Sozialgericht Dortmund S 8 (16) KR 13/03

Sozialgericht Dortmund

Urteil vom 26.01.2004 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Dortmund S 8 (16) KR 13/03
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
  • Bundessozialgericht B 1 KR 5/04 R

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Uterus-Ballon-Therapie.

Bei der Klägerin wurde am 03.04.1996 eine Herztransplantation durchgeführt. Sie leidet zudem an einer therapieresistenten Hypermenorrhoe.

Wegen dieser Erkrankung beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Frauenarztes Dr. L. die Übernahme der Kosten für eine Uterus-Ballon-Therapie. Begründet wurde der Antrag damit, dass die thermische Denaturierung der Gebärmutterschleimhaut im Vergleich mit einer Abrasio weniger risikobehaftet sei.

Die Beklagte beantragte den Medizinischen Dienst mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser kam nach Auswertung von beigezogenen Laborbefunden und kardiologischen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass eine Abrasio oder eine medikamentöse Behandlung der Gebärmutterschleimhaut auch bei der eingeschränkten Immunlage der Klägerin durchführbar sei.

Mit Bescheid vom 22.11.2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, weil die Behandlung der Erkrankung mit vertraglich vereinbarten Mitteln zumutbar sei. Die Uterus-Ballon-Therapie hingegen sei eine neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode, die nur zu Lasten der Kassen erbracht werden könnte, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine positive Empfehlung abgegeben hätte. Der Bundesausschuss habe die Uterus-Ballon-Therapie nicht anerkannt und sie in den Katalog der Anlage B aufgenommen. Damit stehe fest, dass die Kassen diese Therapie den Versicherten nicht zur Verfügung stellen dürfen.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Sie fügte eine ärztliche Bescheinigung des Herz und Diabeteszentrums Nordrhein-Westfalens bei. In dieser führte Professor L aus, wegen der Immunschwäche nach Herztransplantation läge bei der Klägerin eine vermehrte Infektionsanfälligkeit vor. Deshalb sei die Abtragung der Gebärmutterschleimhaut mittels der Ballon-Therapie einer üblichen Abrasio vorzuziehen, weil bei letzterer das Infektionsrisiko höher sei.

Die Beklagte wies nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Medizinischen Dienstes den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 zurück. Sie wiederholte in der Begründung die Argumente aus dem Bescheid und verwies zusätzlich auf Urteile des Bundessozialgerichtes, in denen die Richtlinien des Bundesausschusses als verbindlich für Kassen und Versicherte erklärt worden sind.

Gegen den Widerspruchsbescheid, der am 03.02.2003 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 14.02.2003 Klage erhoben.

Sie trägt vor: Es stünde fest, dass herkömmliche Methoden zur Abtragung der Gebärmutterschleimhaut bei einem Zustand nach Herztransplantation zu riskant seien. Bei einer Infektion müssten die Erreger sofort mit Antibiotika bekämpft werden. Das Immunsystem werde dadurch wieder aufgebaut und es bestünde die Gefahr, dass das Spenderherz abgestoßen werde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2003 aufzuheben und ihr die Uterus- Ballon-Therapie zu gewähren, bzw. die Kosten dafür zu erstatten und die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt die Argumente aus den angefochtenen Bescheiden.

Das Gericht hat eine Auskunft von Bundesausschuss – Arbeitsausschuss “Ärztliche Behandlung” eingeholt, mit der Bitte um Erläuterung, warum die Uterus-Ballon-Therapie nicht in die vertragsärztliche Behandlung übernommen worden sei. Hinsichtlich des Inhaltes der Auskunft wird auf Blatt 15, 16 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2003 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne vom § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung der Uterus-Ballon-Therapie bzw. eine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme dieser Behandlung abgelehnt.

Nach § 27 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) haben die Versicherten einen Sachleistungsanspruch auf ärztliche Behandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V kann sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch umwandeln. Allerdings dürfen gemäß § 135 Abs. 1, § 92 Abs. 1 SGB V nur solche Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen durchgeführt werden, bei denen der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine positive Empfehlung abgegeben hat. Der Bundesausschuss ist ein sachverständiges Gremium, das vor allem neue Behandlungsmethoden auf ihren medizinischen Nutzen und auch auf Wirtschaftlichkeit überprüft. Er kann Richtlinien erlassen, diese sind für die Vertragsärzte und Krankenkassen verbindlich. Sie dürfen von ihnen nicht abweichen. Des Weiteren haben sie auch Auswirkungen für die Versicherten. Sie konkretisieren den Umfang des Sachleistungsanspruches, den diese gegen die Krankenkassen haben. Wenn der Bundesausschuss eine Behandlungsmethode ablehnt, haben die Versicherten auf diese keinen Sachleistungsanspruch und sie können auch keinen Kostenerstattungsanspruch geltend machen. Die Ablehnung durch den Bundesausschuss bindet auch die Gerichte, sie können die Ablehnung nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen und sie nicht aufheben (BSG Urteil vom 19.02.2003, Az: B 1 KR 18/01 R).

Die einzige Ausnahme von dieser strikten Bindung bildet der Fall des sogenannten Systemversagens. Er liegt vor, wenn die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode nicht erfolgt ist, weil der Bundesausschuss das Überprüfungsverfahren aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht oder nicht zeitnah durchgeführt hat. Diese Ausnahmesituation ist im Fall der Klägerin nicht gegeben. Der zuständige Arbeitsausschuss hat sich mit dem Nutzen der Uterus-Ballon-Therapie auseinandergesetzt und sie mit Beschluss vom 24.04.1998 der Anlage B der BuB-Richtlinien zugewiesen. In dieser Anlage sind alle Methoden aufgeführt, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Auf Anfrage des Gerichts hat der Arbeitsausschuss erklärt, die Zuweisung sei nach einer intensiven Auswertung der wissenschaftlichen Literatur erfolgt und hat zur näheren Information über die Grundlagen seiner Entscheidung auf die Internet-Seite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verwiesen. Die Beteiligten haben davon Kenntnis erhalten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass wegen ihres Zustandes nach Herzimplantation die besondere Gefahrenlage, in der sie lebe, berücksichtigt werden müsse. Der Schutz ihres Lebens vor Infektionen durch die herkömmlichen Behandlungsmethoden sei ein höherwertiges Rechtsgut als die Kontrolle über Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung. Zu einer solchen Abwägung besteht nach Auffassung des Gerichts kein Anlass. In dem Gutachten des Medizinischen Dienstes vom 18.11.2002 ist nach Auswertung von aktuellen Laborbefunden dargelegt worden, dass die Hypermenorrhoe der Klägerin trotz der eingeschränkten Immunkompetenz mit den herkömmlichen Methoden behandelt werden kann. Die ärztliche Bescheinigung des Herz- und Diabeteszentrums Bad Oeynhausen, in der um Kostenübernahme der Uterus-Ballon-Methode gebeten wird, beruht nicht auf einer Auswertung von Befunden. Sie schildert allgemein die Gefahren, die durch Infektionen bei herzimplantierten Patienten auftreten können. Sie überzeugt daher nicht in dem Maße wie das Gutachten des Medizinischen Dienstes.

Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage konnte dem Begehren der Klägerin nicht stattgegeben werden. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gegen dieses Urteil wird die Revision unter Umgehung der Berufungsinstanz zugelassen (§ 161 Abs. 1 SGG). Die Streitsache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sich die Klägerin auf einen übergesetzlichen Notstand beruft und hierüber in der bisherigen Rechtsprechung über die Konkretisierung des Anspruchs auf Krankenversicherungsleistungen durch die Richtlinien des Bundesausschusses keine Entscheidung ergangen ist. Die schriftliche Einverständniserklärung der Beklagten zur Sprungrevision liegt vor.