Hybrid-DRG: Besser als ihr Ruf?

Hybrid-DRG waren schon lange Zeit in aller Munde, die wenigsten wussten jedoch, was damit genau gemeint war. Das ist jetzt klarer geworden, wir geben einen ersten Abriss der wichtigsten Inhalte.

Rechtsverordnung ≠ Gesetz

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es sich um einen Referentenentwurf einer Verordnung und nicht den eines Gesetzes handelt. Die formal juristischen Konsequenzen sind dabei weniger interessant. Für uns ist wichtig, dass der Ablauf, bis Inkrafttreten viel einfacher ist als bei Gesetzen.

Das bedeutet praktisch, dass die Sache schnell ernst werden könnte und dass weniger inhaltliche Anpassungen nötig sein dürften. Im Entwurf ist vorgesehen, dass die Verordnung am 01.01.2024 in Kraft treten soll. Das könnte sogar klappen…

Allerdings ist die Umsetzung durch die Selbstverwaltung, InEK, KIS-Anbieter und anderen Player voraussichtlich zeitaufwendig. Es müssen viele Voraussetzungen geschaffen werden, um die neue DRG abrechnen und deren Abrechnung prüfen zu können. Daher wagen wir mal eine vorsichtige Schätzung: In der zweiten Jahreshälfte 2024 dürfte ernsthaft etwas passieren.

Was ist eine Hybrid-DRG?

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Natürlich ist alles im Referentenentwurf beschrieben. Den Volltext finden Sie hier. Das Ganze in Stichworten:

  • Ambulantes Potential

    Es werden zukünftig ausschließlich Leistungen mit ambulantem Potential mit Hybrid-DRG abgerechnet. Der Anfang wird mit einigen wenigen Indikationen gemacht.

  • Neue DRG

    Der inzwischen allseits bekannte DRG-Katalog wird um eine Reihe von neuen DRG erweitert. Diese haben als Endbuchstabe “N” oder “M”, was sie als Hybrid-DRG kennzeichnet. Diese neue DRG passen thematisch zu den “herkömmlichen” DRG für den betreffenden Eingriff. So wird zum Beispiel bei unkomplizierten Hernien-OPs statt G24C die G24M abgerechnet. Bei schweren CC oder beidseitigem Eingriff kommt statt G24B die G24N zur Abrechnung.

  • Fester Eurobetrag

    Die Hybrid-DRG werden nicht mit Relativgewichten ausgestattet, sondern mit festen Eurobeträgen – wie die Zusatzentgelte auch – abgerechnet. Dadurch ist es möglich, auch anderen Anbietern, wie Vertragsärzte, MVZ und Belegärzte die Abrechnung genau der gleichen Summe anzubieten.

    Diese Summe ist mehr, als derzeit im AOP-verfahren nach EBM erlöst werden kann. Das macht ambulante Operieren also attraktiver. Die Vergütung ist aber deutlich weniger, als mit einer stationären DRG mit einem Belegungstag abgerechnet werden kann. Da ist ambulantes Operieren dann doch nicht so attraktiv.

    G24C (1 Tag): ca. 2.236,40 € <-> G24M: 1.653,41 €  (Differenz 583 €)

    G24B (1 Tag): ca. 2.580,46 € <-> G24N: 1.965,05 €  (Differenz 615 €)

  • Ambulant oder stationär? Egal!

    Die Vergütung soll unabhängig von der Versorgungsform (nahezu) identisch sein. Es bleibt also dem Krankenhaus überlassen, ob es ambulante Strukturen schafft oder nicht.

  • Zusatzkosten und Zusatzentgelte fallen weg

    Die Berechnung von zusätzlichen Kosten (vor allem im niedergelassenen Bereich ein Thema) oder Zusatzentgelten ist ausgeschlossen. Die Pauschale ist eben pauschal. Zwei Ausnahmen:

    1. ZE für Dialyse
    2. ZE für Bluter
  • Pflegeerlöse

    Im scheinbaren Widerspruch zur Aussage “ambulant und stationär werden gleich vergütet” ist die Feststellung, dass die Pflegeerlöse dennoch zusätzlich berechnet werden sollen. Der Verfasser ist verwirrt! Bekommen die Hybrid-DRG dann doch noch ein Pflege-Relativgewicht?

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Welche Eingriffe landen in die Hybrid-DRG?

Einerseits ist die Anzahl Eingriffe vorerst begrenzt. Es geht um die folgenden Themen:

  • Leisten- und Bauchwandhernien
  • Entfernung von Harnleitersteinen
  • Kleinere Eingriffe am inneren Genital der Frau
  • Vorfußoperationen
  • Operation eines Sinus pilonidalis

Die genauen Eingriffskodes (OPS) sind im Entwurf abschließend aufgelistet. Dabei handelt es sich überraschenderweise in der Mehrheit um OPS, die (noch) nicht im AOP-Katalog vorkommen. Etwas kompliziertere Varianten der Eingriffe werden bis jetzt ausgelassen. Zum Beispiel Operationen am Sinus pilonidalis mit plastischer Deckung.

Ein zweiter Aspekt ist die Frage, ob es Kriterien gibt, die die Abrechnung als Hybrid-DRG verhindern, so dass die “herkömmliche” DRG abgerechnet werden muss. Die Antwort findet man zukünftig im Definitionshandbuch von InEK. Die Entwürfe dafür sind für Normalsterbliche nicht zugänglich, also bleibt es bei Rätseln. Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass das Vorliegen von “Kontextfaktoren” dabei eine Rolle spielen könnte. Allerdings dürfte das schwer im Definitionshandbuch abbildbar sein.

Wir werden sehen…

Was sind die Folgen?

  • Keine Wahlfreiheit

    Wenn der Grouper uns eine DRG vorgibt, können wir nur diese abrechnen. Das Krankenhaus kann nicht mehr entscheiden, ob es den Fall ambulant (AOP, nach EBM) abrechnet, oder stationär. Wir landen also ggf. zwangsweise in die Hybrid-DRG.

  • Finanzieller Anreiz für ambulant

    Zum ersten Mal in der Geschichte der stationären Krankenhausabrechnung gibt es einen echten finanziellen Anreiz, Leistungen möglichst effizient ambulant abzurechnen. Das Krankenhaus wird nicht mehr mit kräftigen Erlösverlusten für die ambulante Erbringung bestraft.

  • Verweildauer kürzen!

    Auch wenn das Krankenhaus noch gar nicht auf schlanke ambulante Leistungserbringung eingerichtet ist, sollten Patienten in der Hybrid-DRG möglichst früh (Aufnahmetag?) nach Hause geschickt werden. Damit kommen wir endlich in die Richtung, die europa- und weltweit schon längst etabliert ist.

  • Konkurrenz wird zunehmen

    Da sich Vertragsärzte und MVZ mit einer deutlich verbesserten Vergütungssituation konfrontiert sehen, entsteht auch für diese Leistungserbringer ein Anreiz, solche Eingriffe mehr anzubieten. Das kann zu Lasten der Krankenhäuser gehen!

  • Ambulante Strukturen ausbauen

    Für die Krankenhäuser ist das Gebot der Stunde, die ambulanten Strukturen (eigene OPs, Überwachungsräume und vieles mehr) forciert auszubauen. Wo man früher aus Erlösgründen auf der Bremse stand, sollte jetzt Gas gegeben werden!

Fazit

Die Hybrid-DRG kommen, und zwar schneller als viele ahnen. Die gute Nachricht ist, dass die Vergütung nicht so schlecht sein wird, wie im AOP-Verfahren üblich ist. Die schlechte Nachricht ist, dass Krankenhäuser keine Wahlfreiheit mehr haben werden und jetzt ins Tiefe geschmissen werden.

In der Summe sind jetzt endlich Bedingungen geschaffen, die eine nahezu gleiche Vergütung für die ambulante und stationäre Erbringung gewisser Leistungen vorgeben. Jetzt können Krankenhäuser zeigen, wozu sie in der Lage sind, wenn es um eine qualifizierte und hochwertige ambulante Leitungserbringung geht. Die Jagd wird gerade angeblasen!

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