Sozialgericht Nürnberg S 21 KR 332/15

Sozialgericht Nürnberg

Urteil vom 15.06.2018 (rechtskräftig)

Sozialgericht Nürnberg S 21 KR 332/15

I. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte/Widerklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.896,76 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Krankenhausbehandlung des Patienten Herrn Z. in Höhe von 948,38 Euro. Streitig ist konkret die Vergütung der beiden während des stationären Aufenthalts vom 06.02.2009 bis 19.02.2009 applizierten Apharese-Thrombozytenkonzentrate über das Zusatzentgelt ZE 84.

Die Klägerin/Widerbeklagte, das ist eine H. Sie behandelt auch Patienten der Beklagten/Widerklägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse.

Unter anderem behandelte sie vom 06.02. bis zum 19.02.2009 den bei der Beklagten/Widerklägerin gesetzlich versicherten Herrn Z., geboren 1927, verstorben 2010. Der Patient war am 06.02.2009 mit einem Rettungsfahrzeug als Intensivtransport aus dem Klinikum A. bei der Klägerin eingeliefert worden. Im Klinikum A. hatten die Ärzte eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt und dem Patienten als Dauerinfusion Heparin intraateriell verabreicht. Nach dem Ergebnis der Herzkatheteruntersuchung war eine Notfall-Bypass-Operation notwendig, die bei der Klägerin am Abend des 06.02.2009 durchgeführt wurde. Im Rahmen der Operation erhielt der Patient zur Stabilisierung seiner Blutgerinnung zwei Apharese-Thrombozytenkonzentrate (ATK). Die Klägerin stellte der Beklagten für den stationären Aufenthalt einen Betrag in Höhe von 15.246,14 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich zunächst die Rechnungsbeträge, beauftragte jedoch den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer Prüfung.

ATK werden – im Gegensatz zu gepoolten Thrombozytenkonzentraten (PTK) – von einem einzigen Spender gewonnen, der hierzu an einen Blutseparator angeschlossen wird. PTK hingegen entstehen aus Vollblutspenden, wobei im weiteren Herstellungsverfahren die Thrombozyten aus mehreren Vollblutspenden gepoolt werden. Die Anzahl gepoolter Einheiten schwankt zwischen vier und sechs Spendern. ATK sind nach der Anlage 2 zum Fallpauschalenkatalog 2009 über das Zusatzentgelt ZE84 und PTK über das Zusatzentgelt ZE94 abrechenbar. Nach der Anlage 5 zum Zusatzentgelte-Katalog OPS Version 2009 fällt bei Gabe von zwei ATK ein Betrag von 937,87 EUR an, bei zwei PTK ein Betrag von 592,30 EUR.

Mit Schreiben vom 14.07.2009 kündigte die Beklagte an, dass sie bezüglich der Behandlung von Z. einen Betrag in Höhe von 948,38 EUR bei einer der nächsten Rechnungen einbehalten werden. Die Beklagte berief sich dabei auf eine Stellungnahme des SMD, wonach die Gabe von ATK nicht nachvollziehbar sei. Es sei die Gabe von PTK ausreichend gewesen. Mit einem Zahlungsavis setzte die Beklagte den streitigen Rechnungsbetrag von einer unstreitigen Forderung ab. Die Klägerin wandte sich mehrmals an die Beklagte und bat um Ausgleich des Restbetrages.

Nachdem dies erfolglos blieb, erhob die Klägerin am 30.09.2011 Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg. Die Klägerin habe Anspruch auf Vergütung der beiden applizierten ATK, deren Preis über denen von PTK liegen würde. ATK seien zur Behandlung zahlreicher schwerer Erkrankungen unabdingbar. Sie seien abrechenbar nach der Fallpauschalenvereinbarung 2009 über das Zusatzentgelt ZE84. Eine Einschränkung bezüglich der Abrechnung ergebe sich aus der Fallpauschalenvereinbarung 2009 nicht. Allein die therapeutische Entscheidung des Arztes und die Gegebenheiten in dem das Krankenhaus versorgenden Blutspendedienst bestimmten über die Art des zum Einsatz kommenden Thrombozytenkonzentrats.

Die Beklagte erwidert, dass die Gabe von ATK nicht vergütungsfähig sei, da sie nicht medizinisch erforderlich gewesen sei. Sie verweist dabei auf ein Gutachten des Herrn Dr. K. – Facharzt für Innere Medizin. Das Gutachten ist beigezogen worden und von der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2012 vorgelegt worden. Wegen des Ergebnisses des Gutachtens wird auf dieses Bezug genommen.

Die Klägerin erwidert, dass ATK und PTK nicht gleichwertig seien. Sie verweist dazu auf das mit Schriftsatz vom 25.01.2012 vorgelegte Gutachten des Berufsverbands der deutschen Transfusionsmediziner e.V. erstellt durch Herrn Professor Dr. Z. und Herrn Dr. B., wonach Unterschiede hinsichtlich der medizinischen Wirksamkeit und auch hinsichtlich des Risikos einer Infektionsübertragung eines unbekannten Erregers bestehen würden. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Gutachten verwiesen.

Die Beklagte befragte erneut den SMD, der in seiner Stellungnahme vom 22.03.2012 bei dem Ergebnis verblieb, dass die Transfusion von ATK im vorliegenden Einzelfall ausreichend gewesen wäre. Es hätten bei dem Patienten keine immunologischen Besonderheiten bestanden, die eine Transfusion von ATK erforderlich gemacht hätten. Auf die Einzelheiten der Stellungnahme vom 22.03.2012 wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 04.10.2012 erkannte die Beklagte aufgrund der zu dem damaligen Zeitpunkt herrschenden Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Aufrechnung die Klageforderung an und erhob gleichzeitig Widerklage.

Mit Beschluss vom 01.08.2013 wurde das Verfahren im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts mit dem Aktenzeichen B 3 KR 11/13 R (nach Übergang auf den 1. Senat des BSG nunmehr B 1 KR 2/15 R) ruhend gestellt.

Nachdem das Bundessozialgericht am 10.03.2015 entschieden hatte, wurde das Verfahren mit Schreiben vom 24.06.2015 durch die Beklagte wiederaufgenommen. Die Klägerin bemängelt an der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.03.2015 (B 1 KR 2/15 R), dass das Bundessozialgericht sich nicht mit dem unterschiedlichen Risikoprofil der beiden auf dem Markt befindlichen Thrombozytenkonzentrate beschäftigt habe. Dies sei aus Sicht einer Revisionsinstanz verständlich, mache aber vorliegend die Durchführung eines entsprechenden Sachverständigenbeweises nicht entbehrlich. Die Klägerin verweist weiterhin auf die Stellungnahme des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31.03.2015, wonach das Infektionsrisiko bei PTK signifikant erhöht sei. Darüber hinaus habe das Bundessozialgericht einen Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktiven wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele, anerkannt. Im Rahmen einer DRG-Vergleichsberechnung sei auf Basis des Zusatzentgeltes ZE94 jedenfalls ein Betrag in Höhe von 598,93 EUR von der Beklagten zu zahlen. Dieser Betrag würde anfallen, wenn der Patient mit PTK behandelt worden wäre.

Nachdem das Gericht die Patientenakte beigezogen hatte, gab das Gericht ein Gutachten durch Professor Dr. E., Facharzt für Innere Medizin und Transfusionmedizin, in Auftrag. Der Sachverständige ist Leitender Oberarzt an dem an der medizinischen Hochschule E-Stadt. Nach Auffassung des Sachverständigen lagen zwar keine der vom Bundessozialgericht im Urteil vom 10.03.2015 genannten Indikationen bei dem Patienten vor, die Gabe von ATK sei jedoch dennoch zwingend medizinisch indiziert gewesen. Es habe sich um eine Thrombozytentransfusion bei einem herzchirurgischen behandelten Patienten gehandelt. Für diese Patientengruppe gebe es – im Gegensatz zu den hämatologisch-onkologisch behandelten Patienten – keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage, um die Frage der Gleichwertigkeit von ATK und PTK bewerten zu können. Es lägen lediglich retrospektive Beobachtungsstudien vor, deren wissenschaftlicher Wert im Vergleich zu der Studienlage bei den hämatologisch-onkologisch behandelten Patienten geringer sei. Die Verabreichung von ATK sei daher Goldstandard zur Thrombozyten-Substitution gewesen. Es lägen ausdrücklich und tatsächlich Besonderheiten in der Person des Patienten Herrn Z. vor, die den Einsatz von ATK auch im Nachhinein medizinisch begründen würden. Der Patient habe insgesamt 18 Blutprodukte erhalten. Bei Einsatz von PTK wäre die Spenderexposition von 18 auf 24-26 also um 33 % angestiegen. Die mit der Substitution von ATK verbundene niedrigere Spenderexposition sei eine sinnvolle Präventivmaßnahme zum Schutz von Thrombozytenempfängern vor transfusionsassoziierten Infektionskrankheiten. Es sei in den vergangenen 30 Jahren mindestens 9mal vorgekommen, dass Infektionserreger in die menschliche Blutversorgung eingebrochen seien. Die Besonderheit bei der Behandlung des Herrn Z. sei weiterhin, dass es sich um eine Thrombozytentransfusion in einem chirurgischen Fach handle. Für dieses Fach fehlten nahezu vollständig Daten, die hinsichtlich der Gleichwertigkeit von ATK und PTK irgendeine belastbare Aussage erlaubten.

Der Beklagten/Widerklägerin wurde Akteneinsicht gewährt in die Patientenakte des Herrn Z., damit diese eine Stellungnahme des SMD einholen könne. Mit Schreiben vom 06.02.2018 teilte die Beklagte/Widerklägerin mit, dass der SMD mit Stellungnahme vom 25.01.2018 nach Durchsicht der Patientenakte keine Hinweise auf das Vorliegen einer Erkrankung, die zweifelsfrei die Anwendung von ATK erforderlich machen würde, habe finden können. Bis dato gebe es hinsichtlich der Infektiösität keinen Beweis für einen Vorteil der ATK.

In der mündlichen Verhandlung vom15.06.2018 haben die Beteiligten die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass nur noch über die Widerklage entschieden werden muss.

Die Klägerin beantragt, die Widerbeklagte zu verurteilen an die Widerklägerin 948,38 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Patientenakte betreffend der Behandlung des Herrn Z. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg formgerecht erhobene Klage wurde übereinstimmend für erledigt erklärt, die Widerklage hingegen ist abzuweisen. Die Beklagte/Widerklägerin hat keinen Rückerstattungsanspruch aus der Behandlung des Patienten Z. in Höhe von 948,38 Euro. Die Klägerin/Widerbeklagte hat der Beklagten/Widerklägerin zu Recht die Gabe der ATK in Rechnung gestellt.

1. Die Klage eines Krankenhauses bzw. Krankenhausträgers auf Zahlung einer noch ausstehenden Vergütung aus (unstreitigen) Behandlungen bzw. einer Krankenkasse auf Rückerstattung bereits geleisteter Zahlungen ist ein so genannter Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R m.w.Nachw.). Der Zahlungsanspruch ist auch konkret beziffert.

Die am 30.09.2011 erhobene Klage auf Zahlung von 948,38 EUR aus unstreitigen Behandlungen hat die Beklagte/Widerklägerin mit Schriftsatz vom 04.10.2012 aufgrund der zu dem damaligen Zeitpunkt herrschenden Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Aufrechnung anerkannt. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.06.2018 haben die Beteiligten daher die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass nur noch über die Widerklage zu entscheiden ist.

Das von der Beklagten/Widerklägerin geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Wenn auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt ist, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist, ist jedoch allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausleistungen BSG, Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R – juris). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt daher voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 01.08.1991 – 6 RKa 9/89 – juris -). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier zwischen den Beteiligten vor, da die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus nach den maßgeblichen §§ 107 ff. SGB V öffentlich-rechtlich geprägt sind (BSG, Urteil vom 21. August 1996 – 3 RK 2/96 -, SozR 3-2500 § 39 Nr 4, Rn. 18). Die Beklagte/Widerklägerin hat jedoch mit der von ihr bereits 2012 geleisteten Vergütung für das Zusatzentgelt ZE84 im Rahmen der Behandlung des Herrn Z. keine Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht. Die Klägerin/Widerbeklagte hat der Beklagten/Widerklägerin das Zusatzentgelt ZE84 zu Recht in Rechnung gestellt. Die Gabe der ATK war medizinisch erforderlich und wirtschaftlich.

Sowohl die Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung als auch die Verweildauer sowie der Umfang der von der Klägerin erbrachten Leistungen – einschließlich der Gabe von Thrombozytenkonzentraten – sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Umstritten ist ausschließlich, ob die Gabe der beiden Apherese-Thrombozytkonzentrate gerechtfertigt war oder aber die kostengünstigere Verabreichung von Poolprodukten ausgereicht hätte. Entsprechend hat die Beklagte auch die Rechnung der Klägerin in Höhe von 15.246,14 EUR bis auf den Betrag von 948,38 EUR (ZE 84.02) beglichen.

Die Abrechnung des Zusatzentgelts ZE 84.02 für die Behandlung des Versicherten durfte nur erfolgen, wenn die Gabe der beiden ATK medizinisch erforderlich und wirtschaftlich war. Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R – SozR 4-2500 § 12 Nr. 4). Bei unwirtschaftlicher Behandlung des Versicherten kann die Klägerin/Widerbeklagte allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R – SozR 4-2500 § 39 Nr. 23 m.w.N.). Die Wirtschaftlichkeit einer Krankenbehandlung beurteilt sich bezogen auf das jeweilige nach § 27 SGB V zulässige Behandlungsziel nach ihrer Eignung, ihrem Ausreichen und ihrer Notwendigkeit aus allein medizinischen Gründen sowie bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungen nach ihren Kosten für die Krankenkasse.

Entgegen der Auffassung der Widerklägerin/Beklagten war die Gabe der ATK in diesem Sinne nicht unwirtschaftlich. Bislang liegen nämlich keine gesicherten Daten vor, die belegen, dass ATK und PTK im operativen Bereich gleich geeignet sind. Dies ergibt sich aus den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Herrn Prof. Dr. E … Der Sachverständige verfügt als leitender Oberarzt des Zentrums für Transfusionsmedizin über eine besondere Sachkunde auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin und hat die Fragen des Gerichts umfassend und schlüssig beantwortet. Der gerichtliche Sachverständige führt in seinem transfusionsmedizinischen Gutachten überzeugend aus, dass die wenigen Daten zu den Thrombozytenkonzentraten nahezu ausschließlich bei hämato-onkologischen Patienten erhoben worden sind und nicht ohne weiteres auf blutende oder blutungsgefährdete chirurgische Patienten übertragen werden können. Für diese Patientengruppe gebe es – im Gegensatz zu den hämatologisch-onkologisch behandelten Patienten – keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage, um die Frage der Gleichwertigkeit von ATK und PTK bewerten zu können. Es lägen lediglich retrospektive Beobachtungsstudien vor, deren wissenschaftlicher Wert im Vergleich zu der Studienlage bei den hämatologisch-onkologisch behandelten Patienten geringer sei. Die Verabreichung von ATK sei daher Goldstandard zur Thrombozytensubstitution. Es lägen daher ausdrücklich und tatsächlich Besonderheiten in der Person des Patienten Herrn Z. vor, die den Einsatz von ATK auch im Nachhinein medizinisch begründen würden. Nach diesen Ausführungen ist es für die Kammer überzeugend, dass die mit der Substitution von ATK verbundene niedrigere Spenderexposition eine sinnvolle Präventivmaßnahme zum Schutz von Thrombozytenempfängern vor transfusionsassoziierten Infektionskrankheiten. Für die chirurgisch behandelten Patienten wie Herr Z. fehlen nahezu vollständig Daten, die hinsichtlich der Gleichwertigkeit von ATK und PTK irgendeine belastbare Aussage erlauben. ATK und PTK sind daher nicht gleichartig und damit nicht ohne weiteres austauschbar. Nach Auffassung der Kammer obliegt es aus diesem Grund dem behandelnden Arzt im Rahmen seiner Therapieverantwortung, die entsprechend geeigneten Produkte auszuwählen. Diese vom behandelnden Arzt eigenverantwortlich zu treffende Entscheidung ist nach Auffassung der Kammer bei der bestehenden Datenlage im Nachhinein nicht justiziabel.

Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.03.2015 (B 1 KR 2/15 R) nicht entgegen (vgl. dazu SG F-Stadt, 15.12.2016, S 15 KR 61/13 – juris). Zwar hat das BSG ausgeführt, ATK seien nur dann medizinisch notwendig, wenn bestimmte – hier nicht gegebene – Besonderheiten in der Person des Patienten vorlägen wie eine Autoimmunisierung gegen HLA Klasse I Antigene und HPA-Antigene sowie bei Refraktärität gegenüber Thrombozytentransfusionen, d.h. zweimalig ausbleibender Thrombozytenanstieg auf AB0 kompatible Thrombozytenkonzentrate nach Ausschluss nicht immunologischer Ursachen wie Fieber, Sepsis, Splenomegalie, Verbrauchskoagulopathie und chronischem Lebervenenverschluss. Hierbei hat sich das BSG jedoch ausschließlich auf die revisionsrechtlich bindenden (vgl. § 163 SGG) Feststellungen der Vorinstanz (LSG für das Saarland, Urteil vom 22.08.2012 – L 2 KR 39/09 -, juris) gestützt. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz hat das BSG damit nicht aufgestellt, es handelt sich um eine revisionsrechtlich gebundene Würdigung eines Einzelfalls. Das LSG für das Saarland hat nach Beweiserhebung und Auswertung der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgeführt, dass es im Jahr 2008 bei der nicht immunisierten Patientin in Bezug auf Risiko und Wirksamkeit nicht medizinisch indiziert gewesen sei, alleine Apheresekonzentrate zu verabreichen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens bezüglich der Behandlung des Patienten Herrn Z. bestanden in diesem Einzelfall jedoch Besonderheiten, die dazu führten, dass die Gabe von ATK medizinisch erforderlich und wirtschaftlich war.

Nach alldem war die Gabe der ATK medizinisch erforderlich und wirtschaftlich. Die Beklagte/Widerklägerin hat keinen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin/Widerbeklagten.

2. Die Klageforderung hat die Beklagte/Widerklägerin mit Schreiben vom 23.06.2014 anerkannt. Klägerin/Widerbeklagte und Beklagte/Widerklägerin haben die Klage im Termin vom 15.06.2018 für erledigt erklärt. Die Widerklage wurde mit Urteil vom 15.06.2018 abgewiesen. Die Beklagte/Widerklägerin trägt daher gem. § 197a Abs. 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 1.896,76 Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In dem hier vorliegenden, nach § 197a Abs. 1 SGG kostenpflichtigen Klageverfahren werden gemäß § 1 Nr. 4 GKG Kosten erhoben, die sich nach dem Wert des Streitgegenstandes bestimmen, § 3 GKG. Dessen Höhe richtet sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache bzw., da ein bezifferter Klageanspruch geltend gemacht wurde, nach dem bezifferten Wert des Streitgegenstandes.

Da im Verfahren von der Beklagten Widerklage erhoben wurde, findet außerdem § 45 GKG Anwendung. § 45 GKG bestimmt grundsätzlich, dass in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet werden. Es ergibt sich daher ein Streitwert von 948,38 EUR (Klage) + 948,38 EUR (Widerklage) = 1.896,76 EUR.