Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 590/17

Sozialgericht Aachen

Urteil vom 22.08.2017 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Aachen S 13 KR 136/17
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 590/17

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 3.843,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.05.2016 bis zum 31.03.2017 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 3.843,53 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungen.

Der Kläger betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde vom 27.01. bis 04.02.2016 die bei der Beklagten versicherte B. (Fall-Nr. 1225791) stationär behandelt. Am 09.03.2016 stellte der Kläger der Beklagten hierfür 10.240,18 EUR in Rechnung (Rechnungs-Nr. 90571283) unter Zugrundelegung der Fallpauschale (DRG) I43B. Die Beklagte beglich die Rechnung in voller Höhe. Sie beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 14.03.2016 mit. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Behandlung zwar nach der zutreffenden Fallpauschale abgerechnet worden sei, der Kläger jedoch das Entgelt für die individuell angefertigte Prothese nicht beanspruchen könne. Die Beklagte errechnete hieraus eine um 3.843,83 EUR zu viel gezahlte Vergütung. Mit Schreiben vom 26.04.2016 machte sie gegenüber dem Kläger einen entsprechenden Rückforderungsanspruch geltend und forderte ihn auf, ihr diesen Betrag gutzuschreiben. Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 05.07.2016 Einspruch. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 25.05.2016 unter Bezugnahme auf “§ 9 PrüfvV” und den Behandlungs-/Abrechnungsfall “B., Rechnungsnummer: 0090571283” gegenüber dem Kläger an, sie werde ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch aus diesem Behandlungsfall in Höhe von 3.843,53 EUR aufrechnen; sie erklärte: “Wir verweisen hierzu aus das von Ihnen von unserem Finanzbereich übermittelte Avis.” Mit Schreiben (“Zahlungsmitteilung”) vom 27.05.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihm 207.591,45 EUR auf sein Konto überwiesen. In der folgenden 10-seitigen Aufstellung finden sich Rechnungsdaten (aus 2015 und 2016), Rechnungsnummern und Fallnummern sowie Geldbeträge, die mehr als hundert Behandlungsfälle von Versicherten der Beklagten betreffen. Vor einige der Geldbeträge findet sich ein Minus-Zeichen, die übrigen sind Positivbeträge. Die Saldierung der positiven und negativen Beträge ergibt den Zahlbetrag 207.591,45 EUR. Die Aufstellung vom 27.05.2016 enthält auf Blatt 3 den Buchungstext: – 09.03.2016 0090571283 SAMU:0001319113 6.396,65 0001225791 – 09.03.2016 0090571283 SAMU:0001319113 -10.240,18 0001225791 Die Aufstellung enthält überwiegend Vergütungsbeträge aus Behandlungsfällen, die zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe unstreitig sind und die in der Summen den Betrag der von der Beklagten geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Forderung von 3.843,53 EUR weit übersteigen.

Am 01.04.2017 hat der Kläger Klage auf Zahlung von 3.843,53 EUR erhoben. Er ist der Auffassung, in dieser Höhe Anspruch auf (Rest-)Vergütung für die in dem Zahlungsavis vom 27.05.2016 aufgeführten unstreitigen Behandlungsfälle zu haben. Die Aufrechnung genüge nicht den Vorgaben des § 9 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2015, die keine “Soll”-, sondern eine “Ist”-Vorschrift sei. Danach seien bei der Aufrechnung der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen. Dies sei vorliegend nicht erfolgt, es fehle an einer wirksamen Aufrechnung. Selbst wenn die Aufrechnung zulässig (gewesen) wäre, sei sie ins Leere gegangen. Der Beklagten habe ein Rückerstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall “B., Fall-Nr. 0090571283, nicht zugestanden, da die Implantation der patientenindividuell angefertigten Prothese im konkreten Fall aus medizinischen Gründen indiziert gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.843,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.05.2016 bis zur Rechtshängigkeit und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die vorgenommene Aufrechnung sei wirksam. Sie verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 25.10.2016 und die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die über § 69 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anwendung fänden. Sie meint, die Aufrechnungserklärung vom 25.05.2016 in Verbindung mit dem beigefügten Zahlungsavis genüge auch den Vorgaben des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015. Die Forderungen und die Gegenforderungen würden in dem Zahlungsavis aufgelistet und seien durch Zahlenfolgen mit dem jeweiligen Behandlungsfall des Krankenhauses verknüpft. Auch seien die Forderungen des Krankenhauses der Höhe nach genau bezeichnet, ebenso die (vermeintlichen) Gegenforderungen in Höhe und Zuordnung zu einem Behandlungsfall und das jeweilige Datum. Tatsächlich gezahlt werde die Endsummen, hier 207.591,45 EUR. Im Übrigen seien die Auffangvorschriften des BGB weiter beachtlich und anwendbar, wenn eine Aufrechnung nicht den Anforderungen des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015 genüge; eine Aufrechenbarkeit auch gegenüber einer Mehrzahl von Forderungen mithilfe eines Zahlungsavis sei möglich gewesen und erklärt worden. Ihr Rückforderungsanspruch sei auch begründet, weil der Kläger mit der Verwendung der Sonderprothese im streitigen Behandlungsfall nicht wirtschaftlich gehandelt habe; ihm stehe daher nur eine Vergütung unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Alternativverhaltens, d.h. bei Verwendung einer Standardprothese, zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen, den Behandlungsfall “B.” (Fall-Nr. 0090571283) betreffenden Patientenakte der Klägerin und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage eines Kranken¬hauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteien-streit im Glei¬chordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Ein Vor¬verfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Die Klage ist auch begründet.

Rechtsgrundlage des geltenden gemachten restlichen Vergütungsanspruchs des Kläge-rs ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zah-lungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leis¬tung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung von Versicherten, Kosten-übernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesver-bänden der Krankenkasse andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt. Es sind dies der Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehand¬lung (KBV) und der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenh¬ausbehandlung (KÜV).

Gegenstand der Klageforderung ist nicht der Vergütungsanspruch des Klägers aus der Behandlung der Patientin B. (Fall-Nr. 1225791). Denn dieser ist durch die Zahlung der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Gegenstand der Klageforderung ist vielmehr der Anspruch auf Vergütung aufgrund der stationären Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten, aus denen der Kläger – dies ist unstreitig – zunächst Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung weiterer 3.843,53 EUR hatte und die im Zahlungsavis der Beklagten vom 27.05.2016 verschlüsselt aufgelistet sind.

Dem Kläger steht dieser Vergütungsanspruch (nebst Zinsen) nicht zu, wenn die Beklagte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 3.843,53 EUR hatte und dieser Erstattungsanspruch durch wirksame Aufrechnung erfüllt ist. Vorliegend kann dahin stehen, ob die Beklagte einen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Kosten der stationären Behandlung der Versicherten B. wegen fehlerhafter Abrechnung (individuell angefertigte Prothese statt Standardprothese) hat. Denn selbst wenn ein solcher Erstattungsanspruch bestünde, ist die von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2016 angekündigte Aufrechnung dieses Anspruchs in Verbindung mit dem Zahlungsavis vom 27.05.2016 nicht wirksam. Sie genügt nicht den Vorgaben des § 9 PrüfvV 2015.

Gemäß § 69 Satz 2 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V, in den §§ 63, 64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Sodann bestimmt § 69 Satz 3 SGB V, dass für die genannten Rechtsbeziehungen “im Übrigen” die Vorschriften des BGB entsprechend gelten, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den weiteren Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil (§ 388 Satz 1 BGB). Die Aufrechnungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Forderung und Gegenforderung müssen hinreichend bestimmt sein. Die Aufrechnungserklärung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden; es genügt die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens (Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 388, Rn. 1; vgl. dazu auch: BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R, Rz. 12 – und B 1 KR 9/16 R, Rz. 29 – jeweils m.w.N.). Hat der eine oder der andere Teil mehrere zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Teil die Forderungen bestimmen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollen (§ 396 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wird die Aufrechnung ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere Teil unverzüglich, so findet die Vorschrift des § 366 Abs. 2 entsprechende Anwendung (§ 396 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 366 Abs. 2 BGB wird, wenn der Schuldner keine Bestimmung trifft, zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger weniger Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.

Unter Zugrundelegung allein dieser Vorschriften des BGB wäre die von der Beklagten erklärte Aufrechnung – sowohl hinsichtlich der Erkennbarkeit des Aufklärungswillens als auch hinsichtlich der Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung – wirksam. Ihren Aufrechnungswillen hat die Beklagte unmissverständlich in dem Schreiben vom 25.05.2016 zum Ausdruck gebracht, indem sie auf das “von unserem Finanzbereich übermittelte Avis”, das ist die Zahlungsmitteilung vom 27.05.2016, Bezug nahm. Zwar kann dieser Zahlungsmitteilung (Zahlungsavis) nicht entnommen werden, gegen welche der dort aufgeführten Forderungen des Klägers die Beklagte mit ihrer (vermeintlichen) Erstattungsforderung aufrechnen wollte. Jedoch hat BSG für derartige Fallgestaltungen einer Aufrechnung mittels (Sammel-)Zahlungsavis unter Hinweis auf die eine Aufrechnung erleichternden Vorschriften der §§ 396 Abs. 1, 366 Abs. 2 BGB anerkannt, dass die Aufrechnungserklärung hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R, Rz. 14 – und B 1 KR 9/16 R, Rz. 33). Allerdings finden die BGB-Vorschriften nur Anwendung, soweit in den in § 69 Satz 2 SGB V genannten einschlägigen Gesetzen und Bestimmungen des Krankenversicherungsrechts keine spezielleren Regelungen getroffen sind. Dies war in den vom BSG durch die Urteile vom 25.10.2016 (B 1 KR 7/16 R und B 1 KR 8/16 R) entschiedenen Abrechnungsfälle aus den Jahren 2009 und 2010 nicht der Fall. Insbesondere galt damals noch nicht die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche PrüfvV 2015 und speziell deren § 9.

Gemäß § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V Dabei haben sie insbesondere Regelungen (u.a.) “über die Abwicklung von Rückforderungen” zu treffen. Aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung haben der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. erstmals im Jahre 2014 eine “Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV) gemäß § 17c Absatz 2 KHG” geschlossen. Diese erste Vereinbarung – die PrüfvV 2015 – trat am 01.09.2014 in Kraft und gilt für die Überprüfung bei Patienten, die – wie im vorliegenden Fall – in der Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2016 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015; diese wurde abgelöst durch die PrüfvV 2017 vom 03.02.2016, die seit dem 01.01.2017 in Kraft ist und für die Überprüfung bei Patienten gilt, die ab diesem Zeitpunkt in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind bzw. werden).

§ 9 Satz 1 und 2 PrüfvV 2015 – im Wesentlich gleichlautend: § 10 Satz 1 und 2 PrüfvV 2017) – bestimmen: “Die Krankenkasse kann einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen. Dabei sind der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen.” Damit haben die Spitzenverbände das Verfahren der Aufrechnung speziell geregelt. Im Hinblick auf diese ausdrücklichen Regelungen, welche Erstattungsansprüche aufgerechnet werden können (Satz 1) und dass und wie die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche zu benennen sind, nämlich “genau”, kann die Regelung des § 366 Abs. 2 BGB, die für den Fall nicht eindeutiger Erklärungen des Aufrechnenden – wie hier – über die Verweisung des § 396 Abs. 1 Satz 2 BGB “eine Erleichterung, die die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung sichert”, schaffen kann (so ausdrücklich noch: BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R, Rz. 12 – und B 1 KR 9/16 R, Rz. 29), in Abrechnungsverfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern keine Geltung mehr beanspruchen. Der entgegenstehenden Auffassung der Beklagten, dass die Auffangvorschriften des BGB, speziell auch die des § 366 Abs. 2 BGB weiter beachtlich und anwendbar seien, wenn eine Aufrechnung nicht den Anforderungen des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015 genügt, lässt sich mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, wonach die Vorschriften des BGB nur (“im Übrigen”) gelten, wenn die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nicht in den in § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten Vorschriften geregelt sind, nicht in Einklang bringen. Gerade weil die Aufrechnung inzwischen im Normbereich der in § 69 Abs. 1 Satz SGB V genannten Vorschriften geregelt ist, ist insoweit für eine analoge Anwendung der BGB-Vorschriften nach Maßgabe von § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V kein Raum mehr.

Grundsätzlich konnte die Beklagte ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Klägers aufrechnen, weil sie dem Kläger nach § 8 PrüfvV 2015 fristgerecht innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige den Erstattungsanspruch mitgeteilt hat (§ 9 Satz 1 PrüfvV 2015). Entgegen der Vorgabe des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015 hat sie aber zwar den Erstattungsanspruch, nicht aber den Leistungsanspruch, mit dem aufgerechnet werden sollte, “genau” benannt. Das 10-seitige Zahlungsavis listet eine Vielzahl von Behandlungsfällen, Rechnungsdaten und Euro-Beträgen auf. Einigen der Euro-Beträge sind Minus-Zeichen vorangestellt, den Meisten jedoch nicht. Der Aufstellung lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, welche Leistungsansprüche im Einzelnen unstreitig und welche streitig sind. Allein aus der Gesamtaufstellung und dem Positivsaldo der Euro-Beträge kann geschlossen werden, dass sich aus den gelisteten Behandlungsfällen in ausreichender Zahl unstreitige Vergütungsansprüche ergeben, mit denen der (vermeintliche) Erstattungsanspruch der Beklagten hätte aufgerechnet werden können. Dies genügt jedoch nicht der Vorgabe des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015, den unstreitigen Leistungsanspruch, mit dem der Erstattungsanspruch aufgerechnet werden soll, “genau” zu benennen. Deshalb ist die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Die Unwirksamkeit der Aufrechnung bewirkt, dass der Vergütungsanspruch aus den im Zahlungsavis (verschlüsselt) aufgelisteten unstreitigen Behandlungsfällen in Höhe der Klageforderung noch nicht erfüllt ist. Dementsprechend war die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KBV sind Rechnungen innerhalb von fünfzehn Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Die unstreitigen Ansprüche auf Vergütung aus den im Zahlungsavis vom 27.05.2016 aufgelisteten (unstreitigen) Behandlungsfällen waren zum Zeitpunkt des Eingangs des Zahlungsavis bei dem Kläger fällig. Im Hinblick darauf ist das Zinsbegehren des Klägers (zwei Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zur Rechtshängigkeit) sowohl nach dessen Beginn auch als der Höhe nach (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 4 KBV) bis 31.03.2017 begründet. Das weitere Zinsbegehren (fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit) ist ebenfalls begründet. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit – hier: 01.04.2017 – einer Klage auf Zahlung fälliger Vergütungen hat der klagende Krankenhausträger gegen die beklagte Krankenkasse gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 291 Satz 1 BGB Anspruch auf Prozesszinsen. Die Höhe der zu zahlenden Zinsen bestimmt sich nach § 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB; danach beträgt der Zinssatz für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 14/125 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).