Sachverständige Gutachter im Gerichtsverfahren
Richter sind Juristen und keine Mediziner. Auch die Abrechnung nach DRG ist für einen Juristen nicht einfach zu beurteilen. Aus diesem Grund kommt bei der Amtsermittlung im Gerichtsverfahren häufig ein Sachverständiger zum Einsatz. Die Meinung des Sachverständigen wird bei der Urteilsfindung eine wichtige Rolle spielen und sollte deswegen schon vor der Klage in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.
Den Gutachter bei der Klageentscheidung bedenken
Diese Überlegung kulminiert in der Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass ein unabhängiger Gutachter in unserem Sinne entscheiden wird?“. Bei der Klageentscheidung sollte man sich diese Frage also stellen. Das ist besonders wichtig, wenn die Klage aufgrund der Meinung eines behandelnden Arztes eingeleitet werden soll.
Nicht selten werden die Erfolgschancen zu gut eingeschätzt, weil der Arzt über die Einmischung durch die Kasse in seinen Entscheidungen verärgert ist. Dadurch wird man leicht verführt, sich in aussichtslosen Gerichtsverfahren zu stürzen. Es kann helfen, eine zweite Meinung bei einem anderen fachkundigen Arzt einzuholen. Wenn das nicht möglich ist, sollte man den betreffenden Arzt erneut befragen, wenn die Emotionen etwas abgekühlt sind. Die hilfreiche Frage für beide Fälle ist oben dargestellt.
Gutachter vorschlagen und ablehnen
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Die Rolle von Sachverständigen in der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht unumstritten. Besonders Prof. Hauck wehrt sich als Vorsitzenden des 1. Senats BSG gegen den Einsatz von ärztlichen Gutachtern: „… Die Folge ist auch, dass man …, wenn es um Abrechnungsfragen geht, als Gericht nicht Beweis durch Sachverständigen erhebt. Wenn Sie das machen, treten Sie ihre Entscheidungshoheit an einem Mediziner ab.“[1] Dieser klaren Meinungsäußerung steht gegenüber, dass die Instanzgerichte (anders als das BSG) eine Amtsermittlungspflicht haben, der man ohne Sachverständigen schwerlich gerecht werden kann.
Die Bestellung eines Gutachters und die Formulierung von Beweisfragen ist ausschließlich Sache des Gerichts (§ 106 i.v.m. § 712 SGG). Es besteht also seitens der Parteien kein Anrecht auf Benennen oder Ablehnen von Gutachtern. In der Praxis bekommen die Parteien meist Gelegenheit, sich zur Wahl des Gutachters zu äußern; die Entscheidung des Gerichts ist am Ende aber bindend.
Es kann aber sein, dass das Gericht eine klare Parteilichkeit des Gutachters (z. B. als Mitarbeiter des MD[2]) als Grund für eine Ablehnung akzeptiert.
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Das Gutachten ist negativ, was nun?
Wenn der Sachverständige sein Gutachten abgegeben hat, wird das Gericht dem Gutachter in aller Regel folgen. Ein Gutachten, das nicht erwartungsgemäß ausgefallen ist, kann man als Partei angreifen. Allerdings sind hier die Erfolgsaussichten abzuwägen. Die Auseinandersetzung ist nämlich zeitaufwendig, weil Sie als Partei sorgfältig Stellung nehmen müssen und oftmals Aspekte einbeziehen müssen, die noch nicht bedacht waren. Außerdem wird der Sachverständige nach jeder Wortmeldung wieder um Stellungnahme gebeten und das ist kostenpflichtig!
Wann widersprochen werden sollte
Meistens sollte man ein negatives Gutachten mit einer zügigen Beendigung des Verfahrens quittieren: Klagerücknahme oder -anerkenntnis. Gegenwehr ohne Aussicht auf Erfolg verursacht unnötige Arbeit und Kosten. Hat der Gutachter jedoch eklatante und nachweisbare Fehler eingebaut, lohnt sich Widerstand.
Was sind eklatante und nachweisbare Fehler? Beispiele:
- Der Gutachter berücksichtigt ausschließlich die Informationen aus den Unterlagen, die für die Sichtweise des Kostenträgers sprechen. „Gegenläufige“ Unterlagen werden unterschlagen.
- Der Sachverständige ignoriert sachdienliche Informationen aus den Katalogen und Regelwerken oder scheint diese gar nicht zu kennen.
- Der Sachverständige argumentiert mit Verallgemeinerungen ohne Quellenangaben oder Belege für seine Einschätzungen („das wird in der Neurochirurgie so gehandhabt“ oder „das kommt häufig vor und begründet daher keinen besonderen Aufwand„)
- Der Gutachter zitiert falsch und „ergänzt“ Unterlagen gedanklich: Formulierungen aus der Akte werden im Zitat manchmal um entscheidenden Wörtern ergänzt oder gekürzt, wodurch die Bedeutung des Satzes verändert wird. Beispiel: Aus „hochaufwendige und schwierige Präparation“ wird „aufwändige Präparation“ gemacht. Anderes Beispiel: Aus einem leeren Pflegeanamnesebogen wird abgeleitet, dass der Patient sich selbstständig versorgen konnte.
Diese Liste ist natürlich nicht abschließend, aber sie gibt einen Eindruck von der Palette. Immer ist zu bedenken, dass Ihre Einwände entscheidende Änderungen begründen und ziemlich überzeugend klingen müssen.
Wie man widersprechen sollte
Wenn man entscheidet, sich nicht mit dem Ergebnis des Gutachters zufrieden zu geben, sollte man sich auf mehrere aufwendige Stellungnahmen einstellen. Wenn Sie das nicht leisten können, sollten Sie nicht in den Ring steigen.
Es gibt einige ungeschriebene Regeln, die die Wirksamkeit Ihres Gegenwehrs verstärken:
[1] E. Hauck: Rechtsprechung im Wandel, Vortrag bei der Informationsveranstaltung der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft „Aktuelle Rechtsprechung zur Abrechnung von Krankenhausleistungen“ November 2017.
[2] So geschehen im Verfahren SG Detmold S 24 KR 813/18 – Gerichtsbeschluss vom 28.05.2019
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