Schnelle Verlegung: Wenn nötig europaweit

Verlegung nach ganz EuropaDas Bundes­sozial­gericht hat ein Urteil (B 1 KR 6/15 R vom 21.04.2015) gesprochen zur Frage der ver­späte­ten Ver­le­gung. Wie so oft, wird das Risiko dem Krankenhaus zugeordnet.

Der Fall

Die Patientin wurde wegen einer Kolik bei Purpura Schönlein-Henoch aufgenommen. Das klagende Krankenhaus wollte die Patientin zur Durchführung spezieller Diagnostik in ein anderes Haus verlegen. Diese Verlegung wurde verzögert, weil das übernehmende Krankenhaus keine Kapazitäten hatte:

06.08.2007 Aufnahme
08.08.2007 Bitte um Verlegung
15.08.2007 Verlegung

Durch diesen Ablauf wurde der erste Tag mit Zuschlag gerade erreicht. Der MDK sah diesen Tag als unbegründet an, und letztlich verrechnete die Kasse den Zuschlag (es ging um 230 €) wieder.

Das Urteil: Wer haftet für verspätete Verlegung?

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Das LSG Berlin-Brandenburg hatte schon zu Gunsten der Krankenkasse geurteilt (L 1 KR 161/11). Das Krankenhaus hat Revision eingelegt, scheinbar um ein Grundsatzurteil zu erwirken. Das ist auch gelungen.

Der erste Senat weist die Revision der Klinik zurück und teilt den schwarzen Peter sehr dezidiert den Krankenhäusern zu. Aus der Pressemitteilung: “Die Feststellung der generellen Möglichkeit einer früheren Verlegung der Versicherten genügte”. Offenbar soll die praktische Durchführbarkeit ein Problem alleine des Krankenhauses sein.

Das Gericht führt weiter aus: “Im Regelfall stehen auch für qualifizierte stationäre Krankenbehandlung in Deutschland, in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum zeitgerecht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung”. Das kann bedeuten, dass die Klinik ihre Patientin im vorliegenden Falle in ein anderes, weiter entferntes, Krankenhaus hätte verlegen müssen.

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Praktische Konsequenzen

Noch sind die genauen Umstände etwas unklar: War die stationäre Behandlungsnotwendigkeit bis zur Durchführung der in Rede stehenden Diagnostik zwingend gegeben, oder hätte die Patientin grundsätzlich auch zu Hause warten können? War die Diagnostik zeitkritisch? Daher müssen wir für eine abschließende Beurteilung unbedingt die Urteilsbegründung abwarten (dauert erfahrungsgemäß bis zu drei Monate).

Aus der Pressemittelung kann man aber schon ableiten, dass eine Verlegung zeitnah und nicht unbedingt ortsnah zu erfolgen hat. Diese Patientin hätte also bundesweit verlegt werden können (als Aufwärtsverlegung Transportkosten grundsätzlich zu Lasten der Krankenkasse). Das oberste Sozialgericht geht sogar noch weiter: Der ganze Europäische Wirtschaftsraum wird als Verlegungsziel in Betracht gezogen.

Das bedeutet, dass das klagende Krankenhaus zur Not bis nach Island oder Bulgarien hätte verlegen müssen, aber nicht in die Schweiz  . Hauptsache schnell. Das mag das Bundessozialgericht als “wirtschaftliches Verhalten” beschreiben, dürfte aber der Krankenkasse deutlich teurer zustehen kommen, als ein einsamer Langliegertag.

Starker Tobak, der allerdings europarechtskonform sein dürfte. Es wird wohl bei einer theoretischen Möglichkeit bleiben. Am Ende steht, dass ein Krankenhaus sich bei einer Verlegung besser beeilen sollte und nicht lange warten darf, bis der Partner aufnahmebereit ist.

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