Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 46/00

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 12.11.2002 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Köln S 19 KR 132/98
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 46/00
  • Bundessozialgericht B 3 KR 1/03 R

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.1999 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.355,81 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 07.08.1998 zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der klagende Krankenhausträger verlangt die Zahlung von 8.355,81 Euro (=16.342,55 DM) für die stationäre Behandlung eines vormals bei der Beklagten versicherten Patienten.

Der am 00.00.0000 geborene und am 00.00.0000 verstorbene Patient E H war bei der Beklagten ab 01.01.1996 wegen des Bezuges von Arbeitslosenhilfe (rückwirkende Anmeldung des Arbeitsamtes im Wege des elektronischen Datenaustauschs am 11.09.1996) versichert. Am 15.07.1997 erfolgte die rückwirkende Abmeldung zum 25.06.1996. E H wurde vom 20.05.1997 bis 13.06.1997 stationär in den Kliniken der Stadt Köln, deren Trägerin die Klägerin ist, behandelt.

Nachdem der Beklagten die Aufnahme des Patienten angezeigt worden war, erteilte sie unter dem 23.06.1997 eine Zusage über die Übernahme der Krankenhauskosten ab 20.05.1997 bis längstens zum 30.06.1997. Die Kostenzusage enthält ferner folgende Klausel:

“Diese Kostenzusage gilt vorbehaltlich eines Widerrufes, sofern und solange eine Mitgliedschaft bei unserer Kasse besteht. Sie verliert ferner ihre Gültigkeit, wenn ein anderer Kostenträger zuständig ist oder ein Pflegefall vorliegt.”

Die Beklagte lehnte die Begleichung der Rechnung der Klägerin vom 27.06.1997 über 16.342,55 DM für den stationären Aufenthalt des Patienten durch Schreiben vom 23.07.1997 ab, weil dieser nicht mehr bei ihr versichert gewesen sei. Im weiteren Schriftverkehr berief sich die Beklagte darauf, dass sie das Kostenanerkenntnis nur vorbehaltlich eines Widerrufs abgegeben habe, nämlich sofern und solange eine Mitgliedschaft bestehe.

Die Klägerin hat am 07.08.1998 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte aufgrund der erteilten Kostenzusage verpflichtet sei, die Kosten der stationären Behandlung zu übernehmen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Kostenzusage nur mit der Einschränkung des Widerrufs für den Fall des Nichtbestehens einer Mitgliedschaft zu erteilen; dies widerspreche § 6 Abs. 1 des Rahmenvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Diese Vorschrift zähle in Abs. 5 enumerativ die Fälle auf, in denen eine Kostenzusage rückwirkend zurückgenommen werden könne. Ein derartiger Grund liege hier aber nicht vor.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.342,55 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den in der Kostenzusage enthaltenen Widerrufsvorbehalt für wirksam gehalten und die Auffassung vertreten, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Krankenhauskosten nur insoweit bestehe, wie auch ein entsprechender Sachleistungsanspruch eines Versicherten hätte reichen können. Insbesondere ergebe sich aus dem Rahmenvertrag zu § 112 SGB V nicht, dass die von ihr vorgenommene Beschränkung der Kostenzusage unzulässig sei.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 08.11.1999 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.02.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.03.2000 Berufung eingelegt.

Zur Begründung bekräftigt sie ihre Auffassung, dass es § 6 Abs. 5 des Vertrages nach § 112 SGB V der Beklagten verwehre, die Kostenzusage mit Auflagen und Bedingungen beliebigen Inhalts zu versehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.355,81 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 07.08.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die beklagte Krankenkasse ein Anspruch auf Zahlung von 8.355,81 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 07.08.1998 (Anhängigkeit des Rechtsstreits bei dem Sozialgericht) zu.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn es geht um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt der Beklagten gegen die Klägerin nicht ergehen musste und auch nicht ergangen ist. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.08.1996, Az.: 3 RK 2/96, SozR 3-2500 § 39 Nr. 4; Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 1).

Rechtsgrundlage für den hier von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch für die Behandlung des Patienten vom 20.05.1997 bis 13.06.1997 in den Kliniken der Klägerin – die Höhe dieses Anspruchs ist unter den Beteiligten nicht umstritten – ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit dem am 01.01.1997 in Kraft getretenen Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (Sicherstellungsvertrag) zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Landesverbänden der Krankenkassen. Nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsvertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet; Satz 3 der Vorschrift verpflichtet die Krankenkassen mit dem zugelassenen Krankenhaus Pflegesatzverhandlungen zu führen und setzt damit die Vergütungspflicht als selbstverständlich voraus. Der Sicherstellungsvertrag regelt u.a. Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflichten der Krankenkassen, während sich der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt. Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ist das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zu trennen vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versicherten sowie vom Versicherungsverhältnis, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann. In diesem Zusammenhang gilt für das Abrechnungsverhältnis, dass die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten entsteht.

Der von der Klägerin behandelte Patient E H war zwar – wie sich (später) herausgestellt hat – im Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung vom 20.05.-14.06.1997 kein Versicherter der beklagten Krankenkasse (mehr). Die Beklagte ist indes mit diesem Einwand gegenüber der Klägerin wegen der abgegebenen Kostenzusage ausgeschlossen; die in der Kostenzusage vorgenommene Einschränkung – Vorbehalt des Widerrufs der Kostenzusage für den Fall der fehlenden Versicherteneigenschaft – ist unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) entfaltet die Kostenübernahmeerklärung die Wirkung, dass die Krankenkasse hierdurch ihre Zahlungspflicht dem Grunde nach anerkennt. Zwar ist die Kostenübernahmeerklärung für die Entstehung der Zahlungspflicht nicht konstitutiv, jedoch ist ihr die Wirkung eines sog. deklaratorischen Schuldanerkenntnisses im Zivilrecht beizumessen mit der Folge, dass im Verhältnis Krankenhaus – Krankenkasse die Krankenkasse als Schuldnerin des Vergütungsanspruches des Krankenhauses mit solchen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sie bei Abgabe kannte oder mit denen sie zumindest rechnen musste (BSG Urteil vom 17.05.2000 a.a.O. m.w.N.). Hier war der Beklagten zwar bei Abgabe der Kostenübernahmeerklärung vom 23.06.1997 nicht bekannt, dass der Patient E H nicht mehr bei ihr versichert war, weil die Abmeldung durch das zuständige Arbeitsamt erst am 15.07.1997 (rückwirkend zum 25.06.1996) erfolgte. Dennoch ist die Beklagte aufgrund der Kostenzusage gegenüber der Klägerin mit dieser Einwendung ausgeschlossen, weil im § 6 des Sicherstellungsvertrages vom 06.12.1996 eine abschliessende Regelung des Inhalts getroffen worden ist, der dieses Risiko der nicht bestehenden Versicherung der Beklagten aufbürdet und (deshalb) einen wie hier von der Beklagten vorgenommenen Widerrufsvorbehalt in der Kostenzusage nicht zulässt. Die Vertragsparteien haben in § 6 die Kostenzusage, insbesondere dass hierbei zu beachtende Verfahren, ausdrücklich und eingehend geregelt. Die Abs. 1 bis 4 regeln dezidiert die Erteilung der Kostenzusage und die wechselseitigen Pflichten in diesem Zusammenhang. Abs. 5 bestimmt schließlich, dass eine Kostenzusage rückwirkend zurückgenommen werden kann, wenn sie auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht (Satz 1). Nach Satz 2 kann die Kostenzusage ferner von dem im Überprüfungszeitpunkt folgenden Arbeitstag an schriftlich zurückgenommen werden, wenn das Krankenhaus nicht nach Abs. 3 Satz 2 verfährt. Diese Regelungen können nur so verstanden werden, dass die Vertragsparteien die Fälle, in denen die Rücknahme einer Kostenzusage möglich sein soll, abschließend in § 6 Abs. 5 regeln wollten. Wäre eine rückwirkende Beseitigung der Kostenzusage – z.B. aufgrund eines Vorbehalts in der Kostenzusage – ohne Weiteres möglich, so hätte es der Regelung des § 6 Abs. 5 überhaupt nicht bedurft. Die Krankenkassen wären dann völlig frei in der Ausgestaltung der Kostenzusagen gewesen. Dass dies von den Vertragsbeteiligten offensichtlich nicht gewollt war, lässt § 6 Abs. 5 deutlich werden. Die Vertragsparteien haben eine rückwirkende Rücknahme der Kostenzusage dann für zulässig erachtet, wenn die Erteilung der Kostenzusage durch unrichtige Angaben des Krankenhauses bewirkt worden ist, einen Umstand, der eindeutig in die Risikosphäre des Krankenhauses fällt. In die gleiche Richtung zielt auch die Regelung des Satzes 2, die eine Rücknahme der Kostenzusage dann für den Fall vorsieht, dass das Krankenhaus nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 verfahren ist, d.h. eine dort normierte Verhaltensmaßregel nicht beachtet hat. Die Regelungen lassen erkennen, dass die Vertragsparteien bemüht waren, die Fälle einer rückwirkenden Beseitigung der Kostenzusage zu regeln. Es würde der offensichtlich beim Vertragsabschluss bestehenden Interessenlage und dem daraus zu schliessenden Willen der Vertragspartner widersprechen, würde man – darüber hinausgehend – eine Rücknahme der Kostenzusage aus beliebigen Gründen – z.B. auf Grund eines weit gefassten Vorbehaltes der Krankenkassen in der Kostenzusage – zulassen. Die getroffenen Vereinbarungen lassen nicht den Schluss zu, dass es beabsichtigt war, den Krankenhäusern umfassend ein Risiko (nicht existentes Versicherungsverhältnis aufgrund rückwirkender Abmeldung) aufzubürden, auf das sie keinerlei Einfluss nehmen können. Diese Frage muss vielmehr eindeutig der Sphäre der Beklagten zugerechnet werden, die sich gegebenenfalls vor Erteilung einer Kostenzusage durch Rückfrage – hier bei der Bundesanstalt für Arbeit – vergewissern müsste, dass der Patient auch noch bei ihr versichert ist bzw. darauf hinwirken müsste, dass von Seiten der Bundesanstalt ein zügiger Datenaustausch erfolgt.

Folge dieser vertraglichen Regelung und der dort vorgenommenen Risikoverteilung ist somit, dass eine einmal erteilten Kostenzusage in anderen als den in § 6 Absatz 5 Sicherstellungsvertrag beschriebenen Fällen nicht wieder beseitigt werden kann – auch nicht aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts in der Kostenzusage.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 Absatz 1 des Sicherstellungsvertrages.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).