Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 153/02

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Beschluss vom 17.12.2002 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Köln S 26 (19) KR 62/01
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 153/02

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Kostenübernahme für eine transurethrale Thermotherapie (HE-TUMT).

Im November 2000 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten einer Thermotherapie wegen Postratahyperplasie mit Blasenentleerungsstörung. Sein behandelnder Urologe Dr. Sch … bat mit Schreiben vom 02.11.2000 um Genehmigung des Antrages, da die neuartige Therapieform vorteilhaft wäre, insofern damit kein Krankenhausaufenthalt, kein Blutverlust und keine operationsbedingten Nebenwirkungen verbunden seien. Für den Kläger wäre eine Operation ein erhebliches Risiko, eher sogar eine Kontraindikation aufgrund der kardialen Situation mit Herzklappenersatz und Marcumar-Einnahme. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung mit Bescheid vom 18.12.2000 ab. Die transurethrale Thermotherapie sei nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Nachdem der Kläger gegen diese Entscheidung am 03.01.2001 Widerspruch eingelegt hatte, holte die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ein. Dr. M … teilte in seinem Gutachten mit, die Methode der transurethralen Thermotherapie der Prostata in ihren verschiedenen Variationen sei durch den Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen wegen fehlender ausreichender klinischer Studien und nach Beobachtungen in die Anlage B (nicht anerkannte Behandlungsmethoden) aufgenommen worden. Neuere Nachweise der Wirksamkeit oder klinische Daten zu dieser Methode lägen nicht vor. Insofern handele es sich um einen rechtsverbindlichen Beschluss zur ambulanten Behandlungsweise. Gestützt auf dieses Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2001 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.07.2001 Klage erhoben. Eine Prostataoperation unter Vollnarkose scheide aus gesundheitlichen Gründen aus. Bei ihm sei eine Herzklappe ersetzt worden und er sei ständig darauf angewiesen, blutverdünnende Mittel einzunehmen. Eine ambulante Thermotherapie wäre zudem billiger als eine Operation mit Krankenhausaufenthalt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2001 zu verurteilen, ihm ärztliche Krankenbehandlung in Form einer ambulanten transurethralen Thermotherapie (HE-TUMT) zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.

Mit Urteil vom 04.06.2002, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 17.06.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2002 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und betont, eine ambulante transurethrale Thermotherapie wäre billiger als die herkömmliche operative Methode mit Vollnarkose und Krankenhausaufenthalt. Vor allem macht er geltend, dass vorliegend ein Systemmangel vorliege. Er müsse blutverdünnende Mittel seit seiner Herzklappenoperation im Jahre 1997 einnehmen. Es gehe ihm deshalb nicht darum, eine für ihn nur angenehmer und risikoloser erscheinende Behandlung bezahlt zu bekommen, sondern diejenige Behandlung zu wählen, die den bestehenden besonderen Risiken in verantwortbarer und vertretbarer Weise alleine Rechnung trage.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.06.2002 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Kläger ist schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Ihm ist die Möglichkeit eingeräumt worden, hierzu Stellung zu nehmen.

II.

Der Senat kann die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat ausreichend Gelegenheit gehabt, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage unter Hinweis auf §§ 2, 12, 27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zu Recht abgewiesen.

Nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sie entsprechend den zu § 135 Abs. 1 SGB V erlassenen Richtlinien anerkannt hat. Bei den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der Leistung der Krankenkassen sind. Die Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BSG, Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 32/95 – SozR 3 – 2500 § 135 Nr. 5). Das Sozialgericht hat insofern zutreffend auf den nach eingehender Diskussion der damals vorliegenden schriftlichen und mündlichen Sachverständigen-Stellungnahmen ergangenen Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 16.02.1994 abgestellt, wonach die Thermotherapie der Prostata aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen ist (siehe Beschluss des Bundesausschusses vom 16.02.1994, gültig seit dem 25.03.1994 – Veröffentlichung im Bundesanzeiger Nr. 58 vom 24.03.1994). Der Umstand, dass die hier beantragte HE-TUMT entsprechend der Prioritätenfestsetzung des Ausschusses vom 27.09.2001 (Bekanntmachung weiterer Beratungsthemen des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Überprüfung gemäss § 135 Abs. 1 SGB V vom 27.09.2001 – Bundesanzeiger Nr. 187) neu beraten werden soll, ändert nichts daran, dass sie bislang zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen weder durchgeführt noch abgerechnet werden darf.

Auch zur Überzeugung des Senats beruht die fehlende Anerkennung der HE-TUMT nicht auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems. Insbesondere lassen die in diesem Verfahren eingeholten Auskünfte des Arbeitsausschusses “Ärztliche Behandlung” zum aktuellen Stand in keinster Weise erkennen, dass die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert worden wäre. Vielmehr hat der Arbeitsausschuss “Ärztliche Behandlung” die Überprüfung unter dem Sammeltitel “nicht medikamentöse lokale Behandlung der benignen Prostatahyperplasie” auf seine neue am 06.10.2001 im Bundesanzeiger veröffentlichte Prioritätenliste genommen. Durch diese Veröffentlichung wurde den maßgeblichen Einrichtungen und Sachverständigen der medizinischen Wissenschaft und Praxis Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit einer systematischen Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur war wegen anderer vorab zu bearbeitender Themen frühestens Mitte 2002 zu rechnen. Es gibt deshalb keinen Anhalt dafür, dass die Beratungen in einer dem gesetzlichen Auftrag des Ausschusses widersprechenden Weise verzögert worden wären. Denn der Bundesausschuss muss nach seinem gesetzlichen Auftrag gewährleisten, dass bei Vorlage der für die Beurteilung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen in vertretbarer Zeit eine Entscheidung über die Anerkennung der neuen Methode erreicht werden kann (BSG Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95 – SozR 3-2500 § 135 Nr. 4). Ob die vom Kläger vertretene Auffassung, allein die hier streitige Methode trage seinen besonderen Risiken Rechnung, zutrifft, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ein Systemmangel im vorstehend beschriebenen Sinn ist hierin nicht zu sehen. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob die Methode der transurethralen Thermotherapie billiger wäre als herkömmliche operative Methoden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.