Die Zukunft der 6-Wochen-Frist

6-Wochen-FristDie Selbstverwaltungspartner wollen die 6-Wochen-Frist umsetzen. Jedenfalls wird sie in der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) sogar zweimal festgeschrieben. Das Bundessozialgericht möchte jedoch keinerlei Einschränkung der Handlungsfreiheit der Kassen hinnehmen. Zumindest urteilt es immer wieder, dass eine Krankenhausrechnung sinngemäß erst fällig wird, wenn die Kasse keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rechnung hat. Dabei spielt es kaum eine Rolle, wann der Kasse diese Zweifel einfallen.

6-Wochen-Frist
Der Begriff “6-Wochen-Frist” bezieht sich auf eine Formulierung in § 275 SGB V (Abs. 1c). Krankenkassen haben demnach nach der Rechnungslegung sechs Wochen Zeit, eine Fallprüfung durch den MDK einzuleiten. Ab dem 01.01.2015 soll das auch für so genannte “Vorverfahren” ohne Beteiligung des MDK gelten.

6-Wochen-Frist gilt nichts beim BSG

Es scheint, dass den obersten Richtern immer etwas einfällt, wenn es darum geht, die 6-Wochen-Frist auszuhebeln. Manchmal ist der Aufnahmegrund nicht ausreichend erläutert (einige Urteile des 3. Senats), manchmal ist eine Bestrahlungsbehandlung der Kasse nicht ausreichend begründet worden (1. Senat aus November 2013). Es kann auch sein, dass die Interpretation der Kodierrichtlinien nicht bei der Abrechnung dargelegt wurde (1. Senat Juli 2014), oder, wie jetzt veröffentlicht wurde, die Rehabilitationsmaßnahmen nicht aufgelistet. wurden (B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Misstrauen als Prinzip

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Das BSG betont in den genannten Urteilen, das Krankenhaus habe die Pflicht, Krankenkassen das erforderliche Vertrauen zur Rechnung, einzuflößen. Will heißen: Krankenkassen müssen einer Rechnung des Krankenhauses grundsätzlich misstrauen, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Das Gericht geht sogar so weit, eine grundsätzliche Täuschung und Irreführung anzunehmen, der es vorzubeugen gilt.

Eine eigentümliche Art mit einer Rechnung umzugehen in einer Welt, in der nur Pedanten im Supermarkt ihre Kassenbons nachrechnen. Man bedenke auch, dass der erste Senat gerne die “gegenseitige Rücksichtsnahme” (z. B. B 1 KR 1/10 R) und das Prinzip “Treu und Glauben” (z. B. B 1 KR 48/12 R) ins Feld führt, wenn es um den Umgang zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern geht. Allerdings ausschließlich dann, wenn Krankenhäuser zurecht gewiesen werden sollen.

Anscheinend hängen auch Bundesrichter am Fliegenfänger der GKV-Spitzenverbände: Die jahrelange Pressekampagne (“Krankenhäuser sind Betrüger”) ist wohl nicht unbemerkt an Kassel vorbei gegangen. Eine differenzierte Sichtweise dieser Thematik ohne Polemik gelingt nur wenigen. Die obersten Sozialrichter gehören offenbar nicht dazu.

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Sinnfreie Abrechnungsprüfungen

Zu einer solchen mehr objektiven Betrachtung gehört die Einsicht, dass Kodierungsprüfer nicht zuverlässig in der Lage sind, “korrekt” von “falsch” zu unterscheiden. Zum Beispiel kommen zwei verschiedene MDK-Gutachter, die den gleichen Fall begutachten, in 30% der Fälle zu einer unterschiedliche DRG als “richtige” Abrechnung¹. Wer will jetzt behaupten, es gäbe eine “endgültige Wahrheit”, wenn es um die Fallkodierung geht? Naja, außer den Richtern in Kassel, meine ich natürlich.

Und dann reden wir noch nicht mal über die “medizinische Notwendigkeit“, die bekanntlich deutlich häufiger als die korrekte Kodierung geprüft wird. Bei den Einsichten über Notwendigkeit handelt es sich erst recht um eine Ermessenssache ohne Anspruch auf Absolutheit. Dennoch wird vom obersten Sozialgericht mit der Notwendigkeit verfahren, als ob man hier zu jeder Zeit in der Lage wäre, ein klares “Ja” oder “Nein” zuzuordnen.

6-Wochen-Frist: Die Zukunft

Ab dem 01.01.2015 wird die Prüfverfahrensvereinbarung angewendet. In ihr ist die 6-Wochen-Frist erneut verankert. Dennoch steht zu befürchten, dass diese Entwicklung bei Gericht keine Rolle spielen wird: Die grundsätzliche Lage ändert sich dadurch nicht. Außerdem hat sich die Gerichtsbarkeit als relativ stur erwiesen, wenn es um die Berücksichtigung von Abmachungen auf der Ebene der Selbstverwaltung geht.

Die Anforderungen, die das BSG an die Rechnungslegung stellt, sind eigentlich nicht erfüllbar. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Die Krankenhäuser tun aber gut daran, sich langsam die Welt, wie das BSG sie sieht, anzuschauen. Immer wieder verweisen die Richter auf § 301 SGB V, ohne die Verträge dazu (Datenträgeraustausch, Converter usw.) zur Kenntnis zu nehmen (s. unten).

Die meisten Informationen bereiten keine Probleme. Aus den folgenden Angaben wurden in der Vergangenheit schon richterliche Stricke gedreht:

  1. Grund der Aufnahme (hier reicht wohl nicht “Vollstationär” und “Notfall”)
  2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (hier : Frührehabilitation)

Empfehlungen

Damit in Zukunft die Ausschlussfristen des neuen Prüfverfahrens tatsächlich zu laufen beginnen, sollten die Krankenhäuser auf die oben genannten zwei Problempunkte blicken. Der Kasse diese Informationen grundsätzlich mitzuliefern, wäre eine denkbare Strategie. Tun wir es nicht, dann sind alle vereinbarten Fristen wohl Makulatur, weil das Bundessozialgericht sie zur gegebenen Zeit alle kassieren wird (wenn sie der Kasse zum Nachteile gereichen, zumindest).

Solche zusätzlichen Informationen sind maschinell verwertbar auf Datenträgern (z. B. pdf) zu liefern (§ 301). Praktisch wäre die folgende Strategie:

  1. Bei Aufnahmen für Prozeduren, die im AOP-Katalog stehen, der Kasse  grundsätzlich eine Begründung zuschicken.
  2. Bei frührehabilitativen Komplexbehandlungen den Therapieplan mitliefern.

Vermutlich sind wir dadurch nicht gegen richterliche Willkür geschützt, aber es ist ein Anfang. Außerdem dürfte man damit das Problem auch zu den Kassen tragen, die sich bis jetzt entspannt zurücklehnen können. Ein Bisschen mehr Bürokratie kann vielleicht helfen, dass sich die Kassenseite auch überlegt, wie man aus dem Schlamassel wieder heraus kommt…

Informationspflicht n. § 301

  1. die Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 sowie das krankenhausinterne Kennzeichen des Versicherten,
  2. das Institutionskennzeichen des Krankenhauses und der Krankenkasse,
  3. den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
  4. bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung die Arztnummer des einweisenden Arztes, bei Verlegung das Institutionskennzeichen des veranlassenden Krankenhauses, bei Notfallaufnahme die die Aufnahme veranlassende Stelle,
  5. die Bezeichnung der aufnehmenden Fachabteilung, bei Verlegung die der weiterbehandelnden Fachabteilungen,
  6. Datum und Art der im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren,
  7. den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der Verlegung, bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution, bei Entlassung oder Verlegung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen,
  8. Angaben über die im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzenden Leistungen sowie Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,
  9. die nach den §§ 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte.
¹ Huber e.a., Qualitätssicherung in der Kodierungsbegutachtung von Krankenhausfällen im G-DRG-System. Prüfung der Interrater-Reliabilität bei MDK-Gutachtern, Gesundheitswesen 2012, 74 645-650. Zitiert nach Fiori, Der Schlichtungsausschuss Bund. Ein neuer Protagonist im DRG-System, Vortrag Berlin August 2014.

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