Sozialgericht Düsseldorf S 4 KR 163/07

Sozialgericht Düsseldorf

Urteil vom 31.03.2009 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Düsseldorf S 4 KR 163/07

 
 

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2007 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 08.11.2007 verurteilt, die Kosten des Eigenbluttransportes laut Rechnung vom 14.11.2007 i.H.v. 609,08 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außer- gerichtlichen Kosten der Kläger und der Beigeladenen zu 1) und 2).

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für den Transport von Blutkonserven vom Wohnort zu dem ca. 550 km entfernten Klinikum O1.

Die am 00.00.1993 geborene Tochter der Kläger ist über ihre Eltern bei der Beklagten familienversichert. Bei ihr besteht die Indikation zur operativen Korrektur und Stabilisierung einer Wirbelsäulenskoliose. Die Kläger haben sich entschieden, die Operation ihrer Tochter in der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie mit Skoliosezentrum am Klinikum O1 in O1/I durchführen zu lassen. Dort würde die Operation im Gegensatz zu anderen näher gelegenen Kliniken primär stabil durchgeführt. Dies bedeute, dass nur ein einziger Operationszug erforderlich sei und sowohl der Patientin als auch der Krankenkasse eine kostenintensive Korsettnachbehandlung erspart würde. Wegen des zu erwartenden Blutverlustes hätte die Klinik präoperative Eigenblutspenden empfohlen. Die Eigenblutspenden sollten in mehreren Sitzungen im Krankenhaus N-O2 entnommen werden und anschließend mit einem Spezialtransport an die Klinik O1 transportiert werden.

Am 07.09.2007 beantragten die Kläger die Übernahme der Kosten des Transports der Eigenblutspende vom Krankenhaus N-O2 zum Klinikum O1 in I. In dem beigefügten Kostenvoranschlag des Beigeladenen zu 1) wurden die Transportkosten mit 511,83 EUR netto bzw. 609,08 EUR brutto beziffert.

Mit Bescheid vom 12.09.2007 lehnte die Beklagte die Übernahme der Transportkosten ab. Es bestünde kein Anspruch auf Kostenübernahme des Eigenbluttransportes. Die Aufwendungen für den Transport hätte das Krankenhaus zu tragen. Derartige Aufwendungen seien im Rahmen einer stationären Behandlung den Selbstkosten des Krankenhauses zuzurechnen und würden mit dem Pflegesatz abgegolten.

Dagegen haben die Kläger am 02.10.2007 Widerspruch erhoben. Die Auffassung der Beklagten, die Transportkosten für das Eigenblut seien den Selbstkosten des Krankenhauses zuzurechnen und mit dem Pflegesatz abgegolten, sei unzutreffend. Nach einer Auskunft des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (In EK gGmbH) gegenüber den Spitzenversbänden der Krankenkassen vom 30.08.2007 heiße es:

Im Kalkulationshandbuch werde eindeutig geregelt, dass Kosten der Fremdblut- beschaffung im Modul 10 – 4b gebucht werden müssten. Im Kalkulationshandbuch existiere keine explizite Kalkulationsvorschrift zur Thematik der Transportkosten (bei Eigenblutspenden). Darüber hinaus regele das Kalkulationshandbuch eindeutig, dass bei Eigenblutspenden keine Produktionskosten im engeren Sinne anfielen und insoweit die Kosten für die Entnahme und Aufbereitung den Gemeinkosten des Labors zuzuordnen seien. Die leistungsrechtliche Beurteilung der Kostenübernahme von Transportkosten bei Eigenblutspenden auf Basis des § 60 SGB V müsse daher frei von einer Aussage des InEK über die Kalkulation DRG-Fallpauschalen seien, da keine leistungsrechtlich relevante Kalkulationsaussage des InEK zur betroffenen Problematik getroffen werden könne.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2007 mit gleicher Begründung wie im angefochtenen Bescheid zurück.

Dagegen haben die Kläger am 22.11.2007 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Die Beklagte bestreite nicht, dass es sich bei dem Klinikum O1 um das für die hier vorgesehene Operation nächstgelegene Krankenhaus handele. Wären die Eigenblutspenden im Krankenhaus O1 durchgeführt worden, wäre somit die Beklagte verpflichtet gewesen, mehrere Fahrten ihrer minderjährigen Tochter einschließlich der Kosten für eine Begleitperson für die jeweiligen Sitzungen zur Eigenblutspende zu bezahlen. Daraus ergäbe sich, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Kosten für den einmaligen Transport des Eigenblutes von N nach O1 zu übernehmen bzw. zu erstatten. Der Transport wäre am 12.11.2007 durchgeführt worden. Laut Rechnung vom 14.11.2007 wären dafür 609,08 EUR angefallen, die die Kläger bereits entrichtet hätten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2007 zu verurteilen, die Kosten für den Eigenbluttransport laut Rechnung des Beigeladenen zu 1) vom 14.11.2007 in Höhe von 609,08 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der mit Beschluss vom 29.05.2008 beigeladene Transportunternehmer – der Beigeladene zu 1) – hat keinen Antrag gestellt.

Das ebenfalls mit Beschluss vom 29.05.2008 beigeladene Klinikum O1 – der Beigeladene zu 2) – war im Termin der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass präoperative Eigenblutentnahmen in einer wohnortnahen Spendeeinrichtung sowie der Transport des Eigenblutes zum wohnortfernen Krankenhaus, welches den medizinischen Eingriff vornehme, zu den allgemeinen Krankenhausleistungen zähle und mit den von der Krankenkasse zu zahlenden Vergütungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz abgegolten seien. Insofern werde auf das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht vom 14./15. August 2007 unter Nummer 7 verwiesen. Auf den Inhalt dieses Protokolls wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger sind durch den angefochtenen Bescheid gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da die Beklagte zu Unrecht die Erstattung der Kosten für den Transport des Eigenblutes vom Krankenhaus N-O2 zum Klinikum O1 abgelehnt hat.

Auch wenn die bei der Beklagten über ihre Eltern familienversicherte Tochter der Kläger einen eigenen Leistungsanspruch gegen die Beklagte hat, so sind die Kläger als Mitglied der Beklagten befugt, den Erstattungsanspruch geltend zu machen, da die Kosten für die Selbstbeschaffung von ihnen verauslagt wurden und sie neben ihrer familienversicherten Tochter einen eigenen Leistungsanspruch haben.

Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt es sich nicht.

Die Beklagte hat die Kostenübernahme jedoch zu Unrecht abgelehnt. Der nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V erforderliche Beschaffungsweg ist hier eingehalten: Der Transport wurde am 12.11.2007 nach Erteilung des Bescheides vom 12.09.2007 durchgeführt.

Die Ablehnung der Kostenübernahme war auch rechtswidrig. Die Kläger haben einen Anspruch nach § 39 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 60 SGB V auf Kostenübernahme. § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V gewährt einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses für alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung notwendig sind. Dem leistungsrechtlichen Begriff der Krankenhausbehandlung entspricht die normative Definition der allgemeinen Krankenhausleistungen im Krankenhausentgeltgesetz (KH EntgG). Danach sind allgemeine Krankenhausleistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Dazu gehören auch vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter zu den allgemeinen Krankenhausleistungen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG). Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden mit den in § 7 Satz 1 Nr. 1 bis 8 KHEntgG gelisteten Entgelten abgerechnet, wobei damit alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet werden (vgl. § 7 Satz 2 KHEntgG). Die präoperative Eigenblutentnahme gehört, worauf das BSG bereits mit Urteil vom 22.06.1994 – 7 RK a 34/93 (USK 94160) hingewiesen hat, zur Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Die Eigenblutentnahme dient als Ersatz für Fremdblutkonserven. Sie tritt an die Stelle von Fremdblut, das dem Versicherten während einer stationären Behandlung zugeführt wird. Bei der Transfusion mit Fremdblut handelt es sich um eine der stationären Versorgung zuzurechnende Leistung.

Im vorliegenden Fall sind die Kosten für die Eigenblutentnahme im Krankenhaus N-O2 und die Lagerung des Eigenblutes auch nicht streitig. Sie sind mit dem Krankenhausentgelt abgegolten und den Klägern nicht zusätzlich in Rechnung gestellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten und entgegen der Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen gehören jedoch die Transportkosten nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, die nach dem KHEntgG zu vergüten sind. Die Transportkosten ersetzen nicht eine Krankenhausleistung, sondern die Kosten für die Fahrt des Versicherten zur stationären Behandlung. Diese Fahrtkosten sind kein Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen. Es handelt sich bei dem Transport um Körperbestandteile, die der Sphäre der Transportkosten des Versicherten gemäß § 60 SGB V zuzurechnen sind. Dementsprechend muss hier auch § 60 SGB V angewandt werden. Danach übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Fahrten einschließlich der Transportkosten nach § 133, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Dazu zählen auch vor- und nachstationäre Behandlungen im Krankenhaus gemäß § 115 a SGB V. Da nach dem unstreitigen Sachvortrag der Kläger und der Beklagten es sich bei dem Krankenhaus O1 um die nächstgelegene Klinik im Hinblick auf die Art und Weise des vorgesehenen Eingriffes handelte, bestand für die Tochter der Kläger ein Anspruch nach § 60 SGB V für die Hin- und Rückfahrt zur stationären Behandlung und für die vorstationäre Behandlung. Wenn nach § 60 die Kosten für die Fahrt des Versicherten selbst beansprucht werden können, dann muss dies auch gelten, wenn Körperbestandteile zu einer medizinisch notwendigen Behandlung, die von § 60 SGB V erfasst wird, transportiert werden.

Die Kläger haben daher Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Transport des Eigenblutes durch die Beigeladene zu 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.