Sozialgericht Köln S 9 KR 115/02

Sozialgericht Köln

Urteil vom 12.11.2002 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Köln S 9 KR 115/02

 
 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.684,82 EUR zzgl. 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.762,39 EUR seit dem 20.12.2001, aus 2.093,48 EUR seit 31.01.2002, aus 3.021,70 EUR seit 22.02.2002, aus 2.609,65 EUR seit 21.03.2002 und aus 2.197,60 EUR seit 18.04.2002 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu 1).

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten mehrerer teilstationärer Behandlungen.

Die Klägerin ist Trägerin der Tagesklinik B Straße in L. Die am 00.00.1958 geborene Beigeladene zu 1) ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie wurde am 05.11.2001 auf der Grundlage einer Verordnung der behandelnden Psychiaterin Dr. T vom 01.10.2001 wegen der Diagnosen Borderline-Persönlichkeitsstörung, depressive Episode, sonstige depressive Episoden zur teilstationären Behandlung in die Tagesklinik bis einschließlich 26.11.2001 aufgenommen. Die Klägerin übersandte der Beklagten eine Aufnahmeanzeige und stellte einen Kostenübernahmeantrag. Diesen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.2001 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlung in der Tagesklinik sei als Rehabilitationsmaßnahme nach § 15 SGB IX anzusehen. Begründet wurde dies mit Zitaten aus Urteilen des BSG, des LSG NRW und des LSG Niedersachsen. Unter Bezug auf § 14 Abs. 1 SGB IX leitete sie den Kostenübernahmeantrag der Klägerin an den Rentenversicherungsträger der Beigeladenen zu 1), die Beigeladene zu 2), weiter. Gegenüber der Beigeladenen zu 2) vertrat die Beklagte die Auffassung, sie habe damit eine Zuständigkeitserklärung nach § 14 SGB IX abgegeben, so dass die Beigeladene zu 2) nunmehr die beantragte Leistung erbringen müsse. Die Beklagte jedenfalls sei nicht mehr zuständig. Die Beigeladene zu 2) lehnte die Kostentragung der Maßnahme als Rehabilitationsmaßnahme ab, da es sich um eine Krankenhausbehandlung handele.

Mit Schreiben vom 03.12.2001, bei der Beklagten eingegangen am 05.12.2001 übersandte die Klägerin die Rechnung über den teilstationären Aufenthalt vom 05.11. bis 26.11.2001 in Höhe von 3.448,00 DM. Mit Schreiben vom 20.11.2001 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Kostenübernahme bis 27.11.2001.

Am 21.01.2002 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Begleichung der Rechnung vom 03.12.2001 begehrt.

In dem Zeitraum vom 03.12.2001 bis einschließlich 22.03.2002 befand sich die Beigeladene zu 1) erneut in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik der Klägerin. Die Klägerin stellte der Beklagten die einzelnen Behandlungsabschnitte jeweils in Rechnung und zwar mit

– Rechnung vom 03.01.2002, bei der Beklagten eingegangen am 07.01.2002 über 4.094,50 DM für den Zeitraum vom 03.12. bis 31.12.2001

– Rechnung vom 04.02.2002, bei der Beklagten eingegangen am 06.02.2002 über 3.021,70 EUR für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.01.2002

– Rechnung vom 04.03.2002, bei der Beklagten eingegangen am 05.03.2002 über 2.609,65 EUR für den Zeitraum vom 01.02. bis 28.02.2002

– Rechnung vom 03.04.2002, bei der Beklagten eingegangen am 04.04.2002 über 2.197,60 EUR für den Zeitraum vom 01.03. bis 22.03.2002.

Die Beklagte lehnte die Begleichung der Rechnungen jeweils ab.

Dagegen hat die Klägerin jeweils Klage erhoben und zwar am

– 21.02.2002 bezüglich der Rechnung vom 03.01.2002

– 11.03.2002 bezüglich der Rechnung vom 04.02.2002

– 18.04.2002 bezüglich der Rechnung vom 04.03.2002

– 29.04.2002 bezüglich der Rechnung vom 03.04.2002.

Sie ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Zahlung verpflichtet, da konkrete Einwendungen gegen die erfolgte Behandlung der Beigeladenen zu 1) nicht erhoben worden seien. Soweit lediglich mit pauschalem Bestreiten die Behandlungsnotwendigkeit in Frage gestellt worden sei, sei die Krankenkasse nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im gerichtlichen Verfahren mit weiteren Einwendungen ausgeschlossen, so dass auch keine Verpflichtung zur Sachaufklärung für die Gerichte bestehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 11.684,82 EUR zuzüglich 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.762,39 EUR seit 20.12.2001, aus 2.093,48 EUR seit 31.01.2002, aus 3.021,70 EUR seit 22.02.2002, aus 2.609,65 EUR seit 21.03.2002 und aus 2.197,60 EUR seit 18.04.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, wegen der abgegebenen Zuständigkeitserklärung sei sie nicht mehr der zuständige Anspruchsgegner.

Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass die Zuständigkeitsregelung des SGB IX nur dann zur Anwendung komme, wenn ein Versicherter einen konkreten Rehaantrag gestellt habe, nicht aber im Falle gestellter Kostenübernahmeanträge von Krankenhausträgern.

Die Beigeladene zu 1) hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 23.05.2002 die Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) und eines Vertreters der Beigeladenen zu 2) entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat als Träger der Tagesklinik B Straße gGmbH gemäß §§ 39, 109 Abs. 4 S. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Verbindung mit §§ 2 und 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V Anspruch auf die Erstattung der Kosten der teilstationären Aufenthalte der versicherten Beigeladenen zu 1) für die Zeiträume vom 05.11. bis 26.11.2001 und vom 03.12.2001 bis 22.03.2002 in Höhe von 11.684,82 EUR.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) begründet zunächst die Entscheidung des Krankenhausarztes die Notwendigkeit und Dauer einer bestimmten Krankenhausbehandlung im Sinne eines Anscheinsbeweises (BSG, Urteil vom 13.12.2001, Az. B 3 KR 11/01 R). Dieser Anscheinsbeweis kann nur dadurch erschüttert werden, dass die Krankenkasse substanziierte Einwendungen, insbesondere nach vorheriger Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) geltend macht. Dieses Verfahren ist in § 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Danach ist die Notwendigkeit und Dauer jeder Krankenhausbehandlung im Wege einer Einzelfallprüfung zu überprüfen mit der Folge, dass Einwendungen hiergegen konkret und rechtzeitig geltend zu machen sind. Die Erhebung von substanziierten Einwendungen erst im gerichtlichen Verfahren begründet keine Veranlassung, dem gerichtlich weiter nachzugehen, da dies zu einem Zeitpunkt geschähe, in dem sich die Beweislage zu ungunsten des Krankenhauses aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen verschlechtert hätte (BSG, Urteil vom 13.12.2001, Az. B 3 KR 11/01 R). Die Prüfung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit einer Krankenhausbehandlung hat ausschließlich nach Maßgabe der auf der Grundlage von § 112 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenverträge zu erfolgen. Eine Krankenkasse, die sich an dieses Prozedere nicht hält, sondern lediglich pauschale, nicht konkret auf den Einzelfall und nach Maßgabe des Vertrages bezogene Einwendungen erhebt, kann den durch den Krankenhausarzt begründeten Anscheinsbeweis der Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung nicht erschüttern (BSG, aaO.).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat keine konkrete Einwendung medizinischer Art gegen die streitige teilstationäre Krankenhausbehandlung erhoben. Sie hat noch nicht einmal den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein mit der Überprüfung der konkreten Behandlung beauftragt. Sie hat die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung lediglich pauschal durch seitenweise Zitate aus Urteilen aus der Sozialgerichtsbarkeit begründet, von denen nicht ersichtlich ist, inwieweit sie einen konkreten Bezug zur vorliegenden teilstationären Behandlung der Beigeladenen zu 1) haben könnten. Die Beklagte ist daher bereits zur Zahlung der geltend gemachten Krankenhausbehandlungskosten verpflichtet, da sie sich nicht an die Vorgaben des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V gehalten hat.

Es kommt hinzu, dass die von der Beklagten abgegebene “Zuständigkeitserklärung” nach § 14 SGB IX im vorliegenden Falle nicht einschlägig ist. Zu Recht hat die Beigeladene zu 2) darauf hingewiesen, dass § 14 SGB IX die Zuständigkeit zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern klärt. Im Rahmen dieser Zuständigkeit hat der zuerst angegangene Leistungsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Ist dies der Fall, muss er grundsätzlich innerhalb von drei Wochen über den Antrag entscheiden (§ 14 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Bei Unzuständigkeit hat er den Antrag unverzüglich an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird der Antrag vom zuerst angegangenen Rehabilitationsträger nicht weitergeleitet, hat dieser den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX).

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, die Beigeladene zu 2) sei aufgrund der Regelung des § 14 SGB IX gegenüber der Beigeladenen zu 1) für die Leistung zuständig geworden und sie sei nicht mehr der zuständige Anspruchsgegner der Klägerin, ist nicht nachvollziehbar. Wie dargelegt, regelt § 14 SGB IX das Verfahren der Zuständigkeit im Falle einer beantragten Rehabilitationsmaßnahme. Voraussetzung ist daher ein Antrag eines Versicherten auf Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme. Nur für diesen Fall ist es dem zuerst angegangenen Leistungsträger möglich, eine sogenannte Zuständigkeitserklärung abzugeben. Vorliegend wurde aber kein Rehaantrag durch einen Versicherten gestellt, sondern ein Kostenübernahmeantrag eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Hat die Krankenkasse Bedenken medizinischer Art gegen die Art und Durchführung bzw. Dauer der Behandlung, deren Kostenübernahme beantragt ist, muss sie dies – gegebenenfalls durch Einschaltung des Medizinischen Dienstes – konkret gegenüber dem Krankenhausträger geltend machen. Dies gilt auch für die Annahme, dass die durchgeführte Behandlung nach ihrer Auffassung eine Rehabilitationsmaßnahme darstellt, für die sie unter Umständen nicht zuständig ist. Auch diese Einwendung muss sie konkret gegenüber dem Krankenhausträger geltend machen. Das in § 14 SGB IX geregelte Zuständigkeitsverfahren kommt in einem derartigen Fall nicht zur Anwendung.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.