Verwirkung und Verjährung

Verwirkung gibt es nicht

Das Bundessozialgericht hat gestern einige Fälle aus dem Bereich Kranken­haus­leistungs­recht abgeurteilt (siehe unsere Ankündigung). Zwei davon befassten sich mit “späten Reaktionen” und mit der Frage der Ver­wirkung (B 1 KR 10/15 R und B 1 KR 7/15 R). Überraschend waren die Ergebnisse nicht: Die einzige Zeitgrenze, die das oberste Sozialgericht anerkennt, ist die Verjährung.

Die Fälle

Im ersten Fall (B 1 KR 10/15 R) ging es um die Frage der Notwendigkeit der stationären Aufnahme. Eine Ent­zün­dung der Ohrmuschel hätte auch ambulant behandelt werden können, so meinte die Kasse. Da an­scheinend der MDK nicht eingeschaltet wurde, verweigerte die Klinik eine Diskussion über den Fall und es kam zur Klage. Die plausible Begründung für die stationäre Behandlung lieferte das Krankenhaus dann in der Klage­schrift.

Das LSG Hessen sah die Rechte des Krankenhauses damit als verwirkt an und strich die Vergütung komplett. Zur Begründung verwiesen die Richter auf die Mit­teilungs­pflicht nach § 301 SGB V. Das Krankenhaus hätte in der Aufnahmeanzeige den Aufnahmegrund mitteilen müssen. Jetzt kassiert der erste Senat dieses Urteil und das Krankenhaus bekommt sein Geld dann doch. Allerdings sei die Rechnung erst mit dem Einreichen der Klageschrift fällig geworden, so das oberste Gericht.

Der zweite Fall (B 1 KR 7/15 R) ging zu Gunsten der Kasse aus. Hier ging es um eine Unterlage (alter Entlassbrief) die der Kasse eher zufällig in die Hände fiel. Aufgrund dieser Information wurde ein Fall noch Jahre nach der Rech­nungs­legung zum Thema einer Fehl­belegungs­prüfung. Das Krankenhaus setzte auf Verwirkung aufgrund der Sechs-Wochen-Frist, die hier sicherlich nicht eingehalten wurde. Damit stieß die Klinik gestern in Kassel jedoch nicht auf Verständnis: Die Kasse bekommt das Geld zurück.

Das BSG und die Verwirkung

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Der erste Senat hat schon in der Ver­gangen­heit die Grundsätze ihrer Rechts­auf­fas­sung in Sachen Verwirkung und Verjährung zu Pro­to­koll gegeben. Zuletzt ist das das Urteil vom 01.07.2014 (B 1 KR 48/12 R) zu nennen. Dabei wurde die Sechs-Wochen-Frist (§ 275 SGB V) von den Bundes­richtern schon seit Jahren sys­te­ma­tisch ausgehöhlt und ad absurdum geführt.

Kernpunkt dabei ist immer wieder die Mit­teilungs­pflicht des Krankenhauses. Nicht nur der Aufnahme­grund soll in einem Umfang erläutert werden, die von der Kranken­versi­cherung niemals gefordert wurde,  sondern sogar die “Auslegung der Abrech­nungs­vor­schrif­ten” soll das Krankenhaus bei Rech­nungs­le­gung erschöpfend erklären (B 1 KR 14/12 R).

Der Tenor der Sozial­recht­sprechung in Sachen Kranken­haus­leis­tungen geht in den ver­gange­nen Jahren immer mehr in die Richtung der Schaffung eines eigenen Rechts­sytems, das sich mit dem Sozial­gesetz nicht immer deckt. “Richter­recht” eben.

Das erst­ge­nannte Urteil ist jedoch mit der Gesetzes­lage konform: Es gibt keine gesetzliche Frist für das Bei­bringen eines Argumentes, außer der Ver­jäh­rung. Das anders lautende Urteil des LSG Hessen überrascht und dessen Aufhebung ist folge­richtig. Schon im März 2013 kassierte der dritte Senat ein ähnliches Urteil des LSG Nie­der­sach­sen (L 4 KR 15/10 vom 18. Juli 2012).

Allerdings ist der immer wieder ge­bets­mühlen­ar­tig auftauchende Verweis des BSG auf die kurze vierjährige Verjährung, neben der eine Ver­wir­kung nicht passen würde, kritisch zu sehen. Im Grunde ist diese Verjährungsfrist ebenfalls nicht gesetzeskonform. Für weitere Aus­füh­rungen zur Ver­jäh­rung von Kranken­haus­rech­nungen lesen Sie bitte unseren ent­sprechen­den Artikel.

Foto: © Jörg Lantelme – Fotolia

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