom 20. Januar 2003 die Aufnahme der mobilen Antriebseinheit in das Hilfsmittelverzeichnis ab. Zur Begründung führten sie aus, die Aufnahme sei nicht möglich, da es sich um kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 des Sozialgesetzbuchs/Fünftes Buch (SGB V) handele. Es werde nicht eine ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion aktiv ersetzt bzw. unterstützt. Vielmehr diene das Antriebssystem ausschließlich dem Antrieb der von der Klägerin hergestellten Blutpumpen. Die Wirkung des Antriebssystems entfalte sich nur im Zusammenhang mit den übrigen Komponenten; es sei damit nur notwendiges Funktionsteil des Gesamtsystems. Es ersetze lediglich die größere und nichtmobile Antriebseinheit “Ikus”, die im Rahmen stationärer Behandlung zum Einsatz komme. Auch wenn mit dem mobilen Antriebssystem ein Übergang in eine ambulante Versorgungsphase ermöglicht werde, so bleibe es dabei, dass die Versicherten eine operative Versorgung mit einem Herzunterstützungssystem erhielten. Es handele sich um eine unteilbare einheitliche Versorgung, die insgesamt durch die Vergütung der stationären Behandlung abgegolten sei.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es handele sich um ein Hilfsmittel, da durch die Antriebseinheit der Erfolg der Krankenbehandlung gesichert und eine eingeschränkte Körperfunktion ersetzt werde. Der vollständige Ausgleich durch das Hilfsmittel sei nicht erforderlich. Insoweit reiche es aus, dass die Antriebseinheit ein selbständiger Bestandteil des herzunterstützenden Systems sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 31. August 2000 (B 3 KR 21/99 R) Geräten zur Elektrostimulation, die der Stimulation bereits implantierter Spulen dienen und daher ihre Wirkung auch nur mit diesen zusammen erzielen, die Hilfsmitteleigenschaft zugesprochen. Hier liege ein vergleichbarer Sachverhalt vor. Darüber hinaus biete die mobile Antriebseinheit als zusätzlichen Effekt noch die Mobilität des Patienten. Nur wenn der Patient längerfristig vom Unterstützungssystem abhängig und ein ständiger Verbleib im Krankenhaus aus medizinischer Sicht nicht erforderlich sei, erfolge die Versorgung mit der mobilen Antriebseinheit “Excor”. Damit könnten Kosten für stationäre Behandlungen gespart werden. Die Versorgung sei, da sie dem Aufenthalt in der häuslichen Umgebung diene, auch nicht mit der Krankenhausvergütung abgegolten. Die Antriebseinheit könne von dem Patienten auch aktiv genutzt werden.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2003 als unbegründet zurück. Ergänzend zu der Begründung im Bescheid führten sie aus, bei der Versorgung mit dem herzunterstützenden System handele es sich regelmäßig um eine Interimsversorgung mit dem Ziel der Transplantation, die alsbald stationär erfolgen soll. Es handele sich um eine einheitliche Versorgung im Rahmen stationärer Behandlung.

Im anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht hat die Klägerin diverse Unterlagen über das herzunterstützende System sowie eine Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. R H vom Deutschen Herzzentrum B – undatiert – eingereicht. Die Beklagte hat hierzu eine Bewertung der mobilen Antriebseinheit “Excor” für Herzunterstützungssysteme des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS), Stand 16. Juni 2004, vorgelegt. Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 18. Oktober 2006 den Bescheid der Spitzenverbände vom 20. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2003 aufgehoben und diese verurteilt, das Produkt “Antriebseinheit Excor” in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antriebseinheit sei ein Hilfsmittel, da sie im Zusammenhang mit den anderen Komponenten dem Ausgleich des durch den Ausfall der Herzfunktion gegebenen körperlichen Defekts diene. Dass der Ausgleich nur im Zusammenhang mit den anderen Komponenten denkbar sei, stehe der Hilfsmitteleigenschaft nicht entgegen, da auch Zubehör von Hilfsmitteln als solches anzusehen sei. Bei der Antriebseinheit handele es sich auch nicht um einen wesentlichen untrennbaren Bestandteil des Herzunterstützungssystems im rechtlichen Sinne (§ 93 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB), sondern um eine abtrennbare, alternativ einsetzbare Komponente. An der Funktionalität und dem therapeutischen Nutzen der Antriebseinheit bestünden nach der Bewertung des MDS keine Zweifel.

Dagegen richten sich die Berufungen, die die jetzige Beilgeladene zu 2) am 22. November 2006 gegen das ihr am 27. Oktober 2006 zugestellte, die jetzige Beigeladene zu 3) am 21. November 2006 gegen das ihr am 25. Oktober 2006 zugestellte, die jetzige Beigeladene zu 4) am 24. November 2006 gegen das ihr am 26. Oktober 2006 zugestellte und die jetzige Beigeladene zu 5) am 20. November 2006 gegen das ihr am 27. Oktober 2006 zugestellte Urteil eingelegt haben. Sie – sowie der jetzige Beklagte – bringen vor: Die Blutpumpe sei im Körper des Patienten implantiert. Der Antrieb allein sichere weder den Behandlungserfolg, noch habe er eine eigenständige Wirkung auf den Behinderungsausgleich. Es handele sich um ein einheitliches Medizinprodukt, das nicht in seine einzelnen Elemente aufgespalten werden könne. Vielmehr handele es sich bei dem Antriebssystem um eine unselbständige Teilkomponente einer Leistung, die im Rahmen der stationären Versorgung zu erbringen sei. Den Gedanken der Klägerin konsequent weitergedacht, wäre jede Batterie in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Gegen eine eigenständige Hilfsmitteleigenschaft des Antriebsgerätes spreche auch, dass dieses nur mit den weiteren Komponenten eingesetzt werden könne. Möglicherweise sei zwar das gesamte herzunterstützende System als Hilfsmittel anzusehen, nicht jedoch die Antriebseinheit für sich betrachtet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Antriebsgerät habe eine eigenständige und komplexe Funktionalität. Dies unterscheide es von Batterien, die lediglich Strom lieferten. Das Antriebsgerät eröffne weitergehende Therapiemöglichkeiten, da es einen persönlichen Freiraum für den Patienten im Sinne einer Mobilität schaffe. Denn es setzte ihn in den Stand, in seiner häuslichen Umgebung zu leben und nicht mehr stationär versorgt werden zu müssen. Dem Gesetz lasse sich nicht entnehmen, dass ein eigenständiger Behandlungserfolg erforderlich sei, um einen Gegenstand als Hilfsmittel zu qualifizieren. Es liege auch keine künstliche Aufspaltung von einzelnen Teilkomponenten vor. So werde das Antriebsgerät “Ikus”, das im Rahmen stationärer Versorgung verwendet werde, weder durch eine Fallpauschale noch durch DRGs finanziert, sondern durch allgemeine Investitionen. Das Antriebsgerät werde auch steuerlich anders behandelt als die anderen Komponenten des Systems.

Der Beigeladene zu 1) trägt vor, dem Einsatz der Antriebseinheit “Excor” als Hilfsmittel liege keine Methode im Sinne des § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V zugrunde, über deren Zulassung im GBA zu beraten wäre. Da sich die Versorgung mit einer mobilen Antriebseinheit in der Versorgungsrealität erst an eine stationäre Operation zur Implantierung der Silikonkanülen und der Anbringung der Blutpumpe anschließe, könne sie nicht als Teil einer eigenständigen ambulanten Behandlung begriffen werden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Berufung und Klage sind infolge eines Parteiwechsels kraft Gesetzes gegen den jetzigen Beklagten, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zu richten (vgl. auch Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2008, L 9 B 192/08 KR ER). Zuständig für die Erstellung des Hilfsmittelverzeichnisses ist gemäß § 139 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (SGB V) in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung i.V.m. § 217 f Abs. 1 SGB V nämlich ausschließlich der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; den Beigeladenen zu 2) bis 7) fehlt hierzu seit diesem Zeitpunkt jegliche Kompetenz. Das Bundessozialgericht (BSG) geht in seinen Entscheidungen vom 22. April 2009 (B 3 KR 11/07 R) und 12. August 2009 (B 3 KR 10/07 R) ebenfalls davon aus, dass der Spitzenverband Bund in Verfahren um die Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis seit dem 1. Juli 2008 alleiniger Beklagter ist. Dementsprechend hatte der Senat das Rubrum umzustellen, die bisherigen Beklagten waren beizuladen.

Für die Zulässigkeit der seinerzeit von der jetzigen Beigeladenen zu 2) bis 5) eingelegten Berufung ist es unschädlich, dass die jetzigen Beigeladenen zu 6) und 7) nicht ebenfalls Berufung eingelegt haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2006, B 3 KR 28/05 R, zitiert nach juris, Rn. 14).

II. Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bescheide der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 20. Januar 2003 und 5. Juni 2003 aufgehoben und sie verurteilt, die mobile Antriebseinheit “Excor” in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Denn die Voraussetzungen für eine derartige Aufnahme liegen nicht vor, da es sich bei der Antriebseinheit nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der GKV handelt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtmäßig.

1.) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 139 Abs. 1 S. 2 SGB V in der seit dem 1. Juli 2008 durch Art. 2 Nr. 26 Bstb. a des GKV-WSG geänderten Fassung. Danach erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis, in dem von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen sind. Somit ist ein Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen, soweit es den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BSG, Urteil vom 12. August 2009, a.a.O., Rn. 15), insbesondere, wenn dessen Funktionstauglichkeit, therapeutischer Nutzen und Qualität nachgewiesen sind (BSG, Urteil vom 31. August 2000, B 3 KR 21/99).

2.) Grundvoraussetzung für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ist dementsprechend, dass es sich überhaupt um ein Hilfsmittel im Sinne des Krankenversicherungsrechts handelt. Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V sind Hilfsmittel neben Hörhilfen und Körperersatzstücken auch andere Gegenstände, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen; ausgeschlossen sind allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und Mittel, für die gemäß § 34 Abs. 4 SGB V keine Leistungspflicht besteht. Der hiermit nur unvollständig umschriebene Begriff des Hilfsmittels wird in § 31 des Sozialgesetzbuchs/Neuntes Buch (SGB IX) konkretisiert, der die “Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen” betrifft und auch für die Krankenkassen als Rehabilitationsträger gilt (so BSG, Urt. vom 28. September 2006, B 3 KR 28/05 R zitiert nach juris, Rn. 23). Danach umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel i.S. des § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen), die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Nr. 1), den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern (Nr. 2) oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen (Nr. 3), soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Der Hilfsmittelbegriff ist demnach im Wesentlichen zum einen von dem eingesetzten Mittel (dazu unter a), zum anderen aber auch von dem mit diesem verfolgten Zwecken geprägt (Höfler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 33 Rn. 5; dazu unter b).

a) In Abgrenzung zu Heilmitteln kommen als Hilfsmittel allein bewegliche Sachen in Betracht. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Antriebseinheit um einen körperlichen Gegenstand und damit eine Sache im Sinne des § 90 BGB handelt. Auch stellt sie keine untrennbare Einheit mit dem herzunterstützenden Gesamtsystem dar, so dass sie sachenrechtlich Gegenstand eigener Rechte und Pflichten sein kann (vgl. § 93 BGB). Weiterhin stellt sie eine technische Hilfe dar, die der Versicherte/Patient bei sich führen kann. Insoweit ist das eingesetzte Mittel grundsätzlich geeignet, ein Hilfsmittel im Sinne der §§ 33 SGB V, 31 SGB IX zu sein.

b) Jedoch kann die mobile Antriebseinheit “Excor” für sich genommen die durch die §§ 33 SGB V, 31 SGB IX vorgegebenen Ziele – die Sicherung der Krankenbehandlung, der Behinderungsausgleich oder die Vorbeugung einer drohenden Behinderung – weder ganz noch teilweise erreichen. Da der verfolgte Zweck allein durch die Antriebseinheit nicht bewirkt werden kann, fehlt ihr die Hilfsmitteleigenschaft.

Das herzunterstützende System als Ganzes gleicht den Verlust bzw. die Einschränkung der Herzfunktion aus. Damit liegt ohne weiteres ein Ausgleich der eingeschränkten Körperfunktion und damit ein Behinderungsausgleich vor. Auch dient es der Sicherung der Krankenbehandlung, da mit ihm die Zeit bis zu einer Transplantation überbrückt werden kann. Selbst in den Fällen, in denen dauerhaft die Versorgung mit dem System beabsichtigt ist, sichert es die auf Erhalt des Lebens gerichtete Krankenbehandlung. Mit dem Einsatz der mobilen Antriebseinheit “Excor” wird zusätzlich als Behinderungsausgleich ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens (vgl. hierzu: BSG, SozR 4-2500 § 33 Nr. 6) ausgeglichen und zwar die Erschließung eines Freiraumes im Sinne des Nahbereichs. Denn durch die mobile Antriebseinheit wird dem Versicherten ermöglicht, das Bett / Krankenhaus zu verlassen und in der häuslichen Umgebung zu leben. Jedoch können diese Ziele nicht durch die Antriebseinheit allein verwirklicht oder auch nur gefördert werden. Es bedarf immer auch des Einsatzes der beiden anderen Komponenten des Systems. Ohne deren Einsatz ist die Antriebseinheit funktional wertlos. Anders als im sachenrechtlichen Sinne (siehe oben) stellt sie funktional eine untrennbare Einheit mit den beiden anderen Komponenten des Systems dar, so dass auch nur das gesamte System – bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen – als Hilfsmittel angesehen werden kann. Eine Zerlegung des nur insgesamt wirkenden Systems in seine einzelnen Komponenten würde dem final ausgerichteten Begriff des Hilfsmittels nicht gerecht werden. Hinzu kommt, dass die Antriebseinheit nur mit den ebenfalls von der Klägerin hergestellten anderen Komponenten des Herzunterstützungssystems “B Heart Excor” betrieben werden kann und bereits deshalb eine Einheit mit ihr bildet. Ein anderes herzunterstützendes System, für das die streitgegenständliche Antriebseinheit verwendbar wäre, existiert nach Angaben der Klägerin nicht. Demgegenüber ist es nicht von Bedeutung, dass das Herzunterstützungssystem auch mit einer anderen Komponente, der immobilen Antriebseinheit “Ikus”, betrieben werden kann. Denn die Austauschbarkeit einer Einzelkomponente ändert nichts daran, dass diese ohne die weiteren Komponenten des Systems nicht isoliert einsetzbar ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des BSG vom 31. August 2000 (B 3 KR 21/99R, zitiert nach juris). Zwar wird dort ausgeführt, Geräte zur Elektrostimulation seien Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V. Soweit die Klägerin sich darauf bezieht, auch diese entfalteten nicht für sich allein ihre Wirkung, sondern dienten der Stimulierung von Spulen, kann der Entscheidung ein solcher Sachverhalt nicht entnommen werden. Weder aus dem Tatbestand der Entscheidung, noch aus den Entscheidungsgründen geht hervor, dass neben dem Gerät zur Elektrostimulation, dessen Eintragung in das Hilfsmittel begehrt wurde, noch eine weitere Komponente – eine Spule – zur Erzielung des beabsichtigten Zwecks erforderlich ist. Das BSG hat sich in der genannten Entscheidung somit gerade nicht mit der Frage beschäftigt, ob eigenständige Teile einer funktionalen Einheit Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V sein können.

c) Die mobile Antriebseinheit wird auch nicht deshalb zu einem Hilfsmittel, das in das Hilfsmittelverzeichnis eingetragen werden könnte, weil sie notwendiges Zubehör zum Gebrauch des herzunterstützenden Systems “B Heart Excor” ist. Zwar umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln auch andere als wesentliche Bestandteile des Hilfsmittels sowie Zubehör, wenn sie zum Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind (z.B. BSGE 46, 183; 80, 93; 102, 90). Jedoch ist von der Frage, ob aus Sicht des Versicherten ein Anspruch auf die zum Gebrauch erforderlichen (Einzel-) Teile besteht, die Frage zu trennen, ob die Einzelteile selbst Hilfsmitteleigenschaft haben.

Dem entspricht auch die Aufgabe des Hilfsmittelverzeichnisses: Es soll nicht mögliche Ansprüche der Versicherten auf Hilfsmittel, Teile von Hilfsmitteln oder Zubehör von Hilfsmitteln als Positivliste festlegen. Vielmehr erschöpft sich seine Funktion in einer Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische und pflegerische Praxis (BSG, Urteil vom 15. November 2007, B 3 A 1/07 R; BSG, SozR 3-2500 § 33 Nrn. 16, 20, 25 und 27). Zu diesem Zwecke sollen nur solche Hilfsmittel aufgenommen werden, die bestimmten Qualitätsanforderungen entsprechen (§ 139 Abs. 2 SGB V) und deren medizinischer Nutzen nachgewiesen ist (§ 139 Abs. 3 SGB V); darauf, ob das Hilfsmittel klinisch überlegen oder preisgünstiger ist, kommt es dagegen nicht an (BSGE 97, 133). Insbesondere der medizinische Nutzen kann jedoch bei Zubehör oder anderen Teilen, die zum Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind, nicht isoliert festgestellt werden. Auch bei der Antriebseinheit “Excor” ergibt sich der medizinische Nutzen allein im Zusammenhang mit den anderen Komponenten des Systems. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des eigenständigen (zusätzlichen) Nutzens der mobilen Antriebseinheit, der darin liegt, dass sie die Mobilität des Versicherten ermöglicht. Auch wenn die Erreichung von Mobilität für sich betrachtet Ziel eines Hilfsmittels sein kann, so lässt sich dieser im Sinne des § 33 SGB V relevante Gebrauchsvorteil ebenfall nur im Zusammenhang mit den anderen Komponenten erzielen.

Folgte man der Argumentation der Klägerin, so müssten eine Vielzahl von Einzelteilen von Hilfsmitteln ohne die Eigenschaft wesentlicher Bestandteile, im Hilfsmittelverzeichnis erfasst werden, soweit sie nur einen Gebrauchsvorteil in dem Sinne böten, dass die Ziele der §§ 33 SGB V, 31 SGB IX durch sie besser erreicht werden könnten.

3) Wie bereits erläutert, stellt das Hilfsmittelverzeichnis keinen abschließenden Leistungskatalog dar, sondern allein eine Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische und pflegerische Praxis. Aus diesem Grund entscheidet die Aufnahme einer Sache in das Hilfsmittelverzeichnis auch nicht darüber, ob, auf welcher Rechtsgrundlage und in welcher Weise die Krankenkasse sie im Rahmen der Sachleistungsgewährung zur Verfügung zu stellen hat. Eine Eintragung in das Hilfsmittelverzeichnis bedeutet eben nicht, dass damit die Krankenkassen die Kosten der Versorgung mit dem Hilfsmittel nach § 33 SGB V gesondert zu übernehmen haben. Zum einen können Hilfsmittel, die im Rahmen der stationären Versorgung zur Verfügung gestellt werden, bereits mit der Vergütung für die stationäre Behandlung abgegolten sein. Für Leistungen der Krankenhäuser, die nicht in das das DRG-Vergütungssystem eingebunden sind, ergibt sich dies aus § 2 Abs. 1 S 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflVO), wonach die Krankenhausleistungen u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, umfassen. Zum anderen sind bei der Versorgung mit Hilfsmitteln im Einzelfall die medizinische Erforderlichkeit sowie die Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB V) zu prüfen. Diese können im Einzelfall fehlen, so dass trotz Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht gegeben ist. Die hinter dem Rechtsstreit eigentlich stehende Frage, ob die Kosten für die mobile Antriebseinheit von der Krankenkasse über die Krankenhausvergütung nach § 109 SGB V hinaus im Rahmen des § 33 SGB V zu übernehmen sind, wird deshalb durch die Entscheidung über die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nicht geklärt.

4.) Darüber, ob das Herzunterstützungssystem als Ganzes als Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis einzutragen wäre, musste der Senat nicht entscheiden. Denn weder hatte dies die Klägerin beantragt, noch sind hierüber Verwaltungsentscheidungen ergangen. Ein solches Begehren hat sie auch nicht im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung der §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

IV. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache in Hinblick auf die Rechtsfrage, ob selbständige Teile eines einheitlichen funktionalen Systems ein Hilfsmittel im Sinne der GKV sind, grundsätzliche Bedeutung hat