SG Mainz: Schon wieder gegen das BSG!

Mainz (c) twayn81Die dritte Kammer des Mainzer Sozialgerichts hat schon früher für Aufsehen gesorgt. So hat es die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes in Frage gestellt (siehe unseren Artikel dazu).

Jetzt erkennt das Gericht zu Mainz erneut einen Rechtsbruch des BSG (S 3 KR 518/14 vom 04.05.2015 – nicht rechtskräftig).  Es geht um die Verweigerung der Aufwandspauschale wegen “fehlerhafter Datenübermittlung” und um die “sachlich-rechnerische Richtigkeit“.

Die Vorgeschichte

Seit 2007 steht die Aufwandspauschale, erst mit 100 € und später mit 300 €, im Gesetz (§ 275 Abs. 1c SGB V). Allerdings hat das Bundessozialgericht bereits 2010 geurteilt (B 1 KR 1/10 R vom 22.06.2010), dass diese Regelung nicht so umzusetzen sei.

Es dürfe nur “ausnahmsweise” zur Berechnung einer Aufwandspauschale kommen. Insbesondere sieht das BSG die Bezahlung einer Aufwandsentschädigung als ungerecht an, wenn das Krankenhaus durch falsche Abrechnungsdaten einen Anlass für die Prüfung gegeben haben soll. Dabei ist der Gesetzestext eindeutig anders formuliert!

Die “sachlich-rechnerische Richtigkeit” war ein Einfall des ersten Senats: Wenn die Kasse nur die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Rechnung prüft, gelten die Regeln des § 275 SGB V (z. B. 6-Wochen-Frist) nicht (B 1 KR 34/13 R vom 14.10.2014).

Mit “sachlich-rechnerisch” meint das BSG aber die Prüfung aller Daten gemäß § 301 SGB V ; dazu gehören z. B. Diagnosen, Prozeduren und Beatmungsdauer. Auch dieses Urteil ist nicht mit dem Gesetz im Einklang.

Wir kritisieren die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schon lange: Immer wieder werden neue Rechtsregeln ausgedacht, die die Krankenhäuser benachteiligen (hier eine Zusammenfassung).

SG Mainz

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Unter Juristen wird die Kritik in der Öffentlichkeit nicht deutlich ausgesprochen. Die Krankenhausgesellschaften heben manchmal die Augenbrauen und sprechen dann von “bemerkenswert”, “erstaunlich” oder “überraschend”.

Alle Juristen? Nein! In einer Landeshauptstadt und Karnevals-Hochburg am Main leistet eine Sozialgerichtskammer tapfer Widerstand.

Das ist sehr erfreulich, weil man sich als Leistungserbringer im Sozialsystem schon arg hilflos vorkommt, wenn sich sogar der Gesetzgeber vom höchsten Gericht immer wieder vorführen lässt. Ob es hilft wird sich zeigen, aber es ist gut zu wissen: Wir sind da draußen nicht alleine…

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Der Fall

Eigentlich war es einfach: Das Krankenhaus rechnete eine geriatrische Frührehabilitation ab. Die Kasse ließ die Abrechnung durch den SMD prüfen und dieser bestätigte die Rechnung als korrekt.

Das Problem entstand, als die Kasse die Bezahlung der Aufwandspauschale verweigerte. Es gab dafür zwei “Gründe”:

  1.  Das Krankenhaus hatte die Rehabilitationsmaßnahmen (nämlich die Frühreha) nicht gemäß § 301 SGB V gemeldet. Das klingt abstrus und das ist es auch. Die Kasse berief sich auf eins der weniger erfreulichen Urteile des BSG (siehe den Artikel dazu).
  2. Die Kasse habe lediglich die “sachlich-rechnerische Richtigkeit” geprüft: Es ging ja um eine Prozedur und nicht um die Verweildauer.

Es geht um eine Kasse, die bei den Krankenhäusern als besonders unkooperativ bekannt ist. Offensichtlich wurde hier versucht, sich mit fadenscheinigen Gründen aus der Zahlung von Aufwandspauschalen heraus zu winden.

Das Urteil

Sie haben es schon geahnt: Das SG Mainz gibt dem Krankenhaus Recht. Die Berufung wurde zugelassen; uns ist nicht bekannt, ob die Kasse den Fall beim LSG Rheinland-Pfalz anhängig gemacht hat. Also: Nicht rechtskräftig?

Die dritte Kammer macht Kleinholz aus einigen Rechtsauffassungen des Bundessozialgerichtes. “Erfrischend” nennt das die Landeskrankenhausgesellschaft RLP. Wir sagen dazu gar nichts; ein Zitat aus der Urteilsbegründung spricht für sich:
[quote style= “boxed” ] „Die Relativierung gesetzlich recht klarer Regelungen durch vom BSG selbst konstruierte Prinzipien und Billigkeitserwägungen führt zwangsläufig zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, bei denen nicht die Frage der materiellen Berechtigung von Vergütungsforderungen, sondern die Abwehr von Ansprüchen auf Grund tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlverhaltens der anderen Partei im Mittelpunkt steht.

Neben der “faktische(n) Eliminierung der Aufwandspauschale“ (Beyer, KH 2015, S. 323) durch gesetzeswidrige “einschränkende Auslegung“ hat das BSG beispielsweise auch durch die Kreation eines Beweisverwertungsverbots bei Überschreitung der SechsWochen-Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V (zuerst in BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Rn. 26 ff.). durch die Umgehung der vereinbarten Regelungen zur Fallzusammenführung bei „fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten” (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R; hiergegen: SG Mainz, Urteil vom 22.10.2014 – S 3 KR 438/12- Rn. 48 ff.), bei der freien Erfindung von Zeit- und Wertgrenzen zur Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R; BSG, Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 22/12; hiergegen: SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 645/13 – Rn. 87 ff.; kritisch auch Knispel, NZS 2014. S. 685 ff. und Schütz, jurisPR-SozR 21/2014 Anm. 2), zuletzt durch die Schaffung einer von § 275 Abs. 1c SGB V unabhängigen “Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit“ (s.o. unter III) wiederholt erhebliches Konfliktpotenzial hervorgerufen und Rechtsunsicherheit geschaffen.

Allen aufgeführten Entscheidungen ist gemeinsam, dass das BSG sie ohne gesetzliche Grundlage oder entgegen gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen getroffen hat.

Das vom BSG beschworene rücksichtsvolle Verhalten (BSG, Urteil vom 22.06.2010 – B 1 KR 1/10 R – Rn. 21) zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgem wird hierdurch nicht gefördert.[/quote]
Foto: © twayn81 – Fotolia

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