Fristen bei vorstationärer Behandlung unerheblich

© Jörg Lantelme - FotoliaDas Bundessozialgericht hat die Urteilsbegründung zu den Fristen bei vorstationärer Behandlung (B 1 KR 2/12 R vom 17.09.2013) herausgegeben. Die Urteilsverkündung wurde bei uns bereits kommentiert. Es ging um drei Fälle in einer Sammelklage:

Die Fälle

  1. Eine Patientin wird zur Operation ihrer Gallenblase eingewiesen. Weil sie beschwerdefrei ist, wird die OP für später geplant und die Patientin zunächst wieder entlassen. Zwei Wochen später hat sie erneut Beschwerden. Jetzt wird sie operiert. Für die erste Untersuchung berechnet das Krankenhaus eine vorstationäre Pauschale, weil die Fünf-Tagefrist überschritten war.
  2. Eine Mutter muss vor einer Cholezystektomie noch eine Betreuung für ihre Kinder organisieren, was mehr als fünf Tage dauert.
  3. Eine Koloskopie wird mehr als fünf Tage verschoben, bis die Wirkung von Antikoagulantien abgeklungen ist (Quick war zu niedrig).

Fristen bei vorstationärer Behandlung

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Das Krankenhaus setzt mit ihrer Argumentation auf die Fristen aus Artikel 115a SGB V. Bereits im September hatte das Gericht wissen lassen, dass diese Fristen unerheblich seien. Stattdessen gehe es ausschließlich darum, ob die vorstationäre und stationäre Behandlung den gleichen Behandlungsfall betreffen.

Was heißt “gleicher Behandlungsfall”? Der erste Senat definiert wie folgt:

[quote style=”boxed”]”Wenn ein die Behandlung prägender sachlicher Zusammenhang zwischen den Behandlungsepisoden besteht. So liegt es, wenn derselbe Versicherte aufgrund derselben Erkrankung unter vergleichbaren Prämissen anlässlich der vor- und späteren voll- oder teilstationären Behandlung mit derselben Gesamtzielrichtung behandelt werden soll.”[/quote]Also auf Deutsch:

  1. Der gleiche Patient ist betroffen.
  2. Die gleiche Erkrankung wird behandelt.
  3. Die “Prämissen” sind vergleichbar.
  4. Die “Gesamtzielrichtung” ist gleich.

Wenn das gegeben ist, sollen die Fristen unerheblich sein. Das begründet das Gericht mit einer teleologischen Auslegung der Historie der Regelung. Sinn und Zweck war die pauschalierende Vergütung und diese soll dann auch Vorrang haben, so das Gericht.

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Wieso setzt sich das Gericht über den Gesetzestext hinweg?

Eine wichtige Frage bleibt, warum das Gericht sich (nicht zum ersten Mal!) über eine eindeutige Formulierung im Gesetzt hinweg setzt und damit “Richterrecht” schafft, das dem eigentlichen Gesetz widerspricht. Ein rätselhafter Satz aus dem Urteil soll das erklären: “§ 115a Abs 2 S 1 SGB V … bezweckt lediglich, den zulässigen zeitlichen Zusammenhang zu konkretisieren, der zwischen der vorstationären und der (intendierten) vollstationären Versorgung gewahrt sein muss“.  Wer den Satz versteht, möge ihn mir erläutern (unten können Sie Ihre Kommentare abgeben!).

Das Gericht verweist zur Begründung außerdem auf den Gesetzesentwurf für des Gesundheitsstrukturgesetzes (Seiten 71 und 102), die das erklären sollen. Leider wird auf diesen Seiten nur bestätigt, dass es  die Fristen gibt (Seite 102). Über ihren tieferen Sinn wird nichts verlautbart. Es bleibt also offen, wie das Gericht zu Ihrer Einsicht gekommen sein mag…

Foto: © Jörg Lantelme - Fotolia

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