Transplantationsskandal: Kein Unrechtsbewusstsein

Der angeklagte “Professor O.”, der während seiner Tätigkeit als Oberarzt am Uniklinikum Göttingen die Warteliste für Lebertransplatation manipuliert haben soll, äußert sich vor Gericht zu den Vorwürfen.

Ich war das nicht

Einerseits will er von keiner Manipulation wissen: Er verneint generell jegliches Fehlverhalten. Gleichzeitig wird aus Zeugenaussagen von Klinikpersonal deutlich, dass diese Aussage kaum haltbar sein dürfte. Der Beschuldigte hat persönlich Informationen über die (nicht vorhandene) Dialysepflicht telefonisch an Mitarbeitern weitergegeben. Diese haben diesen “Tatbestand” dann an Eurotransplant gemeldet. Außerdem hat “Professor O.” mehrfach angeregt, dass man Laborwerte “optimieren” solle und nachgefragt, ob man Dialysen im Computersystem rückwirkend dokumentieren könne.

Kein Unrechtsbewusstsein: Don Quichote gegen das “ungerechte System”

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Obwohl der Beschuldigte nichts unrechtes getan haben will, hat er schon eine Begründung für eine Manipulation parat: Das ungerechte Vergabesystem berechtige einen dazu. Angeblich seien die Kriterien zu streng und wissenschaftlich nicht begründet. Alkoholkranke zum Beispiel sollen mindestens 6 Monate trocken sein, bevor sie für eine Transplantation in Frage kommen können. Zu lange, findet “Professor O.”. Außerdem seien für schwer kranke Patienten viel zu viele Organe verfügbar, während die weniger dringende Patienten kein Organ bekämen. In der Folge sterben die schwer Kranke mit einem guten Transplantat, während die nicht so schwer Erkrankten sterben, weil kein Organ verfügbar sei, so der Transplantationsmediziner. Die Bundesärztekammer hat dieser Sichtweise mittlerweile widersprochen.

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Beweislage schwierig

Die Staatsanwaltschaft, die den Mann wegen eines Tötungsdeliktes und nicht nur wegen Manipulation der Warteliste angeklagt hat, hat es aber trotzdem schwer. Die Manipulation müsste ohne Mühe und ohne berechtigten Zweifel beweisbar sein. Es dürfte aber nicht so einfach sein, einen Zusammenhang zwischen dieser Trickserei und dem Tod von anderen Patienten auf der Warteliste zu beweisen. Wie kann man sicher sein, dass der Tod nicht eingetreten wäre, wenn ein Organ (früher) verfügbar gewesen wäre?

Interessanterweise wird nun dargestellt, dass es keinen Hinweis für Korruption gegeben haben soll. Gemeint ist ein rein finanzielles Interesse für die Betrügereien. Es ist bekannt, dass dem Beschuldigten ab der zwanzigsten Transplantation Boni bezahlt wurden. Jährlich bis zu 60.000 €. Von einem Sachverständigen aus Köln wurde bestätigt, dass solche Zahlungen nicht ungewöhnlich seien. Anscheinend wird so viel Geld nicht als Anreiz für Untreue betrachtet? Immerhin gibt es in Deutschland viele Familien, die ein ganzes Jahr mit weniger auskommen müssen! Der Professor zumindest stellt dar, dass er ausschließlich im Interesse seiner Patienten gehandelt haben will.

Kommentar

Der Schaden, den “Professor O.” der Transplantationsmedizin und besonders den Patienten, die auf ein Organ warten, eingebrockt hat, ist nicht in Geld auszudrücken. Die Spendebereitschaft ist laut DSO drastisch reduziert und entsprechend sterben jetzt mehr Menschen auf der Warteliste. Die Kaltschnauzigkeit, die der Beschuldigte trotzdem an den Tag legt ist erschütternd und irritierend. Es entsteht das Bild eines selbstgerechten Mannes, der meint, dass er selbst die Regeln machen kann. Eine Art absolutistischer Fürst der Transplantationsmedizin.

Wenn er meint, dass die Vergabepraxis für Organe nicht lupenrein sei, dann wäre es seine Pflicht gewesen, sich innerhalb der Fachgesellschaft für eine Änderung einzusetzen. Stattdessen hat der Transplantationsmediziner sich korrumpiert, getrickst und manipuliert. Nunmehr hätte er vor Gericht die Chance, reinen Tisch zu machen und zu versuchen das Unheil, das er angerichtet hat, zumindest im Ansatz wieder gut zu machen. Stattdessen werden rechthaberische Darstellungen, Ausreden und Frechheiten zu Protokoll gegeben.

Die Frage nach der Motivation (Geld oder nicht Geld) ist aus moralischer Sicht nachrangig. Der Gutmensch, der im Interesse seiner Patienten gewisse Grenzen auf verzeihlicher Weise überschreiten musste, ist eine Rolle, die irgendwie nicht zum Herrn Professor passen will. Ob es letztlich Geld oder doch nur die Pflege des eigenen Egos war, sei dahin gestellt: Beides ist gleichermaßen verwerflich.

Da Einsicht oder sogar Reue scheinbar nicht zu erwarten sind, bleibt nur noch die Hoffnung auf die fade “Gerechtigkeit” durch Strafe. Und da steht zu befürchten, dass es bei einer (zu) geringen Strafe bleiben wird. Weil die Beweislage schwierig ist. Gesamturteil: Zum Heulen!

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