2006-D002d Hauptdiagnose
Kleine Änderungen der Version: 2013 (Inhalt verteilt auf D002f und D015l), 2012, 2010, sowie in diesem Jahr
Änderungen der Ursprungsversion: 2007, 2005, 2004
Ursprüngliche Version dieser Kodierrichtlinie: 2003
D002d Hauptdiagnose
Die Hauptdiagnose wird definiert als:
„Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”
Der Begriff „nach Analyse” bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlicher Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen.
Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.
Anmerkung 1: Es ist nicht auszuschließen, dass diese Definition der Hauptdiagnose vereinzelt im DRG-System keine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung erlaubt. Im Rahmen der Entwicklung und Pflege des Entgeltsystems werden solche Fälle verfolgt und auf ggf. notwendige Maßnahmen geprüft.
Beispiel 1
Ein Patient litt am Morgen unter starkem Thoraxschmerz, wurde nach der Untersuchung durch den Notarzt per RTW zum Krankenhaus transportiert und dort in der Notambulanz untersucht. Anschließend wurde der Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt auf die kardiologische Station aufgenommen. Im weiteren Verlauf bestätigte sich der Herzinfarkt.
Während des stationären Aufenthaltes wurden bis zur Entlassung folgende Diagnosen gestellt:
- Diabetes mellitus
- Koronarsklerose
- Myokardinfarkt
Entscheidend für die Auswahl der Hauptdiagnose sind die Umstände der Aufnahme. Somit ist der Myokardinfarkt die Hauptdiagnose, weil dieser die Aufnahme hauptsächlich veranlasste.
Bei der Festlegung der Hauptdiagnose haben die vorliegenden Kodierrichtlinien Vorrang vor allen anderen Richtlinien. Die Hinweise zur Verschlüsselung mit den ICD-10-Verzeichnissen müssen beachtet werden (s.a. DKR D013 Im Systematischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen und DKR D014 Im Alphabetischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen).
Zuweisung der zugrunde liegenden Krankheit als Hauptdiagnose
Beispiel 2
Ein Patient wird zur Behandlung zunehmend starker Kopfschmerzen aufgenommen, die durch einen drei Monate vorher diagnostizierten Hirntumor hervorgerufen werden. Der Patient wird wegen Progression des Hirntumors operiert.
Hauptdiagnose: | Hirntumor |
Nebendiagnose(n): | keine |
Beispiel 3
Ein Patient wird mit akuten rechtseitigen Schmerzen im Unterbauch, Fieber und Unwohlsein stationär aufgenommen. Unter der klinischen Diagnose akute Appendizitis erfolgt eine Appendektomie.
Hauptdiagnose: | Akute Appendizitis |
Nebendiagnose(n): | keine |
Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose
Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren.
Beispiel 4
Ein Patient wird mit Aszites bei bekannter Leberzirrhose stationär aufgenommen. Es wird nur der Aszites durch eine Punktion behandelt.
Hauptdiagnose: | Aszites |
Nebendiagnose(n): | Leberzirrhose |
Anmerkung: Für weitere Informationen bezüglich der Auswahl der Hauptdiagnose in besonderen Fällen sind die folgenden allgemeinen Regeln und die Regeln der spezifischen Kapitel zu benutzen. Insbesondere für geburtshilfliche Aufnahmen (s.a. DKR 1506 Spontane vaginale Entbindung eines Einlings) und Aufnahmen zur Dialyse (s.a. DKR 1401 Dialyse) gibt es spezielle Kodierrichtlinien für die Auswahl der Hauptdiagnose.
Schlüsselnummern für Symptome, Befunde und ungenau bezeichnete Zustände
Schlüsselnummern für Symptome, Befunde und ungenau bezeichnete Zustände aus Kapitel XVIII Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind sind nicht als Hauptdiagnose zu verwenden, sobald eine die Symptomatik, etc. erklärende definitive Diagnose ermittelt wurde.
Die Anmerkungen zu Beginn von Kapitel XVIII in der ICD-10-GM helfen bei der Bestimmung, wann Schlüsselnummern aus den Kategorien R00–R99 dennoch angegeben werden.
Zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechen
Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht.
Schlüsselnummern aus Z03.0 bis Z03.9
Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen
Schlüsselnummern aus Z03.0 bis Z03.9 werden ausschließlich dann als Hauptdiagnose für die Abklärung des Gesundheitszustandes des Patienten zugeordnet, wenn es Hinweise auf die Existenz eines abnormen Zustandes, auf die Folge eines Unfalls oder eines anderen Ereignisses mit typischerweise nachfolgenden Gesundheitsproblemen gibt und sich der Krankheitsverdacht nicht bestätigt und eine Behandlung derzeit nicht erforderlich ist.
Beispiel 5
Ein Kleinkind wird von der Mutter mit einer leeren Tablettenschachtel gefunden. Der Verbleib des Inhaltes ist unklar. Bei dem Kind bestehen keine Symptome, es wird aber zur Beobachtung wegen des Verdachtes einer Medikamenteningestion stationär aufgenommen.
Im Verlauf zeigte sich kein Anhalt für eine Tabletteningestion.
Hauptdiagnose: | Z03.6 | Beobachtung bei Verdacht auf toxische Wirkung von aufgenommenen Substanzen |
Nebendiagnose(n): | keine |
Können für die Hauptdiagnose spezifischere Schlüsselnummern angegeben werden, haben diese Vorrang vor einer Schlüsselnummer aus der Kategorie Z03.– Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen. Wenn ein Symptom, das mit der Verdachtsdiagnose im Zusammenhang steht, vorliegt, wird die Symptom-Schlüsselnummer als Hauptdiagnose zugewiesen, nicht ein Kode aus der Kategorie Z03.– Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen (s.a. DKR D008 Verdachtsdiagnosen).
Wenn zwei oder mehrere Befunde/Symptome bei der Beobachtung des Verdachtsfalles für die Hauptdiagnose in Frage kommen, so ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat.
Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen
Kodes für die spezifische Verschlüsselung von Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen finden sich beispielsweise in den folgenden Kategorien:
Tabelle 1
E89.– | Endokrine und Stoffwechselstörungen nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
G97.– | Krankheiten des Nervensystems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
H59.– | Affektionen des Auges und der Augenanhangsgebilde nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
H95.– | Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
I97.– | Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
J95.– | Krankheiten der Atemwege nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
K91.– | Krankheiten des Verdauungssystem nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
M96.– | Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
N99.– | Krankheiten des Urogenitalsystems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert |
Diese Kodes sind nur dann als Hauptdiagnose zu verschlüsseln, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiert oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM Version 2008 ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für die Kategorien T80–T88 Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert. Die Kodes aus Tabelle 1 sind Kodes aus T80–T88 vorzuziehen, soweit letztere die Erkrankung bzw. Störung nicht spezifischer beschreiben.
Beispiel 6
Ein Patient wird wegen einer Hypothyreose nach Thyreoidektomie vor einem Jahr stationär aufgenommen.
Hauptdiagnose: | E89.0 | Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen |
Beispiel 7
Ein Herzschrittmacherträger wird wegen einer Elektrodendislokation stationär aufgenommen.
Hauptdiagnose: | T82.1 | Mechanische Komplikation durch ein kardiales elektronisches Gerät |
Anmerkung: I97.8 Sonstige Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen anderenorts nicht klassifiziert ist nicht als Hauptdiagnose zu verschlüsseln, da der Kode T82.1 Mechanische Komplikation durch ein kardiales elektronisches Gerät (samt seiner Inklusiva) spezifisch die Art der Störung beschreibt.
Beispiel 8
Ein Patient wird nach vorangegangener Behandlung einer Fersenbeinfraktur nun wegen einer tiefen Beinvenenthrombose stationär aufgenommen.
Hauptdiagnose: | I80.2 | Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremität |
Anmerkung: I97.8 Sonstige Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen anderenorts nicht klassifiziert ist nicht als Hauptdiagnose zu verschlüsseln, da der Kode I80.2 Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremität spezifisch die Art der Kreislaufkomplikation beschreibt.
Interne Verlegungen zwischen Abteilungen nach BPflV und KHEntgG
Bei Krankenhaus-internen Verlegungen von Patienten zwischen Abteilungen, die nach Bundespflegesatzverordnung (BPflV) abrechnen (z.B. Psychiatrie), und Abteilungen, die nach Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) abrechnen, sind folgende Regeln zu beachten:
-
Jede Abteilung dokumentiert und kodiert nach den für sie gültigen Regeln.
-
Wird ein Patient erstmalig intern in eine Abteilung nach KHEntgG verlegt, so ist die Hauptdiagnosendefinition auf die Symptome/Diagnosen anzuwenden, die hauptsächlich für die Veranlassung des Aufenthaltes in dieser Abteilung verantwortlich sind (siehe Beispiel 9).
-
Wird ein Patient mehrfach intern zwischen Abteilungen nach KHEntgG und BPflV verlegt, so gilt für die Auswahl der Hauptdiagnose aus den Diagnosen der Abteilungen nach KHEntgG die analoge Regelung wie sie für Rückverlegungen aus anderen Krankenhäusern (siehe unten) gilt.
Beispiel 9
Ein Patient wird wegen einer Schizophrenie in die Psychiatrie aufgenommen. Während des stationären Verlaufs entwickelt der Patient ein akutes Abdomen. Nach Verlegung in die Chirurgie findet sich dort als Ursache für die Symptomatik eine akute Cholezystitis. Die Schizophrenie wird weiterbehandelt.
Psychiatrie (BPflV) | |
Hauptdiagnose: | Schizophrenie |
Nebendiagnose(n): | Akutes Abdomen |
Chirurgie (KHEntgG) | |
Hauptdiagnose: | Akute Cholezystitis |
Nebendiagnose(n): | Schizophrenie |
Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus
In allen Fällen einer Zusammenfassung von Falldaten zu einem Fall und einer Neueinstufung in eine Fallpauschale ist folgendes zu beachten:
-
Sofern beide Aufenthalte gemäß Abrechnungsbestimmungen (Näheres siehe dort) mittels einer Fallpauschale (DRG) abgerechnet werden, werden die Symptome/Diagnosen und Prozeduren beider Aufenthalte zusammen betrachtet. Auf diese Symptome/Diagnosen ist die Hauptdiagnosendefinition anzuwenden.
Rückverlegungen aus anderen Krankenhäusern
Bei Rückverlegungen aus anderen Krankenhäusern (z.B. KH A –> KH B –> KH A) ist folgendes zu beachten:
-
Sofern beide Aufenthalte in KH A gemäß Abrechnungsbestimmungen (Näheres siehe dort) mittels einer Fallpauschale (DRG) abgerechnet werden, werden die Symptome/ Diagnosen und Prozeduren beider Aufenthalte zusammen betrachtet. Auf diese Symptome/Diagnosen ist die Hauptdiagnosendefinition anzuwenden.
Beispiel 10
Ein Patient mit atherosklerotischer Herzkrankheit wird mit instabiler Angina pectoris in Krankenhaus A aufgenommen. Zur weiteren Diagnostik und Therapie wird er in das Krankenhaus B verlegt. Bei den dortigen Untersuchungen findet sich ein Herzinfarkt. Der Patient wird anschließend durch eine Koronarbypassanlage versorgt. In stabilem Zustand wird er in das Krankenhaus A rückverlegt.
Krankenhaus A: 1. Aufenthalt | |
Hauptdiagnose: | Instabile Angina pectoris |
Nebendiagnose(n): | Atherosklerotische Herzkrankheit |
Krankenhaus B: | |
Hauptdiagnose: | Myokardinfarkt |
Nebendiagnose(n): | Atherosklerotische Herzkrankheit |
Krankenhaus A: 2. Aufenthalt | |
Hauptdiagnose: | Myokardinfarkt |
Nebendiagnose(n): | Atherosklerotische Herzkrankheit Vorhandensein eines aortokoronaren Bypasses |
Nach Rückverlegung des Patienten werden im Krankenhaus A die Diagnosen aus dem 1. und 2. Aufenthalt betrachtet, um die Haupt- und Nebendiagnosen zu bestimmen. Gemäß DKR 0901 Ischämische Herzkrankheit wird eine instabile Angina pectoris bei Vorliegen eines Herzinfarktes nicht kodiert.
Krankenhaus A: Gesamtaufenthalt | |
Hauptdiagnose: | Myokardinfarkt |
Nebendiagnose(n): | Atherosklerotische Herzkrankheit Vorhandensein eines aortokoronaren Bypasses |