Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 33/07

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

Urteil vom 17.03.2010 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Dessau-Roßlau S 4 KR 70/05
  • Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 4 KR 33/07

 

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Februar 2007 wird dahingehend abgeändert, dass Zinsen erst ab 21. April 2005 zu zahlen sind. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 71.322,88 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Abzug nach § 140d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung.

Die Klägerin betreibt das nach § 108 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassene Kreiskrankenhaus B./W … Mit Schreiben vom 7. April 2004 teilte die Beklagte dem Krankenhaus mit, dass sie nunmehr die technischen Voraussetzungen für den Abschlag für die integrierte Versorgung im Einsatz habe. Sie habe seit Beginn des Jahres Verträge zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V abgeschlossen und sei daher berechtigt, den Abschlag in Höhe von 1 % einzubehalten. Es werde gebeten, die Systeme kurzfristig umzustellen, andernfalls würden die entsprechenden Beträge automatisch durch die Beklagte gekürzt. Bereits gezahlte Rechnungen würden ab 1. Januar 2004 zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend gekürzt. Diese rückwirkende Kürzung für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 in Höhe von 1 % setzte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 2005 nebst Einzelaufstellung der Kürzungsbeträge auf 71.322,88 EUR fest. Gegen dieses Vorgehen wendete sich die Klägerin mit Schreiben vom 22. Februar 2005, da ein rückwirkender Abzug nicht zulässig sei. Die Rechnungen seien ohne Vorbehalt gezahlt worden und der Abzug sei im Januar 2004 nicht angekündigt worden. Außerdem sei nicht ersichtlich, ob der Abzug in der angekündigten Höhe gerechtfertigt sei. Dennoch behielt die Beklagte den angekündigten Kürzungsbetrag am 23. Februar 2005 von der Sammelrechnung I 261500256 ein.

Die Klägerin hat am 21. April 2005 in Höhe des gekürzten Betrages Zahlungsklage beim Sozialgericht Dessau erhoben. Sie hat geltend gemacht, der Abzug dürfe nicht rückwirkend für ungekürzt beglichene Rechnungen vorgenommen werden. Die Beklagte habe gewusst, dass sie einen Abzug gemäß § 140d SGB V hätte vornehmen können. Dennoch habe sie die Rechnungen zunächst ungekürzt beglichen. Darin sei ein Verzicht auf die Geltendmachung des Einbehaltes zu sehen und eine Anerkennung die jeweiligen Forderungen des Krankenhauses in voller Höhe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Beklagte daher an die ohne Vorbehalt erklärte Kostenzusage gebunden. Demgegenüber sei es unerheblich, dass möglicherweise die technischen Voraussetzungen für einen Abzug in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2004 noch nicht vorgelegen haben. Ferner ergebe sich aus den zum Stichtag des 1. Juni 2004 gemeldeten Verträgen zur integrierten Versorgung ein Abzug von höchstens 0,14 %, so dass allenfalls 9.985,20 EUR hätten gekürzt werden können. Rechnungskürzungen seien nämlich nur in dem Umfang erlaubt, der zur Finanzierung der bereits abgeschlossenen Integrationsverträge erforderlich sei, aber nicht grundsätzlich in Höhe von 1%. Aber auch die von der Beklagten angegebenen Werte von 0,14% bzw. 0,51% seien nicht nachvollziehbar und das Vorliegen von Verträgen, die die Voraussetzungen des § 140b SGB V erfüllten, werde insgesamt bestritten. Die Gemeinsame Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS, im Folgenden: Registrierungsstelle) kontrolliere nicht die Angaben der Krankenkasse, sondern registriere lediglich die ihr gemeldeten Daten. Zur Überprüfung, inwieweit die Beklagte die gesetzlichen Bestimmungen einhalte, werde diese gebeten, die Integrationsverträge vorzulegen. Ferner hat die Klägerin auf die von ihr geteilte Rechtsansicht des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung hingewiesen, das mit Schreiben vom 20. April 2005 an die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. ausgeführt hat, die Bundesregierung halte einen bereits abgeschlossenen Vertrag zur integrierten Versorgung zum Zeitpunkt des Einbehaltes der Mittel für erforderlich. Eine abschließende Klärung der Rechtslage sei den Gerichten vorbehalten. Zur Zinsforderung hat die Klägerin auf § 8 der Budget und Entgeltvereinbarung verwiesen. Die Einbehaltung der Rückforderungsbeträge sei mit einer “endgültigen und ernsthaften” Leistungsverweigerung vergleichbar. Daher befinde sich die Beklagte seit dem Einbehalt in Verzug.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, der Abzug sei in Höhe von 1% berechtigt gewesen. Von Januar bis April 2004 habe sie Verträge über die integrierte Versorgung abgeschlossen, die eine Abzugsquote in Höhe von 0,51% rechtfertigten. Die Beklagte hat diese Verträge mit weiteren Daten sowie dem dazu gemeldeten Prozentsatz im Einzelnen aufgelistet und dazu erklärt, sie habe insgesamt für das Jahr 2004 Verträge mit einer Quote von 1,03% geschlossen. Alle Verträge seien ordnungsgemäß der Registrierungsstelle gemeldet worden, wo sich die Klägerin entsprechend informieren könne. Eine weitergehende Nachweispflicht bestehe für die Beklagte nicht. Die von der Klägerin eingeholte Auskunft der Registrierungsstelle zum Stichtag des 1. Juni 2004, aus der sich eine Quote von 0,14% ergebe, sei unvollständig. Am Ende des Dreijahreszeitraums erfolge eine Abrechnung mit der Verpflichtung, nicht aufgebrauchte Mittel wieder auszuzahlen. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts Brandenburg vom 1. November 2004 (AZ: L 5 B 105/04 KA ER) könne der Abzug unabhängig davon vorgenommen werden, ob die Kasse einen Integrationsvertrag bereits geschlossen habe, welche Kosten im Rahmen der integrierten Versorgung entstanden seien oder erwartet würden bzw. ob die Kasse überhaupt plane, einen Vertrag in diesem Bereich abzuschließen. Hier sei die Rechnungskürzung sogar zur Umsetzung bereits abgeschlossener Integrationsverträge erforderlich. Schließlich hat die Beklagte unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung und verschiedene Gesetzesänderungen vorgetragen, dass der Gesetzgeber durch die Streichung von Rückzahlungsverpflichtungen eine spürbare Entlastung der Krankenkassen habe bewirken wollen. Dies sei nur erreichbar gewesen, wenn die Krankenkassen in einem gewissen begründeten Umfang Finanzreserven durch den Einbehalt der Anschubfinanzierung hätten aufbauen können. Nur dann hätte es am Ende des Dreijahreszeitraums zu Überschüssen und einer Rückzahlungsverpflichtung kommen können. Die Beklagte sei auch zum nachträglichen Abzug berechtigt gewesen. Der Abzug stehe nicht im Ermessen, sondern beruhe auf einer gesetzlichen Verpflichtung und müsse vorgenommen werden. Die Klägerin habe die Regelung des § 140d SGB V gekannt und auch gewusst, dass der Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung geplant war. Auf Vertrauensschutz könne sie sich deshalb nicht berufen. Der Einbehalt sei wegen zunächst fehlender technischer Voraussetzungen nachträglich erfolgt und mit Schreiben vom 7. April 2004 auch ausdrücklich vorbehalten worden. Art und Weise des Einbehaltes sowie der Zeitpunkt seien gesetzlich nicht festgelegt; der Gesetzeswortlaut schließe einen rückwirkenden Abzug nicht aus. Verzugszinsen könne die Klägerin nach § 8 der Budget- und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2004 erst nach Mahnung bei Überschreitung des Fälligkeitstermins geltend machen. Eine Mahnung liege jedoch nicht vor.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Beklagte mit Urteil vom 28. Februar 2007 zur Zahlung von 71.322,88 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 24. Februar 2005 verurteilt, weil die Kürzung nicht durch § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V gedeckt sei. Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift dürften Rechnungen nicht im Nachhinein gekürzt werden. Die Vorschrift rechtfertige lediglich das “Einbehalten” von Rechnungsbeträgen. Die erfolgte Aufrechnung könne auch nicht für die Monate Dezember 2004 und Januar 2005 als “Einbehalten” qualifiziert werden, weil dann die Obergrenze von 1 % nicht eingehalten wäre. Die Beklagte habe auch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen Anspruch gegen die Klägerin, da dem § 814 BGB entgegenstehe. Danach könne das in Kenntnis der Nichtschuld Geleistete nicht zurückgefordert werden. Der Zinsanspruch folge aus § 8 der Budget- und Endgeltvereinbarung für das Jahr 2004. Eine Mahnung sei angesichts des Schreibens der Beklagten vom 11. Februar 2005 nicht erforderlich gewesen.

Gegen das ihr am 15. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. April 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie habe mit dem Schreiben vom 7. April 2004 einen Vorbehalt hinsichtlich der Zahlungen erklärt, sodass seit diesem Zeitpunkt § 814 BGB einer Aufrechnung nicht mehr entgegenstehe. Es sei nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Abzuges bereits geschlossene Verträge im Umfang der Abzugsquote von 1% vorliegen. Ein konkret ins Auge gefasster Integrationsvertrag müsse genügen. Aus der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V, wonach die innerhalb von drei Jahren nicht für die Zwecke nach Satz 1 verwendeten Mittel wieder auszuzahlen seien, sei zu folgern, dass sich der Begriff der Erforderlichkeit in Satz 1 nicht auf den unmittelbaren Zeitpunkt des Einbehaltes, sondern auf den gesetzlich vorgesehenen Dreijahreszeitraum beziehe. Das Wettbewerbsstärkungsgesetz habe die Rückzahlungsverpflichtung innerhalb des Dreijahreszeitraumes grundsätzlich aufrecht erhalten und lediglich die Rückzahlungsverpflichtung für die in den Jahren 2004 bis 2006 einbehaltenen Mittel gestrichen. Die Rückzahlungsverpflichtung wäre (weitgehend) überflüssig, wenn ein Einbehalt den Abschluss entsprechender Verträge voraussetzte. Durch die Regelung in Satz 5 der Vorschrift solle zum einen der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen verstärkt und zum anderen ausgeschlossen werden, dass die Krankenkasse die Mittel ohne “Gegenleistung” einbehalten könne. Zu einem nicht vollständigen Verbrauch der einbehaltenen Mittel könne es kommen, wenn ein beabsichtigter Integrationsvertrag nicht zustande komme oder wenn der Einbehalt den prognostizierten Aufwand übersteige. Der weiterhin im Gesetzestext verwendete Wortlaut “zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen” verdeutliche lediglich die Zweckbindung der Mittelverwendung. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch zum Zeitpunkt der Meldung etwaiger Vertragsbestandteile, wie z.B. Vergütungsvolumen oder abgeleitete Quote, könne es sich lediglich um durch die Vertragspartner geschätzte Zahlen handeln. Der Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen im Rahmen der Verträge zur integrierten Versorgung könne erst nachträglich ermittelt werden, weshalb auch die konkrete Abrechnung erst am Ende des gesetzlich vorgesehenen Dreijahreszeitraums erfolgen könne. Daher habe der Gesetzgeber den Krankenkassen zu Recht ein Ermessen im Hinblick auf die Höhe des Abzugs eingeräumt. Nur die Krankenkasse könne aufgrund ihrer strategischen Planungen im Hinblick auf den Abschluss von Versorgungsverträgen einschätzen, in welchem Umfang die Anschubfinanzierung erforderlich sei. Bereits zu Beginn des Jahres 2004 sei für die Beklagte abschätzbar gewesen, dass die 1%-Marke im Laufe des Jahres überschritten werde. Im Februar 2005 sei bereits von einer geschätzten abzuleitenden Quote von über 1% auszugehen gewesen. Ferner habe die Beklagte den Abschluss weiterer Integrationsverträge in Planung gehabt. Sie habe daher keinesfalls willkürlich den gesetzlich vorgegebenen Spielraum der Anschubfinanzierung der Höhe nach ausgeschöpft, sondern dies in dem Wissen getan, dass die einbehaltene Anschubfinanzierung voraussichtlich zur Umsetzung der abgeschlossenen und geplanten Verträge zur integrierten Versorgung zweckentsprechend eingesetzt werde. Nach Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Zeitraums der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung für die Jahre 2004 bis 2006 habe sich herausgestellt, dass die tatsächlich für die integrierte Versorgung verbrauchten finanziellen Mittel die Höhe des Einbehaltes überstiegen habe. Auf Aufforderung des Gerichts hat die Beklagte die Verträge zur integrierten Versorgung vorgelegt, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Aufgrund nachträglicher Rechnungskorrekturen hat die Beklagte bereits gezahlte Rechnungsbeträge teilweise nachträglich verrechnet, ohne den zur integrierten Versorgung einbehaltenen Betrag dabei zu berücksichtigen. Aus diesem Grund hat sie einen Betrag in Höhe von 39,12 EUR anerkannt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Februar 2007 aufzuheben, soweit es die Zahlung von mehr als 39,12 EUR betrifft, und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und meint, die Auffassung der Beklagten zur Höhe des Abzuges von 1% überzeuge nicht, da sonst nach Ablauf der Frist die Prozentsätze sämtlicher Integrationsverträge in einer Gesamtsumme rückwirkend für den gesamten Förderungszeitraum abgezogen werden könnten. Gerade dies habe aber der Gesetzgeber durch den Zusatz “soweit erforderlich” und durch die Formulierung “geschlossene Verträge” verhindern wollen. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 1. April 2004 seien Integrationsverträge mit einer Abzugsquote von lediglich 0,14 % abgeschlossen worden. Nur wirksam geschlossene Verträge könnten zu einem Einbehalt nach § 140d SGB V führen, denn die gesetzliche Regelung sei nicht dazu bestimmt, den Krankenkassen zusätzliche Finanzreserven für die Ausgestaltung geplanter Versorgungsmodelle zu schaffen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit eines pauschalen Abzugs eingeräumt. Durch den Abzug des streitigen Betrages am 23. Februar 2005 habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die Forderung der Klägerin “ernsthaft und endgültig” verweigere, so dass eine Mahnung nach § 286 BGB entbehrlich gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig.

Die Berufung ist jedoch weit überwiegend – bis auf die Frage des Zinsbeginns – unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung des umstrittenen Betrages verurteilt.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; Urt. v. 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R; Urt. v. 20. November 2008 – B 3 KN 4/08 KR R; B 3 KN 1/08 KR R; Urt. v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R zitiert nach juris; stRspr.).

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, da die Beklagte nicht berechtigt war, von der Sammelrechnung I261500256 der Klägerin einen Betrag von 71.322,88 EUR einzubehalten. Unstreitig stand der Klägerin der mit der Sammelrechnung im Februar 2005 geltend gemachte Betrag aufgrund der von ihr erbrachten Leistungen zu. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005. Da es in Sachsen-Anhalt im betroffenen Zeitraum keine vertraglichen Regelungen i. S. von § 112 Abs. 2 SGB V gab, ist auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung zurückzugreifen (vgl. BSG Urt. v. 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R – BSGE 92, 300 RdNr. 9 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).

Die Beklagte war nicht berechtigt, einen Betrag in Höhe von 71.322,88 EUR für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Abzug zu bringen. Nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) hat jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu 1 v. H. von der nach § 85 Abs. 2 an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind.

Bei dem am 23. Februar 2005 von der Sammelrechnung I261500256 einbehaltenen Betrag in Höhe von 71.322,88 EUR handelt es sich nicht um einen Einbehalt zur Förderung der integrierten Versorgung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in Höhe von 1 % des Betrages der genannten Sammelrechnung. Vielmehr hat die Beklagte mit ihren Schreiben vom 7. April 2004 und vom 11. Februar 2005 deutlich gemacht, dass es sich bei dem einbehaltenen Gesamtbetrag um 1 % der Rechnungsbeträge für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 handelt. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Bei der Kürzung im Februar 2005 handelt es sich um eine Aufrechnung, denn die Beklagte hat eine ihr vermeintlich zustehende (teilweise) Rückforderung für bezahlte Rechnungen für Krankenhausfälle vom 1. Januar bis 30. April 2004 gegen die Forderung der Klägerin aus der Sammelrechnung für andere Behandlungsfälle aufgerechnet. Dazu war sie indes nicht berechtigt. Die Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung stand ihr weder nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V (hierzu 1.) noch nach §§ 812 ff. BGB oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften (hierzu 2.) zu.

1. Ein Anspruch auf Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge ergibt sich nicht aus § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V. a) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist ein Einbehalt nur gerechtfertigt, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V “geschlossenen Verträgen” erforderlich sind. Nach dem Wortlaut reichen somit geplante Verträge, angebahnte oder anderweitige vorbereitete und vorgesehene Verträge für einen Einbehalt nicht aus, auch wenn sich der Vertragsabschluss schon weitgehend konkretisiert hat (BSG, Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 27/07 R, RdNr. 12; B 6 KA 5/07 R, RdNr. 15, zitiert nach juris; Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630; Dahm, MedR 2005, 121, 122; Baumann in Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar, 2008, SGB V, § 140d RdNr. 20 f., 36 ff.; Hess in Kasseler Kommentar, § 140d SGB V Rd.-Nr. 4; a. A. Beule, GesR 2004, 209, 213; LSG Brandenburg, Beschl. v. 01.11.2004 – L 5 B 105/04 KA ER – MedR 2005, 62; vgl. jetzt aber LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.09.2009 – L 9 KR 470/08, wonach der Einbehalt nur aufgrund eines Vertrages der integrierten Versorgung erfolgen darf).

Die bis zum 30. April 2004 tatsächlich abgeschlossenen Verträge rechtfertigten auch nach dem Vorbringen der Beklagten noch keinen Einbehalt von 1 %. Vielmehr lag am 1. Januar 2004 erst ein abgeschlossener Vertrag vor, zu dessen Umsetzung nach Einschätzung der Beklagten ein Einbehalt von 0,14 % erforderlich gewesen wäre. Mit Vertragsbeginn vom 1. Februar 2004 kam ein weiterer Vertrag hinzu, für den ein Prozentsatz in Höhe von 0,07 gemeldet war und ab 1. April 2004 nochmals zwei weitere Verträge mit gemeldeten Abzugsquoten von 0,19 % und 0,11 %. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift durfte die Beklagte – unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen – daher von den Rechnungen der Klägerin im Januar 2004 allenfalls 0,14 %, ab Februar 2004 0,21 % und ab April 2004 0,51 % einbehalten, und dies auch nur, wenn sie bei der Berechnung der Abzugsquoten jeweils den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum eingehalten hat und es sich bei den Verträgen, auf die sie sich stützt, um solche der integrierten Versorgung handelt.

b) Des Weiteren wird nach dem Wortlaut des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V das “Einbehalten” von Mitteln bis zu 1 % von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung geregelt. Nachdem die Beklagte die Rechnungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2004 bereits vollständig beglichen hatte, konnte sie davon keine Mittel mehr einbehalten. Sind aber entgegen der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V keine entsprechenden Mittel “einbehalten” worden, gibt das Gesetz keine Rechtsgrundlage für eine nachträgliche Kürzung, Aufrechung, Rückforderung o. ä. Verfahrensweise. Der Gesetzgeber wollte durch die gewählte Formulierung “( ) Mittel bis zu 1 vom Hundert ( ) von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten;” den Krankenkassen keinen selbständigen (Gegen)Anspruch einräumen, der sich nur rechnerisch nach der Höhe der Krankenhausrechnung richtet, ansonsten aber als eigener Anspruch selbständig und unabhängig von der Krankenhausrechnung durchgesetzt werden könnte. Ausgehend von Wortstamm und Wortbedeutung des Begriffs “einbehalten” ist eine deutliche Verwandtschaft und Nähe zu dem im Rechtsverkehr gebräuchlichen Begriff “zurückbehalten” erkennbar. Der Schuldner kann jedoch nur behalten, was er noch hat (zum Zurückbehaltungsrecht vgl. Bittner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 273 RdNr. 126). Dies gilt für das Einbehalten ebenso wie für das Zurückbehalten. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist daher ausgeschlossen, wenn der Schuldner seine Leistung bereits bewirkt hat – unabhängig davon, ob dies zur Abwendung der Zwangsvollstreckung oder in Unkenntnis der Einredemöglichkeit geschah – oder wenn er den Besitz an der zurückzubehaltenden Sache zufällig und ohne seinen Willen an den Gläubiger verloren hat. Der Schuldner kann das in Unkenntnis der Einredemöglichkeit Geleistete auch nicht nach §§ 812, 813 Abs. 1 BGB zurückfordern (vgl. hierzu Bittner in Staudinger a.a.O.).

Es erscheint sachgerecht, den Begriff des Einbehaltens in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V ebenfalls in diesem Sinne auszulegen. Hierfür spricht nicht nur die Wortverwandtschaft, sondern auch die gesetzliche Systematik. Während die Aufrechnung schuldtilgend wirkt, gibt das Zurückbehaltungsrecht dem Schuldner keine dauernde, sondern nur eine zeitlich begrenzte Einrede, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (vgl. § 273 BGB). Aus der Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V wird ebenfalls deutlich, dass der zur Anschubfinanzierung einbehaltene Betrag den Krankenkassen mit dem Einbehalt noch nicht endgültig zusteht, denn er ist nach dieser Vorschrift wieder auszuzahlen, soweit er innerhalb von drei Jahren nicht für die Zwecke nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V verwendet worden ist. Hieran hat sich grundsätzlich auch durch die zum 1. Januar 2007 wirksam gewordene Änderung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V nichts geändert, nach der die Auszahlungsverpflichtung von einbehaltenen, aber nicht verwendeten Mitteln rückwirkend auf die in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen Mittel beschränkt wurde. Eine endgültige Abrechnung findet erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums statt. Erst dann steht fest, inwieweit der Krankenkasse die einbehaltenen Mittel tatsächlich und endgültig zustehen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Begriff des “Einbehaltens” bewusst in Anlehnung an den Begriff des “Zurückbehaltens” gewählt hat.

c) Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift ist weder zugunsten eines bereits für geplante Verträge zulässigen Einbehalts noch hinsichtlich eines Rückzahlungsanspruchs im Falle unterbliebener Einbehalte gerechtfertigt.

aa) Die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V erlaubt bzw. verlangt eine Kürzung der Krankenhausrechnungen. Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser ist gesetzlich normiert (vgl. §§ 109 Abs. 4 Satz 3, 112 SGB V) und durch vertragliche Vereinbarungen im Einzelnen ausgestaltet. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus den Rechnungen für die Krankenhausfälle mit Aufnahmedatum vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2004 ist unstreitig und basiert – ebenso wie der oben genannte Vergütungsanspruch aus der Sammelrechnung – auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegsatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004. Die Klägerin hat Leistungen erbracht, für die sie die vereinbarte Vergütung erwarten kann. Ein Eingriff in diesen gesetzlich garantierten Anspruch bedarf grundsätzlich einer eindeutigen Rechtsgrundlage.

bb) Eine den Gesetzeswortlaut überschreitende Auslegung ist auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und der Begründung des Gesetzgebers nicht geboten. Der Gesetzgeber hat die Vergütung von Leistungen der stationären Regelversorgung durch die Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V aus dem Anwendungsbereich der integrierten Versorgung ausgeklammert. Krankenhäuser können daher zwar an einer integrierten Versorgung teilnehmen, ihre Leistungen werden aber nach § 140d Abs. 4 SGB V im Rahmen der Verträge zur integrierten Versorgung nur finanziert, wenn sie über die im Gesamtbetrag nach den §§ 3 und 4 des Krankenhausentgeltgesetzes oder dem § 6 der Bundespflegsatzverordnung enthaltenen Leistungen hinaus vereinbart werden (vgl. Baumbach in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140d RdNr. 63 ff). Die Krankenhäuser können daher allenfalls in einem geringen Umfang von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren, werden aber im gleichen Maße wie die Kassenärztliche Vereinigung zur Anschubfinanzierung herangezogen.

Ferner dient die Anschubfinanzierung nach § 140d SBG V auch der Vermeidung einer Doppelvergütung (vgl. hierzu Quaas, Das Krankenhaus 2005, 967, 972). Vorrangiges gesetzgeberisches Ziel ist die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung, da der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnen wollte, durch Berücksichtigung und Anerkennung des erheblichen Entwicklungs- und Förderungsbedarfs leistungsorientierter integrierter Versorgungs- und Vergütungssysteme zur Überwindung von faktischen Hemmnissen und Defiziten auch finanzielle Mittel einzusetzen. Daher wurde für die Startphase der integrierten Versorgung sogar der Grundsatz der Beitragsstabilität ausgesetzt (vgl. Gesetzesbegründung GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks. 15/1525, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB V, Bd. 5 Materialien, M 15, S. 125, 126). Im Bereich der ambulanten Versorgung kommt es aber aufgrund der vorgegebenen Vergütungsstrukturen zunächst zu einer Doppelvergütung durch die Krankenkasse, die durch die Anschubfinanzierung zum Teil aufgefangen wird. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vergütet die Krankenkasse nicht einzelne vertragsärztliche Leistungen, sondern entrichtet nach § 85 Abs. 1 SGB V mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung, die diese nach § 85 Abs. 4 SGB V an die Vertragsärzte verteilt. Solange die Krankenkasse die Gesamtvergütung in voller Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichten hat, wird sie durch die Vergütung, die sie aus den Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c SGB V zu leisten hat, in voller Höhe zusätzlich und – abgesehen von Leistungen, die in der Regelversorgung nicht enthalten sind – auch doppelt belastet. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 140d Abs. 2 SGB V die Bereinigung der Gesamtvergütungen entsprechend der Zahl der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten sowie dem im Vertrag nach § 140a SGB V vereinbarten Versorgungsauftrag geregelt, wenn die zur Förderung der integrierten Versorgung einbehaltenen Mittel zur Umsetzung der Verträge nicht ausreichen. Es ist davon auszugehen, dass ambulante ärztliche Leistungen in dem Umfang, in dem sie aufgrund von Verträgen zur integrierten Versorgung erbracht und auch vergütet werden, im Rahmen der Regelversorgung nicht mehr zu erbringen und daher auch von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr zu vergüten sind. Die Krankenkasse erbringt dann – zumindest bis zu der erst nachträglich erfolgenden Bereinigung der Gesamtvergütung – in diesem Bereich eine doppelte Vergütung. Durch den schon mit dem Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung vorzunehmenden Einbehalt von bis zu 1 % der an die Kassenärztliche Vereinigung zur entrichtenden Gesamtvergütung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V wird ein Teil des Ausgleichs für diese doppelte Vergütung auf der Grundlage einer sachgerechten Schätzung in die Zeit vorverlegt, zu der die doppelte Belastung anfällt.

Im Bereich der Vergütung stationärer Behandlungen liegen die Verhältnisse demgegenüber gänzlich anders. Vergütungen an Krankenhäuser werden im Rahmen der Regelversorgung nicht über Gesamtvergütungen erbracht, sondern einzeln abgerechnet. Da stationäre Leistungen entweder nur in der bisherigen Regelversorgung oder aber aufgrund einer integrierten Versorgungsform vergütet werden, kann es durch den Abschluss von Verträgen zur integrierten Versorgung nicht zu Doppelvergütungen kommen. Nach § 140d Abs. 4 SGB V werden mit der im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V mit den Krankenhäusern zu vereinbarenden Vergütung außerdem nur über die Regelversorgung hinausgehende Leistungen finanziert. Auch dies verhindert eine doppelte Vergütung derselben Leistung. Eine nachträgliche Kürzung der Krankenhausrechnungen ist daher nicht notwendig und deshalb auch nicht im Gesetz geregelt. Eine Rechnungskürzung zugunsten der Anschubfinanzierung um bis zu 1 % bedeutet für die Krankenhäuser einen Eingriff in den durch die entsprechende Leistungserbringung erworbenen Vergütungsanspruch, dem keine Kompensation in Form anderweitiger Vergütungsansprüche gegenüber steht. Dennoch hielt der Gesetzgeber es für gerechtfertigt, die Krankenhäuser an der Anschubfinanzierung zu beteiligen. Dies mag im Hinblick darauf, dass sich durch die Möglichkeiten der integrierten Versorgung auch das Leistungsspektrum für die Krankenhäuser erweitert, auch gerechtfertigt sein, selbst wenn die Krankenhäuser aufgrund der Regelung des § 140d Abs. 4 SGB V nicht in dem Maße wie die Vertragsärzte von der Vergütung aus der integrierten Versorgung profitieren können. Aus diesen Gründen darf die Belastung der Krankenhäuser durch die Anschubfinanzierung nur in dem gesetzlich eindeutig geregelten Umfang erfolgen.

cc) Dieser Lösung steht die Regelung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz [GMG]) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) nicht entgegen (so aber Beule, GesR 2004, 209, 213). Danach sind Mittel, die nicht innerhalb von drei Jahren zur Umsetzung von Verträgen zur integrierten Versorgung verwendet worden sind, an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die sich aus dieser Regelung ergebende Auszahlungsverpflichtung von einbehaltenen, aber nicht verwendeten Mitteln seit einer zum 1. Januar 2007 wirksam gewordenen Gesetzesänderung nunmehr auf die in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen Mittel beschränkt ist. Für die hier umstrittenen Beträge aus Rechnungen des Jahres 2004, die im Jahre 2005 durch Aufrechnung geltend gemacht wurden, musste daher keine abschließende Abrechnung nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen, und die Beklagte wäre auch dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet gewesen, wenn die einbehaltenen Mittel nicht aufgebraucht worden wären.

Aber auch dem Argument der Beklagten, die Rückzahlungsverpflichtung nach § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V ergebe nur dann einen Sinn, wenn die Krankenkassen durch den Einbehalt auch für bereits geplante Verträge Finanzreserven bzw. Überschüsse aufbauen könnten, die eine Rückzahlung ggf. erst ermöglichen, ist nicht zu folgen (so auch Beule, GesR 2004, 209, 213). Aufgrund der Ungewissheit der Zahl sich einschreibender Versicherter kann auch bei bereits abgeschlossenen Verträgen der einzubehaltende Anteil nicht exakt berechnet, sondern nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Wird die Zahl der teilnehmenden Versicherten überschätzt, kann es dazu kommen, dass die einbehaltenen Mittel nicht vollständig zur Umsetzung der geschlossenen Verträge verwendet werden (vgl. Baumann in Schlegel/Voelzke, a.a.O. § 140d Rd.-Nr. 23).

Auch wenn die Formulierung in der Gesetzesbegründung “Mit der Verpflichtung, nicht aufgebrauchte Mittel wieder auszubezahlen, wird der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen verstärkt. Zudem wird damit ausgeschlossen, dass die Krankenkasse die Mittel ohne “Gegenleistung” einbehalten kann.” (vgl. Gesetzesbegründung GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks. 15/1525, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB V, Bd. 5 Materialien, M 15, S. 127), für die Auffassung der Beklagten spricht, so hat dies jedoch keinen Eingang in die Gesetzesfassung gefunden. Schließlich wird der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen auch tatsächlich nicht durch die Rückzahlungsverpflichtung verstärkt, sondern in erster Linie durch die Möglichkeit des Einbehaltes, die an die Erforderlichkeit der Mittel zur Umsetzung der abgeschlossenen Verträge geknüpft ist.

2. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückforderung von 1 % der bereits gezahlten Rechnungsbeträge ergibt sich auch nicht aus §§ 812 ff. BGB oder einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften.

Die oben dargelegte Bedeutung des Begriffs “einbehalten” schließt einen Rückforderungsanspruch wegen versehentlich oder – wie hier – aufgrund von technischen Problemen unterbliebener Einbehalte aus, so dass sich bereits deshalb die Anwendung der §§ 812 ff. BGB und erst recht eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften verbietet.

Aber auch bei der gegenteiligen Auslegung des Begriffs “einbehalten” hätte die Beklagte keinen Anspruch auf Rückforderung von 1% der gezahlten Rechnungsbeträge. Denn die vollständige Vergütung der Rechnungen des Krankenhauses erfolgt auf der Grundlage der gesetzlichen und vertraglichen Vergütungsregelungen und daher nicht “ohne Rechtsgrund”, solange ein Einbehalt nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausgeübt wird. Unabhängig davon, ob der Einbehalt – wie nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Dahm, MedR 2005, S. 121, 122 sowie Baumann in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140d Rd.-Ziff. 61) – durch Verwaltungsakt auszuüben ist oder ob wegen des Gleichordnungsverhältnisses der Parteien eine Regelung durch Verwaltungsakt ausgeschlossen ist (so st. Rspr. d. BSG, vgl. nur Urt. v. 21.08.1996 – 3 RK 2/96; Urt. v. 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R; sowie Urteile v. 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R; B 1 KN 2/08 KR R; B 1 KN 3/08 KR R, jeweils zitiert nach juris), setzt das Einbehalten jedenfalls eine entsprechende Erklärung bzw. einen Zahlungsvorbehalt der Krankenkasse voraus. Bei einer Regelung durch Verwaltungsakt wäre das Krankenhaus sogar vor dem Einbehalt noch nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) anzuhören. Da § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V die Krankenkasse innerhalb bestimmter Grenzen (bis zu 1%) und unter bestimmten Voraussetzungen (soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind) zu einer einseitigen Leistungsbestimmung ermächtigt, setzt ein solches nach billigem Ermessen auszuübendes Leistungsbestimmungsrecht analog § 315 Abs. 2 BGB die Abgabe einer entsprechenden empfangsbedürftigen Erklärung gegenüber dem anderen Teil voraus, die den Leistungsinhalt konkretisiert.

Frühestens das Schreiben der Beklagten vom 7. April 2004 kann als Verwaltungsakt zur Ausübung des Einbehaltes oder als entsprechende Erklärung zur Konkretisierung des Leistungsbestimmungsrechts oder als Zahlungsvorbehalt qualifiziert werden. Zu einem früheren Zeitpunkt ist keine – auch keine konkludente – Entscheidung der Beklagten zu dem Einbehalt erkennbar.

Der Einbehalt steht der Beklagten aber auch nicht ab dem Zugang dieses Schreibens zu, da sie bei dem ihr im Rahmen des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Ermessen bei der Festlegung der Höhe des Einbehaltes (bis zu 1 %) von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Bei der für die Frage, inwieweit Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind, von der Krankenkasse anzustellenden Prognose (z.B. bzgl. der Anzahl der teilnehmenden Versicherten) hat sie sich nicht nur auf die bereits geschlossenen Verträge gestützt, sondern rechtswidrig alle Vertragsplanungen für das Jahr 2004 in die Beurteilung einbezogen. Hierbei handelt es sich um einen Fall des Ermessensfehlgebrauchs mit der Folge, dass die auf einem unrichtigen Sachverhalt beruhende Prognoseentscheidung rechtswidrig ist. Die Prognoseentscheidung ist aber allein Sache der Krankenkasse und kann nicht von den Gerichten ersetzt oder nachträglich durch Einfügen eines richtigen Sachverhaltes auf das noch zulässige Maß reduziert werden. Dem entsprechend ist auch zivilrechtlich eine einseitige Leistungsbestimmung unwirksam, wenn der zur Leistungsbestimmung Berechtigte von dem vertraglich festgelegten Vorgehen grundsätzlich abweicht (BGH NJW RR 90, 28; vgl. auch Palandt, BGB, 65. Auflage, 2006 § 315 RdNr. 11), sodass auch zivilrechtlich eine Reduzierung auf die gesetzlich gerade noch gerechtfertigte Abzugsquote ausscheidet. Aus diesen Gründen hat die Beklagte auch keinen rechtmäßigen Vorbehalt erklärt, sodass eine Rückforderung der bereits vollständig gezahlten Rechnungsbeträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.

3. Ein Zinsanspruch der Klägerin setzt nach § 8 der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005 eine Mahnung voraus. Die Klägerin hat die vollständige Zahlung der Sammelrechnung I 261500256 aus Februar 2005 nicht angemahnt. Ihr steht jedoch ein Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB zu. Das BSG hat in seiner jüngeren Rechtsprechung für die nach §§ 108, 109 SGB V zugelassenen Leistungserbringer einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen aufgrund der durch § 61 Satz 2 SGB X ermöglichten analogen Anwendung von § 291 BGB vom Grundsatz her bejaht (vgl. BSG, Urt. v. 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R – SozR 4-7610 § 291 Nr. 3; anders noch BSG, Urt. v. 11. März 1987 – 8 RK 43/85 – SozR 1300 § 61 Nr. 1). Dem schließt sich der Senat an. Wie das BSG zutreffend ausgeführt hat, sind die Leistungserbringer im Sinne des § 69 SGB V auf die zügige Begleichung ihrer Rechnungen angewiesen. Die zuvor von der Rechtsprechung für einen Ausschluss des Zinszahlungsanspruchs angeführten Gründe, wie der Ausschluss der Erstattung außergerichtlicher Kosten an den Leistungsträger selbst im Falle eines Obsiegens, sind spätestens mit der Neufassung des Kostenrechts im sozialgerichtlichen Verfahren zum 2. Januar 2002 durch das 6. SGGÄndG vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144) überholt.

Die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit ist nach § 94 SGG mit der Klageerhebung am 21. April 2005 eingetreten. § 253 Abs. 1 und § 261 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach die Rechtshängigkeit einer zivilrechtlichen Klage erst mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten eintritt, sind nicht einschlägig (BSG, Urt. v. 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R – SozR 4-7610 § 291 Nr. 3). Da die Klägerin einen an der Pflegesatzvereinbarung orientierten Zinssatz von 4 % geltend gemacht hat, war nicht zu entscheiden, ob ihr auf der Grundlage von § 291 i. V. m. § 288 BGB ein höherer Zinsanspruch zugestanden hätte.

Darauf, ob die mit Klageeinreichung eingetretene Rechtshängigkeit auch für Verpflichtungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Verträge auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts in analoger Anwendung von § 286 Abs. 1 S. 2 BGB einer Mahnung gleichsteht und damit zugleich ab dem 21. April 2005 ein Zinsanspruch auf der Grundlage der Pflegesatzvereinbarung begründet ist (insoweit nicht ganz eindeutig: BSG, Urt. v. 23. März 2006, a. a. O. (Abs. 20)), kommt es aus den vorgenannten Gründen nicht mehr an.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die geringfügige Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Verlegung des Zinsbeginns vom 24. Februar auf den 21. April 2005 war bei der Kostenfolge nicht zu berücksichtigen.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die in mehreren Streitfällen noch anhängige Rechtsfrage, wie der Begriff des “Einbehaltens” in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V auszulegen ist und ob der Einbehalt nachträglich geltend gemacht werden kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).