Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 21/10

Kernpunkte:

  • Eine frühe Thrombose eines neu angelegten Dialyseshunts ist eine Komplikation, die eine Fallzusammenführung begründen kann.
  • Eine Komplikation i. S. der FPV ist nicht mit einem Behandlungsfehler gleichzusetzen.

 

 

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

 

Urteil vom 22.06.2011 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Halle (Saale) S 20 KR 15/06
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 21/10 
Bundessozialgericht B 3 KR 15/11 B

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.934,10 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen, insbesondere über die Frage, ob die Klägerin eine stationäre Behandlung als neue Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalenkatalog 2004 abrechnen durfte oder eine Fallzusammenführung aus einer zuvor erfolgten Behandlung hätte vornehmen müssen.

Die Klägerin ist Trägerin des Kreiskrankenhauses S. in N., das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der bei der Beklagten versicherte S. (im Folgenden: der Versicherte) wurde im Zeitraum vom 25. Februar 2004 bis 1. März 2004 (im Folgenden Behandlungsabschnitt I) und vom 15. März 2004 bis 17. März 2004 (im Folgenden Behandlungsabschnitt II) in der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie behandelt. Im Behandlungsabschnitt I wurde der Versicherte auf Einweisung der Fachärzte für Innere Medizin sowie Nephrologen Dr. K. wegen einer terminalen Niereninsuffizienz und eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus stationär in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Im Entlassungsbericht von Oberarzt Dr. H. vom 1. März 2004 gab dieser an: Im Verlauf der stationären Aufnahme sei am 26. Februar 2004 ein Dialyseshunt am rechten Arm implantiert worden, weil der vorhandene Perm-Cath-Katheter Durchflussprobleme aufgewiesen habe. Postoperativ sei die Behandlung komplikationslos verlaufen. Klinisch habe zum Entlassungszeitpunkt eine gute Shuntfunktion bestanden. Eine Shuntpunktion sei in drei Wochen möglich.

Unter dem 15. März 2004 kam es durch die oben genannten Nephrologen wegen eines Fistelverschlusses zu einer erneuten Einweisung des Versicherten ins Krankenhaus. Wörtlich enthielt die Einweisung für den Behandlungsabschnitt II folgende Formulierung:

“Fistel war seit 1 Woche in Benutzung, bisher keine Probleme, heute dann unerwarteter Shuntverschluss, Dialyse erfolgte heute nochmals über den Perm Cath, nächste HD am Mittwoch Mittag.”

Oberarzt Dr. G. berichtete über den stationären Aufenthalt des Behandlungsabschnitts II im Entlassungsbrief vom 17. März 2004 und gab an: Die stationäre Aufnahme sei wegen eines akuten Verschlusses des Shuntes nach Dialyse notwendig geworden. Der Eingriff sei am 16. März 2004 erfolgt. Nach komplikationslosem Verlauf und der Feststellung einer regelrechten Shuntfunktion sei der Versicherte am 17. März 2004 entlassen worden.

Die Abrechnung über den Behandlungsabschnitt I bezahlte die Beklagte ohne jede Beanstandung. Über den stationären Aufenthalt des Behandlungsabschnitts II erstellte die Klägerin eine Rechnung vom 2. Juni 2004. Diese wies folgende Leistungen aus:

F 14 B Gefäßeingriffe außer große rekonstruktive Eingriffe ohne Herz- Lungen- Maschine ohne äußerst schwere CC 2.932,71 EUR

DRG Systemzuschlag 0,27 EUR

Investitionszuschlag neue Länder 11,24 EUR

QS-Zuschlag 1,12 EUR

Zwischensumme: 2.945,34 EUR

Im Schreiben vom 22. Juni 2004 kündigte die Beklagte gegenüber dem Krankenhaus eine Überprüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) an. Der Rechnungsbetrag werde daher nur unter Vorbehalt gezahlt. Im Schreiben vom 11. Juni 2004 zeigte der MDK gegenüber dem Krankenhaus seine Prüfung an. Zur Aufklärung des Sachverhaltes werde gebeten, den Einweisungsschein, die Epikrise sowie den OP-Bericht zu übersenden. Dieser Aufforderung kam das Krankenhaus nach.

In einer gutachterlichen Stellungnahme sprach sich die MDK Gutachterin S. unter dem 18. Februar 2005 dafür aus, den akuten Verschluss des Shunts nach Dialyse als eine Komplikation im Zusammenhang mit dem Voraufenthalt im Behandlungsabschnitt I zu bewerten. Dieser Einschätzung widersprach das Krankenhaus mit Schreiben vom 18. Mai 2005 und verlangte eine nachvollziehbare Begründung. Die Beklagte beauftragte den MDK mit einem sozialmedizinischen Gutachten vom 19. August 2005, in dem Dipl.-Med. V. ausführte: Im vorliegenden Fall müsse geschlussfolgert werden, dass die stationäre Aufnahme wegen einer Komplikation erfolgt sei. Die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung gemäß § 2 KFPV 2004 seien erfüllt. Mit Schreiben vom 29. August 2005 verlangte die Beklagte unter Hinweis auf dieses Gutachten ihr eine Gutschrift bis zum 20. September 2005 zu erteilen. Dem widersprach das Krankenhaus mit Schreiben vom 14. September 2005 und führte aus: Dem MDK-Gutachten könne nicht gefolgt werden, da keine Komplikation gegeben sei. Mit Schreiben vom 27. September 2005 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest und informierte die Klägerin über eine bereits vorgenommene Aufrechnung mit einer unstreitigen Sammelrechnung. Tatsächlich setzte die Beklagte 2.945,34 EUR am 26. September 2005 im Rahmen einer Überweisung mit der Nr. 2900136776 in Gesamthöhe von 206.198,52 EUR ab und zahlte am 29. September 2005 darauf einen Betrag in Höhe von 11,24 EUR an die Klägerin wieder zurück.

Die Klägerin hat am 30. Januar 2006 Zahlungsklage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und verlangte für die Behandlung des Versicherten 2.934,10 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 21. September 2005. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Thrombose des Dialyseshunts könne viele Ursachen haben. Denkbar seien Störungen in der Gerinnung bei der Dialyse, eine Hypertonie, eine Kompression nach Entfernung von Dialysenadeln oder ähnliches. Eine Fallzusammenführung sei aus diesem Grunde nicht gerechtfertigt.

Dem hat die Beklagte entgegengehalten: Beide Aufenthalte stünden in einem untrennbaren inneren Zusammenhang, wobei der Behandlungsabschnitt II als Komplikation des Behandlungsabschnitts I zu werten sei. Die zweite Aufnahme sei auch noch innerhalb der oberen Grenzverweildauer erfolgt. Der Behandlungsabschnitt I habe nach der DRG Z01A abgerechnet werden können, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig sei. Die obere Grenzverweildauer dieser DRG betrage 26 Tage. Die Wiederaufnahme am 15. März 2004 sei innerhalb dieser Zeitspanne erfolgt. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenlegung nach § 2 Abs. 3 Fallpauschalenverordnung lägen daher vor. Zur weiteren Bekräftigung ihres Vortrages hat die Beklagte ein weiteres MDK Gutachten vom 1. Juni 2006 vorgelegt. Darin vertrat Dr. K. die Auffassung, die Shuntthrombose sei als Komplikation anzusehen, weil ein Zusammenhang zum Behandlungsabschnitt I gegeben sei. Dies gelte unabhängig davon, welche Ursache die Thrombose konkret gehabt habe. Nach dem Klinischen Wörterbuch Pschyrembel sei eine Komplikation als ein Ereignis oder Umstand auszusehen, der den durchschnittlichen Ablauf einer Erkrankung, eines ärztlichen Eingriffs oder natürlichen Vorganges ungünstig beeinflussen könne. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt.

Das SG beauftragte Dr. K. (M. GmbH) mit der Erstellung eines Abrechnungsgutachtens vom 24. Juli 2009. Dieser hat ausgeführt: Aus der Einweisungsdiagnose vom 15. März 2004 und dem Operationsbericht vom 16. März 2004 sei keine vom Krankenhaus verschuldete Komplikation bzw. ein Behandlungsfehler abzuleiten. Ein Zusammenhang zwischen der Voroperation sei jedoch gegeben. Ohne die Anlage des Shunts im Behandlungsabschnitt I hätte an dieser Stelle keine Thrombose auftreten können. Auch die zeitliche Nähe zwischen der Operation und der Komplikation spreche für einen Zusammenhang nach der Fallpauschalenverordnung 2004. Eine Komplikation sei als ein unerwünschtes Ereignis nach einer medizinischen Behandlung zu definieren. Der thrombotische Verschluss eines Dialyseshunts vierzehn Tage nach der Entlassung erfülle diese Voraussetzung.

Die Beklagte hat sich dem Sachverständigengutachten angeschlossen. Die Klägerin hat diesem widersprochen: Dem Sachverständigen sei bereits die fachliche Qualifikation abzusprechen. Nach einer Internetrecherche sei er lediglich als Orthopäde und Chirurg sowie als geprüfter Schriftpsychologe, Naturheiler und Akupunkteur tätig. Den vorliegenden Behandlungsfall könne jedoch aus fachlichen Gründen nur ein ausgewiesener Gefäßchirurg überprüfen. Die Bewertung des Sachverständigen, es läge eine Komplikation vor, sei unzutreffend. Aus den Unterlagen sei erkennbar, dass sich der Verschluss anlässlich der am 15. März 2004 ambulant durchgeführten Dialyse ereignet habe. Dies könne z.B. durch einen kurzzeitigen Blutdruckabfall während der Blutwäsche verursacht worden sein. Auf dem Einweisungsschein ergäbe sich, dass der Shunt bisher problemlos funktioniert habe, es also keine Komplikation nach der Operation gegeben habe. Das Sachverständigengutachten sei aus diesen Gründen unverwertbar.

Das SG hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 26. Oktober 2009 eingeholt. Dieser hat ergänzend ausgeführt: Erst im Jahr 2008 sei der Begriff der Komplikation in den Fallpauschalen geändert und auf vom Krankenhaus zu vertretende Komplikationen eingeschränkt worden. In den Vorjahren habe es eine derartige Einschränkung nicht gegeben. Die Shuntthrombose sei als Komplikation zur vorangegangenen stationären Vorbehandlung zu werten. Schließlich wäre es ohne die Einbringung des Shunts nicht zu dieser Komplikation gekommen. Der Dialyseshunt bilde eine prädestinierte Stelle für eine Thrombose, da es sich nicht um natürliches Gewebe handele. Die vorgegebene Grenzverweildauer sei auch noch nicht überschritten worden. Eine gefäßchirurgische Bewertung für diesen Sachverhalt sei nicht notwendig.

Mit Urteil vom 29. Dezember 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem getroffenen Kostentenor haben sich die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Der Behandlungsabschnitt II sei als Komplikation des Behandlungsabschnitts I anzusehen. Zunächst sei die Wiederaufnahme des Versicherten innerhalb der Grenzverweildauer erfolgt. Ohne die Anlage des Shunts hätte es nicht zu dem Verschluss kommen können. Der vorliegende Fistelverschluss entspräche auch der Definition einer Komplikation. Dies gelte selbst dann, wenn dem Begriff der Komplikation ein gewisses Überraschungsmoment innewohnen würde. Schließlich sei der Fistelverschluss nach der Einweisungsdiagnose der behandelnden Ärzte unerwartet aufgetreten. Die Fallzusammenführung sei nach der geltenden Fallpauschalenverordnung auch nicht auf Komplikationen beschränkt, die in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen. Diese Änderung sei erst zum 1. Januar 2008 in § 2 Abs. 3 FPV 2008 aufgenommen worden. Das Krankenhaus treffe vor Inkrafttreten der neuen Verordnung daher das Risiko von auftretenden Komplikationen innerhalb der Grenzverweildauer nach der durchgeführten OP.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Februar 2010 zugestellte Urteil am 2. März 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung ergänzend geltend gemacht: Es sei widersprüchlich auf der einen Seite den Fistelverschluss nach einem neuen Shunt als Komplikation anzusehen und auf der anderen Seite dies nur als eine mögliche Folge zu bewerten. Die Ursache für die Thrombose könne vielfältige Ursachen haben. Die von der Vorinstanz verwandte Definition einer Komplikation sei unzutreffend, da es hierfür keine Legaldefinition gebe. Beim Komplikationsbegriff sei zwischen dem allgemein medizinischen Sprachgebrauch und dem abrechnungstechnisch engeren Begriff zu unterscheiden. Nach der Abrechnungsliteratur habe die Neuregelung in § 2 Abs. 3 FPV 2008 keine neue Definition des Begriffs Komplikation geschaffen. Die Vorinstanz sei wegen unzureichender Fachkenntnis des Sachverständigen verpflichtet gewesen, ein erneutes Sachverständigengutachten einzuholen und einen Facharzt für Gefäßchirurgie mit einer erneuten Begutachtung zu beauftragen.

 

Die Klägerin beantragt nach dem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.934,10 EUR nebst 4 % Zinsen ab dem 21. September 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt nach dem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Klägerin hat sich am 14. Februar 2011 und die Beklagte am 28. Februar 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte sowie die Behandlungsunterlagen des Versicherten für beide Behandlungsabschnitte haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 SGG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R; Urt. v. 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 KR R; B 3 KN 1/08 KR R; Urt. v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R zitiert nach juris; stRspr.).

Die Beklagte hat gegen eine spätere unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin wirksam die Aufrechnung in Höhe der Klageforderung erklärt. Die Klägerin hatte zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Vergütung des Behandlungsabschnitts II vom 15. März 2004 bis 17. März 2004, da die Voraussetzungen einer Fallzusammenlegung vorgelegen haben. Die Abrechnung vom 27. April 2004 für die stationäre Behandlung vom 15. März 2004 bis 17. März 2004 auf der Grundlage der DRG F14B erfolgte damit ohne Rechtsgrundlage und musste von der Beklagten nicht bezahlt werden. Die Klageforderung aus der unstreitigen Sammelrechnung Nr. 10427073 der Beteiligten ist damit wirksam durch Aufrechnung erloschen. Bei der Aufrechnung handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen, zu denen die Beziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern im System der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören, an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005, B 3 KR 18/04 R m. w. N.). Die Aufrechnung ist dabei grundsätzlich zulässig. Auch wenn die Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) fehlen, kann gegen eine öffentlich-rechtliche Forderung, entsprechend §§ 387 ff. BGB die Aufrechnung erklärt werden.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin aus der streitigen Abrechnung vom 27. April 2004 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (KFPV 2004).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166 (168); BSGE 90, 1 (2)). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30.6.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als “Vertragspartner auf Bundesebene” mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17 b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17 b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet (§ 17 b Abs. 1 Satz 3 KHG). Nach § 17 b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30.6.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden. Gemäß § 17 b Abs. 6 Satz 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 1. Januar 2004 eingeführt. Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet (zum Ganzen grundlegend BSG, Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R; zuletzt Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 R, jeweils zitiert nach juris).

Die Beseitigung des Fistelverschlusses zwischen dem 15. März 2004 und dem 17. März 2004 durfte von der Klägerin nicht mit der DRG F14 B verschlüsselt und abgerechnet werden. Vielmehr hätte diese Behandlung als Fallzusammenlegung gewertet werden müssen, was eine weitere Rechnungslegung aus rechtlichen Gründen ausschließt. Die unstreitig bezahlte Behandlung aus dem Behandlungsabschnitt I deckt damit den Behandlungsabschnitt II abrechnungstechnisch mit ab, da beide Fälle gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 KHEntG und § 2 Abs. 3 Satz 1 KFPV 2004 zusammenzuführen sind. Hiernach hat ein Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall vorzunehmen, wenn eine Folgebehandlung wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer eine Wiederaufnahme des Versicherten erforderlich gemacht hat. Eine Wiederaufnahme des Versicherten innerhalb der Grenzverweildauer beim Behandlungsabschnitt I lag vor und wird auch von keinem der Beteiligten bestritten. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Fallzusammenlegung sind gegeben. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, welche genauen Gründe zur Wiederaufnahme des Versicherten am 15. März 2003 geführt haben, kann der Senat offenlassen, da es hierauf rechtlich nicht ankommt. Der Shuntverschluss nach der durchgeführten Dialyse innerhalb der Grenzverweildauer von 26 Tagen ist nach der Auslegung des Senats als Komplikation des Behandlungsabschnitts I anzusehen.

Für diese Auslegung des Begriffs “Komplikation” im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 KFPV 2004 sprechen die entscheidenden Argumente. Bereits nach den medizinischen Standardnachschlagewerken ist das Wort “Komplikation” nicht dahingehend zu verstehen, dass es dabei auf die Verantwortlichkeit eines Dritten ankommen kann. Der Pschyrembel definiert die Komplikation vielmehr im Sinne eines Ereignisses oder Umstandes, wodurch der durchschnittliche Ablauf einer Erkrankung, eines ärztlichen Eingriffs oder eines natürlichen Vorgangs gestört werden kann (Pschyrembel. 262 Auflage, 2011, S. 1097). Die Implantation des Shunts ist als ein ärztlicher Eingriff zu werten. Nach zunächst regelgerechter Funktion des Shunts ist dessen Durchflussfähigkeit durch das Auftreten des Verschlusses gestört worden, was als Komplikation gewertet werden muss. Ähnlich beschreibt der Duden (Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 7. Auflage, S.428) diesen Begriff als ungünstige Beeinflussung oder Verschlimmerung eines normalerweise überschaubaren Krankheitszustandes bzw. chirurgischen Eingriffs durch einen unvorhergesehenen Umstand. Auch nach dieser Definition ist ein Shuntverschluss im unmittelbaren Anschluss an eine zuvor erfolgte Implantation als ein zunächst erfolgreicher chirurgischer Eingriff anzusehen, dessen positives Ergebnis durch den unerwarteten Verschluss ungünstig beeinflusst wurde. Nach beiden Definitionen ist daher ein Verschluss eines sog. Shunts, der wenige Tage zuvor erfolgreich während einer Operation implantiert worden ist, als Komplikation eben dieser Operation anzusehen. Ohne die Einbringung des Shunts am 26. Februar 2004 hätte am 15. März 2004 ein Verschluss an dieser Stelle überhaupt nicht auftreten können. Von einem allgemeinen Ursachenzusammenhang ist daher auszugehen. Dieser Bewertung folgen übereinstimmend und für den Senat auch überzeugend sämtliche MDK-Gutachter und auch der gerichtliche Sachverständige Dr. K.

Die dagegen erhobenen Einwände der Klägerin bleiben insgesamt unbeachtlich. Bereits der gegen den gerichtlichen Sachverständigen der Vorinstanz erhobene Vorwurf, dieser habe nicht die notwendige Qualifikation eines Gefäßchirurgen aufgewiesen, um diesen Sachverhalt überhaupt bewerten zu können, geht an der zentralen Frage des vorliegenden Rechtsstreits vorbei. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der am 15. März 2004 aufgetretene Fistelverschluss im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen hat oder nicht und welche genaue Ursache der Verschluss tatsächlich und mit welcher Wahrscheinlichkeit gehabt hat. Maßgebend ist vielmehr nur, ob nach der allgemeinen Wortlautauslegung, der aufgetretene Verschluss als Komplikation im Sinne des § 2 Abs. 3 KFPV (2004) zu bewerten ist oder nicht. Dies ist – ohne dass es eines fachärztlichen Spezialisten bedufte – bereits nach allgemeinmedizinischen Definitionen und der medizinischen Standartliteratur zu bejahen. Nach den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen, die mit der medizinischen Standartliteratur übereinstimmen, kann der Senat nach eigener Auslegung den Begriff einer Komplikation definieren und auch subsumieren. Ohne die Anlage des Shunts wäre das Risiko eines wenige Tage später aufgetretenen Verschlusses nicht geschaffen worden. Damit hat sich genau das durch die Operation begründete Verschlussrisiko realisiert und den Operationserfolg negativ beeinflusst. Diese Wortlautauslegung entspricht der allgemein üblichen Definition einer Komplikation. Selbst wenn der Komplikation zusätzlich etwas Unvorhergesehenes anhaften sollte, würde sich an dieser Bewertung nichts ändern. Nach den vorliegenden Befunden hatte der Shunt zunächst ordnungsgemäß funktioniert. Der Verschluss trat nach Ansicht der einweisenden Ärzte dann überraschend während einer Dialyse auf.

Der Versuch der Klägerin, einen speziellen abrechnungstechnischen Begriff der Komplikation zu konstruieren, entfernt sich in unzulässigerweise vom Wortlaut des § 2 Abs. 3 KFPV 2004. Die Annahme eines sog. abrechnungstechnischen Komplikationsbegriffs versucht als einschränkendes Element die Voraussetzung einer Verantwortlichkeit des Krankenhauses begrifflich hineinzuinterpretieren. Diese Einschränkung des Begriffs Komplikation deckt sich jedoch nicht mit der oben genannten allgemein anerkannten Definition. Diese fragt gerade nicht nach der genauen Ursache der zu prüfenden Komplikation. Die einschränkende Auslegung der Klägerin ist mit der Rechtsprechung des BSG unvereinbar. So hält das BSG die Rechtsanwender der Fallpauschalenverordnung zu einer strengen Wortlautinterpretation an und lehnt weitere Bewertungen und Abwägungen konsequent ab. Mögliche Wertungswidersprüche oder sonstige Ungereimtheiten haben die jeweils zuständigen Stellen der Beteiligten durch Änderungen in der Zukunft selbst zu beseitigen (bereits BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001, B 3 KR 1/01 R; Urteil vom 18. September 2008, B 3 KR 15/07 R, jeweils zitiert nach juris). Dies ist dann auch im Jahr 2008, d.h. deutlich nach dem hier zu prüfenden Behandlungsfall geschehen. Nach der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008) haben die zuständigen Gremien offenbar selbst Handlungsbedarf bei der Gestaltung des Begriffs der Komplikation gesehen. So findet sich in § 2 Abs. 3 FPV 2008 nun die einschränkende Regelung “in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation”. Dieser einschränkende Zusatz macht nur Sinn, wenn § 2 Abs. 3 KFPV 2004 in diesem Punkt weiter zu verstehen war. Die Neufassung bestätigt daher nochmals, dass es für die Auslegung des Begriffs der Komplikation nicht auf die Verantwortung des Krankenhauses ankommt, weil es anderenfalls des einschränkenden Zusatzes im Jahr 2008 nicht bedurft hätte.

Die vom Senat vorgenommene strenge Wortlautauslegung führt auch nicht zu unvertretbaren Ergebnissen. Ziel der Fallzusammenführung ist es gerade, der Gefahr möglicher Komplikationen bei zu frühen Entlassungen der Versicherten entgegenzutreten und den Krankenhäusern keinen finanziellen Anreiz in diese Richtung zu geben. Da mit der Fallpauschale die Behandlung eines Patienten bis zur festgelegten Grenzverweildauer vergütet wird, muss das Krankenhaus auch bei der Wiederaufnahme eines Patienten wegen einer Komplikation in diesem Zeitraum seine Leistungen grundsätzlich ohne zusätzliche Vergütung erbringen. Das Krankenhaus trägt somit bis zur Änderung der Verordnung im Jahr 2008 das Risiko von Komplikationen, die innerhalb der Grenzverweildauer auftreten (vgl. die Begründung zu § 8 Abs. 5 Satz 1 KHEntG, Deutscher Bundestag, Drucksache 15/994 S. 22). Stellt sich ein konkreter Behandlungsbedarf als spezifische Folge einer Erkrankung bzw. deren Behandlung dar, auf die sich der Behandlungsauftrag des Krankenhauses bereits während des vorangegangenen Krankenhausaufenthalts erstreckt hat, so bleibt das Krankenhaus auf Grund des selben Behandlungsauftrags auch für die weitere Krankenhausbehandlung verantwortlich und hat innerhalb der Grenzverweildauer lediglich Anspruch auf eine einheitliche Pauschalvergütung. Treten dann innerhalb der Grenzverweildauer Komplikationen auf, die eine erneute Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit begründen, kann es keinen Unterschied machen, ob der Patient sich ununterbrochen in der Klinik aufgehalten oder ob das Krankenhaus ihn zwischenzeitlich entlassen hatte. Das Ergebnis ist für das betroffene Krankenhaus keineswegs unvertretbar, da es selbst wenn der Versicherte die volle Zeit der Grenzverweildauer stationär behandelt worden wäre, keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung gehabt hätte. Mit dem Auftreten der Komplikation innerhalb der Grenzverweildauer realisiert sich gerade das spezifische Gesundheitsrisiko des Behandlungsfalles im Krankenhaus, welches mit der Fallpauschale konkret abgedeckt werden sollte. Es handelt sich um eine ausgewogene und auch praktikable Risikoverteilung, die zeitaufwändige Ermittlungen zu möglichen Verantwortlichkeitsfragen bei der Wiederaufnahme des Versicherten innerhalb der Grenzverweildauer entbehrlich machen.

Der Senat muss im vorliegenden Fall nicht entscheiden, in welchen Fällen bei einer erneuten Einweisung innerhalb der Grenzverweildauer jeglicher Zusammenhang zur früheren Behandlung abgebrochen ist und in welchen Konstellationen von einem neuen Behandlungsfall ausgegangen werden darf. Schließlich ist der innere und untrennbare Zusammenhang von der Operation des ersten Behandlungsabschnitts und dem Fistelverschluss aus den obigen Gründen als Komplikation nach allgemeinem Sprachgebrauch anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat kann dabei auch die für die Klägerin günstige, jedoch fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl. BSGE 62, 131, 136; BSGE 98, S.267 ff).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor. Das BSG hat die grundlegenden Auslegungsfragen zum DRG-System in seinen Urteilen vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R und vom 25. November 2010 – B 3 KR 4/10 (jeweils zitiert nach juris) abschließend geklärt. Im Übrigen hat die Auslegungsfrage zu § 2 Abs. 3 Satz 1 KFPV 2004 wegen der Neuregelung des § 2 Abs. 3 FPV 2008 auch keine praktische Bedeutung mehr.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).