Sozialgericht Düsseldorf S 9 KR 1240/11

Sozialgericht Düsseldorf

Urteil vom 10.11.2014 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Düsseldorf S 9 KR 1240/11
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 11/15

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 12.578,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.12.2011zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 12.578,92 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 12.578,92 Euro.

Der bei der Klägerin Versicherte B T1, wurde der in der Zeit vom 24.05.2007 bis 27.07.2007 stationär in dem von der Beklagten betriebenen, für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen (§ 108 SGB V) Krankenhaus in T2 behandelt. Die Behandlung erfolgte wegen Krankheiten und Störung des Nervensystems auf der Intensivstation. Die im Jahr 2007 von der Beklagten gestellte Rechnung wurde seitens der Beklagten zunächst erstattet. Die Beklagte codierte als Prozedur u.a. den OPS-Kode 8-980* (intensivmedizinische Komplexbehandlung).

Im Zusammenhang mit einem anderen Abrechnungsfall begutachtete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) das Haus der Beklagten in T2 am 14.01.2010. In seiner Stellungnahme vom 06.04.2010 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die strukturellen Merkmale des OPS 8-980 Kode formal nicht erfüllt seien. Nicht in allen Fällen sei eine kontinuierliche ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation gewährleistet. Die Intensivstation sei bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes, bzw. bis zur Rückkehr des auf der Intensivstation diensthabenden Anästhesisten, der seine Patienten kenne, dann nicht ärztlich besetzt, wenn eine Reanimation auf einer anderen Station durchgeführt werden müsse, wenn ein dringendes Prämedikationsgespräch im Kreissaal oder in der Ambulanz erforderlich sei, wenn eine Notsektion im OP anstehe oder wenn ein Notfallpatient im Schockraum dringend versorgt werden müsse. Ferner erscheine es fraglich, ob dem Hintergrunddienst allein über telefonische Information der jeweils aktuelle Kenntnisstand aller auf der Intensivstation behandelnden Patienten, insbesondere der Neuaufnahmen nach der Übergabevisite, die er noch nicht gesehen habe, vermittelt werden könne, und dass er damit bei einem Einsatz in Rufbereitschaft die aktuellen Probleme aller Patienten der Intensivstation kennen könne.

Mit Schreiben vom 03.05.2010 teilt die Klägerin der Beklagten das Ergebnis der MDK-Begutachtung mit und bat um Rechnungskorrektur bereits abgerechneter Fälle. Diese Rechnungskorrektur lehnte die Beklagte ab.

Die Klägerin hat am 27.12.2011 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, aufgrund der Einschätzung des MDK hinsichtlich der strukturellen Voraussetzungen sei es nicht möglich, der Beklagten eine Vergütung für den OPS-Kode 8-980 zu gewähren. Die ständige Anwesenheit eines Arztes, die der Kode voraussetze, meine nicht, dass der auf der Intensivstation tätige Anästhesist neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle des Krankenhauses planmäßig weitere Aufgaben erfüllen müsse. So sei die Voraussetzung für die Kodierung nicht erfüllt, wenn der anwesende Arzt gleichzeitig Aufgaben auf anderen Hauptstationen wahrnahmen müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 12.578,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass seitens der Klägerin bereits kein schlüssiger Vortrag vorliege. So ziehe die Klägerin unzulässige Schlussfolgerungen aus der Begehung des Hauses der Beklagten im Jahr 2010. Sie könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass diese Umstände bereits auch im Jahr 2007 vorgelegen hätten. Zudem verstoße die Klägerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, hier insbesondere das Beschleunigungsgebot. So liege der hier abgerechnete Fall im Jahr 2007, und eine Erstattung werde seitens der Klägerin erst im Jahr 2010 geltend gemacht. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu nachträglichen Korrekturen von Krankenhausabrechnungen seitens der Krankenhäuser seien die Korrekturmöglichkeiten wegen des Grundsatzes der Waffengleichheit bis zum Ende des ablaufenden Kalenderjahres, das auf die Abrechnung folge, begrenzt. Zudem sei die Klägerin mit ihren Einwendungen bereits deshalb ausgeschlossen, da sie die Frist gemäß § 275 Abs. 1c SGB V hinsichtlich der medizinischen Prüfbarkeit von Rechnungen der Krankenhäuser nicht eingehalten habe. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte selbstverständlich die Voraussetzung für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung erfülle, hier insbesondere eine ständige Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation gewährleistet sei. Dies ergebe sich bereits aus den Auslegungsgrundsätzen des DIMDI zu dem streitigen OPS-Kode. Vorliegend sei der auf der Intensivstation tätige Anästhesist nur in Notfällen in anderen Bereichen des Krankenhauses eingesetzt. Er sei nicht planmäßig für andere Aufgaben im Krankenhaus vorgesehen. Er sei bis zum Eintreffen des Hintergunddienstes höchstens 15-20 Minuten nicht auf der Intensivstation anwesend.

Das Gericht hat am 14.11.2013 einen Erörterungstermin und am 07.07.2014 einen Verhandlungstermin durchgeführt. Zu den Einzelheiten wird auf die jeweilige Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 12.578,92 Euro.

Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch, den die Klägerin zulässig im Wege der Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 2/13 R m.w.N.), ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. z.B. BSGE 109, 236). Es ist der Klägerin – ungeachtet der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit höherrangigem Recht – landesvertraglich nicht verwährt, diesen geltend zu machen (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 des für Nordrhein-Westfalen geltenden Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 in der Gestalt des Änderungsvertrages vom 19.08.1998 – Sicherstellungsvertrag -).

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 264 Nr. 3 Rn. 15). So liegt es hier. Die Klägerin zahlte der Beklagten 12.578,92 Euro ohne Rechtsgrund. Die im Rahmen der Schlussrechnung für den Behandlungsfall B T1 im Jahr 2007 abgerechnete Vergütung, war um diesen Betrag zu kürzen.

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und – wie hier – iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9).

Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2007 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Beklagten nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz – FPG) vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (idF durch Art 5 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412), der Anlage 1 Teil a) KFPV 2007 (vom 13.10.2003, BGBl I 1995) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (idF durch Art 3 Nr 3 FPG und Art 13 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

Vorliegend hätte die Beklagte im Rahmen der Abrechnung nicht den OPS-Kode 8-980 (intensivmedizinische Komplexbehandlung) abrechnen dürfen. Hierunter fällt nach dem Wortlaut des Kodes die Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige (( 24 Stunden) Intensivbehandlung sowie die kurzfristige (( 24 Stunden) Stabilisierung von Patienten nach operativen Eingriffen. Unter den “Hinweisen” des DIMDI finden sich die Mindestmerkmale zur Kodierung dieser Prozedur. Danach müssen unter anderem folgende Mindestmerkmale kumulativ vorliegen: “(1) Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen. (2) Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein”.

Das Merkmal “ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein” ist zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt. Dies ergibt sich bereits aus den von der Beklagten vorgelegten Auslegungsgrundsätzen des DIMDI zu dem streitigen OPS-Kode. Hiernach bedeutet ständige Anwesenheit eines Arztes, dass der Arzt ständig auf der Intensivstation anwesend sein müsse, d.h. er muss innerhalb kürzester Zeit (etwa 5 Minuten) direkt handlungsfähig am Patienten sein. So sei es zwar durchaus denkbar, dass er sich während des Dienstes auf der Station in einem Nebenraum kurz ausruhe, genauso, wie er in einem anderen Bereich der Intensivstation beschäftigt sein könne. Damit gemeint sei allerdings nicht, dass er neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle des Krankenhauses weitere Aufgaben erfüllen müsse. Dies ist aber zur Überzeugung der Kammer gerade der Fall. Denn der Arzt auf der Intensivstation ist, wenn eine Reanimation auf einer anderen Station durchgeführt werden muss, wenn ein dringendes Prämedikationsgespräch im Kreissaal oder in der Ambulanz erforderlich ist, wenn eine Notsektio ansteht oder wenn ein Notfallpatient im Schockraum dringend versorgt werden muss, nicht mehr auf der Intensivstation anwesend. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass – anders als im vom Bundessozialgericht am 08.07.2013, B 3 KR 25/12 R, entschiedenen Fall, bei dem der auf der Intensivstation anwesende Arzt gleichzeitig auch noch eine andere Station zu betreuen hatte – der bei der Beklagten tätige diensthabende Arzt neben seiner eigentlichen Aufgabe auf der Intensivstation ausschließlich zu notfallartigen Behandlungen im Krankenhaus beigezogen wird. Es ist jedoch nicht gewährleistet, dass – bei Eintreten eines solchen Notfalls – innerhalb der vom DIMDI vorgegebenen fünf Minuten eine ärztliche Überwachung der auf der Intensivstation befindlichen Patienten stattfindet. Die Beklagte führt insoweit selbst aus, dass der Hintergrunddienst 15-20 Minuten benötigt, um den von dem auf der Intensivstation diensthabenden Anästhesisten übernommenen Notfall zu übernehmen. Diese Zeitspanne hält das Gericht nicht mehr für ausreichend, um das Merkmal “ständige Anwesenheit eines Arztes” zu gewährleisten. Dabei kann es auch nicht entscheidend sein, dass die von dem Anästhesisten wahrzunehmenden Aufgaben in anderen Bereichen des Krankenhauses im Monat wohl eher selten vorkommen. Vielmehr setzt die Beklagte den auf der Intensivstation tätigen Anästhesisten planmäßig in anderen Bereich – hier Notfallbereich – ein.

Soweit die Beklagte ausführt, dass die Klägerin aus den Verhältnissen bei der Begehung im Jahre 2010 nicht auf die Verhältnisse im Jahr 2007 schließen können, trägt diese Begründung nicht. Zum einen hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst keine anderen Umstände vorgetragen, die andere Verhältnisse im Jahr 2007 rechtfertigen würden. Zum anderen wäre insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sich die Verhältnisse im Jahr 2007 zu denen im Jahr 2010 verändert haben. Das Gericht geht insoweit von einer Beweislastumkehr aus, da die Klägerin aufgrund der Begehung im Jahr 2010 substantiierte Tatsachen vorgetragen hat, die nicht durch einfaches Bestreiten seitens der Beklagten. Allein die Beklagte ist in der Lage, die Verhältnisse in ihrem Krankenhaus im Jahr 2007 darzustellen.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin eine Einzelfallprüfung der Abrechnung durch den MDK innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V hätte einleiten müssen. Die Klägerin ist deshalb mit ihren Einwendungen gegen die erfolgte Abrechnung des Behandlungsfalls nicht ausgeschlossen. Denn wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R, Rn. 21, festgestellt hat, ist die Frage, ob in einem Krankenhaus die ständige ärztliche Anwesenheit im oben dargestellten Sinne gewährleistet ist, als strukturelle Abrechnungsvoraussetzung des Kodes 8-980 unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhaues zu beurteilen. Es geht also nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalls, zu deren Klärung der MDK einzuschalten ist.

Der Anspruch der Klägerin ist schließlich nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl BSG Urteil vom 12.11.2013 – B 1 KR 56/12 R – Juris RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 264 Nr 4 vorgesehen; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN), etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse erfolgt (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor.

Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden “besonderen Umstände” liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr; vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37; BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 31; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 36; BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 17; BSG SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 13; BSG Urteil vom 30.7.1997 – 5 RJ 64/95 – Juris RdNr 27; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f; BSG Urteil vom 1.4.1993 – 1 RK 16/92 – FEVS 44, 478, 483 = Juris RdNr 23; BSG SozR 2200 § 520 Nr 3 S 7; BSG Urteil vom 29.7.1982 – 10 RAr 11/81 – Juris RdNr 15; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSG Urteil vom 25.1.1972 – 9 RV 238/71 – Juris RdNr 17; vgl auch Hauck, Vertrauensschutz in der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, in Brand/Lembke (Hrsg), Der CGZP-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, 2012, S 147 ff, 167 f).

An solchen die Verwirkung auslösenden Umständen fehlt es vorliegend. Es gab keine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, die die Geltendmachung des Erstattungsanpruchs ausschloss. Aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechnung ohne Erklärung eines Vorbehaltes zahlte, ergibt sich nichts anderes. § 15 Abs. 1 Satz 1 des Sicherstellungsvertrages schreibt ein Begleichen der Rechnung innerhalb von 15 Kalendertagen vor. Nach § 15 Abs. 4 des Sicherstellungsvertrages können Beanstandungen auch noch nach der Bezahlung geltend gemacht werden. Die Regelung fordert keine vorausgegangene Beanstandung oder die Erklärung eines Vorbehalts bei der Zahlung.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 01.07.2014, B 1 KR 2/13 R, entschieden, dass allein der bloße Zeitablauf kein die Verwirkung begründendes Verhalten darstelle. Der Umstand, dass die Klägerin bis kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit der Geltendmachung ihrer Forderung gewartet hat, genügt deshalb nicht. Hierdurch unterscheidet sich die Verwirkung von der Verjährung (s ferner ergänzend zu den bereits oben genannten Entscheidungen BSGE 51, 260, 262 = SozR 2200 § 730 Nr 2 S 4; BSG Urteil vom 30.10.1969 – 8 RV 53/68 – USK 6983 S 345 = Juris RdNr 23; BSGE 38, 187, 194 = SozR 2200 § 664 Nr 1 S 9; BSGE 34, 211, 214 = SozR Nr 14 zu § 242 BGB; BSGE 7, 199, 200 f; vgl auch BGH NJW 2011, 445, 446). Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl BSG Urteil vom 19.6.1980 – 7 RAr 14/79 – USK 80292 S 1312 = Juris RdNr 32; BSGE 47, 194, 197 f = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55). Dafür gibt der vorliegende Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte.

Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen auf den Erstattungsbetrag ab dem Tag der Rechtshängigkeit, hier 27.12.2011. Für die Rechtsbeziehung der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in den Verträgen nach § 112 SGB V etwas anderes geregelt ist. Die sinngemäße Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 3 Sicherstellungsvertrag entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 2/13 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.