Kodierbetrug: Bis zu 10 Mio. € Zwangsgeld

KodierbetrugDie Akutkrankenhäuser Deutschlands leiden unter den ständig zunehmenden Prüfdruck der Kassen und den gebetsmühlenartigen wiederholten Vorwurf: “Kodierbetrug”. In der Krankenhauswelt bleibt weitgehend unbeachtet, dass die Kassen ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sind. Für die gesetzlichen Krankenkassen kündigen sich möglicherweise schwere Zeiten an.

Kodierbetrug durch Krankenhäuser?

Die Führungsebene gesetzlicher Krankenkassen fabuliert gerne über die vielen Abrechnungsfehler der Krankenhäuser, die es zu korrigieren gelte. Dieses “Korrektiv” durch den MDK sei erforderlich, um Schäden für das Sozialsystem abzumildern.

Tatsächlich sind die Korrekturen der Fallabrechnung weit weniger geradlinig, als uns die GKV glauben lassen will. Studien beweisen, dass die Ergebnisse von Kodierprüfungen nie eindeutig sind: Prüfung des gleichen Falles durch unterschiedliche Gutachter ergeben sehr unterschiedliche Ergebnisse. Die Ergebnisse von Abrechnungsprüfungen sind zu einem wesentlichen Teil unvorhersagbar. Willkür, könnte man sagen.

Diese Situation wird von der Kostenträgerseite falsch dargestellt. Absichtlich, könnte man sagen. Insbesondere die zur Schau gestellte Entrüstung über das “Fehlverhalten der Krankenhäuser” ist scheinheilig.

Die GKV-Bosse wissen sehr genau, dass ein Krankenhaus, das durch Upcoding zu viel abrechnet, weder die Kasse, noch den Beitragszahler oder das “Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung” schädigt1. Vielmehr entnimmt ein solches Krankenhaus zu viel aus dem gedeckelten Krankenhausbudget. Den Schaden haben die anderen Krankenhäuser des Bundeslandes, weil langfristig der Landes-Basisfallwert sinkt.

Die Suppe für die Krankenhäuser  wird halt dünner, aber der Koch muss deswegen noch lange nicht hungern!

Um bei dem Bild der Suppe zu bleiben: Warum schreit der Koch “Kodierbetrug”, wenn ein Krankenhaus sich mit einer unverhältnismäßig großen Kelle aus dem Kessel der Budgetsuppe bedient? Weil der Koch die Suppe, die er zurück fordert, nicht wieder in den Kessel füllt! Stattdessen isst er diese “Betrugssuppe” selber.

Die Kassen bekommen die Mittel für die Bezahlung der Krankenhausrechnungen aus dem Gesundheitsfonds. Wenn ein Krankenhaus angeblich falsch abgerechnet hat, muss die Kasse die “strittige Summe” nicht etwa dahin zurückgeben, wo es her kam: In den Gesundheitsfonds. Stattdessen behalten die Kassen ca. 2 % des Geldes, von dem die notleidenden Krankenhäuser irgendwie überleben sollen, für sich. Eine Art Schutzgeld, kann man sagen.

Ein genialer Streich, den man zudem auch noch glaubhaft als “Gerechtigkeit für die Beitragszahler” verkauft.

Kodierbetrug durch Kassen?

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Gleichzeitig zeigen die Kassen die andere Seite ihres Januskopfes, wenn es um Kodierung geht, die für sie nützlich ist. Je kränker die Versicherten einer Kasse sind, umso mehr darf die Kasse aus dem Gesundheitsfonds entnehmen: Der Risikostrukturausgleich. Dieser Ausgleich sollte Kassen, wie die AOK, die traditionell eher “teurere” Versicherte haben, existenzfähig halten.

Der Risikostrukturausgleich funktioniert über die Kodierung von 80 chronischen Krankheiten. Je mehr Chroniker man als Kasse im Beritt hat, umso mehr Zuwendungen bekommt man. Das weckt Begehrlichkeiten! Schon mancher MDK-Gutachter hat “eine auf die Mütze” bekommen, wenn er bei einer Rechnungsprüfung eine wichtige chronische Nebendiagnose, wie “Rheuma” oder “Herzinsuffizienz” gestrichen hatte.

Es gibt Dienstleister, die aus der “Kodierunterstützung” von Hausärzten ein lohnendes Geschäftsmodell gemacht haben. Die Kassen zahlen dafür Kopfprämien (etwa 10 € pro Fall) und machen die Masche für die Hausärzte durch die kreative Gestaltung von Versorgungsverträgen (z. B. “Hausarztzentrierte Versorgung” § 73b SGB V) attraktiv.

Dieser Trick machte derartig Furore, dass das TK-Management (Jens Baas) notgedrungen die eigene Kasse aber auch die Konkurrenz (AOK?) öffentlich verpetzte. In der Folge bezahlte beispielsweise die AOK-Rheinland 6 Mio. Euro Strafe an den Gesundheitsfonds. Seit 2015 sieht das Gesetz strenge Kontrollen und Strafzahlungen bis zu 10 Mio. Euro vor (§ 71 Abs. 6 SGB V).

Das Bundesversicherungsamt, in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde der Sozialversicherungsträger, hat im Mai d. J. zu der Thematik in Berlin getagt. Es scheint, dass die Behörde entschlossen ist, sämtliche gesetzlich vorgesehene Folterinstrumente einzusetzen. Sie führt schon jetzt rückwirkende Prüfungen durch, die bis ins Jahr 2010 zurück reichen. Das Jahr 2011 ist in Arbeit und weitere Jahre werden wohl folgen.

Wie schmerzhaft das ist, kann wohl kaum einer besser ermessen als die Krankenhausverwaltungen!

1 Platzer, Helmut: Das Korrektiv nutzen: Was bringen die MDK-Abrechnungsprüfungen den Krankenkassen. Berlin, 2012.
Foto: © J. Adam – Shutterstock

 

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