Ergänzungen und Nachträge zur Behandlungsakte

Ergänzungen der Behandlungsakte

© yupiramos

Die Krankenhausabrechnung wird nicht selten durch eine fehlende Dokumentation verzögert; Arztbrief oder OP-Bericht wird manchmal mit erheblicher Verspätung erstellt. Bei negativen Gutachten des MDK werden manchmal Ergänzungen der Behandlungsakte in Form von Stellungnahmen und zusätzlicher Dokumentation vorgenommen.

Das Bundessozialgericht hat gerade wieder ein Urteil zu der zeitnahen Dokumentation gesprochen. Wie ist eigentlich die Gesetzeslage und die Rechtsprechung in solchen Fällen? Was ist erlaubt und was ist sinnvoll?

Ergänzungen: Das BSG urteilt

Das BSG hat gerade eine nachträglichen Ergänzung einer Behandlungsakte bestätigt (B 1 KR 33/18 R vom 19.11.2019). Es ging bei der Fallprüfung um die Kodierung einer lokalen Lappenplastik (5-903.5e) in einem recht alten Fall (2012). Der MDK strich den OPS, weil im OP-Bericht keine Wundrandmobilisation dokumentiert war.

Daraufhin lieferte das Krankenhaus einen neuen OP-Bericht, der um die Erbringung einer Wundrandmobilisation ergänzt war. Die Beschreibung dieses Schrittes war vergessen worden. Das SG Oldenburg akzeptierte diese Ergänzungen nicht, aber in der zweiten Instanz sah das LSG Niedersachsen-Bremen die Voraussetzungen für die Kodierung einer Lappenplastik als erfüllt an. Beim BSG wird die Sicht des LSG bestätigt. Der Kode bleibt stehen und die Kasse hat keinen Anspruch auf den Streitwert von 868 €.

Die Rechtslage

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In der Urteilsbegründung wird auf eine Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Bezug genommen.

§ 630f Dokumentation der Behandlung

  1. Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
  2. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
  3.  …

Tatsächlich ist das BGB zu Rate zu ziehen, wenn das SGB V keine Regelung getroffen hat: § 69 SGB V sieht das seit dem Jahr 2000 so vor. Allerdings hat das Bundessozialgericht diese Regel in der Vergangenheit ignoriert: Für die Verjährung von Krankenhausrechnungen wurde beispielsweise bis 2019 eine gesetzeswidrige 4-jährige Frist angenommen: Im SGB V wird keine solche Frist genannt.

Das BGB sieht eine 3-jährige Verjährung vor (§ 195). Die 4-jährige Frist wurde u. a. aus dem SGB I übernommen (§ 45 SGB I befasst sich mit der Verjährung von Sozialleistungen). Das hat das BSG immer als “ungeschriebenes allgemeines Rechtsprinzip” gesehen. Das darf man also als eine Regelung “Kraft der richterlichen Willkür” übersetzen. Sie wurde aber vom BSG hartnäckig beibehalten.

Wenn es um die Dokumentation der Behandlung geht, ist das BSG weniger eigenwillig und möchte sich an das BGB orientieren. Es gilt also:

  1. Eine Dokumentation der Behandlung ist gesetzlich vorgeschrieben.
  2. Die Dokumentation hat zeitnah zur Behandlung zu erfolgen.
  3. Spätere Berichtigungen und Änderungen müssen als solche erkennbar sein.

Darüber hinaus ist die Dokumentationspflicht des Arztes auch in § 10 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) begründet. Dort steht allerdings nichts über den zeitlichen Zusammenhang.

Die Dokumentationspflicht eines Arztes ist bindend. Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat z. B. die Entlassung eines Oberarztes wegen der Weigerung, OPS-Kodes zu kodieren, für rechtens erklärt (LAG Sachsen 2 Sa 56/10 vom 01.12.2010).

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Sind spätere Ergänzungen dadurch verboten?

Wie der oben geschilderte Fall zeigt, sind Ergänzungen nicht verboten, das beschreibt der 1. Senat in seiner Urteilsbegründung:

Unterlagen, die das Krankenhaus der Kasse in der Diskussion vor dem Gerichtsverfahren vorgelegt hat, sind von den Gerichten bei der Ermittlung zu verwerten. Allerdings haben die Gerichte auf einen “plausiblen Kontext” zu achten. Dazu können die Gerichte beispielsweise behandelnden Ärzte und die Patienten vernehmen.

Das BSG bestätigt, dass das LSG Niedersachsen-Bremen seine Ermittlungsarbeit ordentlich gemacht hat. Dann ist das BSG, das als letzte Instanz ohne eigene Beweiserhebung arbeitet, an das Ergebnis des LSG gebunden.

Fazit

  • Zeitnahe Dokumentation

    Die Dokumentation einer Krankenbehandlung in der Akte muss laut Gesetz in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung erfolgen. Die verspätete Erstellung von OP-Berichten und Entlassbriefen ist daher nicht nur lästig, sondern auch gesetzwidrig. Ein Bericht, der erst mehrere Monate nach der Behandlung verfasst wird, kann nicht mehr genau sein, weil die Erinnerung selbstverständlich verblasst. Daher ist die Beweiskraft solcher Berichte im Haftungsfall kritisch zu sehen!

  • Ergänzungen sind erlaubt

    Stellungnahmen und Ergänzungen der Akte, zum Beispiel nach negativem Gutachten des MDK, müssen als solche klar erkennbar sein (Datum und Verfasser).

  • "Plausibler Kontext"

    Solche Wortmeldungen sind uneingeschränkt zu verwerten, wenn sie die vorhandene Dokumentation erläutern. Zum Beispiel: Wenn ein unleserlicher Eintrag vom Verfasser “übersetzt” wird, muss der Inhalt auch zur Kenntnis genommen werden! Wenn allerdings neue Tatsachen dargestellt werden, die in der restlichen Akte nirgends unterstützt werden, ist die Glaubwürdigkeit der Stellungnahme in Frage gestellt.

    Diese ergänzende Dokumentation wird sicherlich auch Teil der “Erörterung” werden, die das MDK-Reformgesetz vor einer Klage von uns verlangt. Wenn die Selbstverwaltung das Verfahren geregelt hat (voraussichtlich im kommenden Juni), werden wir berichten.

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